Protocol of the Session on July 4, 2012

Diese Frage haben wir viel zu leicht genommen.

(Bernhard Pohl (FREIE WÄHLER): Das gibt ein Parteiausschlussverfahren!)

Ich begrüße deshalb jeden Vorschlag, hier im Landtag so oft wie möglich über diese Frage zu diskutieren, um sie transparent zu machen. Vielleicht erkennt dann auch die Opposition

(Inge Aures (SPD): Sagen Sie nicht: Die Opposition!)

dass überzogene Anforderungen an den Haushalt kein Beitrag zur Stabilitätskultur sind, sondern eher das Gegenteil.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Nun geht das Wort an die SPD-Fraktion. Herr Kollege Horst Arnold steht bereit. Bitte schön.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Sinner, ich habe selten gesehen, dass man so vom Thema abschweifen kann, wie Sie das hier gemacht haben. À la bonne heure!

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Wenn die Rechte des Parlaments in Zukunft so gewahrt werden sollen, dann brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn wir um die Rechte kämpfen müssen. Wir reden jetzt über Beteiligungsrechte des Parlaments und nicht über den Fiskalpakt und Heldentaten, die von Ihnen in den vergangenen Jahren nicht verhindert werden konnten, weil das Volk nämlich ganz anders entschieden hat.

(Eberhard Sinner (CSU): Das ist Ihnen unangenehm!)

- Nein, das ist mir nicht unangenehm. Ich sage nur, vielleicht ist Ihnen bewusst, dass das Bundesverfassungsgericht am 30. Juni 2009 zum Lissabon-Vertrag entschieden hat, dass die Beteiligungsrechte von Bundestag und Bundesrat in EU-Angelegenheiten gestärkt werden müssen.

(Eberhard Sinner (CSU): Das haben wir begrüßt!)

Auch die regionale und lokale innerstaatliche Ebene sind Bestandteile des europäischen Mehrebenensystems und des europäischen Verfassungsverbundes. Das heißt für uns, regionale und lokale Selbstverwaltung berührt damit auch die nationale Identität der Mitgliedstaaten. Zudem werden die regionale und die lokale Ebene ausdrücklich in den Schutz des gemeinschaftlichen Subsidiaritätsprinzips einbezogen. Die Verantwortung für diese Wahrung des Subsidiaritätsprinzips als Frühwarnsystem liegt nicht nur bei den Organen der EU, sondern - Gott sei Dank - jetzt auch bei den nationalen Parlamenten.

Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, hat in seiner Rede am 25.04.2012 davon gesprochen, dass die Länderparlamente geradezu die Hüter dieses Subsidiaritätsprinzips sind, und das heißt für uns, dass die Einbeziehung der nationalen Parlamente in das Subsidiaritäts-Frühwarnsystem

Folgewirkungen auch auf die Beteiligungsrechte des Landtags gegenüber der Staatsregierung hat.

(Eberhard Sinner (CSU): Das haben wir für den Bundesrat alles ausgehandelt! Kein Einspruch!)

- Gut. Diese Beteiligungsrechte können sich nicht darin erschöpfen, dass etwas gemacht und vielleicht etwas berichtet wird, sondern das muss von vorneherein auf demokratischer Basis einbezogen werden. Innerstaatlich ist die entsprechende nationale Kompetenzordnung maßgebend, sodass neben dem Bundestag und dem Bundesrat vor allem auch die Länderparlamente einer frühzeitigen Information über europäische Gesetzgebungsakte sowie deren Entwürfe bedürfen.

Die SPD hat bereits Vorschläge gemacht, die in das Parlamentsbeteiligungsgesetz eingeflossen sind. Wir werden nicht müde werden, weiter daran zu arbeiten. Insofern bin ich den GRÜNEN auch dankbar, diese schwierige Baustelle wieder einmal ins Blickfeld gerückt zu haben. Hier geht es nicht nur um den Fiskalpakt, es geht um ganz andere Dinge, die auf EUEbene laufen. Der Bayerische Landtag sollte sich bei seinen ureigenen Funktionen nicht entrechten lassen; das gilt vor allem für die Gesetzgebung und das Budgetrecht. Wenn wir im Rahmen des Budgetrechts nicht mehr agieren können, weil europäische Vorgaben uns hindern, dann können wir uns nach außen auch nicht mehr glaubwürdig darstellen. Das wollen wir verhindern. Wir stimmen deshalb diesem Antrag und der in diesem Antrag zum Ausdruck kommenden Missbilligung zu.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Für die Fraktion der FREIEN WÄHLER darf ich nun Herrn Professor Dr. Michael Piazolo das Wort geben. Bitte schön.

Herr Präsident, meine sehr verehrte Damen und Herren! Frau Staatsministerin, vielen Dank dafür, dass Sie häufiger in den Bundes- und Europaausschuss kommen, um dort zu berichten. Ich glaube aber, dass sowohl mit dem Berichtsantrag der GRÜNEN als auch mit unserem Berichtsantrag gemeint war, dass wir hier im Plenum eine Debatte führen sollten.

(Eberhard Sinner (CSU): Kein Problem!)

- Das freut mich. Ich glaube nämlich, dass das Thema so wichtig ist, dass wir es im Plenum behandeln sollten, damit es auch die notwendige Öffentlichkeitswirksamkeit entfaltet. Weil Sie so begeistert gesagt haben: "Wir" - und damit meinen Sie wahrscheinlich die Staatsregierung - "können dankbar sein, dass wir

die Kanzlerin haben, und wir sind es", wollte ich Sie fragen, ob das auch der Ministerpräsident weiß.

(Beifall und Heiterkeit bei den FREIEN WÄH- LERN)

Insofern: Fragen Sie ihn einfach.

Wir werden den Antrag der GRÜNEN selbstverständlich unterstützen. Er geht genau in die Richtung, in die auch wir denken. Ich will nur einmal nachfragen: Hinsichtlich des Fiskalpakts ist mir die konkrete Ausgestaltung und die Eingriffsmöglichkeit in den Haushalt nicht bewusst. Da steht drin, wenn die Verschuldung über 0,5 % steigt, wird es einen Krisenautomatismus geben. Es steht aber nirgends, wie dieser Krisenautomatismus aussieht. Genau darum geht es mir aber. Wie sieht dieser Automatismus aus? Nehmen wir doch einmal den Fall, dass Bayern auch weiterhin diese hervorragende Haushaltsdisziplin zeigt. Was passiert, wenn Bayern auch künftig einen Haushalt ohne Neuverschuldung vorlegt, dann aber der Bund und andere Bundesländer anders agieren und wir auf einen Gesamthaushalt kommen, der eine Neuverschuldung hat? Was passiert denn dann? Greift der Krisenautomatismus dann auch in den bayerischen Haushalt und in unsere Kompetenz ein oder nicht? Das habe ich nirgendwo gefunden. Das sind Fragen, die mich wirklich interessieren.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Das würde bedeuten, was wir schon häufig haben, dass sich vielleicht andere Bundesländer verschulden können und Bayern dafür bestraft wird. Das kann es doch nicht sein.

In den Gesamthaushalt werden auch die Gemeinden eingerechnet. Daher stelle ich mir die Frage: Kann die EU-Kommission plötzlich aufgrund eines Fiskalpakts in gemeindliche Haushalte eingreifen?

Das sind Fragen, die wir hier zu diskutieren haben und auf die wir eine Antwort wollen. Wir wollen wissen, was in den Begleitgesetzen drinsteht. Wenn die Bundesregierung so etwas unterschreibt - unter dem Blickwinkel nach außen hin verstehe ich das -, wenn sie das nach innen, in staatliches Recht zieht, muss sie doch klären, was das konkret für die Parlamente bedeutet; denn das betrifft unsere Arbeit als Parlamentarier. Darüber wollen wir Aufklärung, und das möglichst bald. Deshalb stimmen wir diesem Antrag zu.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Vielen Dank, Herr Kollege. Nun darf ich Karsten Klein für die FDPFraktion das Wort geben, bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch wir werden dem Antrag der GRÜNEN zustimmen. Darin werden zwei wichtige Themen angesprochen. Das Thema der Teilhabe an solchen Beschlüssen wird auch in unserer Fraktion lebhaft diskutiert, ohne dass wir dafür schon eine Lösung hätten. Es treibt uns aber zunehmend um, dass gerade in der gegenwärtigen prekären Situation auf europäischer Ebene den Landesparlamenten Rechte genommen werden und wir keinen Einfluss auf formellem Wege haben. Dieser Diskussion müssen wir uns stellen. Das kann man jetzt noch nicht abschließend bewerten, und es ist sicher richtig, sich dieser Frage zu widmen.

Eine Missbilligung der Staatsregierung, von der einige Redner gesprochen haben, habe ich in Ihrem Antrag nicht gefunden. Ich würde sie auch nicht unterstreichen; denn es ist gemäß der Gesetzeslage gegen nichts verstoßen worden, und deswegen kann man nichts missbilligen. Man könnte nur missbilligen, wenn gegen irgendetwas verstoßen worden wäre.

Interessant finde ich Ihre Fragen zum Fiskalpakt. Eine Information ist immer wichtig. Ich habe auch volles Verständnis dafür, dass das gerade die GRÜNEN sehr interessiert; denn neben der Schuldenbremse wird noch weiterer Druck auf die Länder entstehen, in denen Sie mitregieren und die sich offensichtlich an die Schuldenbremse nicht halten wollen, zum Beispiel Nordrhein-Westfalen. Ich finde es daher interessant, dass Sie sich diesem Thema so sehr widmen und daran interessiert sind. Vielleicht wird das dazu führen, dass Sie sich in den Ländern, wo Sie Regierungsverantwortung tragen, endlich an die Regeln halten, die wir uns in der Bundesrepublik gegeben haben.

(Beifall bei der FDP und Abgeordneten der CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege. Für die Bayerische Staatsregierung darf ich nun das Wort an Staatsministerin Emilia Müller geben, bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Staatsregierung begrüßt sowohl den ESM-Vertrag als auch den Fiskalpakt; das habe ich vorhin schon gesagt. ESM und Fiskalpakt fixieren zentrale Eckpunkte einer europäischen Stabilitätsunion. Der Schritt in eine echte Stabilitätsunion ist richtig. Wir wollen die Schuldenkrise im Euroraum mit einer strikten Haushaltsdisziplin überwinden. ESM

Vertrag und Fiskalpakt sind am letzten Freitag mit einer Zweidrittelmehrheit - ich habe es schon gesagt beschlossen worden. Das zeigt die breite Unterstützung in Bundestag und Bundesrat für eine echte Stabilitätskultur.

Grundlegende Voraussetzung für die Zustimmung der Staatsregierung zu Fiskalpakt und ESM waren die in den Verhandlungen zwischen Bund und Ländern erzielten Vereinbarungen für die deutsche Umsetzung der neuen europäischen Vorgaben. Die Verhandlungen zur nationalen Umsetzung des Fiskalpaktes zwischen Bund und Ländern waren schwierig. Herr Dr. Runge, das Ergebnis dieser langwierigen Verhandlungen wurde als gemeinsamer Entschließungsantrag der A- und B-Länder eingebracht, und zwar Wort für Wort ohne eine einzige Änderung. Deshalb stehen wir auch dazu. Auch wir haben diesen Antrag mit eingebracht. Das Ergebnis kann sich auch sehen lassen. Über die grundgesetzlich vorgesehene deutsche Schuldenbremse hinaus werden durch den Fiskalpakt keine Belastungen oder Erschwernisse auf die Länder zukommen. Die Haushaltsautonomie der Länder bleibt gewahrt. Das ist auch ganz im Sinne der Dresdner Erklärung der Landtagspräsidentinnen und präsidenten. Ich glaube, das ist sicher auch ganz im Sinne unserer Landtagspräsidentin Frau Barbara Stamm

(Zuruf des Abgeordneten Prof. Dr. Michael Piazo- lo (FREIE WÄHLER))

Der Bund hat sich zudem bereit erklärt, alle möglichen Lasten, zum Beispiel Sanktionszahlungen, bis zum Jahr 2019 zu übernehmen.

Auch die Kommunen werden von den Vorgaben des europäischen Fiskalpakts nicht belastet, im Gegenteil. Wir haben gleich auf vier Feldern einen echten Durchbruch zur Entlastung der kommunalen Finanzen erzielt: beim Bundesleistungsgesetz, bei den Entflechtungsmitteln insbesondere für die kommunale Verkehrsinfrastruktur, bei der zusätzlichen Förderung von Kindertagesstätten und der Grundsicherung im Alter. Die verabredete Entlastung der Kommunen ist eine hervorragende Nachricht für die Städte und für die Gemeinden im Freistaat.

Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass die Staatsregierung selbstverständlich bereit ist, umfassend über die Verhandlungen zwischen Bund und Ländern zum Fiskalpakt zu berichten. Das Finanzministerium hat zuletzt am 24. April dieses Jahres im Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten den aktuellen Sachstand dargelegt. Wir nehmen also auch diesbezüglich unsere Verantwortung aus dem Parlamentsbeteiligungsgesetz sehr ernst und erfüllen

unsere daraus erwachsende Verpflichtung auch gerne.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der spezielle Fall der nationalen Umsetzung des Fiskalpakts war von besonderer Eilbedürftigkeit. Ziel der Bundesregierung war es, den Fiskalpakt zusammen mit dem ESM-Vertrag und der Änderung des Artikels 136 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union AEUV - im Paket zu beschließen. Das war in der Tat ein besonderer Kraftakt, sowohl für den Bundestag als auch für den Bundesrat; das dürfen Sie mir abnehmen. Die Verhandlungen waren sehr intensiv und bis zum Ende im Fluss. Eine umfassende und immer aktuelle Berichterstattung wäre angesichts der sich ständig verändernden Verhandlungslage nicht zu realisieren gewesen.

Wir haben uns im Bundesrat von Beginn an für die Rechte der Länder und Kommunen eingesetzt, und ich meine, mit großem Erfolg. Wir müssen den Rahmen für nachhaltiges Wachstum schaffen. Strikte Haushaltsdisziplin ist dafür unabdingbar. Bund und Länder haben sich zu dieser gemeinsamen Verantwortung bekannt und tragen den Fiskalpakt mit. Jetzt gilt es, den Fiskalpakt EU-weit mit Leben zu erfüllen, ernst zu nehmen und umzusetzen. Wir müssen den Weg der Haushaltsdisziplin weiterhin verfolgen. Das ist der Weg, der uns aus der Schuldenkrise führen kann. Wir müssen darauf achten, dass der Pakt richtig umgesetzt wird, auch in all den Ländern, die derzeit noch nicht ratifiziert haben. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Vielen Dank, Frau Staatsministerin. Bitte bleiben Sie noch hier; wir haben eine Zwischenbemerkung von Herrn Dr. Runge. Bitte schön.