Vielen Dank, Frau Staatsministerin. Bitte bleiben Sie noch hier; wir haben eine Zwischenbemerkung von Herrn Dr. Runge. Bitte schön.
Frau Staatsministerin Müller, Sie haben ausgeführt, die Staatsregierung würde sowohl den Fiskalpakt als auch den ESM-Vertrag begrüßen. Ich habe eine Frage im Zusammenhang mit dem Fiskalpakt. Wie beurteilen Sie denn die Saumseligkeit der EU-Kommission, was die Lieferung der von den Staaten doch so dringend gewünschten Grundsätze zu den Schuldenabbaupfaden und zum automatischen Korrekturmechanismus anbelangt? Da ist immer noch eine Leerstelle zu verzeichnen. Wie beurteilen Sie das?
Sie haben ausgeführt, die Staatsregierung würde Wort für Wort hinter der Entschließung des Bundesrates stehen. Wie verträgt sich Ihre Aussage mit der Tatsache, dass kurze Zeit nach dieser Entschließung ein wütendes Lamento seitens eines Mitglieds der
Staatsregierung kam, nämlich seitens des stellvertretenden Ministerpräsidenten; zumindest kam eine Warnung vor den Deutschland-Bonds. Was Minister Zeil gesagt hat, steht diametral dem entgegen, was Sie hier soeben ausgeführt haben.
Da fragen Sie am besten Minister Zeil selbst, der nachher gleich sprechen wird. Ansonsten bin ich der Auffassung, dass die Troika mehr darauf achten muss, dass die Umsetzung in den jeweiligen Staaten tatsächlich geschieht.
Wenn Sie Ihre Fragen präziser formulieren könnten, wäre ich gerne bereit, beim nächsten Mal genauer darauf einzugehen.
Frau Staatsministerin, in Ihrem ganzen Redebeitrag war kein Wort davon zu hören, dass Klagen beim Bundesverfassungsgericht anhängig sind. Sie haben so getan, als sei alles in trockenen Tüchern. Wie können Sie mit einem solchen Selbstbewusstsein diese Rede halten, ohne zu bedenken, dass das Bundesverfassungsgericht eventuell anders entscheidet?
Das war doch eine Phantomrede, bei der die Fakten, die das Bundesverfassungsgericht vielleicht setzt, gar nicht berücksichtigt wurden. Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hätte auch Auswirkungen auf die Entscheidung des Bundespräsidenten, der dann eventuell nicht unterschreibt.
Natürlich sind wir daran interessiert, dass das Bundesverfassungsgericht so schnell wie möglich eine Entscheidung trifft. Der Bundespräsident wartet auch darauf. Es ist das Recht der einzelnen Kläger, beim Bundesverfassungsgericht Klage einzureichen, um Punkte, die für sie nicht klar geregelt sind, zu präzisieren. Ich bedauere, dass es so ist. Ich hätte es gerne gehabt, dass der ESM und der Fiskalpakt zum 1. Juli mit der Unterschrift des Bundespräsidenten ratifiziert gewesen wären. Wir haben aber demokratische Vorgänge zu beachten und darauf zu achten, was das Bundesverfassungsgericht zu diesen Verträ
gen sagt. Das haben wir auch zu respektieren. Das war aber nicht die Frage, die in dem Antrag gestellt wurde.
Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung.
Wer dem Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 16/13049 seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. Ich sehe wieder Hände aus allen Fraktionen. Die Gegenprobe. - Enthaltungen? Damit ist auch dieser Dringlichkeitsantrag einstimmig beschlossen.
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Thomas Hacker, Karsten Klein, Dietrich Freiherr von Gumppenberg u. a. und Fraktion (FDP) Europaweite einheitliche Bankenaufsicht und Kontrollen der Reformfortschritte (Drs. 16/13050)
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Bernhard Pohl u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) Keine Direkthilfen an Banken und differenzierte Regulierungen im Bankenmarkt (Drs. 16/13067)
Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Erster Redner ist Herr Kollege Karsten Klein für die FDP-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Jetzt kommen wir zu dem, was ich vorhin schon angekündigt habe, nämlich zu den Diskussionspunkten, die sich aufgrund des Gipfels in der letzten Woche ergeben haben. Für uns ist es wichtig, dass von unserer Seite politische Klarstellungen erfolgen. Vorhin habe ich schon darauf hingewiesen, dass es zwar eine Erklärung des Gipfels gibt. Diese ist aber sehr dünn. Deshalb möchte ich von unserer Seite eines klarstellen. Wir sind sehr für den Aufsichtsmechanismus für Banken in Europa. Dieser Aufsichtsmechanismus darf aber nicht automatisch dazu führen, dass die direkte Kapitalisierung von Banken möglich wird. Damit besteht überhaupt erst die Möglichkeit, darüber zu entscheiden. Als Erstes muss ich für uns klipp und klar sagen, dass wir über diese Frage erst diskutieren und darüber eine Entscheidung fällen werden, wenn dieser Mechanismus existiert. Mit der Ankündigung, dass dieser Mechanismus eingeführt wird, darf diese Entscheidung noch nicht präjudiziert werden.
Ich persönlich - das möchte ich an dieser Stelle auch sagen - halte eine direkte Kapitalisierung von Banken für falsch. Ich bin der Meinung, dass neben der Verantwortlichkeit der Banken selbst in jedem Nationalstaat auch eine Bankenaufsicht Verantwortung trägt. Wenn wir die Staaten aus dieser Verantwortung entlassen, wenn die Bankenaufsicht versagt und wenn die Staaten versagen, müssen diese Staaten in Haftung genommen werden. Diese Kette würde durchbrochen, wenn wir die Banken direkt kapitalisieren würden. Das wäre eine Fehlentwicklung, und dieser Fehlentwicklung kann ich persönlich nicht zustimmen. Wie gesagt, bisher ist auf europäischer Ebene in diese Richtung noch nichts entschieden worden. Ich setze auch auf die Zusagen, die die deutsche Bundeskanzlerin gegenüber der FDP-Bundestagsfraktion gemacht hat. Ich habe mir davon berichten lassen. Ich hoffe, dass die Kanzlerin auch zu ihrem Wort steht.
Für uns ist ein weiterer Punkt wichtig. Wenn es zu einer direkten Kapitalisierung kommen würde, wäre eine Änderung des ESM-Vertrags nötig. Mit dieser Änderung müsste dann auch wieder der Bundesrat befasst werden. Das ist eine zusätzliche Hürde. Dann stellt sich auch die Frage, wie sich die Bayerische Staatsregierung zu diesem Ansinnen stellen wird. Fakt ist, dass auch innerhalb des ESM bei jeder Entscheidung ohne Deutschland nichts geht. Die Regelungen für unser Mitglied im Gouverneursrat sehen vor, dass dieser ohne Entscheidung im Bundestag Nein sagen muss. Wir brauchen dazu eine Entscheidung im Deutschen Bundestag. Das ist richtig, wichtig und nötig. Darauf werden wir auch in Zukunft bestehen.
Auch der nächste Punkt ist uns wichtig. In der europäischen Presse wurde es immer wieder publiziert. Wir stehen zu dem im ESM niedergelegten Prinzip, dass ohne Überprüfung und Kontrolle keine Hilfsmittel ausgezahlt werden. Ohne Reformen, ohne die Zusage von Reformen und ohne Einhaltung der Reformschritte darf es auch keine Auszahlung geben. Das ist ein Prinzip des ESM, ein Prinzip der neuen Stabilitätspolitik der Bundesregierung, das auch von der Staatsregierung in Bayern mitgetragen wird. Frau Müller, Sie haben es gesagt: Der ESM ist kein Selbstbedienungsladen. Er soll dazu auch nicht verkommen, nur weil sich einige südeuropäische Staaten in ihrer Ehre verletzt fühlen, wenn sie, sofern sie Unterstützung bekommen, eine Kontrolle über sich ergehen lassen müssen.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, es wäre für die europäische Idee und die europäische Entwicklung ein Schlag, wenn sich die Interpretation Montis
durchsetzen würde. Deshalb wollten wir in diesem Parlament klipp und klar sagen, dass wir diese Entwicklung ablehnen. Ich hoffe dabei auch auf Unterstützung aus dem gesamten Hause. Wir setzen darauf, dass der ESM seine Aufgabe, die Stabilitätspolitik in Europa wiederherzustellen, erfüllen kann.
Die nächste Wortmeldung kommt von Herrn Kollegen Pohl. Herr Roos, Sie sind nach Herrn Pohl der Übernächste.
Herr Präsident, Frau Staatsministerin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Dringlichkeitsantrag der FDP-Fraktion enthält fraglos einige Elemente, die wir mittragen, die wir für zustimmungsfähig halten. Es gibt aber eine ganz wesentliche Passage, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, die wir nicht mittragen können und dürfen. Nach der Begründung des Kollegen Klein dürften Sie Ihrem eigenen Antrag eigentlich auch nicht zustimmen.
Sie sagen, erst nach der Einrichtung des einheitlichen Aufsichtsmechanismus könne über die Möglichkeit der direkten Kapitalisierung von Banken in Notsituationen als Ultima Ratio entschieden werden. Damit öffnen Sie die Tür, meine Damen und Herren. Wir haben heute am Anfang der Sitzung über die BayernLB gesprochen. Wir haben ein jahrelanges quälendes Beihilfeverfahren über uns ergehen lassen müssen. Dieses Beihilfeverfahren war nötig, weil der Freistaat Bayern die BayernLB mit 10 Milliarden Euro unterstützen musste. Nachdem wir im Freistaat Bayern unsere nationalen Hausaufgaben gemacht haben, sagen wir, dass wir unter gewissen Voraussetzungen als Ultima Ratio vielleicht zustimmen werden, dass von Europa direkt Geld zur Rettung nationaler Banken gezahlt wird. Das kann doch nicht wahr sein. Wir müssen uns rechtfertigen, dass wir mit eigenem Geld eine eigene Bank retten, andere Banken aber werden von Europa gerettet.
Meine Damen und Herren, ich bin gespannt, welche Regeln für dieses Beihilfeverfahren gelten sollen. Wahrscheinlich würden nach den Vorstellungen der Urheber dieser Idee an diejenigen, die das Geld von Europa kriegen, geringere Anforderungen gestellt als an diejenigen, die sich national helfen.
Es kann nicht richtig sein, dass wir die Schleusen öffnen. Die Bundeskanzlerin hat es selbst ausgeschlossen, diese Banken durch Europa direkt zu unterstützen. Deshalb muss es der Bayerische Landtag missbilligen, dass die Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland hier einen Salto rückwärts gemacht hat.
- Herr Kollege Sinner, ich weiß, Sie sind nicht nur Experte für Spielbanken, sondern auch für Landesbanken und sonstige Banken. Sie sind ein Universalgenie. Es ist bedauerlich, dass der Herr Ministerpräsident Ihre Karriere so jäh beendet hat.
Meine Damen und Herren, der Bayerische Landtag muss über die Staatsregierung auf den Bund einwirken, dass eine direkte Kapitalisierung von Banken durch europäische Institutionen nicht nur gegenwärtig, sondern dauerhaft unterbleibt. Wir wollen keinen Haftungssozialismus. Wir wollen nicht für Fehler und Versäumnisse anderer Staaten und von Banken in anderen Staaten in eine kollektive Haftung genommen werden.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen auch bei den Banken zu einer Differenzierung kommen. Zwischen internationalen und systemrelevanten Großbanken und den hiesigen Kreditinstituten, also Sparkassen, Genossenschaftsbanken und kleinen Privatbanken, ist zu unterscheiden. Sehr geehrter Herr Kollege Dr. Bertermann, hier stimmen wir Ihnen übrigens zu. Die Konsequenzen, die Sie ziehen, sind jedoch die falschen. Wir müssen eine deutliche Trennlinie einziehen. Wir müssen die systemrelevanten Banken einer strengeren Aufsicht unterziehen, damit wir nicht in Geiselhaft genommen werden können und als Staat dafür geradestehen müssen, wenn einige wenige verhängnisvolle Fehler begangen haben.
In diesem Zusammenhang würde auch das Thema Managementhaftung auf die Tagesordnung gehören. Auch hier müssten wir deutliche Akzente setzen, was bisher noch nicht in ausreichendem Maße geschehen ist. Wir dürfen aber das Kind nicht mit dem Bade ausschütten. Was für die Großbanken richtig ist, muss nicht für die Regionalbanken gelten; denn diese waren nicht die Ursache der Krise, sondern haben uns aus der Krise herausgeholt. Das sollten wir einmal ganz deutlich sagen. Wir sollten das nicht nur sagen, sondern auch die richtigen politischen Konsequenzen daraus ziehen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP-Fraktion, weil wir aus dem genannten Grund Ihrem Antrag nicht zustimmen können, haben wir einen Dringlichkeitsantrag nachgezogen, mit dem wir deutlich fordern, dass keine Banken unter Rettungsschirme genommen werden sollen und keine nationalen Banken europäisch subventioniert werden dürfen. Es muss zwischen den überprüfungs- und beaufsichtigungswürdigen Banken und den Regionalbanken eine Trennlinie eingezogen werden.
Herr Kollege Pohl, ich sehe zwischen Ihnen und Rot-Grün Unterschiede. Das wird in der Oppositionszeit ab 2013 spannend.
Herr Kollege Pohl, Sie haben bestimmte Formulierungen der Kanzlerin herbeigezogen. In der Veröffentlichung heißt es:
Sobald unter Einbeziehung der EZB ein wirksamer einheitlicher Aufsichtsmechanismus für Banken des Euro-Währungsgebiets eingerichtet worden ist, hätte der ESM nach einem ordentlichen Beschluss die Möglichkeit, Banken direkt zu rekapitalisieren.
Sie haben behauptet, die Kanzlerin hätte Positionen geräumt und Zugeständnisse gemacht. Das kann ich überhaupt nicht sehen. Eine Gefahr besteht ohne Zweifel. Deshalb haben wir diesen Antrag eingebracht. Sie könnten uns mit unserem Signal an Berlin und Europa unterstützen, wenn Sie diesem Antrag zustimmen würden.