Protocol of the Session on July 4, 2012

wären. Ich bringe einmal zwei aktuelle Geschichten noch dazu.

Keine Etablierung von Restrukturierungsverfahren von Staaten, obwohl uns dieses immer versprochen worden ist. Da hat man immer gesagt: Ja, geordnete Insolvenz; wir kaufen jetzt Zeit ein, und bis dahin hat man dann Regeln für die geordnete Insolvenz von Staaten eingeführt. Alles schon wieder Schall und Rauch.

Und: Auch keine Beteiligung privater Gläubiger bei entsprechenden Schnitten. Auch das ist in jüngster Zeit geändert worden. Aber, Kolleginnen und Kollegen, da müssen wir uns auch gar nicht wundern, warum das so ist. Die wichtigsten Einflüsterer der Bundesregierung, vor allem des Bundesfinanzministeriums, waren ausgerechnet große Kanzleien, zu deren Kernmandantschaft wiederum Investmentbanken zählen. Ich kann sie namentlich benennen. Das waren wieder einmal: Hengeler-Mueller. Es waren wieder einmal Bruckhaus, Freshfields Deringer, die hier beraten und auch weitgehend die Feder geführt haben. Das sind in unseren Augen Zustände, wie sie eigentlich nicht sein dürften.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ein letzter Gedanke, es ist ja auch schon skizziert worden. Ich bezeichne es jetzt wirklich als Schweinsgalopp. Dieser Schweinsgalopp von Bundestag und Bundesrat war alles andere als angemessen. Wir hatten die Erste Lesung im Bundestag im März mit zwei Stunden Diskussion. Wir hatten jetzt gerade einmal dreieinhalb Stunden Diskussion im Bundestag, und das bei einer Materie von so großer Komplexität und so großer Tragweite. Sie kennen ja alle die fünf Gesetzentwürfe, um die es gegangen ist.

(Zurufe von der CSU)

Das war tatsächlich nicht angemessen. Das muss in Zukunft anders werden, und selbstverständlich gilt es, hier auch den Landtag einzubeziehen.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der FREIEN WÄHLER)

Vielen Dank, Herr Kollege. Für die FDP-Fraktion darf ich nun dem Kollegen Karsten Klein das Wort geben. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf vielleicht vorausschicken, dass auch wir dem Antrag der FREIEN WÄHLER, diesem Berichtsantrag, zustimmen, auch wenn ich der Meinung bin, dass viele Fragen nicht zwingend durch die Staatsregierung zu beantworten

wären, sondern dass man die, wenn man sich ordentlich informiert, auch selber beantworten kann. Aber okay!

Wir werden diese Diskussion auch führen. Was mir am Anfang der Debatte - wir behandeln heute mehrere Anträge - wichtig ist, und es ist, glaube ich, gerade beim Antrag der FREIEN WÄHLER wichtig: dass man noch einmal auf den Geist von Europa hinweist.

Uns als FDP ist es wichtig, dass es uns in Europa nach Jahrhunderten gegenseitiger Kriegführung gelungen ist, einen Prozess anzustoßen, der in die EU gemündet ist, der dafür gesorgt hat, dass wir Frieden in Europa haben, dass wir gemeinsam Wohlstandszuwachs haben, dass wir Stabilität in Europa haben. Uns ist das ein hohes Gut. Das ist für uns eine Tatsache, die einen sehr hohen Wert hat. Deshalb werden wir weder populistisch noch leichtfertig über diese Europäische Union und auch über den Euro-Währungsraum, der dazugehört, hinweggehen. Deshalb glaube ich, dass man an dieser Stelle, auch wenn man über ESM, Fiskalpakt und die neuen Diskussionen - Herr Dr. Runge, ich bin selbst überrascht, welche fixen Beschlüsse Sie alle kennen, die nirgendwo veröffentlicht und offensichtlich nur Ihnen zugeschickt worden sind, wahrscheinlich vom italienischen Präsidenten persönlich -

(Dr. Martin Runge (GRÜNE): Sie müssen mal lesen!)

- Nein, ich habe es gelesen und werde es Ihnen nachher auch in unserem Antrag zitieren. Das, was Sie gesagt haben, steht nicht in den Beschlüssen, die letzte Woche gefasst worden sind. Dieser kleine Beschluss, der gefasst worden ist, steht dort überhaupt nicht drin. Aber mehr dazu nachher, wenn es in unserem Antrag um dieses Thema geht.

Wichtig ist doch, dass wir diesen Euro-Raum gemeinsam wollen, und es war von Anfang an auch so ausgelegt, dass Stabilität herrscht. Dass wir in dem EuroRaum verschiedene Geister haben, wenn es um Währungsführung geht, dass wir den Versuch über Maastricht herbeigeführt haben, diese Stabilität zu halten, diese Stabilitätsvorgaben jedoch aufgeweicht worden sind und wir nun nach diesen dramatischen Entwicklungen auf dem Finanzmarkt in einen Prozess eingetreten sind, um wieder in eine Stabilitätsunion zu münden, dafür sind der Fiskalpakt und der ESM die Grundvoraussetzungen. Jemand, der sich dagegen ausspricht und dann aber keine andere Lösung anbietet, wie übrigens auch Sie, Herr Dr. Runge - - Sie haben zwar gesagt, dass wir Kritiker uns sachlich damit auseinandersetzen; das spreche ich Ihnen auch gar nicht ab, Sie haben aber auch keine Lösung die

ses Problems vorgestellt, das in Europa zweifelsohne existiert.

Wir brauchen einen Weg in die Stabilität, und es ist wichtig, dass Solidarität, die gerade von den südeuropäischen Staaten eingefordert wird, keine Einbahnstraße ist und der ESM-Vertrag so, wie er aufgesetzt ist und jetzt auch im Deutschen Bundestag und im Deutschen Bundesrat beschlossen wurde, keine Solidarität in einer Einbahnstraße ist. Deshalb, lieber Kollege Halbleib, denke ich, ist es auch für die Sozialdemokraten absolut vertretbar, dass sie in großen Teilen zugestimmt haben - wie auch unsere Fraktion im Deutschen Bundestag. Das ist doch wirklich zu begrüßen.

(Volkmar Halbleib (SPD): Das kann man nur begrüßen, anstatt zu kritisieren!)

Am Anfang der Debatte fand ich etwas traurig - das muss ich an dieser Stelle schon sagen -, dass die SPD - nicht Sie persönlich, aber die SPD auf Bundesebene - diese Zustimmung apokalyptisch an diesem Wachstumspaket festgemacht

(Volkmar Halbleib (SPD): Apodiktisch! - Natascha Kohnen (SPD): Apodiktisch!)

und damit die Position der Bundeskanzlerin bei den Verhandlungen geschwächt hat.

(Beifall bei der FDP)

Deshalb sind diese Interpretationen, die Herr Dr. Runge jetzt schon so genau ausgeführt hat, weil er offensichtlich über genaue Feststellungen verfügt, überhaupt möglich gewesen.

(Volkmar Halbleib (SPD): Lieber Kollege Klein, das ist wirklich unter Ihrem Niveau!)

- Sie haben das jetzt noch sehr nett formuliert, Herr Kollege Halbleib. Aber wenn man sich die Rede von Herrn Gabriel im Deutschen Bundestag durchliest, kann man nur sagen, es ist, gelinde gesagt, eine Frechheit, sich im Deutschen Bundestag hinzustellen und zu behaupten, dass die Bundeskanzlerin und die Bundesregierung dafür verantwortlich wären, dass in Spanien, Portugal und anderen südlichen europäischen Staaten eine hohe Jugendarbeitslosigkeit herrscht. Liebe Freunde, das ist doch kein Umgang in der politischen Auseinandersetzung bei einem Thema dieser Dimension!

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Wir haben mit dieser Politik in dieser schwarz-gelben Regierung für niedrigste Jugendarbeitslosigkeit in

ganz Europa gesorgt. Das sind die Fakten hier vor Ort. Wir haben für Wachstum gesorgt. Das werden wir auch in Bayern weiterhin tun, deshalb finde ich es traurig, wenn in der Debatte auf Bundesebene so argumentiert wird.

Noch einen letzten Satz zum Thema Targets. Diesen Ausflug habe ich überhaupt nicht verstanden; denn die Target-Problematik ist eine Problematik der Zentralbanken, der Bundesbank, der EZB, und gerade wir Deutschen sind jene, die sich für die Unabhängigkeit dieser Institute ausgesprochen haben. Dass Sie nun politische Einflussnahme fordern - egal, wie wir das erst einmal beurteilen; ich halte den explosionsartigen Anwuchs der Target-Sätze auch für falsch -, und ausgerechnet die Bundesregierung verantwortlich machen und politische Intervention wünschen, finde ich schon sehr bemerkenswert. Aber das werden wir uns mit Sicherheit für die weitere Diskussion vormerken.

(Beifall bei der FDP und Abgeordneten der CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege. Entschuldigen Sie das Missverständnis, aber das Signal bedeutete Zwischenbemerkung oder Zwischenfrage. Mittlerweile haben wir uns geeinigt, aber jetzt ist es eine Zwischenbemerkung geworden. Kollege Halbleib setzt dazu an; bitte schön.

Ich bedanke mich für die Überleitung und Interpretation. - Ich habe nur eine Frage, Herr Kollege Klein, bzw. eine Bemerkung, je nachdem, wie Sie es auffassen wollen:

Sie müssen schon zur Kenntnis nehmen, dass es auf europäischer Ebene 24 Gipfel gab, die sich mit notwendigen Dingen in der Frage der Fiskalpolitik befasst haben, und wir während der gesamten Krisenreaktionszeit seit zweieinhalb Jahren eine dramatische Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation in Europa, eine massive Verschlechterung der finanziellen Situation der problematischen Staaten sowie eine drastische Zunahme der Jugendarbeitslosigkeit haben und dies eine Bilanz ist, die man ebenfalls zur Kenntnis nehmen und zu der man sagen muss: Allein damit kommt man nicht weiter.

(Philipp Graf von und zu Lerchenfeld (CSU): Deshalb sind in Spanien die Sozialisten abgewählt worden!)

Deshalb ist es zwingend notwendig zu würdigen, dass wir die Fiskalpolitik um eine vernünftige, nach vorn gerichtete Wachstumspolitik ergänzen. Das wäre ein wichtiges Eingeständnis von Ihrer Seite.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege, zur Erwiderung, bitte.

Zuallererst sind wir uns in der Situationsbeschreibung einig, aber den Schluss zu ziehen, dass die Verantwortung für diese Situation die Deutsche Bundesregierung bzw. die deutsche Bundeskanzlerin trägt, das finde ich - Entschuldigung! absurd.

(Beifall bei der CSU - Volkmar Halbleib (SPD): Warum?)

Denn das stellt in den Raum, dass diejenigen, die dort politisch gehandelt und diese Staatsverschuldung aufgebaut haben - - Wenn ein Land wie Spanien im November letzten Jahres angibt, dass es 6 % Defizit aufweisen wird, am Ende des Jahres jedoch feststellt: Oops, es sind 9 % - sieht das nach ordentlicher Haushaltsführung aus?

Dass Sie nun diese Situationsbeschreibung, der ich zustimme, der deutschen Bundeskanzlerin zum Vorwurf machen - Entschuldigung! -, diesen Zusammenhang kann ich nicht erkennen.

(Volkmar Halbleib (SPD): Wem denn sonst? Wer macht denn die Gipfelpolitik?)

Er befreit die politisch Handelnden in diesen Ländern, und diese tragen die Verantwortung für diese Lage.

Vielen Dank, Herr Kollege. Bitte bleiben Sie noch, es gibt noch eine weitere Zwischenbemerkung. Nur ein Hinweis: Ich darf Zwischenfragen an die eigene Fraktion nicht zulassen, darauf haben wir uns geeinigt; aber Herr Dr. Runge gehört bekanntlich einer anderen Fraktion an und hat nun das Wort; bitte schön.

Das waren sehr, sehr spannende Ausführungen von Ihnen. Ich frage mich, ob Sie eine Ahnung haben oder beantworten wollen, wer die Bilanzlücken sowohl bei der EZB als auch bei der Bundesbank ausgleichen muss. Das sind die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, niemand anderer.

Nochmals zu den Punkten, die sich in jüngster Zeit geändert haben: Erstens sind die drei entscheidenden Punkte auch vom Vorredner der CSU angesprochen worden, was den Gipfel betrifft. Aber die Punkte, die ich - dazu könnte ich Ihnen viel mehr nennen - ausgeführt hatte, wie - erstens - keine Gläubigerbeteiligung bei Schnitten und- zweitens - keine Restrukturierungsregelungen für Staaten, das waren nicht Infos von irgendwelchen Italienern, sondern Infos Ihres Koalitionspartners in Berlin. Ich kann Ihnen zitieren, was der

zuständige Obmann, der Vorsitzende der Arbeitsgruppe Haushalt der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Norbert Barthle, ausgeführt hat, um diese Änderungen gegenüber der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag zu begründen.

Er sagte, Restrukturierungsregeln für Staaten oder Gläubigerbeteiligung würden Unruhe an den Märkten für Staatsanleihen auslösen. Aus diesem Grund gab es massive Widerstände aus den anderen Staaten, deshalb hat man es bleiben lassen. - Dies ganz aktuell aus der CDU/CSU-Fraktion; bekommen habe ich es von einem Kollegen der CSU aus dem Bundestag.

Vielen Dank, Herr Kollege. - Kollege Klein zur Erwiderung.

Die letzten zwei Punkte, die Sie jetzt genannt haben, hatte ich damit explizit nicht gemeint,