Protocol of the Session on April 25, 2007

(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Wenn Sie Bürokratieabbau ernst nehmen, dann müssen Sie auf die Kritik des Normenkontrollrates in irgendeiner Form reagieren, und Sie können nicht sagen: Das muss man so hinnehmen – oder, wie der Kollege Dupper: Diese Reform hat Haken und Ösen. Das schlucken wir. – Das geht nicht. Dann lösen Sie den Normenkontrollrat auf und sagen: Das Steuerrecht wird schwieriger, das müssen wir schlucken.

Noch etwas kommt hinzu, und damit bin ich bei Ihnen, Herr Minister. Wenn das Steuerrecht komplizierter wird, wenn es so komplex ist, dass selbst unsere Prüfer draußen längere Zeit brauchen, um eine Prüfung abzuschließen, dann wissen Sie ganz genau, was passiert. Die Prüfer haben heute schon nicht die Zeit, die Firmen so zu prüfen, wie es eigentlich notwendig wäre. Die Folge sind sinkende, nicht steigende Steuereinnahmen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie haben gesagt, mit dieser neuen Reform würden die Funktionsverlagerungen nach ihrem Gewinnpotenzial ins Ausland besteuert. Das stellt doch gerade erst den Steueranreiz dar, dass nicht nur die Produktion wie bisher ins Ausland verlagert wird, sondern auch die Forschung. Das ist doch klar. Dadurch werden Innovationen in Bayern verhindert. Das ist doch kontraproduktiv.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dann verlagere ich natürlich die Forschung, die kostenintensiv ist und die Gewinne schmälert, auch ins Ausland. Dann habe ich alles, was wir eigentlich vermeiden wollten – davon gehe ich jedenfalls aus, Herr Minister.

Jetzt möchte ich etwas zitieren von einem aus der CSU,

(Eduard Nöth (CSU): Wer denn?)

aus dem Bundeswirtschaftsministerium, dann wissen Sie, wenn ich meine –, der sagt,

Personengesellschaften mit einem Betriebsvermögen zwischen 210 000 und etwa 400 000 Euro müssen mit den schlechteren Abschreibungsbedingungen leben, ohne im Gegensatz dazu zu profitieren. Zum anderen nützt ihnen auch die Ausweitung des sogenannten Investitionsbezugsbetrags nichts, da die Firmen auf ein Betriebsvermögen von maximal 210 000 Euro begrenzt sind.

Auf der anderen Seite sorgen die Abschaffung der degressiven Abschreibung und die Einführung einer Wertzuwachssteuer für eine massive Erhöhung der Kapitalkosten. Das zu der Aussage, Sie würden den Mittelstand mit dieser Reform fördern.

Ich meine, Sie können nicht so tun, als wären die Kritikpunkte, die genannt wurden, so einfach wegzuschieben, und Sie könnten sich einfach darauf konzentrieren, dieses Gesetz durchzupeitschen. Schauen Sie darauf. Im Bundesrat haben wir die Möglichkeit, Sie, Herr Minister, besonders, noch Änderungen vorzunehmen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Damit ist die Aussprache geschlossen, und wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Dringlichkeitsantrag der Fraktion der GRÜNEN, Drucksache 15/8038, seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Der Antragsteller – oder die Antragstellerin. Gegenstimmen? – Die beiden anderen Fraktionen. Gibt es Enthaltungen? – Damit ist der Dringlichkeitsantrag abgelehnt.

Die restlichen Dringlichkeitsanträge 15/8039, 15/8040 und 15/8041 werden im Einvernehmen mit den Fraktionen in die zuständigen Ausschüsse verwiesen.

Wir fahren in der Tagesordnung fort. Ich rufe Tagesordnungspunkt 8 auf:

Abstimmung über Anträge, die gemäß § 59 Abs. 7 der Geschäftsordnung nicht einzeln beraten werden

Hinsichtlich der jeweiligen Abstimmungsgrundlage mit den einzelnen Voten der Fraktionen verweise ich auf die Ihnen vorliegende Liste.

(siehe Anlage 2)

Wer mit der Übernahme seines Abstimmungsverhaltens bzw. dem jeweiligen Abstimmungsverhalten seiner Fraktion entsprechend der aufgelegten Liste einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Dann ist das so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 9 auf:

Antrag der Abg. Margarete Bause, Dr. Sepp Dürr, Maria Scharfenberg u. a. u. Frakt. (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Tempolimit auf Autobahnen (Drs. 15/7238)

(Zurufe von den GRÜNEN)

Entschuldigung. Darf ich daraus schließen, dass der Punkt Tempolimit auf Autobahnen ganz abgesetzt wird?

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Nummer 4! – Joachim Wahnschaffe (SPD): Das Parlament ist der Souverän!)

Dann rufe ich jetzt Tagesordnungspunkt 4 auf:

Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung der Sozialgesetze (Drs. 15/7251) – Zweite Lesung –

Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Die Redezeit beträgt zehn Minuten. Erste Wortmeldung: Herr Kollege Unterländer.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Änderung des AGSG ist erforderlich, weil die Bezirke als Träger sowohl für die Bezirkskrankenhäuser als auch für die forensischen Abteilungen dort unterschiedliche Rechtsformen haben. Im normalen Bereich der Bezirkskrankenhäuser haben sie in vielen Fällen bereits die Rechtsform der GmbH eingeführt. Aufgrund fehlender rechtlicher Grundlagen konnten sie dies für den forensischen Bereich nicht tun. Dort mussten sie bisher als kommunale Eigenbetriebe geführt werden.

Erschwernisse sind nicht nur zwei verschiedene Steuer- und auch Betriebsverfassungsrechte, sondern insgesamt eine mangelnde Flexibilität im wirtschaftlichen und im klinischen Führungsverfahren für die Einrichtungen. Deswegen ist es ein dringendes Anliegen sowohl aus fachlicher als auch aus wirtschaftlicher Sicht, dass auch die forensischen Abteilungen in private Rechtsformen entlassen werden. Dies sieht der Gesetzentwurf vor, dem der federführende und auch der mitberatende Ausschuss mehrheitlich zugestimmt haben.

Lassen Sie mich in aller Kürze noch auf Punkte eingehen, die bei der Aussprache im federführenden Ausschuss genannt worden sind. Ich darf feststellen, dass dieser Gesetzentwurf ausdrücklich keine Privatisierung an sich vorsieht, sondern eine Umwandlung der Rechtsform, deren Notwendigkeit innerhalb des gesamten Spektrums der Krankenhauslandschaft ich schon kurz dargestellt habe. Es ist kein Sparmodell zulasten der Einrichtungen, aber es bringt mehr wirtschaftliche Effizienz, weil die Flexibilität in den Entscheidungen größer wird.

Es ist kritisiert worden, dass es insgesamt in der Forensik in den letzten Jahren zu wenig Fortschritte gegeben habe. Ich möchte dem vehement widersprechen und feststellen, dass gerade in puncto Sicherheit und bauliche Maßnahmen im Hinblick auf die unheimlich stark steigenden Fallzahlen Gegenmaßnahmen ergriffen worden sind. Wir benötigen aber – und daran arbeiten wir gemeinsam – ein inhaltliches Gesamtkonzept,

(Joachim Wahnschaffe (SPD): So ist es! Das brauchen wir!)

das die Ursachen für den Anstieg der Fallzahlen ins Auge fasst und auch zu reduzieren versucht. Das fordert auch zum Teil bundesrechtliche Änderungen. Außerdem brauchen wir neue Konzepte in der Therapie, die als solche allgemein akzeptiert werden.

Ich möchte in diesem Zusammenhang klarstellen, dass die Forensik immer in der zwiespältigen Situation ist, zum einen Therapie durchführen zu sollen, zum anderen die Sicherheit der Bevölkerung nicht außer Acht lassen zu dürfen. Ich möchte ganz klar feststellen: Maßnahmen der Therapie dürfen nicht zulasten der Sicherheit der Bevölkerung gehen.

Die Forensik insgesamt ist einzubetten – dazu liegt bereits ein Entwurf vor, mit dem sich der Bayerische Landtag auseinandersetzen wird – in den Landespsychiatrieplan. Ich denke, wir sind im Sinne eines übergreifenden Gesamtkonzeptes in der bayerischen Psychiatriepolitik auf einem richtigen Weg.

Herr Kollege Wahnschaffe, ich darf Sie persönlich ansprechen. Sie haben in unseren Sozialausschussberatungen die Änderungen des AGSG als – ich habe es mir noch einmal angeschaut – Echternacher Springprozession bezeichnet.

Das möchte ich so nicht stehen lassen. Ich habe es schon damals nicht akzeptiert.

(Zuruf des Abgeordneten Joachim Wahnschaffe (SPD))

Sie wissen genau, dass das Ausführungsgesetz zum Sozialgesetzbuch ein sehr breites Spektrum von Ausführungsbestimmungen zu sozialrechtlichen Bestimmungen enthält. Dass es hier ständig Änderungsbedarf gibt, ist klar. Ich habe Ihnen bereits prophezeit und tue das auch heute, dass wir uns im Laufe der Jahre immer wieder mit inhaltlichen Veränderungen auseinandersetzen müssen.

Vor dem Hintergrund der genannten Notwendigkeiten bitte ich Sie, der Änderung des AGSG in der Fassung des federführenden Ausschusses zuzustimmen, damit die Flexibilität auch in der Forensik in den Bezirkskrankenhäusern einkehren kann.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Wahnschaffe. Herren Kollegen Wahnschaffe und Welnhofer, ich bitte darum, die Regensburger Probleme, die Sie haben, woanders zu besprechen.

(Zuruf des Abgeordneten Peter Welnhofer (CSU))

Herr Welnhofer, ich habe ja nur gemeint. Herr Wahnschaffe hat das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn es heute nur um einen formalen Rechtsakt ginge, bräuchte man nicht viele Worte darüber zu verlieren. Darüber, dass die Umwandlung in GmbHs notwendig ist, um auf einer sicheren Rechtsgrundlage agieren zu können, besteht keine Meinungsverschiedenheit. Aber, Herr Kollege Ettengruber, Sie haben sich zu früh gefreut; denn es geht hier um Probleme, die durch die Gesetzesänderung in keiner Weise gelöst werden und die weiter einer Lösung harren. Herr Staatssekretär, es wäre schön, wenn Sie heute im Anschluss dem Hohen Haus in einer wohldurchdachten Rede mitteilen könnten, wie die Staatsregierung diese Probleme zu lösen gedenkt. Ich darf sie Ihnen namentlich benennen:

Zunächst einmal haben wir seit Jahren ein Phänomen – das liegt dem Gesetzgebungsakt zugrunde –, eine Entwicklung, die niemand beeinflussen kann außer den Gerichten selbst. Die Gerichte sind – jedenfalls nach unserer derzeitigen Verfassung – unabhängig und haben nach freiem Ermessen im Rahmen von Recht und Gesetz darüber zu entscheiden, ob jemand zu einer Gefängnisstrafe oder zu einer Maßnahme gemäß § 63 oder § 64 des Strafgesetzbuchs verurteilt wird. Das hat zur Folge, dass in der Vergangenheit immer mehr Gerichte der Meinung waren, dass ein Täter – aus welchen Gründen auch immer – nicht voll verantwortlich und deswegen Maßnahmen nach § 63 bzw. § 64 zuzuführen ist.

Diese Praxis hat zu vollen Häusern geführt, über die wir uns vielleicht anderweitig, aber nicht im vorliegenden Fall freuen. Das Ganze hat auch dazu geführt, dass sich die baulichen Mängel, die in der Vergangenheit völlig unbeachtet geblieben sind, als ein Riesenproblem herausgestellt haben. Es war ja nicht so, dass die Staatsregierung aus freien Stücken gehandelt hat, sondern sie hat gehandelt, weil ihr die Täter in Massen weggelaufen bzw. – schlimmer – ausgebrochen sind. Darunter waren nicht nur harmlose Täter, sondern auch hoch kriminelle. Diese Entwicklung ist leider bis heute nicht zu 100 % gestoppt. Jedenfalls kann man sagen, dass die Bezirkskliniken nicht so sicher sind wie die bayerischen Justizvollzugsanstalten. Wenn ich recht unterrichtet bin – Herrn Kollege Schindler, ich sehe ihn gerade nicht –, haben die Justizvollzugsanstalten eine Entweichensquote von 1 %. Diese Quote liegt bei den Bezirkskrankenhäusern wesentlich höher. Das hat natürlich spezifische Gründe.

Meine Damen und Herren, es geht darum, ein Konzept dafür zu entwickeln, wie man den verschiedenen Anforderungen des Gesetzes Rechnung tragen kann. Erstens geht es darum, Sicherheit zu schaffen. Es geht darum, dass diese Täter nicht ausbrechen und dass sie keinen Schaden zum Beispiel durch zu frühe Entlassung anrichten können.

Zweitens muss man dafür sorgen, dass die Gelder, die von Jahr zu Jahr sprunghaft gestiegen sind, nicht zum Fenster hinausgeworfen werden, indem man die Leute zusammenpfercht. Das Ziel, dass die Therapie die Menschen wieder an ein ordentliches Leben ohne Straftaten heranführen und ihre psychische Gesundheit wiederherstellen soll, rückt in immer weitere Ferne, weil die Anstalten so überbelegt sind, dass ausnahmsweise sogar Akutabteilungen in Anspruch genommen werden müssen, um die Täter unterzubringen. Von einer geordneten Therapie, die das Gesetz fordert, kann also keine Rede sein. Deswegen ist das viele Geld, das dafür ausgegeben wird, nicht zweckgerichtet investiert.