Protocol of the Session on March 29, 2007

Auf die Koppelung des Landeserziehungsgeldes mit der U 6 und der U 7 komme ich noch zu sprechen. Zunächst möchte ich Ihnen einen Vorschlag machen, wie Sie den Familien besser helfen könnten: Es wäre wesentlich effektiver – wir werden im Laufe des Tages zu diesem Thema noch über unseren Gesetzentwurf beraten –, Kinderkrippenplätze und Kinderbetreuungsplätze zu schaffen statt das Landeserziehungsgeld mit der Gießkanne zu verteilen. Wir müssen den Familien – wenn die Eltern berufstätig sind – eine Perspektive zur Betreuung und zur Förderung der Kinder bieten. In Bayern werden nur 7 % des Bedarfs abgedeckt. Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein, aber keine Perspektive für die Eltern.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Deshalb müssen die Kinderbetreuungsplätze in Bayern massiv ausgebaut werden. Sogar Ihre eigene Bundesfamilienministerin fordert einen Ausbau auf 35 %. Dahinter bleiben Sie weit zurück. Frau Kollegin Stierstorfer, Sie brüsten sich damit, dass Sie Geld ausgeben. Geld ausgeben ist es nicht allein. Es geht darum, das Geld für die richtigen Dinge auszugeben. Die richtigen Dinge in diesem Zusammenhang sind Kinderbetreuungsplätze, die Eltern wirklich helfen, und nicht lächerliche Beruhigungspillen, die den Eltern bei ihrem Leben mit Kindern nicht weiterhelfen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Sie helfen den Familien auch nicht mit Ihrem Spargesetz, dem Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz – BayKiBiG –, das sich immer mehr als Flop erweist, weil es Eltern in ihrer Wahlfreiheit einschränkt und Erzieherinnen das Leben schwer macht. Dieses Gesetz ist weiß Gott nicht dazu angetan, Menschen zum Kinderkriegen zu ermutigen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Andere Länder, die Kinderkrippen und das Kinderbetreuungsangebot als Recht der Eltern festgeschrieben haben, haben höhere Geburtenraten. Das kommt nicht von ungefähr. Dort haben die Eltern Sicherheit. Diese Sicherheit haben sie in Bayern nicht.

Nun komme ich zu den Untersuchungen U 6 und U 7. Frau Kollegin Stierstorfer hat vorhin gesagt, dies wäre Prävention. Da muss ich wirklich lachen. Das ist nicht Prävention, sondern Kontrolle.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Prävention sieht anders aus. Prävention wäre es, für Familien begleitende Maßnahmen und sozialpädagogische

Beratungsmöglichkeiten zu schaffen. Beratungsstellen müssten geschaffen werden, die Sie abgebaut haben.

(Joachim Unterländer (CSU): Was?)

Ja. Im Jahre 2004 haben Sie im Nachtragshaushalt Beratungsstellen abgebaut, die dringend notwendig gewesen wären. Prävention bedeutet auch, Zeit für Erzieherinnen-Eltern-Gespräche zu schaffen. Diese Zeit haben die Erzieherinnen durch Ihr BayKiBiG nicht mehr. Sie können die Eltern nicht mehr begleiten. Erzieherinnen sehen die Kinder jeden Tag. Der Kinderarzt sieht sie bestenfalls einmal im Jahr. Wie wollen Sie da eine Familie begleiten? Das ist völlig unmöglich. Frau Kollegin Stierstorfer, in den Intervallen zwischen den Untersuchungen kann ein Kind verhungern oder verwahrlosen; das werden Sie mit Ihrer Prävention nicht bemerken.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zu Ende gedacht ist das keine Politik für Kinder, sondern ein Selbstbeweihräucherungsinstrument der CSU. Ich fordere Sie auf: Schneiden Sie endlich diese alten Zöpfe ab. Weg mit diesem Ladenhüter „Landeserziehungsgeld“. Investieren Sie endlich in frühkindliche Bildung. Bauen Sie Kinderkrippenplätze aus. Helfen Sie den Eltern effektiv. Wir werden Ihren Gesetzentwurf ablehnen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Aussprache ist geschlossen. Im Einvernehmen mit dem Ältestenrat schlage ich vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Sozial-, Gesundheits- und Familienpolitik als federführendem Ausschuss zu überweisen. Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.

Den nächsten Tagesordnungspunkt muss ich im Moment zurückstellen. Die Liste liegt noch nicht vor, da ein Votum der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN fehlt.

Ich rufe deshalb Tagesordnungspunkt 4 auf:

Gesetzentwurf der Staatsregierung für ein Gesetz zur Erweiterung und Erprobung von Handlungsspielräumen der Kommunen (Druck- sache 15/6415) – Zweite Lesung –

hierzu:

Änderungsanträge von Abgeordneten der SPD-Fraktion auf den Drucksachen 15/6864 und 15/7198 Änderungsanträge von Abgeordneten der CSU-Fraktion auf den Drucksachen 15/6814, 15/7230, 15/7455, 15/7477, 15/7500 und 15/7543

Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Im Ältestenrat wurde hierzu eine Redezeit von zehn Minuten pro Fraktion vereinbart. Erster Redner ist Herr Kollege Herold.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Entwurf der Staatsregierung für ein

Gesetz zur Erweiterung und Erprobung der Handlungsspielräume der Kommunen ist, wie ich meine, ein ganz wichtiger und entscheidender Eckpfeiler in der Deregulierungsstrategie der Bayerischen Staatsregierung. Dies ist auch ein großes Vorhaben der CSU-Landtagsfraktion. Aus diesem Grunde begrüßen und unterstützen wir diesen Gesetzentwurf. Er passt, wie ich meine, in das große Konzept „Verwaltung 21 – Reform für ein modernes Bayern“. Darauf aufbauend – das sage ich ganz bewusst – werden wir einen Paradigmenwechsel erreichen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, gerade von der kommunalen Seite wird immer mehr beklagt, dass staatliche Vorgaben, die den Kommunen für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben und für den Vollzug der Gesetze gemacht werden, immer wieder zu starken Kostenbelastungen führen. Unsere Kommunen sehen sich dadurch in der so genannten kommunalen Selbstverwaltung eingeschränkt. Ich denke, gerade die kommunale Finanzsituation muss vorrangig über Entlastungen bei den Ausgaben verbessert werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie wissen alle, dass die Bürokratie unsere Kommunen sehr viel Geld kostet.

Durch diesen Gesetzentwurf der Staatsregierung sollen die landesrechtlichen Spielräume für die Kommunen, sowohl in ihrem eigenen als auch im übertragenen Wirkungskreis, erweitert werden. Ein großer Teil des Vorhabens besteht in der sofortigen Aufhebung von Vorschriften des Landesrechts, durch die unsere Kommunen besonders belastet werden. Betroffen hiervon sind das Gesetz über die Kommunale Zusammenarbeit, das Bayerische Straßen- und Wegegesetz, das Gesetz über den Öffentlichen Personennahverkehr in Bayern, das Bayerische Wassergesetz sowie das Gesetz über Zuständigkeiten im Verkehrswesen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein ganz wichtiger Punkt sind die weiteren Regelungen, die die Erleichterungen von Standards betreffen, die für eine Probephase von vier Jahren innerhalb ausgewählter Modellkommunen erprobt werden sollen. Im letzten Jahr der Erprobungsphase soll beurteilt werden, ob sich die Erleichterungen bewährt haben und somit landesweit umgesetzt werden sollten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie alle wissen, dass das Thema „Denkmalschutz“ bei uns eine große Diskussion ausgelöst hat. Dieser Gesetzentwurf der Staatsregierung enthält Vorschläge zum Denkmalschutz. Darüber wurde sehr intensiv diskutiert. Aus eigener Erfahrung als Bürgermeister kann ich sagen, dass sich die Kommunen und der Denkmalschutz nicht selten in einem Spannungsverhältnis befi nden. Einerseits defi nieren sich viele Städte und Gemeinden auch über ihr baukulturelles Erbe und sind stolz auf ihre durch Denkmäler verkörperte Geschichte, andererseits empfi nden die Gemeinden das Denkmalschutzgesetz als Einengung ihrer kommunalen Selbstverwaltungshoheit und der sich daraus ergebenden Gestaltungsfreiheit.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte deutlich betonen, dass in gar keiner Weise eine Schwächung des Denkmalschutzgesetzes vorgesehen war oder

vorgesehen ist. Deshalb hat die CSU-Fraktion zu diesem Thema einen Änderungsantrag eingebracht.

Ich bin überzeugt, dass mit diesem Gesetzentwurf der Staatsregierung zahlreiche Erleichterungen für die Kommunen erreicht werden. Mit diesem Gesetz wird es unseren Modellkommunen ermöglicht, in klar defi nierten Bereichen von bestimmten gesetzlichen Bestimmungen abzuweichen, um damit zu experimentieren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Kommunen sind für uns alle der erste Ort der Demokratie. Wir wollen und wir müssen die kommunale Selbstverwaltung stärken. Wir müssen den Kommunen in Zukunft auch mehr Freiräume für eigenverantwortliche Entscheidungen geben.

Wir haben großes Vertrauen in die Oberbürgermeister, Bürgermeister und Landräte. Deswegen muss die Devise immer lauten: Weniger Bürokratie und mehr Deregulierung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin mir sehr sicher, dass unsere Kommunen verantwortungsbewusst mit den neuen Instrumenten umgehen werden. Ich sage ganz deutlich, dass den Kommunen damit Optionen eröffnet werden, die auf freiwilliger – ich betone: freiwilliger – Teilnahme beruhen. Der Gesetzentwurf benennt – wie Sie wissen – die beteiligten Kommunen. Ich denke, die Tatsache, dass sich immer noch weitere Kommunen bewerben, zeigt deutlich, dass eine sehr große Akzeptanz vorhanden ist.

Die Kommunen wurden auf Vorschlag der kommunalen Spitzenverbände ausgewählt. Alles erfolgt auf freiwilliger Basis. Es liegt auch ein Änderungsantrag der CSU-Fraktion vor, wonach auch noch die Stadt Roding und die Große Kreisstadt Selb aufgenommen werden sollen. Ich weise noch einmal darauf hin, dass der Modellversuch auf vier Jahre befristet angelegt ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Maßnahmepaket der Bayerischen Staatsregierung hat drei Grundlinien:

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Wörner?

Nein, ich habe leider nicht viel Zeit.

Erstens. Die Verwaltungsvorschriften sollen soweit wie möglich gestrichen werden. Zweitens. Von den verbleibenden Vorschriften darf abgewichen werden. Drittens. Die unterste zuständige Ebene soll über sie entscheiden dürfen. Ich denke, dies ist ein entscheidender Faktor. Deshalb sollen auch die Modellkommunen die Möglichkeiten erproben können, bestimmte Vorschriften nicht mehr anzuwenden, ohne dabei die materiellen Standards zu verschlechtern.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, anknüpfend an die Initiative der Staatsregierung zum Abbau kommunaler Standards sollen mit diesem Gesetzentwurf auf kommunaler Ebene die landesrechtlichen Spielräume sowohl im eigenen als auch im übertragenen Wirkungskreis für die politisch Verantwortlichen vor Ort erweitert werden. Als

ehrenamtlicher Bürgermeister, der täglich an der Basis arbeitet, begrüße ich diese Entscheidungen.

Meine Damen und Herren, ich möchte ausdrücklich erwähnen, dass auch unsere kommunalen Spitzenverbände den Entwurf begrüßt haben. Unsere Spitzenverbände wären sogar teilweise noch weiter gegangen. Natürlich sind in bestimmten Bereichen auch Einwände gekommen. Wir sind aber der Meinung, dass dieser Gesetzentwurf alle Optionen offenlässt. Ich denke, er ermöglicht Freiheit, Transparenz und Vertrauen. Deshalb bitte ich Sie um Zustimmung zum Gesetzentwurf der Staatsregierung und um Zustimmung zu den Änderungsanträgen der CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CSU)

Nächster Redner: Herr Kollege Ritter.

Sehr geehrter Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Der Gesetzentwurf ist wieder einmal ein Sammelsurium höchst unterschiedlicher Regelungen. Ich denke, uns als Landtagsabgeordnete sollte das nicht sonderlich anfechten. Wir werden dafür bezahlt, uns auch mit komplizierten Papieren auseinanderzusetzen. Allerdings muss man anmerken, dass Gesetzentwürfe wie der vorliegende nicht dazu geeignet sind, der interessierten Öffentlichkeit einen Einblick in die Gesetzgebung und die Hintergründe der Gesetzgebung zu verschaffen. Ich denke, diese Diskussion macht sich nicht nur an diesem Gesetzentwurf fest, sondern an einer ganzen Reihe von Regelungen, die von der Staatsregierung eingebracht worden sind. Letztlich ist das eine bürger- und demokratieunfreundliche Gesetzgebung.

(Beifall bei der SPD)

Die Änderungsanträge, die vonseiten der CSU eingebracht worden sind, haben die Übersichtlichkeit nicht unbedingt verbessert. Allerdings gibt es durchaus ein paar Punkte, die von unserer Seite begrüßt werden. Begrüßt wird unter anderem die von der CSU und von der SPD beantragte Streichung der Regelungen zum Denkmalschutz. Ich denke, hier hat Herr Kollege Dr. Rabenstein Ihnen bei der Ersten Lesung des Gesetzentwurfs im Plenum die Augen geöffnet.

(Beifall bei der SPD)

Ebenfalls begrüßen wir die Möglichkeit der Erweiterung der Kompetenzen der Bezirksausschüsse. Es handelt sich dabei um mittlerweile uralte Forderungen der SPD, die über die Jahre hinweg stets abgelehnt worden sind und die jetzt mit einem Änderungsantrag der CSU quasi durch die Hintertür eingebracht werden.

Unsere Ablehnung des gesamten Gesetzentwurfs stützt sich auf eine Reihe von Regelungen, die wir im Interesse der bayerischen Kommunen und der Bürgerinnen und Bürger unmöglich mittragen können. Mit den vorgesehenen Änderungen zur Schülerbeförderung bereitet die Staatsregierung – darauf weisen die kommunalen Spitzenverbände hin – nichts anderes vor als den Ausstieg aus der fi nanziellen und politischen Verantwortung für diesen