Protocol of the Session on March 29, 2007

Unsere Ablehnung des gesamten Gesetzentwurfs stützt sich auf eine Reihe von Regelungen, die wir im Interesse der bayerischen Kommunen und der Bürgerinnen und Bürger unmöglich mittragen können. Mit den vorgesehenen Änderungen zur Schülerbeförderung bereitet die Staatsregierung – darauf weisen die kommunalen Spitzenverbände hin – nichts anderes vor als den Ausstieg aus der fi nanziellen und politischen Verantwortung für diesen

Bereich. Zusätzlich kommen auf die Kommunen nicht etwa Erleichterungen zu, wie es in der Begründung heißt. Im Gegenteil: Das Gutachten, das die Stadt München zu dem Gesetzentwurf vorgelegt hat, zeigt eindrucksvoll, dass die vorgesehenen Regelungen den Verwaltungsaufwand für die Kommunen nur weiter erhöhen werden. Das betrifft übrigens auch die vorgesehen Änderungen zum Bayerischen Wassergesetz. Die Tatsache, dass es keine landesweite Regelung mehr gibt, wird letztlich zu einer Belastung von Eltern und Familien führen. Ich nenne in diesem Zusammenhang nur die Stadt-Umland-Problematik. Hier wird es zu Härtefällen kommen. Die kommunalen Spitzenverbände teilen die Einschätzung der Stadt München und unterstützen die Aussagen ausdrücklich.

Die Möglichkeit, in zentralen Mitbestimmungstatbeständen das Einigungsverfahren abzuschaffen, stellt einen Angriff auf Grundelemente des Personalvertretungsrechts dar. Das Verfahren vor der Einigungsstelle hat schließlich friedensstiftende Wirkung. Die Änderungen, die im Personalvertretungsgesetz vorgenommen worden sind, und die Änderungen, die hier eingebracht werden, zeigen nur, dass die Staatsregierung kein Interesse an einer modernen Verwaltung mit Mitbestimmung und Mitentscheidung hat. Das Modell, das dahintersteckt, ist letztendlich der Staatsapparat des 19. Jahrhunderts, geprägt von Misstrauen gegenüber den eigenen Beschäftigten.

Das waren zwei Punkte; es gibt noch einige andere. Ich denke an die von mir angesprochenen Änderungen zum Bayerischen Wassergesetz und an die Änderungen zum ÖPNV-Gesetz, die dazu führen, dass wir diesen Gesetzentwurf ablehnen.

Auf einen Tatbestand möchte ich noch gesondert hinweisen. Es handelt sich – ich nenne es einmal so – um den Geburtsfehler des Gesetzentwurfs. Die für die Erprobung ausgewählten Gebiete der Verwaltung sind völlig ungeeignet, um bei den Kommunen Kostenersparnisse und Verwaltungsvereinfachungen herbeizuführen. Die Spitzenverbände haben extra darauf hingewiesen, dass es eine ganze Reihe von anderen Bereichen gegeben hätte, die man anstatt der genannten in das Gesetz hätte aufnehmen können, um tatsächlich zu einer Verbesserung der Verwaltung und zu einer Reduzierung des bürokratischen Aufwands und der Kosten zu kommen. Wer die Kommunen entlasten will, sollte sich vorher mit dem Kommunen zusammensetzen und sich mit ihnen gemeinsam überlegen, wo es hakt, wo die Probleme sind und wo Änderungen herbeigeführt werden müssen. Das haben Sie nicht getan. Stattdessen hat die Staatsregierung am grünen Tisch einen Gesetzentwurf entwickelt und vorgelegt, der letztlich mehr von Ideologie als von der Kenntnis der Situation in den Kommunen getragen ist. Daher werden wir den Gesetzentwurf ablehnen, und zwar im Interesse der bayerischen Kommunen und der Bürgerinnen und Bürger.

(Beifall bei der SPD)

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Kamm.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Gesetz hat

den schönen Namen „Gesetz zur Erweiterung und Erprobung von Handlungsspielräumen der Kommunen“. Herr Herold setzte noch eines drauf und versprach weniger Bürokratie und mehr Deregulierung. Die Kommunen sollen experimentieren dürfen.

Die Kommunen sollen experimentieren dürfen, aber nur dort, wo die CSU es zulassen möchte, wo die CSU wünscht, dass die Kommunen bestimmte Dinge tun, die die Landesregierung möchte.

Von einem echten Experimentieren, von einem wirklichen Mehr an Deregulierung kann nicht die Rede sein. Wir haben heute Morgen schon ein Beispiel gehört: Kommunen sollen sich an Kohlekraftwerken beteiligen dürfen, wenn sie keine eigenen Atomkraftwerke haben. Sonst aber nicht. Ein weiteres Beispiel ist das Büchergeld. Es wäre gut, wenn es in dem Gesetz einen eigenen Artikel zum Büchergeld gäbe. Hier sollten Kommunen experimentieren dürfen. Den Kommunen fi ele sicher Besseres ein, als hier in diesem umfangreichen Regelungswerk enthalten ist. Die Kommunen dürfen aber nicht. Es wäre sinnvoll, wenn die Kommunen einfachere Regelungen hätten, beispielsweise beim Thema „Investitionsfördermaßnahmen abrechnen“. Das gilt gerade im Zusammenhang mit dem Ausbau von Ganztagsschulen. Es wäre wichtig, die kommunalen Spitzenverbände zu fragen, wo Regulierungen abgebaut werden sollen, wo die Kommunen tatsächlich von Bürokratie entlastet werden wollen. Es bringt jedoch nichts, ein Gesetz mit einem schönen Namen zu versehen, wenn mit dem Gesetz letzten Endes ganz andere Dinge verfolgt werden.

Ein Ziel, das mit diesem Gesetz verfolgt werden soll, ist die Aushöhlung des Personalvertretungsgesetzes. Das geschieht mit Regelungen, die auf Landesebene schon stark umstritten sind. Sie sollen jetzt auf kommunaler Ebene durchgesetzt werden.

Ein weiteres Ziel ist die Aushöhlung des Denkmalschutzes. Hier hat die CSU-Fraktion dem Gesetz der Staatsregierung durch einen Änderungsantrag etwas Schärfe genommen. Ganz hat sie es aber nicht getan. Nicht richtig fi nde ich die Erlaubnis, die trotz des CSUÄnderungsantrags nach wie vor in dem Gesetz enthalten ist, dass automatisch die Genehmigung erteilt ist, wenn nach Antragseingang die zuständige Behörde nicht entschieden hat. Es gibt keinen Grund hierfür, und eine solche Regelung macht auch keinen Sinn. Eine solche Regelung müsste als Voraussetzung enthalten, dass das Landesamt für Denkmalschutz ausreichend mit Personal und Kapazitäten ausgestattet wird, um seine Aufgaben zeitgerecht zu erfüllen. Wenn man dem Landesamt aber nicht nur Investitionsmittel entzieht, sondern auch Personal, dann ist eine weitere Schleuse geöffnet worden, um den Denkmalschutz in Bayern weiter abzubauen und auszuhöhlen.

Dieses Gesetz enthält vieles, was überhaupt nicht modellhaft ist. Dazu gehören auch die Vorschläge im Hinblick auf die Schülerbeförderung. Wir lehnen dieses Gesetz ab. Wenn man deregulieren will, dann muss das gemacht werden, was die kommunalen Spitzenverbände fordern, die sehr viele Vorschläge gemacht haben. Mit diesem Gesetzentwurf werden jedoch Ziele verfolgt, die nichts

mit einer Erweiterung des Handlungsspielraumes der Kommunen zu tun haben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Wort hat nun Herr Staatsminister Sinner.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieses Gesetz, das heute verabschiedet wird, erweitert in der Tat die Handlungsspielräume der Kommunen. Es erprobt modellhaft Bereiche, in denen wir durchaus umstrittene Themen anpacken.

Wenn man über Deregulierung spricht, dann sind im Grundsatz alle begeistert und sagen: Jawohl, weniger Paragrafen bringen mehr. Wenn es aber ums Detail geht, dann kommen sofort die Bedenkenträger, die auch heute wieder aufmarschiert sind, und sagen: Besser, wir versuchen es erst gar nicht. – Stattdessen könnte man sagen: Wir sind einmal etwas mutiger und probieren etwas aus. Wenn wir nach vier Jahren eine Bilanz ziehen, dann können wir die Ergebnisse, wenn sie gut waren, auf das ganze Land übertragen.

Herr Ritter, Frau Kamm, Sie haben während der Ausschussberatungen kein Feuerwerk an Kreativität gezündet, um zu zeigen, was man noch machen könnte.

(Christine Kamm (GRÜNE): Sie waren doch gar nicht da! – Heiterkeit der Abgeordneten Maria Scharfenberg (GRÜNE))

Das Gesetz ist zunächst ein Instrument, das wir einführen. Wenn dieses Instrument sich bewährt, dann kann man in der Folge die Methode erweitern, etwas draufsetzen und somit bei der Bemühung um mehr Deregulierung weiterkommen.

Im Grundsatz bedeutet Deregulierung, dass wir in einzelnen Bereichen mühsam vorgehen müssen. Ich kann ein Gesetz, welches Handlungsspielräume erweitert, nicht an einer einzigen Materie festmachen. Wir gehen hier quer durch die ganzen Zuständigkeitsbereiche.

(Christine Kamm (GRÜNE): Nur durch bestimmte Zuständigkeitsbereiche!)

Im Prinzip ist es ein Instrument, das versucht, in einer Zusammenfassung unterschiedlichster Punkte Spielräume zu schaffen und nachzuschauen, wie sich etwas entwickelt. Ich will den umstrittenen Bereich des Denkmalschutzes durchaus ansprechen. Das Gesetz bedeutet doch nicht, dass wir weniger Denkmalschutz wollen.

(Christine Kamm (GRÜNE): Doch!)

Nein, das bedeutet es absolut nicht. Sie können mich nicht so interpretieren, Frau Kamm. Meine Meinung ist diese Meinung, und die können Sie nicht interpretieren.

(Christine Kamm (GRÜNE): Warum nicht?)

Unsere Absicht ist es nicht, den Denkmalschutz zu schwächen.

(Lachen bei den GRÜNEN)

Denkmalschutz geht von innen heraus. Ich selbst bin 18 Jahre Stadtrat in einer Stadt gewesen, die sehr viel für Denkmalpfl ege getan hat. Ich weiß nicht, was Sie dagegen haben, wenn eine Behörde innerhalb von zwei Monaten eine Entscheidung treffen muss. Die Behörde kann diesen Zeitraum sogar verlängern, wenn sie mit der Grundlagenerhebung in der vorgegebenen Zeit nicht fertig wird. Sind wir aber wirklich so wenig mutig, dass wir einer Behörde nicht zutrauen, innerhalb von zwei Monaten eine Entscheidung zu treffen und dies auch einzufordern? – Wenn wir nicht einmal den Mut haben, das auszuprobieren, dann können wir die ganze Deregulierung sein lassen. Dann darf man aber auch keine Sonntagsreden mehr halten und fordern, wir wollen Bürokratie abbauen. Sie, als GRÜNE und als SPD, sollten sich dann von dem Thema verabschieden.

(Alexander König (CSU): Sehr richtig!)

Meine Damen und Herren, es ist ein mühsames Geschäft. Ich bringe jetzt ein Beispiel außerhalb dieses Gesetzes. In der Europäischen Union reden wir davon, mit dem Standardkostenmodell, bei dem es nur um die Informationspfl ichten geht, die in den Gesetzen enthalten sind, 25 % der Kosten abzubauen. Das macht in der Summe 150 Milliarden Euro, das jedenfalls sagt Kommissar Verheugen. Die Bundesregierung redet darüber, dass sie mit der gleichen Methode, dem Standardkostenmodell, ebenfalls 25 % der bislang aufgrund von Informationspfl ichten entstehenden Kosten abbauen will. Auf Deutschland heruntergerechnet macht das beim bisherigen Gesetzesbestand 20 Milliarden Euro aus. Der Betrag ergibt exakt so viel wie die Erhöhung der Mehrwertsteuer um 3 %. Wir gehen das jetzt an, doch dabei geht es um Tausende, wenn nicht Hunderttausende, von Informationspfl ichten. Allein bei den niedergelassenen Ärzten beispielsweise summiert sich der Betrag für die Informationspfl ichten auf 600 Millionen Euro.

Die Bundesregierung legt morgen in Erster Lesung einen Gesetzentwurf vor, der von den beiden großen Fraktionen eingebracht wird. Nach diesem Gesetzentwurf werden in dem neuen Unternehmenssteuergesetz wieder 40 neue Informationspfl ichten eingeführt. Das heißt, wir befi nden uns in einem ständigen Abwehrkampf. Der BürokratieBazillus ist hoch infektiös, und die Parlamente und auch die Regierungen, auch diejenigen, die in den Verwaltungen mitarbeiten, sind für diesen Bazillus sehr anfällig. Deshalb noch einmal meine Bitte, hier zumindest bereit zu sein, neue, modellhafte Wege mitzugehen.

Was den Denkmalschutz betrifft, so gibt es in diesem Gesetz auch ein Angebot an das Parlament, weil die Sache offensichtlich sehr schwierig ist. Wir haben vorgeschlagen, eine wissenschaftliche Begleitung einzurichten und nach vier Jahren zu evaluieren. Dann soll auch geprüft werden, welchen Effekt es beispielsweise für den Denkmalschutz hatte, dass die Entscheidung innerhalb von zwei Monaten vorgelegt werden musste. War es möglich, die Entscheidung nach zwei Monaten vorzulegen?

Welche Effekte hatte diese Vorgabe draußen? – Auf der Grundlage dieser Evaluierung kann man dann besser entscheiden – und vielleicht auch mutiger entscheiden –, was wir künftig zusätzlich deregulieren wollen.

Meine Damen und Herren, wir haben die ganze Modellkommunen-Diskussion selbstverständlich mit den kommunalen Spitzenverbänden geführt. Die Teilnahme ist freiwillig, das möchte ich noch einmal betonen. Die Modellkommunen können aus einem Menü auswählen, was sie machen wollen. Auch das gibt uns schon Hinweise, was draußen letzten Endes interessiert oder auch was nicht interessiert.

Die Tatsache, dass während des Gesetzgebungsverfahrens im Landtag noch einige Modellkommunen hinzukamen, zeigt doch, dass ein Interesse daran besteht. Deshalb sage ich an die Kollegen der Opposition gerichtet: Haben Sie doch ein bisschen mehr Mut. Seien Sie ein bisschen offener für Experimente.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Wenn es die richtigen sind, dann schon!)

Seien Sie ein bisschen offener für Evaluierungen dieses Komplexes. Dann kommen wir auf diesem Gebiet auch gemeinsam vorwärts. Denn für den Standort Bayern ist es unglaublich wichtig, dass die Verwaltung exzellent arbeitet. Das tut sie in weiten Teilen auch. Unsere Aufgabe ist es aber, der Verwaltung Vorgaben zu machen, ihre Handlungsfelder zu beschreiben und Anforderungen an sie zu stellen. Dass die Exzellenz noch gesteigert wird, ist für den Standort Bayern unglaublich wichtig. Deswegen ist auch dieser Gesetzentwurf wichtig. Wir haben die Chance, das aktive Miteinander von Kommunen, Bürgern und Staat noch besser zu gestalten als es bisher der Fall war. Lassen wir uns diese Chance nicht entgehen.

Ich bedanke mich bei der CSU-Fraktion und beim Berichterstatter Herold für die Verbesserungen, die in den Gesetzentwurf eingebracht wurden. Ich habe immer noch nicht die Hoffnung aufgegeben, dass auch die SPDFraktion und die Kollegen von den GRÜNEN im Laufe der Evaluierung noch mehr Mut zum Experiment zeigen.

(Christa Naaß (SPD): Wir haben die Hoffnung auch noch nicht aufgegeben!)

Herr Kollege Wörner, Sie haben möglicherweise schlecht gefrühstückt. Lassen Sie das aber bitte nicht an diesem Gesetz aus.

(Christa Naaß (SPD): Was soll denn das jetzt? Das ist aber unter Ihrem Niveau, Herr Minister!)

Ich bitte um Zustimmung und freue mich, dass wir ein Stück weitergekommen sind.

(Beifall bei der CSU)

Frau Kollegin Kamm hat sich noch zu einer Zwischenbemerkung gemeldet.

Sehr geehrter Herr Minister, Sie müssen keine Sorge haben, dass wir nicht experimentierfreudig wären. Hier handelt sich aber um kein Gesetz, das die Experimentierfreude fördern soll, sondern um ein Gesetz, das in ganz bestimmten Bereichen Kanäle öffnen soll.

(Beifall der Abgeordneten Maria Scharfenberg (GRÜNE))

Ich frage Sie deswegen, warum es erforderlich ist, in dieses Gesetz hineinzuschreiben, dass in Denkmalschutzangelegenheiten eine Genehmigung nach zwei Monaten als fi ktiv erteilt gilt, obwohl auch bisher die Denkmalschutzbehörden innerhalb dieser Frist ihre Genehmigungen erteilt haben.

Herr Minister, wollen Sie dazu Stellung nehmen?