Protocol of the Session on January 27, 2004

Der Ministerpräsident kennt den Sachverhalt und handelt nicht. Herr Dr. Bernhard, noch einmal: Wenn der Ministerpräsident sich dafür eingesetzt hätte, dass eine Grabstätte für wen auch immer – ich wiederhole: für wen auch immer – nicht gepfändet wird, dann hätte darüber niemand ein einziges kritisches Wort verloren.

(Unruhe bei der CSU)

Ich bitte Sie. Wir waren vorhin schon weiter. Wir waren uns nämlich einig, dass Grabstätten nicht gepfändet werden sollten, und zwar niemandes Grabstätte.

Deshalb gehört sich auch eine solche klare Positionierung des Ministerpräsidenten und des Finanzministers, und zwar nicht nachträglich, sondern von vornherein. Das war der erste Fehler.

(Dr. Otmar Bernhard (CSU): Eine Kollegin von Ihnen hat schon wieder die Rechtmäßigkeit der jetzigen Regelung bezweifelt!)

Wenn Sie mich fragen, ich bin der Meinung, man muss trennen zwischen dem Grundstück – dem Kaiserhof – und der Grabstätte. Das ist doch in Ordnung. Das wollen doch die Finanzbehörden auch. Das ist ordnungsgemäß. Wir streiten doch nur um den Vorgang betreffend die Grabstätte. Nur darum geht es. In diesem Punkt sind wir uns sogar einig. Dieser Vorgang ist vom Finanzminister nicht sachgerecht behandelt worden, und er ist in der Öffentlichkeit falsch dargestellt worden in der Hoffnung – diesen Vorwurf wiederhole ich -, dass die Dinge nicht öffentlich werden. Dass die Briefe des Zentralfinanzamtes in der Zeitung nachzulesen waren, das war das Problem von Herrn Faltlhauser und nicht, dass er die Unwahrheit gesagt hat. Das ist doch das Problem.

(Beifall bei der SPD)

Man bleibt bei seiner Darstellung solange, bis einem in der Öffentlichkeit das Gegenteil bewiesen wird und man es nicht mehr abstreiten kann. Das ist das, was uns in diesem Land seit Jahren beschäftigt, dass die Wahrheit erst dann eingeräumt wird, wenn nichts mehr bestritten werden kann, weil alle Beweise und Belege öffentlich geworden sind. Das ist das Problem in einem Amigoland und nichts anderes.

(Beifall bei der SPD)

Zu Wort hat sich der Fraktionsvorsitzende der CSU, Herr Kollege Herrmann, gemeldet.

(Dr. Heinz Kaiser (SPD): Wo bleibt der Ministerpräsident?)

Herr Kollege Maget, ich will auf Ihre mehr oder weniger geistreichen Ausführungen nicht mehr im Einzelnen eingehen. Ich will nur an einem Beispiel deutlich machen, warum das, was Sie zu dieser Debatte beitragen, aus unserer Sicht widersprüchlich und im Ergebnis verlogen ist, sodass man die Ausführungen – mag der eine oder andere auch gute Absichten haben – nicht ernst nehmen kann.

Ich brauche nur die Pressemitteilung der SPD-Landtagsfraktion vom 22. Januar 2004 zu zitieren. Die Überschrift lautet:

Warum hat Stoiber die pietätlose Pfändung nicht sofort geräuschlos verhindert?

Im weiteren Text heißt es wörtlich:

Warum wissen die Mitglieder der Familie Strauß und Ministerpräsident Stoiber seit zwei Wochen von dem Vorgang, und warum wird er gerade erst zu Prozessbeginn gegen Max Strauß bekannt? Man hätte diese in der Tat traurige und pietätlose Pfändung doch sofort geräuschlos verhindern können …

Die Überschrift war:

Warum hat Stoiber die pietätlose Pfändung nicht sofort geräuschlos verhindert?

In der Pressemitteilung, die Sie letzte Woche verschickt haben, werden auf der zweiten Seite die Anfragen von der SPD-Landtagsfraktion zur beabsichtigten Pfändung veröffentlicht. Gleich die vierte Frage lautet wörtlich:

Nachdem Herr Ministerpräsident Stoiber im Falle der Pfändung der Grabstätte der Familie Strauß in ein laufendes Verfahren der Finanzverwaltung unter Missachtung der Ressortzuständigkeit eingegriffen hat, frage ich die Staatsregierung …

Lieber Herr Kollege Maget, das ist doch an Widersprüchlichkeit nicht zu übertreffen!

(Beifall bei der CSU)

Das ist der Punkt, weshalb wir Ihre Beiträge zu diesem Thema wirklich nicht mehr ernst nehmen können.

(Beifall bei der CSU)

Kolleginnen und Kollegen, die Aktuelle Stunde ist damit beendet. Ich rufe auf:

Tagesordnungspunkt 2a

Gesetzentwurf der Abgeordneten Franz Maget, Hans-Ulrich Pfaffmann, Dr. Linus Förster und anderer und Fraktion (SPD) zur Änderung des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (Drucksache 15/117)

Erste Lesung –

Der Gesetzentwurf wird vonseiten der Antragsteller begründet. Ich erteile Herrn Dr. Förster das Wort.

(Unruhe)

Herr Dr. Förster, vielleicht warten Sie noch einen Moment, damit Sie auch alle hören können. Wir fahren in der Sitzung fort.

(Unruhe – Zuruf von der SPD)

Frau Kollegin, ich habe doch gesagt, Herr Dr. Förster solle noch ein wenig warten, bis er bei allen auf Gehör stößt. Bitte, Herr Kollege.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Unruhe)

Meine Damen und Herren, die Sitzung geht weiter. Wir haben jetzt keine Pause.

Ich hatte eigentlich gehofft, dass Sie meine Jungfernrede im Bayerischen Landtag mit etwas mehr Spannung erwarten.

(Beifall bei der SPD – Prof. Dr. Peter Paul Gantzer (SPD): Wo ist die Gitarre?)

Heute ohne Gitarre. Allerdings freue ich mich trotzdem, meine Jungfernrede im Rahmen einer Ersten Lesung halten zu dürfen, zumal es um einen Gesetzentwurf geht, bei dem ich davon ausgehe, dass er letztendlich auch die Zustimmung der CSU finden wird, wenn er in die Beratung geht. Ich meine, das nicht flapsig, sondern aus tiefer Überzeugung; denn ich und einige meiner Fraktionskolleginnen und –kollegen glauben, in letzter Zeit zunehmend Bereitschaft und Sympathie auch in den Reihen der CSU dafür erkannt zu haben, dass wir zukünftig auf eine unsinnige Zensur von Schülerzeitungen verzichten können.

(Beifall bei der SPD)

Von dieser Hoffnung getragen, beantragen wir eine Änderung des Artikels 63 des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen; denn dieser unterstellt die Schülerzeitung dem Verantwortungsbereich der Schulleitung und ermöglicht damit die Zensur oder gar das Verhindern der Herausgabe einer von Schülern erstellten Zeitung. Somit ist nach Artikel 63 die Schülerzeitung eine Veranstaltung der Schule, also eine Schulzeitung und keine Schülerzeitung.

Als solche bringt sie die Schulleitung in einen Interessenkonflikt zwischen der Herausgabe einer Zeitung von und für Schüler – einschließlich deren Sinn für Humor, Sprache und aktuelle Trends etc. - und dem sicherlich berechtigten Wunsch nach Schulfrieden und Ansehen der Schule.

(Unruhe)

Herr Kollege, einen Moment. Ich darf doch darum bitten, dass wir dem Redner jetzt die angemessene Aufmerksamkeit widmen.

(Beifall bei der SPD)

Die Schulleitung ist in diesem Fall der Versuchung ausgesetzt, ihre Macht zur Verhinderung bestimmter Artikel auszunutzen, und unterliegt dieser auch im Einzelfall. Damit sind wir bei dem schönen Argument des Einzelfalls und bei den zahllosen Beispielen sinnloser und willkürlicher Zensur, die ich Ihnen hier nennen könnte. Ein Beispiel stammt aus einer Schule in der Nähe von Augsburg, dem Justus-von-Liebig-Gymnasium, in dem ein Schüler den bevorstehenden Krieg der USA gegen den Irak kommen sah, diesen aber in der Schülerzeitung nicht thematisieren durfte, weil die Schulleiterin – Zitat – „diese Spekulationen als unhaltbar und als eindeutige Hasstirade gegen die USA“ empfand.

Solchen Fällen können Sie natürlich Einzelfälle positiver Beispiele von gelungener pädagogischer Zusammenarbeit diverser Schülerzeitungen mit der jeweiligen Schulleitung entgegensetzen.

Aber das verändert nichts an den negativen Beispielen, in denen, abgesegnet durch Artikel 63 EUG, eine nicht haltbare Zensur angewandt und somit das Recht auf freie Meinungsäußerung verhindert wird.

(Beifall bei der SPD)

In diesem Sinne pochen die Junge Presse Bayerns sowie viele einzelne Schülerzeitungen, Schülerinnen und Schüler und auch Eltern zu Recht auf den Grundsatz des Artikels 5 des Grundgesetzes, dem Grundrecht der freien Meinungsäußerung und dem Verbot der Zensur. Schülerzeitung fallen auch unter den Schutz dieses Artikels 5 des Grundgesetzes. Der bisherige Absatz 3 Satz 2 des EUG kollidiert mit dem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung. Vor diesem verfassungsrechtlichen Hintergrund ist es im höchsten Maße fraglich, ob die geltende bayerische Regelung verfassungsrechtlich überhaupt haltbar ist. Die entsprechende Drucksache des Bundesverfassungsgerichts haben wir in unserem Gesetzesantrag aufgeführt.

Dem vielleicht verlockenden Angebot des Bayerischen Staatsministeriums, die Regelungen des Bayerischen EUG seien eher eine Privilegierung der bayerischen Schülerzeitungen, weil deren Redakteure letztendlich keine Verantwortung für die Druckwerke übernommen müssten, möchte ich nicht erliegen, denn dies wäre weder von mir noch von der SPDFraktion erwünscht. Die Erziehung von Schülerinnen und Schülern zu verantwortungsbewussten Menschen bedingt unter anderem, dass sie rechtzeitig mit den Rechten und Pflichten des Grundgesetzes und insbesondere mit der Presse- und Meinungsfreiheit konfrontiert und vertraut gemacht werden.