Wir bieten eine ganze Reihe von Nachqualifi zierungsmaßnahmen. Es ist das A und O, dass wir unsere jungen Leute nach dem Abschluss der allgemeinbildenden Schulen nicht auf der Straße stehen lassen. Die viel gescholtenen Jungarbeiterklassen, sehr geehrte Damen und Herren von der Opposition, sollten Sie sich einmal näher ansehen. Es sind Modellversuche gelaufen, die jetzt fl ächendeckend umgesetzt werden. Es wird ein starkes Engagement der Lehrkräfte an den Schulen entwickelt, um die jungen Leute individueller zu fördern. Es werden individuell an die Region angepasste Lehrpläne angeboten. Wir haben mittlerweile, um den Stellenwert der Tätigkeit der Lehrkräfte zu honorieren, Funktionsstellen angeboten. Es gibt Stellen für Fachbetreuer für junge Leute ohne Ausbildungsplatz. Es wird ungeheuer viel geleistet. Wir brauchen aber weiterhin die Partnerschaft aller, die für die jungen Leute Verantwortung tragen. Ich bin sicher, dass wir auch bei den anstehenden Verhandlungen zum Doppelhaushalt die angemessenen Mittel dafür fi nden, damit unsere jungen Leute mit Defi ziten genauso gefördert werden wie die Hochschulzugangsberechtigten, über die gestern diskutiert worden ist.
Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Strobl. Anschließend – um einen Überblick für alle zu geben; ich sehe, dass die Leute plötzlich erschrecken –: Frau Kollegin Stierstorfer, Kollege Dr. Förster, Kollege Sibler, Frau Kollegin Peters und die Frau Staatsministerin.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit mehreren Jahren haben sich die Unternehmen in Bayern im Rahmen des Ausbildungspaktes Bayern verpfl ichtet, für
alle ausbildungswilligen Jugendlichen eine Ausbildungsstelle oder eine Qualifi zierung anzubieten. Jetzt ist das Ausbildungsjahr zur Hälfte vorbei, und die Halbzeitbilanz ist deprimierend. Wir müssen feststellen, dass nach wie vor auf dem Lehrstellenmarkt in Bayern eine große Lücke klafft. Ende März 2006 kamen auf jeweils 100 Bewerber lediglich 70 gemeldete Stellen. Meine Kollegin Steiger hat schon darauf hingewiesen, dass es 81 800 Bewerber gibt, dagegen nur 57 000 Ausbildungsplätze. Da heute darauf hingewiesen wurde, dass Bayern im Vergleich zu anderen Bundesländern besser dasteht – wir in Bayern sind ja immer die Besten –, müssen Sie sich an diesem Anspruch aber auch messen lassen.
Wir stellen fest: Bisher fehlen über 24 000 Ausbildungsstellen im Freistaat. Die Bewerber um eine Ausbildungsstelle werden in einen gnadenlosen Wettlauf gezwungen. Bei mir in Schwandorf zum Beispiel kommen auf 100 Bewerber gerade einmal 56 Ausbildungsstellen. In Weiden kämpfen 100 Jugendliche um 36 angebotene Stellen, und in der Oberpfalz insgesamt kommen auf 100 Bewerber 57 Ausbildungsstellen. So ist die Situation vor Ort. Sie müssen sich diese Situation einmal zu Gemüte führen.
Im März 2006 waren in Bayern über 72 000 Jugendliche unter 25 Jahren ohne Arbeit. Uns allen muss klar sein: Hier geht es um nichts weniger als um die berufl ichen Zukunftschancen ganzer Generationen; es geht um die jungen Menschen.
Vor kurzem sagten Sie, Frau Stewens, wir müssten der Ausbildung unserer jungen Menschen unsere ganze Aufmerksamkeit widmen; denn die Situation auf dem Ausbildungsmarkt sei nach wie vor ernst. Sie, Herr Schneider, pfl ichteten dem bei, indem Sie sagten, es müsse unser zentrales Anliegen sein, unseren Kindern eine Ausbildungs- und Berufsperspektive zu eröffnen. Diesen Aussagen pfl ichten wir sicherlich bei, aber man muss den Worten auch Taten folgen lassen.
Ich frage mich, warum der Anteil arbeitsloser Jugendlicher im Freistaat höher ist als im Bundesdurchschnitt. Wie gesagt: Wir sind der Meinung, dass wir es nicht bei schönen Worten belassen dürfen. Wir sind – darin stimmen wir alle in diesem Haus überein – der Ansicht, dass wir die Wirtschaft nicht aus ihrer Verantwortung entlassen dürfen. Viele bilden – das betonen auch wir – lobenswerterweise über ihren eigenen Bedarf hinaus aus. Andere aber entziehen sich dieser Verantwortung.
Wie sieht es denn beim Staat aus? – Nachdem in Bayern die 42-Stunden-Woche eingeführt wurde, hat kürzlich Innenminister Beckstein festgestellt, dass in seinem Ministerium stark Stellen eingespart werden müssen und von fünf frei werdenden Stellen derzeit nur eine wiederbesetzt wird. Nur so ist es wahrscheinlich zu erklären, dass beim Innenministerium für das Einstellungsjahr 2007
gerade 24 Ausbildungsplätze vorgesehen sind, davon drei in der gesamten Oberpfalz und einer in Mittelfranken – das ist schön, immerhin einer. Beim Justizministerium sind es 31 Stellen und beim Finanzministerium 101 Stellen – das sind Zahlen, die sich auf alle Einrichtungen, ob es Finanzämter, Straßenbauämter oder Wasserwirtschaftsämter sind, das heißt auf alle Dienststellen in Bayern erstrecken. Im Finanzressort entfallen von 101 Stellen gerade einmal sechs Plätze auf die Oberpfalz. Der Stellenabbau im öffentlichen Dienst ist drastisch. Es sind über 9 % weniger Ausbildungsverträge zu verzeichnen. Deswegen ist die Forderung des DGB berechtigt, dass die Zahl der Ausbildungsplätze auch im öffentlichen Dienst sofort um 10 % erhöht werden soll.
Es stimmt, es ist an der Zeit, dass die öffentliche Hand ihre Ausbildungsleistung deutlich steigert, und zwar auch im eigenen Interesse, um die Leistungsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung auch in Zukunft zu erhalten.
Ausbildungsplatzsuchende Jugendliche brauchen sofort Perspektiven, und diese Perspektiven dürfen nicht der Sparpolitik geopfert werden. Nun wird angeblich zugunsten nachfolgender Generationen auf Teufel komm raus gespart. In Wirklichkeit ist es aber so, dass man die jetzt lebenden Menschen im Regen stehen lässt und deren Chancen verbaut, man könnte auch sagen: versaut.
Deshalb meinen wir, dass nicht nur die Wirtschaft in der Verantwortung steht, sondern auch das Land Bayern. Wir fordern Sie auf: Werden Sie Ihrer Verantwortung gerecht!
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Ausbildung unserer jungen Frauen und Männer in Bayern müssen wir unsere ganze Aufmerksamkeit widmen; denn – es ist heute bereits angeführt worden – die Situation auf dem Ausbildungsstellenmarkt ist nach wie vor ernst. Eine Ausbildung ist zwar keine Arbeitsplatzgarantie, sie erhöht aber die Chancen junger Berufsanfänger auf dem Arbeitsmarkt ganz entscheidend. Wir wissen, dass zwei von fünf Arbeitslosen keine abgeschlossene Berufsausbildung haben. Der Freistaat Bayern unternimmt deshalb seit langem große Anstrengungen, um jeder jungen Frau und jedem jungen Mann einen Ausbildungsplatz zu verschaffen.
Im Mittelpunkt unserer Maßnahmen steht die bayerische Ausbildungsinitiative „Fit for Work“, die erneut sehr gute Resultate vorweisen kann. Im vergangenen Jahr haben wir ausbildungswilligen Jugendlichen mit dem Programm
„Fit for Work“ rund 4500 zusätzliche Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen können. So konnten und können wir für jeden ausbildungsfähigen und jeden ausbildungswilligen gemeldeten Bewerber in Bayern einen freien Ausbildungsplatz oder ein anderes Angebot bereitstellen. Das ist für diese jungen Menschen ein großer Erfolg, den ruhig einmal auch die Opposition würdigen darf.
So hat sich das betriebliche Förderprogramm durch zusätzliche Ausbildungsstellen in Klein- und Mittelbetrieben, die mit bis zu 2500 Euro gefördert werden, zu einem echten Erfolgsmodell entwickelt.
Großen Anteil am Vermittlungserfolg haben die 43 Ausbildungsakquisiteure, die landesweit für Ausbildungsplätze werben. Ich möchte ihnen an dieser Stelle für die engagierte Arbeit sehr herzlich danken. Mit dem Programm „Fit for Work“ hat Bayern allein im Jahr 2005 18 Millionen Euro für zusätzliche Ausbildungsangebote bereitgestellt, um die Förderung von Betrieben bei der Schaffung von Lehrstellen gezielt zu unterstützen.
Durch „Fit for Work“ können jugendliche Auszubildende auch bei auswärtiger Unterbringung eine Mobilitätshilfe von 150 Euro erhalten, und es wurden insgesamt für Jugendliche, die keinen Ausbildungsplatz fi nden konnten, circa 3150 Plätze für Ausbildungs- bzw. Berufsqualifi zierungen vorgehalten.
Eine weitere Fördermöglichkeit für sehr schwache Jugendliche ist das Praxisklassenprogramm. Hier gibt es zwei Förderschienen, in deren Rahmen die Jugendlichen aktiv unterstützt werden.
Wir müssen uns natürlich auch überlegen, was wir noch tun können. Wir müssen die Jugendlichen beim Eintritt in das Berufsleben aktiv unterstützen. Deshalb haben das bayerische Sozialministerium und das bayerische Kultusministerium mit den Regionaldirektoren, Direktion Bayern der Bundesagentur für Arbeit, eine neue Vereinbarung für die Zusammenarbeit von Schule und Berufsberatung getroffen. Mit dieser intensiven Zusammenarbeit zwischen den Regionaldirektoren in Bayern, dem Kultus- und dem Arbeitsministerium wollen wir die Jugendlichen und jungen Erwachsenen in der Berufswahlvorbereitung aktiv unterstützen. Wir müssen aber auch die Tatsache bedenken, dass durch die Novellierung der Handwerksordnung viele Handwerksbetriebe nicht mehr im bisherigen Maß ausbilden. Auch das ist ein großes Problem.
Wir brauchen vor allem auch mehr theorieentlastete Berufsbilder, wie sie bereits geschaffen worden sind, zum Beispiel den Maschinenbediener. Ich hatte ein Gespräch bei der IHK. Dabei wurde nochmals darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, bei der Ausbildung zu differenzieren und diese den individuellen Begabungen der Jugendlichen anzupassen.
Eines der neuen Berufsbilder, die geschaffen werden können bzw. geschaffen werden, ist zum Beispiel die
zweijährige Ausbildung als Objektschutzkraft. Das ist eine von Theorie entlastete Tätigkeit und gibt auch den Jugendlichen, die schwächer sind, eine Chance.
Wir brauchen mehr Durchlässigkeit. Deutsche Berufsabschlüsse müssen im europäischen Raum angemessen eingeordnet werden. Die nationale Umsetzung des europäischen Qualitätsrahmens muss mehr Transparenz und Mobilität schaffen, sie darf nicht zu mehr Bürokratie führen.
Ausbildung ist Zukunft. Deshalb wollen wir Ausbildungsmaßnahmen berufs- und grenzübergreifend fördern. Wir wollen die Berufsschulen von belastender Bürokratie befreien. Das Lehren und Lernen soll im Mittelpunkt stehen, nicht der bürokratische Mehraufwand. Jugendliche, die sich in der Einstiegsqualifi zierung auf eine Ausbildung vorbereiten, sollen diese Leistungen angerechnet bekommen. Insgesamt stellt der Freistaat Bayern aus Privatisierungsmitteln, aus dem „Zukunftsfonds 2“ für den Arbeitsmarkt 22 Millionen Euro zur Verfügung. Es wurden 320 – davon 22 neue – Projekte gefördert.
Es gibt auch auf der Ebene der Gemeinden und der Kreise viele Initiativen. Auch die Städte engagieren sich. Bei uns im Landkreis Regensburg gibt es die beispielhafte Aktion „Jugend für Jugend“, das heißt, Jugendliche engagieren sich für Jugendliche, damit diese einen Ausbildungsplatz fi nden.
Außerdem müssen wir natürlich die Wirtschaft verstärkt in das Boot nehmen, die eben wegen der demographischen Entwicklung zukunftsweisend bereits im Voraus ausbilden muss. Wir sind mit einem Bündel von Maßnahmen auf dem richtigen Weg, damit Jugendliche bessere Zukunftschancen bekommen. Je nach Talent und Fähigkeit gibt es im Freistaat Bayern eine Vielzahl von Maßnahmen, die Jugendlichen den Weg in das Berufsleben erleichtern. Wir haben viel getan und werden auch weiterhin viel tun.
Die Jugend von heute ist unsere Zukunft, und ihr geben wir eine Chance; denn wer die Jugendlichen gewinnt, gewinnt die Zukunft.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! „Der Kapitalismus hat den Kommunismus nicht besiegt, der Kapitalismus hat den Kommunismus nur überlebt“, dieses Graffi ti habe ich bereits 1993 an einer Mauer in Vilnius fotografi ert. Ich sage das an dieser Stelle nicht deshalb, weil ich den alten Klassenkampf wiederhaben will oder weil ich hier refl exartig versuche, Sie mit dem bewährten Gespenst des Kommunismus aus Ihrem Parlamentsschlaf zu reißen. Ich bin kein Anhänger des Kommunismus, sondern überzeugter Sozialdemokrat und habe mich 1989 und auch später aufrichtig über das Ende des so genannten real
existierenden Kommunismus in Osteuropa gefreut. Aber hinsichtlich mancher Diskussion gebe ich zu, manchmal wünschte ich mir, es gäbe ihn noch – nicht wegen seiner Ideologie, sondern wegen der Drohkulisse; denn ohne die Bedrohung durch ein kommunistisches Konstrukt im Osten entwickelt sich unsere Marktwirtschaft offensichtlich immer weiter weg von sozialer Verpfl ichtung hin zu einer Einbahnstraße eines real existierenden Kapitalismus in einer globalisierten Welt.
Wenn ich schon nicht den sozial verantwortlichen, fürsorglichen Arbeitgeber oder Unternehmer haben kann, von dem man idealerweise bei der Konstruktion der sozialen Marktwirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg ausgegangen ist, wünschte ich mir manchmal den verängstigten Unternehmer zurück, der vor dem revolutionären Umsturz Angst haben muss, wenn er seiner sozialen Verantwortung nicht gerecht wird. So erinnere ich mich fast nostalgisch daran, dass die Drohkulisse der Ausbildungsplatzumlage, die ich persönlich für eine sehr gute Idee halte, in die Geschichte immerhin etwas Bewegung gebracht hat, zumindest mehr als viele Appelle der Politik an die Freiwilligkeit.
Frau Haderthauer, ich schließe mich zwar Ihrem Dank an die verantwortungsbewussten Unternehmer, die ausbilden, an, aber es sind mir zu wenige. Die Politik muss vielleicht auch wieder mehr Druck aufbauen.
Aber vielleicht reichen ja auch der Druck und die Szenarien von Straßenschlachten in Frankreich oder die Aussichten eines legal gewählten Indiopräsidenten in Bolivien, der die ausbeutenden Unternehmen und Heuschrecken kurzerhand enteignet und deren Kapital an das Volk zurückgibt. Vielleicht reichen ja solche Szenen aus, damit mancher Unternehmer zu seiner gesellschaftlichen Verantwortung in einer sozialen Marktwirtschaft zurückfi ndet und kapiert, dass sozialer Friede nicht nur ein äußerst wertvolles Gut, sondern – lassen Sie uns wieder betriebswirtschaftlich argumentieren – ein enormer Standortvorteil und langfristig eine Voraussetzung für das Gelingen unserer Gesellschaft ist.