Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Herr Kollege Mütze, Sie waren überrascht, dass momentan so wenige Kolleginnen und Kollegen im Saal sind. Von Ihrer Fraktion waren es bisher auch nicht viel mehr. Vorhin waren Sie zu zweit. Jetzt sind es etwas mehr geworden. Offensichtlich hat Ihr Hinweis das Erscheinen Ihrer Kollegen etwas beschleunigt.
Herr Kollege Mütze, vielleicht sind die Kolleginnen und Kollegen deshalb nicht da, weil sie sich im Haushalt auskennen und weil sie wissen, was im Haushaltsrecht steht, wie ein Nachtragshaushalt entsteht und wie ein Haushalt zu beraten ist. Die Kolleginnen und Kollegen haben mehr Erfahrung als Sie. Liebe Kolleginnen und Kollegen vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, nachdem wir immerhin schon zwei Jahre zusammenarbeiten, war ich, als ich Ihren Antrag gelesen habe, richtiggehend bestürzt, was bei mir selten vorkommt. Ich habe nämlich den Eindruck gewonnen, dass Sie und vielleicht auch Ihre Mitarbeiter dringend Nachhilfeunterricht im Haushaltsrecht des Freistaates Bayern brauchen. Sie unterstellen in Ihrer Begründung zum Beispiel, dass über die im Jahre 2006 zur Verfügung stehenden Mittel Unsicherheit herrsche. Das haben Sie gerade noch einmal wiederholt. Sie sprechen sogar von einer ständigen Unsicherheit, die für die Einrichtungen existenzgefährdend sei.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, das kann ich beim besten Willen überhaupt nicht nachvollziehen. Von Unsicherheit kann deshalb keine Rede sein, weil wir im März dieses Jahres unseren Doppelhaushalt für die Jahre 2005 und 2006 verabschiedet haben. Damit haben wir – anders als der Bund und viele andere Länder, die mit einjährigen Haushalten arbeiten – für das Jahr 2006 einen beschlossenen Haushalt. Ich wiederhole: Wir haben einen beschlossenen Haushalt.
Lieber Herr Kollege Mütze und lieber Herr Kollege Hallitzky, ich bin besonders enttäuscht, dass Sie, obwohl Sie schon zwei Jahre als Haushaltspolitiker in diesem Hause sind, vor diesen Tatsachen bewusst die Augen verschließen. Selbstverständlich haben wir auf der Grundlage unseres Doppelhaushalts Planungssicherheit. Wir haben einen geordneten Haushalt vorgelegt, so gut es ging. Das war schon immer so und das wird auch im nächsten Jahr so sein.
Sie müssen die Haushaltsordnung lesen. Niemand ist gezwungen, einen Nachtragshaushalt vorzulegen. Sie denken an die rot-grüne Bundesregierung, die von der Opposition aufgefordert wurde, einen Nachtragshaushalt vorzulegen. Finanzminister Eichel hat das damals vehement – mit Ihrer Unterstützung – abgelehnt. Ein Nachtragshaushalt ist jedoch nicht zwingend vorgeschrieben. Das ist ebenfalls ein Argument dafür, dass dieser Dringlichkeitsantrag nicht gerechtfertigt ist.
Ich möchte Ihnen ein wenig Nachhilfe erteilen. Was ist denn ein Nachtragshaushalt? – Ein Nachtragshaushalt dient in erster Linie einer internen Nachjustierung, indem die Ergebnisse der aktuellen Steuerschätzung für das Jahr 2006 berücksichtigt werden. Diese Steuerschätzung haben wir erst Mitte November erhalten. Eine Vorlage im September hätte also nichts gebracht – abgesehen von den damaligen Wahlkampfzeiten –, da der Entwurf eines Nachtragshaushalts ohne die Berücksichtigung der Ergebnisse der Steuerschätzung keinen Sinn gemacht hätte.
Ich darf Sie daran erinnern, beim Doppelhaushalt 2003/ 2004 hatten wir genau das gleiche Problem. Damals waren wir in der Situation, dass einzelne Punkte verabschiedet und andere noch offen waren. Wir mussten eine Konstruktion im Haushaltsgesetz fi nden, um diese Punkte lösen zu können. Die bestehenden Probleme rechtfertigen es, dass wir erst im Januar/Februar verwaltungsintern mit den Nachtragshaushaltsberatungen beginnen und im März die erste Lesung durchführen.
Wir müssen auch die besondere Situation in diesem Jahr berücksichtigen. Rot-Grün hat entschieden, im Jahr 2005 Wahlen im Bundestag durchzuführen. Wenn eine große Koalition in den nächsten Jahren eine seriöse Regierungspolitik betreiben soll, müssen die daran beteiligten Verhandlungspartner die Zeit haben, eine vernünftige Bundesregierung zu bilden.
Ein Weiteres kommt hinzu: Wie Sie alle wissen, haben die Vereinbarungen des Koalitionsvertrags keine unerheblichen Auswirkungen auf die Länderhaushalte. Wir brauchen deshalb zunächst belastbare Zahlen, um die haushaltsrechtlichen Auswirkungen für das Jahr 2006 seriös abzuschätzen.
Entgegen Ihrer Meinung liegen die Vorhaben der großen Koalition noch längst nicht auf dem Tisch. Zwar kennen wir alle – so hoffe ich – die Inhalte des Koalitionsvertrages, in vielen Fällen können wir aber die haushaltsrechtlichen Auswirkungen für den Freistaat Bayern erst dann belastbar feststellen, wenn der entsprechende Gesetzentwurf auf Bundesebene vorliegt.
Meine Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN, der in Ihrem Dringlichkeitsantrag enthaltene Vorwurf, der Entwurf des Nachtragshaushalts 2006 wäre nicht ehrlich, weil er aufgrund der besonderen Situation im Bund nicht mehr im Jahre 2005 vorgelegt wird, ist aus meiner Sicht völlig aus der Luft gegriffen. Unehrlich wäre es gewesen, einen Nachtragshaushalt im Herbst vorzulegen, ohne die aktuelle Steuerschätzung und die Entwicklung im Bund abzuwarten und zu berücksichtigen. Wir haben das jedoch getan. Das ist die Grundlage einer seriösen Finanz- und Haushaltspolitik, wie sie in Bayern seit vielen Jahrzehnten betrieben wird.
Jedes Land kann nach seinen Überlegungen und sachlichen Argumenten über den Haushalt entscheiden. Ich weiß nicht, ob das Land Baden-Württemberg einen zweijährigen Haushalt hat. Wissen Sie das? – Ist das sicher, dass Baden-Württemberg einen zweijährigen, also einen
Richtig. Nächstes Jahr sind Wahlen in Baden-Württemberg. Das mag auch ein Motiv gewesen sein. Mein Fazit zu Ihrem Dringlichkeitsantrag: Er ist weder dringlich noch sinnvoll. Er ist auch nicht ordentlich begründet. Deswegen werden wir ihn ohne große Kopfschmerzen – die der eine oder andere vielleicht haben mag – ablehnen.
Sehr geehrter Herr Präsident, geschätzter Herr Staatsminister, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Passauer Landrat, ein tüchtiger Bursche, immerhin seit 1990 amtierend,
beklagte vor kurzem, dass er zum ersten Mal die Beratungen seines Haushalts nicht im Dezember abschließen könne: „Zu viele Zahlen sind noch unklar.“ Vor diesem Hintergrund bekommt der Antrag der GRÜNEN trotz der etwas obskuren Überschrift eine gewisse Plausibilität.
Zur Vorgeschichte: Das Gespräch zur Vorbereitung des Finanzausgleichsgesetzes wurde nunmehr zum zweiten Mal verschoben. Natürlich lässt dies den Adrenalinspiegel bei den Akteuren im Land steigen. Denn zum einen weiß man seit der November-Steuerschätzung, dass gegenüber dem Stammhaushalt eine knappe Milliarde Euro fehlen, und zum anderen sitzt allen noch der Schrecken des Nachtragshaushalts 2004 in den Knochen.
Nach allem, was die Staatsregierung von sich gibt – sieht man einmal von den parteiinternen Wahlversprechen der beiden verhinderten Ministerpräsidenten ab –, soll die Kürzungspolitik fortgesetzt werden. Deshalb wäre es umso dringender, den Kommunen, Verbänden und Vereinen möglichst rasch Klarheit über deren fi nanzielle Ausstattung zu geben.
Wir sind Realisten genug, um zu wissen, dass derzeit wohl nicht auf breiter Fläche mit dem Füllhorn Geld verteilt werden kann. Das fordern wir auch gar nicht. Wir fordern ganz dezidierte Weichenstellungen, und das aus den verschiedensten Gründen. Insofern begrüßen wir den Antrag der GRÜNEN, weil wir hier grundsätzliche Anforderungen zum Nachtragshaushalt 2006 besprechen können.
In Einzelplan 10 sollte es der Anstand gebieten, die Blinden und die Obdachlosen, die Familien und ihre
Ich denke, darüber müssen wir uns nicht groß austauschen. Im Bereich der regionalen Wirtschaftsförderung bedarf es zupackender Strukturhilfen. Cluster ist gut, aber kein Cluster ohne Zaster.
In Anlehnung an die Österreicher – man sehe mir als Passauer diesen Blick zu unseren früheren Chefs nach – müssen diese Netze aber mit richtigem Geld ausgestattet werden.
4,2 Millionen Euro hat jedes österreichische Cluster bekommen. Wir haben oft genug deutlich gemacht, dass in den Einzelplänen 5 und 15 über die Zukunft des Freistaats entschieden wird. Natürlich muss Geld für die Schulen und die Hochschulen bereitgestellt werden, auch für das dortige Personal. Das fl ächendeckende Schließprogramm für Schulen darf doch nicht ernsthaft die einzige Antwort auf die bildungspolitischen Herausforderungen sein
oder die großen Klassen oder Klassiker wie R 6 und G 8. Nur eine Randbemerkung: Im investiven Bereich hätten wir für die Schulen wesentlich mehr Geld zur Verfügung, wenn der Freistaat nicht vor wenigen Jahren den Kommunen die Sanierung oder gar den Neubau von Schulen nahe gelegt hätte, die jetzt liquidiert werden. So viel zur Nachhaltigkeit.
Vor allem aber muss im Nachtragshaushalt 2006 – da sind wir uns doch einig – die Investitionsquote steigen. Sie wissen selbst, welch großen Handlungsbedarf es im staatlichen Tief- und Hochbau gibt. Auch die zarten Versuche der Bundesregierung, mit diversen Maßnahmen die Binnenkonjunktur, die Bauwirtschaft zu beleben, sollten vom starken Freistaat Bayern unterstützt werden.
Die bundesstaatliche Finanzverfassung als Nervus rerum gibt uns doch diese gesamtwirtschaftliche Zielsetzung vor. Wir sind in der Lage, den Bund bei diesen Bemühungen zu unterstützen, und das frühere parteipolitische
Hierher gehört auch die ausreichende Unterstützung der Kommunen. Die Popularklage der Bezirke Schwaben und Oberbayern, der Landkreise, der kreisfreien Städte und der Gemeinden ist doch ein Menetekel. Hier wird deutlich, wie weit die Situation schon gediehen ist, wie breit der Graben ist und wie tief das Misstrauen sitzt. Abgesehen davon, dass die Grundzüge des FAG profund hinterfragt werden und die SPD-Landtagsfraktion, namentlich Kollegin Schmitt-Bussinger, sich in ihren Forderungen nach einer grundlegenden Reform desselbigen bestätigt fühlt, wird doch das ganze Dilemma deutlich.
Die Kommunen wollen verlässliche, sprich gesetzlich verankerte Finanzierungen und keine Zuweisungen, die ins Belieben der Tagespolitik gestellt werden.
Es geht nicht nur um eine angemessene Finanzausstattung, sondern vor allem um die Grundlagen fi nanzieller Eigenverantwortung als Element der Selbstverwaltung oder, wenn Sie so wollen, frei nach Montesquieu: Nichts erfordert mehr Weisheit, Herr Minister, und Klugheit als die Bestimmung desjenigen Teils, welchen man den Kommunen nimmt, und des Teils, welchen man ihnen lässt.
Aber zurück zu den Investitionen. Die kommunalen Bauinvestitionen sanken in den Jahren 1995 bis 2004 von 4,3 Milliarden Euro auf 2,9 Milliarden Euro. Dieser Einbruch um ein Drittel ist mitverantwortlich für die derzeitige Situation auf dem Arbeitsmarkt, für das Lahmen der Baukonjunktur und der Binnenkonjunktur. Hier gilt es anzusetzen, wie gesagt, durch zuverlässige laufende Finanzierung, und das kann nur ein höherer Anteil an der Verbundmasse sein. Der bayerische Nachholbedarf bei diesem Thema ist seit meiner schriftlichen Anfrage aktenkundig. Die Promille vom heurigen Jahr können nur der Anfang gewesen sein.
Eine gezielte Investitionsförderung muss her, die Schulen wurden bereits angesprochen, aber auch im Bereich klassischer Betreuungseinrichtungen. Ich kann Ihnen aus dem Stand drei Maßnahmen nennen, die im nächsten Monat begonnen würden, wenn der Staat wieder den Bau oder die Sanierung von Altenheimen fördern würde.
Gleiches gilt für alle Bereiche der Daseinsvorsorge und der kommunalen Infrastruktur. Diese gezielte Investitionsförderung hätte mit Sicherheit Signalwirkung und würde eine Belebung auslösen. Gerade im Bereich der Grenzlandgemeinden könnte man noch vieles ergänzen, aber hier wurden bereits eindeutige Festlegungen via Pressekonferenzen gemacht.
Für all das brauchen wir Klarheit, brauchen wir bald den Nachtragshaushalt 06. Ich sage Ihnen, wenn ich wüsste, dass alle diese Punkte beinhaltet würden, wäre mir der Zeitpunkt der Verabschiedung natürlich egal. Aber die Ankündigungen der Staatsregierung sprechen eine andere Sprache, und deshalb muss Klarheit im Land herrschen.