Protocol of the Session on October 19, 2005

Ich gehe davon aus, dass zwischen den Fraktionen Einigkeit besteht, alle anderen Dringlichkeitsanträge an die Ausschüsse zu überweisen.

(Ulrike Gote (GRÜNE): Mit uns wurde das nicht vereinbart! Mit uns hat noch niemand gesprochen!)

Mit Ihnen hat noch niemand gesprochen? – Ich habe das vermutet, auf Basis der Besprechungen im Ältestenrat. Frau Kollegin Gote, ich muss hinzufügen, dass für die Dringlichkeitsanträge drei Stunden angesetzt sind. Solange wir Redezeit haben, ist auch Zeit für die Dringlichkeitsanträge, also bis die Redezeit ausgeschöpft ist. Das ist keine Frage. Nur mit der von mir genannten Zeit wäre die Redezeit dann vorbei. Wir haben bis 16.00 Uhr eingeladen. Die anderen Tagesordnungspunkte sind nach meiner Kenntnis erledigt. Daraus ergibt sich, dass die Plenarsitzung nach der genannten Redezeit beendet ist.

Ich hoffe, damit sind alle Unklarheiten beseitigt. Wir beginnen deshalb mit dem nächsten Tagesordnungspunkt.

Ich rufe zur gemeinsamen Beratung auf:

Dringlichkeitsantrag der Abg. Margarete Bause, Dr. Sepp Dürr, Ulrike Gote u. a. u. Frakt. (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Kommunale Handlungsfähigkeit sichern, Konnexitätsprinzip umsetzen (Drs. 15/4112)

Dringlichkeitsantrag der Abg. Johanna Werner-Muggendorfer, Helga Schmitt-Bussinger, Dr. Heinz Kaiser u.a. u. Frakt. (SPD) Kommunale Selbstverwaltung stärken – Konnexitätsprinzip einhalten (Drs. 15/4130)

Erste Wortmeldung: Frau Kollegin Kamm.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Um die Handlungsfähigkeit der Kommunen zu sichern, bedarf es nicht nur der Aktivitäten auf Bundesebene -, über die haben wir heute schon diskutiert -, sondern es bedarf vor allem auch der Handlungen seitens des Freistaates Bayern. Bayern hat erheblichen Handlungsbedarf, um das in der Verfassung festgeschriebene Konnexitätsprinzip zu verwirklichen und zu leben. Das gilt insbesondere für verschiedene Initiativen der Staatsregierung, beispielsweise für das G 8 und für das Büchergeld. Das gilt aber auch für verschiedene andere Gesetzesvorhaben.

Wir fordern deshalb in unserem Dringlichkeitsantrag die Staatsregierung auf, die kommunale Handlungsfähigkeit wirklich zu sichern und das Konnexitätsprinzip entsprechend den mit den kommunalen Spitzenverbänden vereinbarten Konsultationsvereinbarungen einzuhalten. Es wurde unter anderem ein Vollkostenersatz für Mehrbelastungen durch die einzelnen Initiativen und Gesetzesvorhaben der Staatsregierung vereinbart. Das Konnexitätsprinzip wird unter anderem durch die Praxis beim G 8 infrage gestellt. Hier gibt es beileibe nicht die Erstattung

der Vollkosten, die bei der Einführung des G 8 den Kommunen in Aussicht gestellt wurde.

Zu den Vollkosten gehört nämlich auch die Berücksichtigung der Kosten für unverzichtbare Nebennutzungsfl ächen, Verkehrsfl ächen, Funktionsfl ächen und für das etwaige Vorbereiten von Baugrundstücken und die Architektenkosten. Es geht nicht an, dass die Staatsregierung beim Kostenersatz lediglich eine bestimmte Art von Kosten als solche defi niert und den eigentlich im Konnexitätsprinzip festgeschriebenen Vollkostenersatz außer Acht lässt.

Momentan haben die bayerischen Kommunen infolge des G 8 ein Antragsvolumen in Höhe von 734 Millionen Euro. Die Staatsregierung geht aber lediglich von zuwendungsfähigen Kosten in Höhe von 505 Millionen Euro aus. Es besteht also eine Differenz von über 230 Millionen Euro, die zu klären ist. Für IZBB-Mittel werden derzeit 453 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Damit beträgt die Spanne zwischen den IZBB-Mitteln und den zuwendungsfähigen Kosten noch einmal 50 Millionen Euro. Gegenüber diesen Aufwendungen, die den Kommunen entstehen, nehmen sich die in den Haushalt als erforderliche Landesmittel aufgenommenen 13,8 Millionen Euro für das G 8 wahrhaft bescheiden aus, ganz abgesehen davon, dass es nicht Sinn der IZBB-Mittel war, ausschließlich bzw. hauptsächlich den Gymnasien zur Verfügung zu stehen.

Wir fordern Sie daher auf, die notwendigen Nachbesserungen vorzunehmen und nicht erst darauf zu warten, dass Kommunen klagen, um die ihnen zustehenden Investitionskosten tatsächlich zu erhalten. Eine Partnerschaft zwischen Staatsregierung und Kommunen sieht anders aus, als das hier im Umgang mit den IZBB-Mitteln der Fall ist.

Ähnliches ließe sich über das Büchergeld sagen. Hier wurde den Kommunen ein erheblicher Verwaltungsaufwand auferlegt, wobei die Kosten nicht in vollem Umfang erstattet werden. Wir fordern Sie auf: Beerdigen Sie diese bürokratische Missgeburt und stellen Sie die Lernmittelfreiheit in Bayern wieder her.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir fordern Sie auf, bei Gesetzesvorhaben der Staatsregierung in Zukunft auch bei Verwaltungsaufgaben, die Sie auf die kommunale Ebene übertragen wollen, eine Vollkostenerstattung vorzusehen. Wir fordern Sie auf, bei Änderungen des Finanzausgleichs von vornherein ein Einvernehmen mit den betroffenen Kommunen herzustellen.

Die Art und Weise, wie in den letzten Wochen plötzlich erklärt worden ist, man könne bei der Berechnung der Schlüsselzuweisungen Nebenwohnsitze nicht mehr berücksichtigen, entspricht nicht dem Gedanken des Konnexitätsprinzips. Wir gehen davon aus, dass solche Änderungen im kommunalen Finanzausgleich einvernehmlich geregelt und vorgenommen werden müssen.

Wir fordern Sie weiter auf, die Kürzungen in den Bereichen Soziales und Jugend zurückzunehmen und den Freistaat nicht zulasten der Kommunen zu entlasten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Gerade auf diesem Sektor müssen auf lokaler Ebene die Versäumnisse der Staatsregierung aufgefangen werden, und es entstehen in erheblichem Umfang zusätzliche Kosten. Die Kommunen haben die Folgekosten der R 6 noch nicht verdaut, die allerdings eingeführt worden ist, bevor das Konnexitätsprinzip festgeschrieben worden ist. Dennoch denke ich, es ist berechtigt, die Forderung zu stellen, Nachbesserungen seitens der Staatsregierung vorzunehmen. Wir fordern außerdem, bei den anstehenden Zuständigkeitsverlagerungen bezüglich sozialer Aufgaben – Frau Stewens hat es angekündigt – eine geklärte Datenlage und einen adäquaten fi nanziellen Ausgleich zu schaffen.

Last but not least leiden die Kommunen auch unter den Kürzungen bei den ÖPNV-Zuweisungen an ihre regionalen Verkehrsträger und nach wie vor unter der mangelnden Bereitstellung ausreichender Kompensationsmittel, die erforderlich wären, um zusammen mit den Kommunen zeitnah einen ausreichenden Hochwasserschutz und Lawinenschutz sicherzustellen. Es geht nicht an, dass sich die Landesebene zurückzieht und sagt, wir verschieben notwendige Investitionen drei, vier oder fünf Jahre, wobei letztlich die betroffenen Bürgerinnen und Bürger, die Kommunen und die Infrastruktur vor Ort das Nachsehen haben.

Wir fordern Sie auf, nicht auf die Klagen der Kommunen zu warten, sondern entsprechend dem Konnexitätsprinzip zu handeln. Dann gäbe es für Sie auch weniger Inszenierungsbedarf im Zusammenhang mit Schulterschlussbündnissen mit den Kommunen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Dupper.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! In aller Kürze: Ein Antrag zu den kommunalen Finanzen ist in Bayern immer dringlich. Das hat zum einen mit der Finanzausstattung der Kommunen und zum anderen mit dem mittlerweile hinreichend geschilderten Konnexitätsprinzip zu tun. Dieses Instrument lechzt danach, mit Leben erfüllt zu werden.

(Beifall bei der SPD)

Die Begleitmusik der G-8-Aufoktroyierung klingt landauf, landab nach derselben Melodie: Die Kommunen bleiben auf einem völlig inakzeptablen Kostenanteil sitzen. Versprochen war etwas anderes. Dazu will ich Ihnen ein Beispiel aus meiner Heimatstadt nennen. In den Jahren 2004 und vor allem 2005 wurden G-8-Maßnahmen mit Kosten in Höhe von über 2 Millionen Euro beantragt. Von diesen 2 Millionen Euro hat die rot-grüne Bundesregierung über 1,4 Millionen Euro bezahlt, die Stadt Passau in schwie

rigen Zeiten über 500 000 Euro und der Freistaat Bayern 71 000 Euro oder lächerliche 3 % der Gesamtaufwendungen.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Respekt!)

Das ist bayernweit Realität, und das ist auch die Ursache dafür, dass seitens des Städtetags Musterprozesse angedroht werden. Es ist doch kein Wunder, dass die bayerischen Kommunen zusammenzucken, wenn Sie über neue Reformen parlieren. Das ist der „3-%-Zuckerer“.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, natürlich ließe sich diese Litanei über das kommunale Sündenregister, das vor allem die Schwächung der Investitionskraft enthält, fortsetzen. Stichworte in diesem Zusammenhang sind die Kfz-Steuermittel, die Investitionspauschale, die Abwasser- und die Wasserförderung sowie der ÖPNV. Frau Kollegin Werner-Muggendorfer ist besonders gut bewandert, was die Hochwassermittel angeht, die uns seit Jahren fehlen. Ich denke auch an den fi nalen Dolchstoß durch die geplante Abschaffung der Gewerbesteuer. Es gibt Themen über Themen und seit kurzem auch eine veritable Strukturdiskussion, Stichwort: Bezirke.

Als Fazit kann man nur festhalten: Kommunalgipfel sind wohlfeil, aber wir brauchen eine tragfähige Basis für unsere bayerischen Kommunen.

(Beifall bei der SPD)

Diese tragfähige Basis oder zumindest der Weg dorthin sollte nun endlich geschaffen werden, und zwar im Nachtragshaushalt 2006 mit der von uns schon seit langer Zeit geforderten durchgreifenden Reform des kommunalen Finanzausgleichs in Bayern. Deshalb bitten wir um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei der SPD)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Kupka. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Dringlichkeit dieses Dringlichkeitsantrags hat sich im Plenum nicht widergespiegelt. Das stelle ich fest, wenn ich mich hier umsehe.

Sehr geehrte Damen und Herren der Opposition, Sie haben hier Anträge gestellt unter der Überschrift: „Kommunale Handlungsfähigkeit sichern, Konnexitätsprinzip umsetzen“. Es sind aber insbesondere im Antrag der GRÜNEN eine ganze Reihe von Punkten angesprochen, die mit dem Konnexitätsprinzip nichts zu tun haben.

Wenn Sie ins Schwarze treffen wollen, dürfen Sie nicht mit Schrot schießen. Das hat keinen Sinn. Die Unzufriedenheit der Kommunen mit der fi nanziellen Situation, die durchaus verständlich ist, kann nicht als Argument dafür verwendet werden, dass das Konnexitätsprinzip nicht läuft. So können Sie hier nicht argumentieren. Wir haben dieses Konnexitätsprinzip seit zwei Jahren in der Bayerischen Verfassung verankert. Wir sammeln jetzt erste Erfahrungen. Wir bemühen uns um einen Konsens mit den Kommunen; es wird Abgrenzungsprobleme geben auch

dahin gehend, Herr Dupper, wo Bagatellgrenzen einzuhalten sind und wo nicht. Ich meine, alles in allem sollte die Kommunalfreundlichkeit gegenüber den Kommunen in diesem Hohen Hause nicht bestritten werden. Jeder, der Geld hat, würde den Kommunen gern mehr geben; denn jeder hat seinen Wohnsitz in einer Gemeinde, und jeder kennt einen Bürgermeister, und in allen Fraktionen sitzen genügend Bürgermeister. Darum kann es also nicht gehen.

Ich meine Folgendes: Wenn wir das Konnexitätsprinzip überdehnten, müssten wir darüber reden, ob wir eventuell wieder in eine Subventionspolitik zurückfi elen, die wir gerade abschaffen wollen. Es darf nicht sein, dass wir über das Konnexitätsprinzip oder Ähnliches in eine Politik hineingeraten, an deren Ende wieder das Faktum steht, dass wir die Gemeinden am goldenen Zügel führen. Das wäre nicht richtig.

Herr Kollege, erlauben Sie eine Frage der Frau Kollegin Kamm?

Nein, wir wollen schnell zum Ende kommen. Wir können uns hinterher unterhalten, Frau Kollegin. – Ich war selbst lang genug Bürgermeister. Ich kann Ihnen eines sagen: Wir haben immer darum gekämpft, die frei verfügbaren Mittel zu erhöhen, um nicht an die Zuschüsse gebunden zu sein. Warum? – Diese Zuschüsse haben in vielen Fällen zu Fehlinvestitionen geführt. Da kommen dann die Gemeinderäte oder irgendwelche schlauen Vertreter irgendwelcher Vereine und sagen: Hier gibt es einen Zuschuss. Macht etwas!

(Christine Kamm (GRÜNE): In Bayern gibt es doch ein besonders großes Zuschusswesen! Da muss etwas gemacht werden!)

Ich sage nur: Was die Kommunen benötigen, ist die freie Spitze. Sie müssen sich selbst entfalten können. In diese Richtung muss es gehen.

(Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist ein Lebensgrundsatz: Wenn du etwas umsonst kriegst, hat man dir noch nicht die Rechnung vorgelegt, die dann zu bezahlen ist. Wir schöpfen doch alle aus einem Topf und können nicht so tun, als ob das Geld vorhanden wäre.

(Christine Kamm (GRÜNE): Der Freistaat muss dann eben andere Gesetze machen!)

Es geht nicht zu sagen, wir seien nur nicht bereit, das Geld richtig zu verteilen.

(Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN)