Protocol of the Session on October 19, 2005

Herr Minister Schneider, Sie reden von der „soliden Unterrichtsversorgung“. Diesen Begriff habe ich in Ihren Ausführungen mehrfach gehört. Solide Unterrichtsversorgung ist für mich zunächst etwas nicht Defi nierbares, zumindest ist es nicht klar abgrenzbar. Die Frage ist, Herr Minister, ob Sie bereit sind, Anspruch und Realität aufzunehmen und darauf zu reagieren.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Karin Rader- macher (SPD): Genau!)

Alle Lehrerverbände sagen uns und auch Ihnen – Sie sagen es ja nicht nur uns –, dem gesamten Ministerium: Wir brauchen zur Sicherstellung des Unterrichts, aber auch zur Qualitätsentwicklung des Schulwesens eine bestimmte Anzahl von Lehrern. Sie sagen: Wir gewähren

eine solide Unterrichtsversorgung. Das geht sehr stark auseinander, und Sie müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, dass Sie die Realität schlicht und einfach nicht anerkennen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Kolleginnen und Kollegen, kurz möchte ich zum Punkt 2 unseres Antrags, betreffend ein eigenes Investitionsprogramm für Schulen mit IZBB-Mitteln, reden. Ich denke, man muss ein bisschen Ordnung in die Diskussion um das IZBB-Programm bringen. Ursprung des IZBB-Programms ist eine Verwaltungsvereinbarung vom 1. Januar 2003. Das ist eine Vereinbarung zwischen Bund und Land. Alle Länder haben diese Verwaltungsvereinbarung unterschrieben, und ich gehe davon aus, dass man sich nach einer Verwaltungsvereinbarung, die die Unterschrift von nicht so unwichtigen Menschen wie den Kultusministern trägt, auch richtet. Das ist die Grundlage.

In dieser Verwaltungsvereinbarung wird deutlich das Ziel formuliert – ich zitiere einen Satz aus der Präambel –: „Ziel des Programms ist es, zusätzliche Ganztagsschulen zu schaffen und bestehende Ganztagsschulen qualitativ weiterzuentwickeln.“ Sie hat also zwei Ziele: zum einen mehr, zum anderen eine bessere Qualität. Im Teil „Finanzierung“ dieser Verwaltungsvereinbarung steht unter anderem: „Die Bundesmittel sind als Zusatzfi nanzierung zu den Eigenaufwendungen in den Ländern einzusetzen, die für jedes Land mindestens zehn von Hundert betragen.“ So weit die Grundlage, so weit die Zielsetzung.

Was ist nun in Bayern passiert? Die IZBB-Mittel kamen – so sage ich das – dem Kultusministerium, der Staatsregierung, gerade recht, um letztlich die Probleme mit dem G 8 in Bayern zu schultern.

(Widerspruch bei der CSU)

Man hat einfach diese Gelder genommen, hat sich nicht mehr an das Konnexitätsprinzip erinnert, sondern das war wunderbar: Da stehen Gelder zur Verfügung. Wenn es in Bayern mit den Schulen aufwärts geht, dann eigentlich immer nur durch Programme der Bundesregierung.

(Widerspruch bei der CSU – Zuruf von der CSU: Ein solcher Schmarrn!)

„Ein solcher Schmarrn“ können Sie sich schenken. Ich empfehle Ihnen die Lektüre der Drucksache 15/3984, ein wunderbares Heft. Alle CSU-Kolleginnen und -Kollegen bitte ich eindringlich, sich das anzuschauen. Aus der Übersicht auf der letzten Seite geht hervor, dass 504 Millionen Euro – ich lasse die kleinen Zahlen weg – an IZBBMitteln an die Schulen weitergegeben wurden und nach dem Konnexitätsprinzip lediglich 13,8 Millionen Euro.

Wohin sind diese Mittel gefl ossen? Erst einmal hat es für Anträge nach dem IZBB-Programm, die im Bereich der Förderschulen, der Volksschulen und der Realschulen gestellt wurden, keinen einzigen Euro vonseiten des Freistaats Bayern gegeben. Ich erinnere wieder an die Verwaltungsvereinbarung: 10 % Eigenmittel des Landes, Ziel: Ausbau der Ganztagsschulen. Da war nichts von einer

Schulart zu lesen, sondern von Ganztagsschulen in den jeweiligen Regionen. Das ist der Hintergrund.

Da frage ich Sie, Kolleginnen und Kollegen von der CSU: Wo bleibt Ihr Beitrag zum Thema Bildungschancengleichheit? Herr Minister, Sie haben viele Untersuchungen zitiert. Alle sind sich einig, dass gerade die Ganztagsschule ein Beitrag zu mehr Chancengleichheit, zu mehr Bildungsgerechtigkeit in Bayern ist. Es wäre Ihre Aufgabe vonseiten des Ministeriums gewesen, nachdem dieses Programm von Ihnen unterschrieben wurde, sich zusammen mit den Kommunen vor Ort und mit den Regionen Ausbaumöglichkeiten zu überlegen, um zum Beispiel die regionalen Unterschiede in Bayern beim Thema Bildung ein Stück auszugleichen, wie es der Bildungsatlas in Bayern immer wieder aufzeigt. Dies wäre ein gutes Instrument gewesen, um mit den Kommunen vor Ort Ganztagsschulen voranzutreiben.

Sie haben das alles nicht getan. Sie haben die IZBB-Mittel zu den Gymnasien umgeleitet. Sie haben an Eigenmitteln lediglich 13,8 Millionen Euro aufgewendet, 504 Millionen Euro kommen vonseiten der Bundesregierung. Wenn ich richtig rechne, dann sind 10 % von 504 Millionen mehr als 13,8 Millionen Euro.

(Unruhe)

Ich fi nde, es ist wahnsinnig unruhig hier. Ich bitte Sie, mir noch einen ganz kleinen Augenblick zuzuhören, denn so ganz uninteressant ist die Sache tatsächlich nicht.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Es ist alles nachzulesen in der Drucksache 15/3984.

Es bleibt also die Forderung vonseiten der SPD-Fraktion hier im Haus, es bleibt aber auch die Forderung des Städtetages, erst jüngst wieder ganz konkret formuliert.

Es bleibt die Forderung sämtlicher Kommunen im Lande, dass die Staatsregierung hier zwei Dinge machen muss: Erstens. Sie soll ein eigenes Programm zur Ergänzung der IZBB-Mittel vom Bund mit der Zielsetzung aufl egen, Ganztagsschulen auszubauen und qualitativ weiterzuentwickeln. Zweitens bleibt die Forderung nach dem Konnexitätsprinzip bei dem notwendigen räumlichen Ausbau zur Einführung des G 8 weiterhin bestehen. Dazu stehen Ihnen noch etliche Klagen ins Haus. Wir sind gespannt, wie diese ausgehen werden.

Hinzu kommt noch etwas, das ich für eine besondere Anmaßung halte. In meiner Stadt – Ihr Kollege Freller kommt auch aus Nürnberg – haben wir in der letzten Sitzung des Schulausschusses ausführlich erörtert, welche Probleme die Stadt im Zusammenhang mit den IZBB-Mitteln hat. Dabei wurde deutlich, dass Anträge auf Mittel gestellt wurden. Dann hat die Staatsregierung plötzlich gemerkt, dass das sehr viele Anträge werden, nachdem die Antragstellung zunächst ein wenig zögerlich angelaufen ist. Die Staatsregierung hat gemerkt, dass sie das mit den IZBB-Mitteln nicht mehr schafft, und einfach per Erlass festgelegt, dass es nur 2743 Euro pro Quadratmeter gibt – korrigieren Sie mich, wenn diese Zahl nicht

exakt stimmt –, damit müssen die Antragsteller auskommen, unabhängig davon, was ein Umbau tatsächlich kostet. Diesen Betrag hat man nicht errechnet, hat ihn nicht mit den tatsächlichen Kosten verglichen, sondern hat ihn einfach per Erlass festgelegt. Die Kommunen stehen vor einem Berg an Investitionen und haben keine eigenen Mittel, um ihn abzutragen. Die Staatsregierung aber zieht sich zurück und kommt ihrer Verantwortung in diesem Bereich nicht nach.

Kolleginnen und Kollegen, man schließt Vereinbarungen nicht, um sie hinterrücks quasi nicht einzuhalten. Das ist nicht fair.

(Beifall bei der SPD)

Wenn man eine solche Vereinbarung unterschreibt und sich damit zu den darin enthaltenen Zielen bekennt, muss man hinterher dafür im Lande auch geradestehen. Wir werden Sie daran erinnern und immer wieder ermahnen.

(Beifall bei der SPD)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Nöth. Nach gegenwärtigem Stand ist kein weiterer Redner oder Rednerin gemeldet. Es geht also dann zur namentlichen Abstimmung.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Die bisherigen Beiträge der SPD und der GRÜNEN vermitteln den Eindruck, als würde man sich in Bayern in einem bildungspolitischen Notstandsgebiet befi nden. Diesen Schluss lassen Ihre heutigen Darlegungen zu, mit denen Sie die Gelegenheit wahrgenommen haben, Ihre Forderungen zu begründen.

Ich darf für die CSU-Fraktion zu den beiden Anträgen abschließend einige wenige Sätze sagen.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Pfaffmann?

Nein. – Der Dringlichkeitsantrag der SPD hat die Überschrift „Nachtragshaushalt 2006 muss Bildungshaushalt werden“. Ich bin zwar sehr dafür, dass die Mittel für Bildung aufgestockt werden, aber es wird wohl doch nicht erreichbar sein, dass sich ein Nachtragshaushalt ausschließlich auf Bildung kapriziert. Sie fordern die Bereitstellung von Mitteln für die Einstellung von 2000 Lehrern und verschweigen natürlich, was das Ganze kostet und woher das Geld dafür kommen soll. Wenn Sie das Geld für diese 2000 Lehrer heute bereitgestellt hätten, wären wir die Letzten gewesen, die diesem Antrag nicht zugestimmt hätten. Die Bereitstellung von zusätzlichen 2000 Lehrern und Lehrerinnen an unseren Schulen würde letztlich 120 Millionen Euro erfordern.

Vorhin wurde sehr richtig gesagt, dass wir Verantwortung übernehmen sollen. Wir übernehmen selbstverständlich gerne Verantwortung für unsere Kinder und wollen ihnen Bildungschancen einräumen. Nach meiner Meinung gehört es auch zur Verantwortung unseren Kindern und Enkelkindern gegenüber, dass wir ihnen geordnete

Finanzverhältnisse hinterlassen. Wenn wir ihnen einen solchen Schuldenberg hinterlassen würden, der momentan durch nichts zu fi nanzieren ist, wäre das absolut unverantwortlich. Ich will jetzt gar nicht darauf hinweisen, wie die Entwicklung unseres Haushalts derzeit ausschaut.

Zum Investitionsprogramm IZBB, das Frau Weikert soeben eingehend behandelt hat, möchte ich nur feststellen, dass den Kommunen in den Jahren 2004 und 2005 insgesamt 335 Millionen in Aussicht gestellt worden sind. Bisher sind lediglich 20 % dieser Mittel abgerufen worden. Sie wissen, dass sich das ganze IZBB-Programm bis in das Jahr 2008 hineinzieht. Bereits jetzt über eigene Programme zu sprechen, hielte ich für übertrieben. Sie kennen die Entwicklung bei den Ganztagsangeboten und Ganztagsschulen in Bayern. Wir können uns trotz der wirklich schwierigen Rahmenbedingungen durchaus auf die Schulter klopfen dafür, was wir zu Beginn des Schuljahres 2005/2006 aufzuweisen haben. Ich darf kurz in Erinnerung rufen, dass wir zu Beginn dieses Schuljahres 10 % mehr Schüler und Gruppen in der Mittagsbetreuung an unseren Grundschulen haben. Wir haben über 10 % mehr Ganztagsangebote an unseren Hauptschulen. An insgesamt 373 Hauptschulen haben wir zwischenzeitlich ein Ganztagsangebot. An 114 von 335 Realschulen ist bereits ein Ganztagesangebot vorhanden. Auch an den Gymnasien wurde zu Beginn des Schuljahres ein Plus von 7,5 % verzeichnet. Momentan sind in Bayern an insgesamt 604 Schulen Ganztagesangebote vorhanden. Unser Ziel ist, die Zahl von 1000 Schulen in möglichst kurzer Zeit zu erreichen.

Eine ähnlich positive Entwicklung machen wir bei den Ganztagesschulen aus. Auch hier, so glaube ich, sind wir auf einem guten Weg. Die Zahl von 100 ist angepeilt und wird hoffentlich in Bälde erreicht.

Zum Dringlichkeitsantrag der GRÜNEN. Er enthält sicherlich sehr interessante Programmpunkte, Frau Kollegin Tolle, aber es würde sehr lange dauern, sich damit im Detail zu beschäftigen.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Ich darf Ihnen zusichern, dass wir über vieles, was dieser Dringlichkeitsantrag enthält, in den nächsten Wochen und Monaten gemeinsam sprechen werden. Ich teile in vielem Ihre Sorgen, die Sie heute vorgetragen haben. Wir müssen zwischen den wirtschaftlichen und fi nanziellen Rahmenbedingungen einerseits und den Erfordernissen und der Weiterentwicklung unserer Schulen für unsere Kinder andererseits abwägen und sehen, was möglich ist. Das darf ich Ihnen zusichern.

Frau Kollegin Tolle, den Introitus Ihres Dringlichkeitsantrags unterstreiche ich zum Teil. Sie schreiben: „Bildung ist die Investition in Bayerns Zukunft.“ Das unterstreichen wir einhundertprozentig. Deshalb genießt dieser Bereich bei der Aufstellung des Nachtragshaushalts oberste Priorität. Ich nehme an, dass das bei den Verhandlungen, die hier in Bälde beginnen, auch so gesehen wird. „Diese Priorität ist in den nächsten Haushaltsjahren fortzusetzen.“ Das unterstreiche ich auch. Ihrer Aussage hingegen, dass

erst mit dem Nachtragshaushalt der Startschuss für eine fi nanzielle, personelle und qualitative Offensive für bessere Bildung in Bayern beginnt, kann ich nicht zustimmen, weil bereits die letzten Haushalte sehr deutlich gemacht haben, dass es in Richtung Vorfahrt für die Bildung geht. Das wird auch unsere zukünftige Haltung sein.

Wir können deshalb im Moment beiden Anträgen nicht zustimmen. Ich bitte, das zur Kenntnis zu nehmen. Über die Inhalte wird mit Sicherheit in den nächsten Wochen noch gestritten.

(Beifall bei der CSU)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Die CSUFraktion hat für den Antrag der SPD namentliche Abstimmung beantragt.

Ich lasse zunächst in einfacher Form über den Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Bause, Dr. Dürr, Gote und anderer und Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN betreffend „Bildung hat Vorfahrt – Nachtragshaushalt muss ein deutliches Signal aussenden“ abstimmen; das ist die Drucksache 15/4129. Wer diesem Dringlichkeitsantrag zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. – Das sind die Fraktionen des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD. Gegenstimmen? – Das ist die CSU-Fraktion. Stimmenthaltungen? – Keine. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Damit kommen wir zur namentlichen Abstimmung über den Dringlichkeitsantrag der SPD auf Drucksache 15/ 4111 mit dem Betreff „Nachtragshaushalt 2006 muss Bildungshaushalt werden“. Dafür sind fünf Minuten Zeit. Die Abstimmung kann beginnen.

(Namentliche Abstimmung von 13.09 bis 13.14 Uhr)

Die Abstimmung ist abgeschlossen, die Auszählung fi ndet außerhalb des Saales statt. Zum weiteren Verfahren gebe ich bekannt, dass in Übereinstimmung mit den anderen Fraktionen noch ein Dringlichkeitsantrag aufgerufen wird. Die Gesamtdauer der folgenden Debatte richtet sich nach den noch vorhandenen Redezeiten.

Ich gebe deshalb einen Überblick für die Fraktionen und damit für alle: Die CSU-Fraktion hat noch 20 Minuten Redezeit, die SPD 15 Minuten und das BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 21 Minuten. Dabei sind die drei Minuten Zuschlag aus der bisherigen Redezeit der Staatsregierung bereits eingerechnet. Wenn die Staatsregierung anschließend das Wort ergreift – gegebenenfalls, ich will das nicht provozieren, sage es aber der Klarheit wegen –, dann wird sich die Redezeit der Fraktionen jeweils um die Redezeit der Staatsregierung verlängern. Ich nehme deshalb an, dass die Redezeit bei diesem Thema ausgeschöpft wird und bitte Sie, dass Sie sich darauf einstellen. Die Debatte wird mindestens 45 Minuten dauern, je nachdem kann sie auch länger werden. Ich hoffe, damit habe ich eine Orientierung über die Geschäftslage gegeben.

Ich gehe davon aus, dass zwischen den Fraktionen Einigkeit besteht, alle anderen Dringlichkeitsanträge an die Ausschüsse zu überweisen.