Protocol of the Session on July 20, 2005

Bei der Staatsbau- und Wasserwirtschaftsverwaltung entfallen 1032 Stellen, mit den Reformen im staatlichen Vermessungswesen ist ein Einsparziel von 504 Stellen verbunden, die Neustrukturierung der Landesämter im Geschäftsbereich des Umweltministeriums wird zu einem Personalabbau von 20 % führen. Auch bei der Landwirtschafts- und Forstverwaltung ist mit einer erheblichen Einsparung bei den Personalkosten zu rechnen. Mit der Errichtung des Zentrums „Bayern – Familie und Soziales“ ist ein Einsparziel an Personalkosten in Höhe von 30 v. H. und damit 540 Stellen verbunden.

Ferner wurden die Änderungsanträge der SPD von unserer Fraktion abgelehnt. Es geht einmal um die Einführung des Personalrates. Der Übergangspersonalrat kann zwölf Monate im Dienst sein. Die SPD wollte mit ihrem Antrag sechs Monate erreichen. Dazu ist festzustellen, dass immer gewährleistet ist, dass der Personalrat vorhanden ist. Deswegen halten wir die sechs Monate für zu kurz. Wir werden diesen Antrag ablehnen.

Ebenfalls wurde ein Änderungsantrag der SPD auf Drucksache 15/3567 eingereicht, um das Kuratorium der Fachschule für die öffentliche Verwaltung und Rechtspfl ege zu erhalten. Diesen Antrag werden wir ebenfalls ablehnen. Denn aus unserer Sicht ist es nicht zeitgemäß, ein Gremium zu erhalten, das lediglich dem formellen Meinungsaustausch dient. Viele Mitglieder dieses Gremiums sind gleichzeitig in anderen Gremien der Fachhochschule. Ein Qualitätsverlust ist daher nicht zu befürchten. Daneben werden Rechtsänderungen zur Deregulierung des Bayerischen Landesrechts vorgenommen. Dies betrifft insbesondere die Aufhebung des Bayerischen Gemeindepolizeigesetzes und die Aufhebung des alten Familienpfl egegesetzes.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, dieser Gesetzentwurf ist in verschiedenen Ausschüssen eingehend beraten worden. Wir bitten daher um Zustimmung in der vorliegenden Form. – Ich bedanke mich.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Wortmeldung: Kollege Dupper.

Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, Herr Minister! Dem Grunde nach folgt dieses Gesetzgebungsverfahren einem Schema, das wir leider nur zu gut kennen: vollmundige Ankündigungen, Einsetzen einer Kommission, hundertfache Pressekonferenzen zu den wegweisenden Kommissionsergebnissen, verbale Tatkraft und enttäuschende politische Realität. So darf sich heute auch niemand wundern, dass wir diesem Gesetz nicht zustimmen werden. Es genügt unserer Meinung nach nicht einmal der eigenen Überschrift: Es ist einmal mehr ein Beitrag zur Steigerung der Gesetzes- und Verordnungsfl ut in Bayern.

(Beifall bei der SPD)

Es wurde viel Wind gemacht um diese mittlerweile dritte Verwaltungsreform der Ära Stoiber. In der Tat war die Diskussion um Sinn oder Unsinn dieser Reform gleichermaßen heftig wie unerwünscht. Denn eigentlich wollte die Staatsregierung nicht so recht diskutieren. Eigentlich wollte man die Frösche nicht befragen, und eigentlich wollte man so vieles und hat doch so wenig erreicht. Es wundert nicht, dass die unsäglichen Feuerwehrförderrichtlinien als Beispiel für Verwaltungsvereinfachung herhalten müssen. Richtlinien, die in manchen Landesteilen für großen Unmut gesorgt haben, weil sie einzig und allein ein schlecht kaschiertes Sparkonzept sind. Ich werde heute aber nicht noch einmal über die Irrungen und Wirrungen bayerischer Placebo-Politik reden. Ich werde nicht reden über die Zumutungen für die Beschäftigten – Stich

wort Arbeitszeitverlängerung – oder über das unwürdige Ämtergeschachere, bei dem es nur Verlierer gab und das zu einem Beamtentourismus ohnegleichen führt. Ich werde auch nicht über die Unzahl an bayerischen Vorschriften reden. Wir haben oft und hinlänglich nachgewiesen, dass Bayern das preußischste aller Bundesländer ist und dass hier der Hang zur Reglementierung besonders ausgeprägt ist.

Wir werden heute auch nicht über die profunden Feststellungen und Empfehlungen des Obersten Rechnungshofes zur Personalausstattung der obersten Dienstbehörden reden. Hierzu nur eine Zahl: Steigerung der B 6-Stellen seit 1993 um 14 %.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Respekt!)

Es würde mich reizen, über den angeblich nettoneuverschuldungsfreien Haushalt 2006 zu sprechen. Wir haben uns dazu aber bereits bei der letzten Regierungserklärung zu diesem Thema ausgetauscht. Ich zitiere dazu Oberbürgermeister Schaidinger, der hierzu Folgendes meint: „Was nützt uns die Nettokreditaufnahme „Null“, wenn dafür die soziale und kulturelle Infrastruktur kaputt gespart ist?“

(Beifall bei der SPD)

Ich rede auch nicht über wirklich sinnvolle Maßnahmen dieser Verwaltungsreform, die zwar dünn gesät, aber dennoch zu fi nden sind. Ich nenne die Stichwörter „Landesamt für Finanzen“ und „Landesamt für Steuern“. Sie sehen, wir betrachten das ganze Thema sehr differenziert. Ich spreche vielmehr über die Gründe, warum die Verwaltungsreform ein derart kleiner Wurf wurde. Der tiefere Grund liegt wohl im umfassenden, durchaus historischen Zentralismus in Bayern, in Ihrem Hang, alles zu regeln. Wissen Sie, in jeder schmuddeligen südeuropäischen Kleinstadt ist das Straßentheater Ausdruck spontaner Kreativität. Hier in Bayern braucht man für ein Straßentheater eine vom Ministerium eingesetzte Task Force.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Der Flop ist doch vorprogrammiert. Sie müssen endlich loslassen, vor allem dort, wo Lebensqualität ganz konkret wird: bei den bayerischen Kommunen. Geben Sie den Kommunen Freiraum. Hierzu ein kleines Beispiel. Der Passauer Stadtrat hat einstimmig beschlossen, das von Ihnen vorgegebene Büchergeld für die Passauer Schüler zu übernehmen. 64 000 Euro im Jahr ist uns die gute Bildung der Passauer Schüler wert – Ihnen hingegen nicht mehr. Der Passauer Oberbürgermeister, ein Parteifreund von Ihnen, beklagt sich nun via Zeitung, dass ihm bei der Umsetzung dieses Beschlusses Ärger gemacht würde und, dass er gesetzgeberische Hindernisse befürchtet. So sieht die kommunale Selbstverwaltung 2005 aus. Als kommunalpolitischer Praktiker sage ich Ihnen, dass die endogenen Potenziale unserer Regionen nur deswegen suboptimal zum Tragen kommen, weil Sie mit Ihrem Staatsverständnis aus der Postkutschenzeit einer kreativen Entfaltung bewusst im Wege stehen.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Wenn sonst gar nichts mehr geht, dann werden die goldenen Zügel der kommunalen Finanzausstattung angezogen.

Wenn es um die Beschreibung der Ziele geht, dann sind wir ganz ernsthaft bei Ihnen: Optimierung der Aufgabenerfüllung, Effi zienz- und Dienstleistungsorientierung, Straffung von Verfahren. Kollege Kiesel, im Haushaltsausschuss haben wir lange und ausführlich über Immobilienmanagement beraten. Bei den Zielen sind wir bei Ihnen – zumindest bei manchen. Auch über manche Module der Henzler-Kommission kann man reden: „Small Company Act“, „Back to Basics“. Das sind eigentlich Gemeinplätze, sie sind dennoch überlegenswert. Entscheidend ist hier, wie überall, Modul Nr. 6: „Process Redesign“.

(Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN: Wie bitte? – Was soll das sein?)

Lieber Herr Minister, wir brauchen dauerhaft weniger Regulierung. Für dieses Herzstück, für diese Mutter aller Module haben wir noch keinen belastbaren Kostenplan und keinen belastbaren Zeitplan.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich sage Ihnen, wenn Reformeifer mehr sein soll als ein Bündel von Pressekonferenzen, kernigen Regierungserklärungen oder parlamentarischer Aktionismus, dann machen Sie Folgendes: Erstens. Klären Sie die politische Zielsetzung. Frau Kollegin Naaß hat in ihrer Antwort auf Ihre Regierungserklärung hinlänglich klargemacht: Zuerst müssen Sie einen politischen Konsens über die künftigen Aufgaben des Staates herstellen. Zweitens. Anschließend legen Sie einen breit angelegten Reformprozess auf, und zwar ab dem ersten Augenblick unter Einbeziehung aller. Stichwort: „Betroffene zu Beteiligten machen“. Selbstverständlich auch unter Einbeziehung externen Fachverstands, aber immer unter Einbeziehung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Drittens. Erst hier geht der steinige Weg eines ernst gemeinten Reformprozesses an: Aufgabenkritik. Es geht nicht um einen verordneten Aufgabenzuschnitt sondern um ernst gemeinte Aufgabenkritik. Hinzu kommen: Prozessoptimierung, Output-orientierte Budgets und Steuerung. Das Ganze muss natürlich mit einer anständigen Defi nition von Produkten und Leistungen einhergehen. Dies alles muss mit Workshops und mit Coaching-Modellen begleitet werden. So leiten Sie einen Reformprozess ein. All das sind Ingredienzien eines ernst gemeinten Reformprozesses, der dann auch erfolgreich sein kann.

Eine Verwaltungsreform, die allein aus einem vermutlichen oder aus tatsächlichem fi nanziellen Engpass heraus neue Wege aufzeigen will, ist von Anfang an gescheitert.

(Beifall bei der SPD)

Tragfähige Zukunftskonzepte lassen sich nur losgelöst von Haushaltsvorgaben entwickeln. Das vorliegende Konzept löst nur weiteren Bürokratismus aus, doch ohne uns.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Paulig.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Diese Verwaltungsreform, das so genannte Verwaltungsmodernisierungsgesetz, ist dilettantisch, intransparent und unsozial. Die Beamten werden demotiviert. Familien werden zerrissen, Kompetenz wird zerschlagen. Alles, was Sie als Ziele vorgegeben haben, wird durch dieses Gesetz nicht erreicht.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Es ist schön, wenn man Ihre Problemstellung auf der Drucksache des Gesetzentwurfs liest. Kollege Wörner hat die Passage schon im Umweltausschuss vorgelesen, aber ich muss es auch Ihnen noch einmal zu Gemüte führen: Unter Punkt A des Gesetzentwurfs „Problem“ ist zu lesen:

Die bayerische Staatsverwaltung genießt in ganz Deutschland und darüber hinaus einen hervorragenden Ruf, der in leistungsfähigen Strukturen und vor allem im Engagement und in der Kompetenz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter begründet ist.

(Ulrike Gote (GRÜNE): Das ist ein echtes Problem!)

Ich frage Sie, wo liegt hier das Problem? Können Sie das benennen? – Es ist doch kein Problem, dass wir kompetente und motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Ich meine, es gilt, gerade die Kompetenz und das Engagement der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu erhalten.

Im zweiten Absatz der „Probleme“ gehen Sie auf die Globalisierung und den internationalen Wettbewerb ein. Ich denke, auch in diesen Fragen sind unsere kompetenten Fachbehörden gut aufgestellt und wissen, wie sie im Rahmen der EU 25 die FFH-Richtlinie umzusetzen haben. Hätten Sie die Vorschläge des Landesamtes für Umweltschutz schon damals berücksichtigt, hätten Sie sich viel Bürokratie, viel Beamtentätigkeit und viel Frust über lange Jahre ersparen können. Zehn Jahre zur Verwirklichung einer FFH-Richtlinie ist ein bisschen lang, meine ich.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es ist aber nicht die Kompetenz in den Verwaltungsbehörden, sondern Ihre politische Unfähigkeit und Ihre Weigerung, globalisiert und im internationalen Wettbewerb zu denken.

Sie sagen, man muss einsparen. Steigende Personal- und Versorgungsausgaben verringern den Handlungsspielraum Bayerns für zukunftsgerichtete Investitionen. Dann geht es recht schön weiter: „Im Interesse junger Menschen haben Investitionen in Bildung, Wissenschaft, For

schung und Technologie und für Familien absolute Priorität.“ – Deshalb brauchen wir eine Verwaltungsreform? Ich sage Ihnen, mit diesem Stellenabbau – allein in der Wasserwirtschaft 500 Stellen und 200 Stellen bei den Landesämtern – nehmen Sie jungen Menschen Optionen und Stellen weg. Hier wird nämlich nicht neu eingestellt. Wenn Sie indirekt sagen, in Ihrem Landesamt, in Ihren Fachbehörden würde keine wissenschaftliche Arbeit stattfi nden, dann halte ich dem entgegen, dass dort technologische Innovationen, wissenschaftliche Arbeit stattfi ndet. Das sind gut qualifi zierte Ausbildungs- und Arbeitsplätze. Doch die wollen Sie zerschlagen und für eine Pseudoverwaltungsreform opfern.

Schauen wir uns doch einmal an, was in der Analytik zu entwickeln ist. Da gibt es neue technologische Laborverfahren bei der Entwicklung von Standards und bei Ringversuchen, die in Zusammenarbeit mit den Universitäten und privaten Labors stattfi nden. Was geschieht beispielsweise im Monitoring-Bereich, z. B. beim GentechnikMonitoring? Die Entwicklung von Flüster-Asphalt, Forschung in der Abfallwirtschaft, Abfallvermeidung, Schlackenentsorgung, EDV im Naturschutz – diese Liste könnte ich noch weiter ausführen. Das sind doch zukunftsgerichtete Arbeitsplätze, die es zu erhalten gilt, anstatt sie zu erschlagen und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu demotivieren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie sagen, Sie müssten Geld einsparen, um Prioritäten für Familien zu setzen. Sie tun mit dieser Verwaltungsreform genau das Gegenteil. Wir hatten über 500 Petitionen. Immer wieder wurde argumentiert: Ich als Teilzeitarbeitskraft kann der Versetzung nach Hof nicht folgen, ich habe Familie, Kinder und versorgungsbedürftige ältere Menschen zu betreuen. Wir haben in den Petitionen jede Menge Hinweise darauf bekommen, dass dies gegen eine dezidierte Familienpolitik spricht. Erst jetzt wieder hatten wir im Umweltausschuss Petitionen. Über Monate hinweg kamen diese Hinweise und Eingaben auf unseren Tisch, weil Sie mit dieser Verwaltungsreform gegen die Familien arbeiten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wie mein Vorredner ausgeführt hat, haben Sie sich jeglicher Aufgabenkritik verschlossen. Sie haben sich jeder Prozessoptimierung verschlossen. Stattdessen haben Sie Verlagerung, Zerschlagung und Personalabbau vorgenommen. Sie wollen dies auch weiter umsetzen. Schauen wir uns doch zum Beispiel die Verlagerung und Aufteilung des Geologischen Landesamtes an. Bodenschutz, Grundwasserschutz, Hydrogeologie, bodenkundliche Landesaufnahme, alle diese Maßnahmen sollen jetzt auf zwei Standorte aufgeteilt und schwerpunktmäßig in Hof angesiedelt werden. Die Aufgaben wären aber genau im Süden von Bayern zu erfüllen. Statt einer vernünftigen Optimierung der Verwaltung, für die wir durchaus offen sind,

(Thomas Kreuzer (CSU): Davon merkt man aber nichts!)

die aber von den Behörden in gemeinsamen Teamsitzungen selbst auf den Weg zu bringen und zu erarbeiten ist, haben Sie die Methode Rasenmäher und die Methode der politischen Gefälligkeiten eingeführt. Wenn es das Wort politische Korruption gäbe, müsste man es hier auf bestimmte Maßnahmen anwenden.

(Staatsminister Erwin Huber: Das ist doch hirnris- sig!)

Schauen wir uns doch an, wie zum Beispiel die Wasserwirtschaftsämter oder die Straßenbauämter hin und her verlagert werden. Wie ist denn die Zusammenlegung des Landesumweltamtes und anderer Landesbehörden und anschließend die Zerschlagung und Verlagerung nach Hof erfolgt? Hier muss man einfach sagen, diese Verwaltungsreform ist in breiten Teilen ein Ausdruck für die politische Rangfolge und Wertigkeit der einzelnen Abgeordneten in der Fraktion und der einzelnen Ministerien untereinander.

Wir haben zum Beispiel ein Sondergutachten zur Verwaltungsreform durch den Obersten Rechnungshof gefordert. Sie haben dies im Plenum nach kurzer Debatte abgelehnt. Hier hätten Sie die Chance gehabt, eine belastbare Nutzen-Kosten-Analyse durchzuführen, Synergieeffekte zu untersuchen, die Leistungsfähigkeit der neuen Behörden und die strukturpolitischen Aspekte überprüfen zu lassen. Stattdessen haben Sie alles einfach beiseite gewischt.