Protocol of the Session on November 11, 2004

Das erste ist Klarheit und Wahrheit in den politischen Entscheidungsprozessen, damit die Bürgerinnen und Bürger erkennen können, wer in unserem Staat wofür verantwortlich ist. Wenn wir das Instrument des Bundesrates ausschließlich, wie ich eben gesagt habe, als verlängertes Oppositionsinstrument des Bundestages begreifen, dann werden wir ihm nicht gerecht. Und wenn ich mir im Vergleich zu früheren Jahren die in den letzten Jahren stattgefundene Inflation der Anrufung des Vermittlungsausschusses ansehe, kann die Antwort nicht heißen: „Ja mein Gott, die Materien sind komplizierter geworden.“ Nein, meine Damen und Herren, das entspringt genau demselben Geist wie das Verhalten im Bundesrat. Es geht im Grunde genommen nur um die Möglichkeit, Opposition zu betreiben. Das Ganze hat aber zur Folge, dass die gesamtstaatliche Entwicklung in Deutschland nicht rasch genug und nicht klar genug geschieht; das ist es aber, was wir im Interesse der Demokratie, aber auch im Interesse des Transparenzgebotes für die Bürgerinnen und Bürger unbedingt als oberstes Ziel definieren müssen.

Bundesrat und Vermittlungsausschuss sind aber heute de facto in ihrer Wirkung Nebelkerzen, Verschleierungseinrichtungen, die im Grunde genommen dazu führen, dass die Bürgerinnen und Bürger nicht wissen – ich sage es mal so salopp –, wen sie wofür zu loben oder zu tadeln hätten, damit sie eine vernünftige Wahlentscheidung treffen können. Das kann – denken wir ein bisschen über jeweils eine Periode hinaus – in niemandes Interesse liegen.

Die zweite große Zielsetzung ist meiner Meinung nach die Stärkung des Gesamtstaates. Eine Stärkung des Gesamtstaates, des Bundesstaates, kann meiner Meinung nach nur dann gelingen, wenn sowohl die Stärkung des Bundes in seiner Handlungskompetenz als auch die Stärkung der Eigenständigkeit der Länder in ihrer Handlungskompetenz verbessert werden. Was wir heute haben, ist ein Wischiwaschi zwischen beiden, das letztlich beiden schadet. Der Bund ist nicht mehr das, was er nach dem Gedanken der Eltern des Grundgesetzes sein sollte, und die Länder sind es auch nicht mehr.

Und schließlich drittens: Wir erleben es jetzt in der EU der 25 und werden es noch viel stärker erleben, wenn es zu einer Vertiefung der EU und noch einmal zu einer Erweiterung der EU kommt. Deutschland als Mitgliedsstaat der EU muss europatauglich werden. Das heißt, die deutsche Vertretung in Brüssel muss in der Lage sein, für den Gesamtstaat Deutschland rechtzeitig und in vollem Umfang politische Handlungsspielräume ausnutzen zu können. Vor diesem Hintergrund müssen wir uns in der Tat die Frage stellen, ob der „Europaartikel 23“ des Grundgesetzes, wie wir ihn damals im Zusammenhang mit dem Maastricht-Prozess guten Gewissens und guten Wollens eingeführt haben – ich spreche insbesondere von den Absätzen 3 bis 7 –, in dieser Form noch zukunftsfähig ist.

Meine Damen und Herren, letztlich muss es auf einen Grunddeal hinauslaufen. Dieser Grunddeal muss lauten: Auf der einen Seite müssen die Länder bereit sein, auf diese – Sie haben es auch angesprochen, Herr Kollege Bernhard – inzwischen eingetretene Inflation der Zustimmungsrechte weitestgehend zu verzichten. Was des Bundes ist, muss auch des Bundes sein, meine Damen und Herren. Deutschland und die jeweiligen Länder gewinnen nicht, wenn sie das Maß ihrer Zustimmung nach Artikel 84 des Grundgesetzes – GG – ins Beliebige ausweiten. Insgesamt verlieren wir an Reaktionsschnelligkeit und an Klarheit und Wahrheit, meine Damen und Herren, und daran kann letztlich niemand ein Interesse haben.

Wenn aber die Länder auch zu einer Verringerung der Zustimmungsrechte bereit sind – was man im Übrigen zur Hälfte allein über die Verwaltungsverfahren erreichen kann – Kollege Teufel hat gestern völlig zu Recht darauf hingewiesen – was also insofern gar kein substanzieller Verlust ist, sondern ein Verfahrensverlust – wenn Sie es so beschreiben wollen – wenn auf der einen Seite die Länder zur Verringerung dieser Zustimmungsrechte bereit sind, wozu ich dringend rate –, dann muss natürlich auf der anderen Seite auch – das gebietet ein ordentlicher Handel – für die Länder ein bisschen mehr „Butter bei die Fische“, als das heute der Fall ist. Das heißt, wir brauchen eine Verringerung des Katalogs der konkurrierenden Gesetzgebung mit der Zielsetzung, dass sie klarer nach der einen oder nach der anderen Seite aufgeteilt wird. Nur dann bekommen wir die Gestaltungsfreiheit für die Länder, die wir brauchen, ohne dass wir auf der anderen Seite in Wahrheit echten Machtverlust über die Mitwirkung gemäß Artikel 84 GG im Bundesrat erleiden.

Meine Damen und Herren, die Folge davon wäre im Übrigen, dass wir im Bereich der Rahmengesetzgebung sagen könnten, Artikel 75 GG brauchen wir im Grunde genommen nicht mehr, wenn wir diese Trennung sauber hinbekommen. In der bisherigen Diskussion habe ich das zu wenig gehört und erfahren. Es ist eigentlich eine logische Konsequenz. Vielleicht hat sich gestern bei dem Gespräch Stoiber und Müntefering etwas ergeben, was ich jetzt im Moment noch nicht weiß.

Letzte Bemerkung im Zusammenhang mit den Vorschlägen der Kollegen Röttgen und anderer im Zusammenhang mit dem Zugriffsrecht oder der „Lex Posterior-Regelung“. Ich weiß nicht, am Anfang, muss ich ehrlich sagen, war ich ganz froh darüber, aber mehr und mehr komme ich zu dem Schluss, dass das letztlich nichts bringt.

Der Bund sagt: „So und so wird es geregelt. Die Länder können davon abweichen. Wenn aber dann die Länder anschließend eine Regelung getroffen haben, die dem Bund nicht gefällt, dann sagt der Bund: „Ätsch, dann machen wir es wieder so, wie wir es wollen.“ Das führt letztendlich zu einem Pingpong-Spiel und zu einer langen Rechtsunsicherheit, die letztlich in niemandes Interesse liegen kann und deshalb ist aus meiner Sicht und aus Sicht meiner Fraktion diese Regelung abzulehnen.

Insgesamt bin ich guten Mutes, dass wir es bis zum 17. Dezember schaffen. Mit „wir“ meine ich alle Beteiligten.

Ich hoffe, dass wir als Bayerischer Landtag uns dazu durchringen können, uns in dieser ganz wichtigen Sache, die auch dann wichtig ist, wenn sie wenig Interesse im Parlament und in der Öffentlichkeit findet, eine gemeinsame Position des Bayerischen Landtags hinzubekommen.

(Beifall bei der SPD)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Dr. Runge.

Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Die anstehende Föderalismusreform ist tatsächlich schon als Mutter aller Reformen bezeichnet worden. Das heißt, auf der Kommission und auf ihren Vorsitzenden, Herrn Müntefering und Herrn Stoiber, und auf Bundesrat und Bundestag liegt eine riesengroße Verantwortung. Entflechtung, damit bessere und zügigere Aufgabenerfüllung, damit auch mehr Transparenz und infolgedessen weniger Politikverdrossenheit, das sollten Ergebnisse der Kommissionsarbeit und ihrer Umsetzung sein. Die jüngsten Presseveröffentlichungen – wenn wir uns die letzten zwei Wochen anschauen – verheißen nicht allzu Gutes. Auch ist es so, dass die Behandlung elementarer Gegenstände für Reformnotwendigkeiten fehlt – Finanzverfassung, Finanzausgleich beispielsweise -; auf der anderen Seite zeichnet sich erfreulicherweise allerdings schon ab, dass es gelingt, tatsächlich zu weit weniger Zustimmungspflichtigkeiten zu kommen, dass wohl die Rahmengesetzgebung verschwinden wird und dass es auch ein Weniger an Gemeinschaftsaufgaben geben wird.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ganz wesentliches Ziel und Ergebnis der Kommissionsarbeit und ihrer Umsetzung sollte unserer Meinung nach die Stärkung der Länder und hier konkret die Stärkung der Landesparlamente sein,

(Beifall bei den GRÜNEN – Ulrike Gote (GRÜNE): Da müssten jetzt aber alle klatschen!)

das heißt, für die Preisgabe der Mitwirkung über den Bundesrat auf der anderen Seite mehr Landeszuständigkeiten, wobei Letzteres selbstverständlich kein Selbstzweck sein sollte. Es geht unseres Erachtens darum, den Weg zu finden weg vom Exekutivföderalismus. Es gibt auch andere schöne Begrifflichkeiten wie Mitwirkungsföderalismus oder Zustimmungsföderalismus. Aber wir meinen, mit Exekutivföderalismus ist der Begriff am besten gewählt. Wir haben uns das Thema der Aktuellen Stunde sehr genau angeschaut. Da heißt es: „Länder und ihre Parlamente“. Das ist schon besser formuliert als eine kleine Passage im Dringlichkeitsantrag von vor zwei Wochen. Da musste man tatsächlich lesen, dass auch die Landesregierungen gestärkt werden sollten. Das ist nicht unser Ziel, nicht unsere Erwartung. Für die Landesregierungen kommt höchstens ein Nullsummenspiel heraus, weil eben dann die Mitwirkungs- und Mitredemöglichkeit im Bundesrat abgegeben wird.

Und das ist auch eines unserer wesentlichen Anliegen.

Wenn wir uns nun ansehen, was mit den Landesparlamenten in der Kommission geschehen ist, muss man leider konstatieren, dass die Landesparlamente stiefmütterlich behandelt wurden. Die Landtage sind lediglich Beobachter über die so genannte Bank der Landtage, entscheiden dürfen die jeweils 16 Vertreter von Bundesrat und Bundestag. Deshalb ist es wichtig, jetzt sehr genau hinzuschauen und zu versuchen, uns einzuschalten. Es gibt noch jede Menge offener Streitpunkte und offener Fragen. Dazu gehört nicht nur der berühmte, von Herrn Kollegen Bernhard schon genannte Artikel 23 des Grundgesetzes, der die Mitwirkung der Länder auf europäischer Ebene zum Inhalt hat, und es ist auch nicht nur die strittige Frage um die Zugriffrechte, egal nach welcher Methode – ob durch Öffnungsklauseln, verfassungsunmittelbares Abweichungsrecht oder durch eine Zugriffsgesetzgebung. Hier muss uns interessieren, was sich der Bund wie wieder zurückholen will.

Ein Punkt, der sicherlich auch noch der vertiefenden Diskussion bedarf, ist die Frage des Durchgriffs, der Haftung. Wenn wir für bestimmte Umweltfragen beispielsweise die Zuständigkeit der Länder fordern und damit von drei auf zwei Ebenen heruntergehen, dann muss man sich einmal Folgendes verdeutlichen: Die EU verhängt zum Beispiel ein Bußgeld wegen administrativer Versäumnisse, und dann sind die Länder unmittelbar gefordert. Das gleiche gilt auch für die regionale Wirtschaftsförderung, wenn es beispielsweise Rückforderungen wegen Verstoßes gegen die Beihilferegelungen gibt. Hier müssen sich die Länder dann tatsächlich umgekehrt auch stärker in der Verantwortung fühlen.

Der von den Herren Stoiber und Müntefering vorgeschlagene Text wird ein Kompromissvorschlag sein. Das heißt, es ist eine Mischung der Vorschläge, weil man nur über diese Mischung der Vorschläge zum Erfolg gelangen kann. Und da, so meinen wir, müssen wir genau hinsehen, ob und wie unsere speziellen Anliegen aus der Warte der Landtage vertreten sind. Wir müssen sehen, was die Kommission auf ihrer Sitzung am 17. Dezember dazu sagen wird.

Eine Frage, die für uns Grüne besonders spannend ist, lautet, ob hier möglicherweise nach der Methode Giscard verfahren werden soll, also Verfassungsvertrag, Konvent, und ob beispielsweise die Gleichen, die damals den Bund gegeißelt haben, als der sagte, diesen Sack machen wir nicht mehr auf, jetzt nach einer ähnlichen Methode verfahren wollen oder ob hier noch Diskussionen möglich sind.

Unser Fazit muss lauten, die Länder durch Erweiterung ihrer Zuständigkeiten und damit die Landtage, nicht unbedingt die Landesregierungen, zu stärken. Das Papier der Vertreter der Landtage sollte unserer Meinung nach durchaus über die Münchner Erklärung hinausgehen. Wir haben bereits letztes Mal gesagt, dass dieses Papier naturgemäß im Weichspülgang erstellt worden ist. Es ist eine Einigung auf den kleinsten Nenner. Wenn nun also konkrete Vorschläge vorliegen und wir uns dazu positionieren, sollten wir ruhig auch die eine oder andere Sollbruchstelle aufzeigen, beispielsweise dazu, was inhaltlich in den Absätzen 3 bis 7 des Artikels 23 des Grundgesetzes steht. Dies sollten wir inhaltlich verteidigen.

Wir haben in den Vorgesprächen einen guten Konsens erzielt, und in knapp zwei Wochen werden wir uns im Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten an diese Aufgabe machen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Runge. Nächste Wortmeldung: Frau Professor Männle.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Vorweg darf ich sagen, dass ich die Meinung von Kollegen Runge teile, dass wir als Landtag diskutieren und uns fragen müssen, welche spezifischen Interessen wir an der Reform des Föderalismus haben und wie wir gewährleisten können, dass durch diese Reform des Föderalismus die Kompetenzen der Länder – und hier meine ich konkret die Landtage – gestärkt werden können. Herr Kollege Hoderlein, wir können tatsächlich nur etwas erreichen, wenn wir als Länder gemeinsam auftreten und uns nicht in einem Hin- und Herschieben von Schuldzuweisungen ergehen, wer was wann und wo blockiert hat. Wenn wir dies tun, brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn die Landtage in dieser Reformkommission nur wenig auszurichten haben.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Wir müssen unsere Interessen bündeln und gemeinsam vortragen. Nur dann können wir etwas erreichen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, als vor einem Jahr die Kommission zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung ihre Arbeit begonnen hat, wurden recht hohe Erwartungen an diese Kommission gestellt. Die Kommission sollte die Reformunfähigkeit unserer Bundesrepublik überwinden. Es sollte eine Reform der Entscheidungsprozesse in den politischen Organen durchgeführt werden, um diese Blockade, die wir in den politischen Entscheidungsverfahren haben, überwinden zu können.

Unsere Republik – das ist vorhin schon ausgeführt worden – hat sich zu einem unitarischen Bundesstaat entwickelt, wie Konrad Hesse dies früher ausgedrückt hat. Wir haben einen Beteiligungsföderalismus, der zugegebenermaßen weniger ein Beteiligungsföderalismus der Länderparlamente als der Länderregierungen ist. Zu diesem haben wir uns entwickelt, und die Verflechtungen der politischen Kompetenzen widersprechen so, wie sie sich entwickelt haben, der Grundidee des Föderalismus als ein Trennsystem politischer Kompetenz und Macht.

Die Entwicklung in Deutschland zu einem kooperativen Föderalismus hat den Spielraum für eigene Landespolitik eingeschränkt. Sie hat zu einer Nivellierung geführt, zu einer Gleichförmigkeit, zu wenig Transparenz bei der politischen Verantwortung sowie zu wenig Wettbewerb und zu wenig Flexibilität, und dabei war trotz allem diese Ordnung nicht effizient, obwohl alles zentral geregelt worden ist.

Was brauchen wir? Welches sind die Erwartungen, die wir jetzt für die letzten Wochen der Arbeit der Reformkommission haben? Wir wollen eine Transparenz der Entscheidungsprozesse; denn durch eine Transparenz der Entscheidungsprozesse werden klare Verantwortlichkeiten festgelegt, und wir brauchen eine Bürgernähe der Entscheidungen.

Die Antwort auf diese Forderungen ist letztlich wenig originell und trotzdem treffend: Wir brauchen eine echte Verwirklichung des Subsidiaritätsprinzips. Föderalismus in Verbindung mit dem Subsidiaritätsprinzip bietet die beste Voraussetzung für einen bürgernahen Staat. Wenn politische Aufgaben und politische Verantwortung möglichst nahe am Bürger angesiedelt sind, wenn also die kleinstmöglichen Einheiten die Aufgaben übertragen bekommen, die sie selbst leisten können, dann ist echte Übernahme von Verantwortung möglich. Letztlich ist der Föderalismus schon an dieser Latte zu messen, ob tatsächlich alle Kompetenzen, die auf der Länderebene erledigt werden können, hier verbleiben und nicht zu Bund und Europa abwandern.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, wir haben gerade in Bezug auf die Diskussion um den europäischen Verfassungsvertrag ausführlich darüber geredet, welche Erwartungen wir an den Verfassungsvertrag haben. Wir hatten die Erwartung, dass die Kompetenzen klar geregelt werden, dass sie klar zugeordnet werden und dass die Verantwortlichkeiten festgelegt werden. Wir haben das Subsidiaritätsprinzip gerade in Bezug auf Europa in den Mittelpunkt gestellt und waren froh, dass wir es in den Verträgen verankert haben. Wir sind auch froh, dass jetzt das Subsidiaritätsprotokoll dieses Prinzip durch eine Subsidiaritätskontrolle noch einmal in Europa verstärkt.

Wir haben die Subsidiarität als Modell für Europa gesehen und haben nun Schwierigkeiten, es auf Deutschland zu übertragen. Wir müssen sehen, dass wir in unserem eigenen Land dieses Prinzip neu entdecken. Der Wert regionaler Vielfalt wird in vielen europäischen Ländern anerkannt. Wenn es aber bei uns in Deutschland darum geht, haben wir plötzlich Angst vor dieser Vielfalt. Deshalb mein erneuter Appell an diese Kommission, dieses Prinzip ist in den Mittelpunkt zu stellen. Es ist eine klare Kompetenzordnung zu schaffen. Dies kommt Bund und Ländern zugute.

Auch der Bundestag wird dadurch gewinnen, und gerade auch die Landtage werden davon profitieren. Föderalismus ist kein „Auslaufmodell“, wie letzthin einmal in einer Zeitung getitelt worden ist, sondern der Föderalismus ist das bürgernahe Modell der Zukunft, sowohl für Deutschland wie für Europa.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Dr. Förster. Bitte, Herr Kollege.

Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Professor Männle, ich denke, wir sind alle bayerische Föderalisten, und natür

lich müssen wir im Landtag diskutieren, was wir hier wollen, aber das Ziel muss letztendlich doch eine Entscheidung sein, wie im Endeffekt dann das reformierte Deutschland am besten aussieht, unabhängig davon, wer gerade wo regiert und Politik bestimmen kann. Deswegen muss man vielleicht an dem einen oder anderen Punkt auch etwas kritisch noch anmerken, auch wenn vielleicht Bayern nicht das Land ist, das hier offensichtlich primär davon profitiert; denn, wer ab und zu nach Brüssel kommt oder wer sich näher mit den Insidern der Europapolitik beschäftigt, hat sicherlich schon einmal den Begriff des so genannten German vote gehört. Auf der EU-Ebene hat sich diese Bezeichnung im Laufe der Zeit für das Abstimmungsverhalten Deutschlands im EUMinisterrat durchgesetzt.

Die Deutschen, so kann man dann häufig in Brüssel hören, bekämen es eben nicht rechtzeitig auf die Reihe, sich auf eine einheitliche Linie und Meinung in Bezug auf geplante EU-Richtlinien zu einigen und enthielten sich deswegen fast immer. Und das gilt nicht erst seit der Regierung Schröder und Rot-Grün in Berlin, wie wir normalerweise in diesem Hause sehr gerne zu hören bekommen, sondern das liegt an den Strukturen, an dem komplizierten föderalen System, oder, lassen Sie mich hier ergänzen, an manchen Absätzen, die im Artikel 23 unseres Grundgesetzes aufgeführt werden.

Die Mitwirkungsmöglichkeiten der Länder sind für eine abgestimmte europapolitische Koordination – jetzt ein Zitat – „überhaupt nicht hilfreich“. Dieses Zitat konnten die Mitglieder der Föderalismuskommission von dem Rechts- und Politikwissenschaftler Fritz Scharpf quasi life hören und zuletzt im „Spiegel“ lesen. Deshalb das Zitat von ihm.

Nun, manches mag dabei sicherlich übertrieben wirken, doch leider lässt sich diese Aussage nicht vollkommen entkräften. Tatsächlich müssen wir immer wieder beklagen, dass die Bundesrepublik Deutschland als bevölkerungsreichster Staat der Gemeinschaft mit dem größten BIP teilweise darauf angewiesen ist, dass Staaten wie Cypern, Malta oder Estland – ich möchte dabei keinem dieser Länder zu nahe treten – es schon in ihrem Sinne richten würden, weil unsere Bundesregierung, gehemmt durch manche Regelungen im Artikel 23 des Grundgesetzes nicht stark und souverän im Interesse Deutschlands und seiner Länder auftreten kann.

Ein solches Sich-Fügen in das Schicksal kann keinesfalls im Sinne Deutschlands und ebenso wenig im Sinne Bayerns sein.

(Beifall bei der SPD)

Also müssen wir im Rahmen der Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung, bei der es uns allen – das möchte ich an dieser Stelle noch einmal ganz deutlich hervorheben – darum geht, dass die Transparenz der Entscheidungsprozesse durch Entflechtung der BundLänder-Zuständigkeiten durchgesetzt wird, die Kompetenzen der Länder und vor allem der Landtage stärken. Es muss im Rahmen dieser Reformen außenpolitisch oberstes Ziel sein muss, die Handlungsfähigkeit

Deutschlands auf EU-Ebene zu stärken, um somit unser Interesse besser vertreten zu können.

(Beifall bei der SPD)

Wegen der bisher oft langwierigen Abstimmungsprozesse war das bisher schon ein Problem und wird sicherlich in der EU der 25 nicht leichter werden. Deshalb geht es keineswegs darum, dass die Beteiligung der Länder an der EU-Richtliniengesetzgebung eingeschränkt werden soll, sondern im Gegenteil, das Subsidiaritätsprinzip, wie es auch im EU-Verfassungsentwurf festgeschrieben ist, muss geachtet und garantiert werden.