Protocol of the Session on June 30, 2004

Ich will sachlich bleiben, weil es nichts bringt, in einem solch schwierigen Fall unter die Gürtellinie zu schlagen. Ob es Ihnen gefällt oder nicht, Sie müssen sich vorhalten lassen – das ist der entscheidende Punkt –, dass die Grundentscheidungen in diesem schwierigen Fall, in dem Fall, in dem es um ein menschliches Schicksal geht, nicht hier gefallen sind und auch nicht hier fallen werden, sondern dass sie dort gefallen sind, wo Parteifreunde von Ihnen politische Verantwortung tragen. Das hat Staatsminister Dr. Beckstein deutlich gemacht. Ich frage Sie, was

Sie bisher getan haben oder künftig zu tun gedenken, um Ihre Entscheidungsträger zu überzeugen und zu anderen Entscheidungen zu bringen, wenn Sie der Meinung sind, dass die jetzige Entscheidung falsch ist. Dazu konnten Sie nichts vortragen. Dazu haben Sie nichts vorgetragen, weil Sie wissen, dass es ein scheinheiliges Gefecht ist,

(Christine Stahl (GRÜNEN): Das sagen Sie!)

wie Kollegin Werner richtig ausgeführt hat. Ich weiß, dass Wahrheit schmerzlich ist. Ich höre das an Ihrem Aufbegehren.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Ihnen wird nichts anderes übrig bleiben als dies anhören zu müssen. Es ist wirklich nicht wahrhaftig, Kolleginnen und Kollegen, hier ein Schauspiel aufzuführen in dem Wissen,

(Zuruf der Frau Abgeordneten Ulrike Gote (GRÜ- NEN))

dass Ihre Parteifreunde an anderem Ort für die Grundentscheidungen des Falles zuständig und verantwortlich sind.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Es gibt eine Regel, und es gibt eine Ausnahme davon!)

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Kollegin Lück?

Ich frage Sie, Herr Kollege, ob die Zurücküberweisung an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages kein Vorschlag ist.

Liebe Kollegin Lück, Staatsminister Dr. Beckstein hat, und zumindest Ihre Mitglieder im Petitionsausschuss – auch Kollege Werner – wissen, dass letzte Woche auf einer Tagung besprochen wurde, dass es im Verfahrensgang des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages nicht nur üblich sondern Usus ist, diese Fälle nicht als Einzelfälle zu behandeln sondern nur über die Tagesordnung ohne Behandlung im Ausschuss.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Frau Kollegin Scharfenberg hat versucht den Eindruck zu erwecken, sie habe angerufen und die Petition würde behandelt werden. Das kann nicht stimmen. Sie wissen es, der Innenminister weiß es und Kollege Werner weiß es auch. Das stimmt nicht, egal, ob Sie das hören wollen.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Kollegin Scharfenberg? Sie haben noch zwei Minuten Redezeit.

Herr König, meinen Sie denn nicht, dass Sie mir einfach glauben können? Es ist wahr, ich habe mit dem Petitionsausschuss telefoniert. Man sagte, man könne diesen Fall dort behandeln. Sagen Sie mit Ihrer Fraktion doch einfach Ja, dann haben wir den Fall nach den neuesten Lageberichten richtig behandelt. Man sollte sich nicht auf etwas stützen, das ein oder vielleicht zwei Jahre zurückliegt.

Herr Kollege König.

Frau Kollegin, entschuldigen Sie, mir war nicht möglich, die Frage in Ihren Ausführungen zu erkennen, sodass keine Antwort erfolgen kann.

(Unruhe bei der SPD und bei den GRÜNEN. – Glocke des Präsidenten)

Kolleginnen und Kollegen, Jetzt endlich bleibt nichts anderes übrig als Ihnen sagen zu müssen, dass Sie leider nicht mehr aber auch nicht weniger zu dem Fall aufführen, als ein trauriges Schauspiel. Sie müssen sich sagen lassen, dass Sie dort, wo Sie vielleicht Einfluss nehmen könnten, wenn Sie dort etwas zu sagen hätten, auf Ihren Außenminister und den Präsidenten des zuständigen Amtes einwirken sollten. Das haben Sie nicht getan, und Sie gedenken offensichtlich auch nicht es zu tun.

Sie stellen vielmehr den Antrag, die Petition dorthin zu überweisen, obwohl Sie wissen, dass der Fall dort nicht als Einzelfall behandelt wird. Das ist nicht sinnvoll. Das ist nicht zielführend. Dies führt nirgendwo hin. Deswegen werden wir Ihren Antrag ablehnen und den Beschluss des Ausschusses für Eingaben und Beschwerden gemäß Paragraph 80 Nummer 4 der Geschäftsordnung des Bayerischen Landtages aufrechterhalten.

(Beifall bei der CSU)

Das Wort hat Herr Staatsminister Dr. Beckstein.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich sage noch einmal deutlich: Es gibt keinen Abschiebestopp nach Eritrea. Die Bundesregierung könnte das heute durchsetzen. Dazu braucht sie nicht einmal eine förmliche Anordnung. Sie könnte im Zusammenwirken zwischen dem Bundesaußenminister und dem Bundesinnenminister sagen, der BGS werde demnächst mit der eritreischen Vertretung keine Abschiebung vornehmen. Das ist nicht der Fall.

Der BGS hatte die Abschiebung für die zurückliegende Woche vorgesehen. Die Zustände in Eritrea sind zwar schwierig, aber ein Abschiebestopp ist nicht vorzunehmen. Rückführungen werden vorgenommen.

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Kollegin Scharfenberg? – Bitte.

Herr Minister, da Sie sagten, es gebe keinen Abschiebestopp, frage ich Sie, wie

Sie Artikel 300 – Fahnenflucht – ein Härtefall, da laut Lagebericht darauf die Todesstrafe steht, die Angelegenheit beurteilen, und wie beurteilen Sie die Zukunft Frau Mahmud?

Herr Minister.

Frau Mahmud hat im Verfahren nicht selbst vorgetragen, dass ihr die Todesstrafe drohen werde. Dies wurde erstmalig von Ihnen dargelegt. Unstreitig ist auch, dass es bisher keinen Einberufungsbefehl gegeben hat. Sie befürchtet, dass sie in Zukunft einen Einberufsbefehl bekommen wird. Der Einberufungsbefehl ist ausgeschlossen, wenn das Geburtsdatum stimmt, das sie bei der Aufnahme zur eritreischen Befreiungsfront angegeben hat.

Da hat sie 1963 angegeben. Es ist richtig, wenn das Geburtsdatum des Passes stimmt. Unrichtig ist es aber, wenn sie das gleiche Geburtsdatum angibt wie bei der Anhörung, nämlich 1977.

Völlig unstrittig ist, dass sie derzeit noch keine Einberufung hat, also auch nicht wehrpflichtig ist. Sie befürchtet vielmehr, dass sie der Wehrpflicht unterliegen wird.

Wenn Sie wirklich Angst um das Leben dieser Frau haben, appelliere ich an Sie, über das Auswärtige Amt dafür zu sorgen, dass ein Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes anwesend ist, wenn die Frau in Eritrea auf dem Flughafen ankommt.

Herr Staatsminister, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Kollegen Weidenbusch?

Bitte, Herr Kollege.

Herr Staatsminister, habe ich richtig verstanden, dass die Herren Bundesminister Schily und Fischer heute entscheiden könnten, dass die Dame nicht abgeschoben wird?

(Margarete Bause (GRÜNE) und andere Abgeordnete von SPD und GRÜNEN: Nein!)

Herr Minister.

Selbstverständlich. Wenn der Bundesinnenminister als Vorgesetzter des Bundesgrenzschutzes sagt, dass der Bundesgrenzschutz nicht zur Verfügung steht, fliegt die Dame nicht.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Können Sie entscheiden oder können Sie nicht entscheiden? – Ernst Weidenbusch (CSU): Nehmen Sie doch bitte zur Kenntnis, was der Minister sagt! – Margarete Bause (GRÜNE): Tragen Sie Verantwortung oder nicht? – Weitere Zurufe – Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Das ist es, was mich empört: – –

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Sie müssen doch entscheiden! – Weitere Zurufe)

Einen Moment, Herr Minister. – Ich bitte doch um wechselseitige Aufmerksamkeit in einer solchen Debatte.

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Wir passen sehr gut auf!)

Entschuldigung, der Minister ist wegen der Fülle der Zwischenrufe kaum mehr zu verstehen. Das gilt auch für andere Fraktionen. In einer Sache, bei der so viel Differenzierung notwendig ist, bitte ich hier um entsprechende Aufmerksamkeit im Plenum.

(Beifall bei der CSU)

Herr Minister, bitte.

Es kann nicht bestritten werden, dass schon die Verbringung ins Flugzeug in München nicht durch bayerische Beamte erfolgt, sondern von Beamten des Bundesgrenzschutzes vollzogen wird. Das Umsteigen – in der Regel wird ja nicht direkt geflogen – wird von Beamten des Bundesgrenzschutzes überwacht. Die bisherigen Schwierigkeiten sind auch von Beamten des Bundesgrenzschutzes mitgeteilt worden. Ich kann das nachher gerne noch vorlesen: Die Frau hat sich gegen die Abschiebung so massiv gewehrt, dass eine Beamtin des Bundesgrenzschutzes die Treppe hinabgestürzt ist und sich so schwer verletzt hat, dass sie eine Woche dienstunfähig gewesen ist. Das sind nicht Beamte, die dem bayerischen Innenminister unterstehen, sondern Beamte des Bundes. Jeder von Ihnen weiß, dass ich gegenüber dem Bundesgrenzschutz nicht weisungsberechtigt bin, sehr wohl aber die Bundesregierung, insbesondere der Bundesinnenminister. Und sobald der Bundesinnenminister sagt, seine Behörden seien nicht bereit, an einer Abschiebung mitzuwirken, wäre die Sache auch klar.

Jetzt sage ich Ihnen das Folgende in aller Öffentlichkeit, auch wenn es vielleicht gegenüber meinen eigenen Leuten unklug ist: Warum habe ich denn eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Bundesinnenminister Schily? Weil wir verabredet haben, dass wir das Spiel, Verantwortung auf den jeweils anderen abzuschieben, nicht mitmachen,