Protocol of the Session on June 17, 2004

Wir fahren in der Aktuellen Stunde fort. Ich erteile Herrn Kollegen Hoderlein das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin, meine Da men und Herren! Die CSU und die Staatsregierung haben

bisher - wenn ich „bisher“ sage, dann kann man das für die letzten 20, ja fast 30 Jahre behaupten - zwei Marken zeichen vor sich hergetragen, indem sie immer wieder und aus ihrer Sicht nicht ohne Grund betont haben, das Pro blem der Quadratur des Kreises von Finanzpolitik und In vestitionspolitik gelöst zu haben, nämlich die höchste In vestitionsquote unter allen Bundesländern oder unter allen Bundesländern einschließlich des Bundes und zugleich die niedrigste Verschuldung zu verzeichnen. Volkswirt schaftlich ist das an sich eine Quadratur des Kreises. Darauf haben sie immer gesetzt. Sie haben das nicht ohne Stolz dargestellt. Ich gebe zu: Wir haben das in den letzten 30 Jahren zum Teil nicht ohne Vorschieben der Unterlippe beobachtet. Das ging lange gut, Herr Finanzminister, nämlich bis Anfang der Neunzigerjahre, als sich verschie dene Dinge - nicht nur die Deutsche Einheit und ihre Fol gen - zusammengebraut haben und das Verhältnis zwi schen Investitionsquote und Verschuldung ein bisschen aus den Fugen geriet.

Was war Ihre Antwort darauf? Ihre Antwort darauf war, dass man Privatisierungserlöse erzielen müsse, um die Ergebnisse der bisherigen Politik, nämlich gleichzeitig maximale Investitionen bei niedrigstmöglicher Verschul dung in diesem Lande weiter zu gewärtigen. Das war Ihre konzeptionelle Antwort auf die neue Situation.

Ich bin seit 1990 hier im Landtag. Die SPD hat ganz egal, wie sie im Detail dazu stand, nie gesagt, diese Politik sei grundsätzlich von Übel oder sei grundsätzlich gut. Wir haben uns die Beteiligungen von Fall zu Fall angesehen und diese oder jene Beurteilung dazu abgegeben. Vorhin hieß es, mit 4,9 % Eon-Anteilen lasse sich strategisch keine Politik machen, schon gar keine Energiepolitik. Dazu kann ich nur sagen: Ohne Zweifel ist das so. Allerdings haben bis heute diejenigen nicht ganz Unrecht, die da mals, als Bayern über 58 % Anteile des Bayernwerkes verfügte, gesagt haben: Leute, mit über 58 % der Anteile am Bayernwerk hätte man durchaus strategische Politik betreiben können.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen war die Antwort der SPD damals keineswegs falsch. Die Situation hat sich heute gewandelt. Heute sind wir eben da, wo wir sind. 4,9 % Anteil ist nicht viel. Des wegen kann man heute nicht mit der damaligen Bayern werkbeteiligung argumentieren, aber auch nicht umge kehrt.

Sie haben also damals gesagt: Sie betreiben die Privatisie rungspolitik. Diese läuft jetzt aus, jedenfalls in den drei Tranchen, die Sie vorgesehen haben. Nun kommt Kollege Kaiser daher und will quasi das fortsetzen, was die Herren Stoiber, Faltlhauser, Huber usw. vorgemacht haben. Das grenzt schon fast an Majestätsbeleidigung. Dieser Eindruck entsteht, wenn ich höre, wie Sie, Herr Kollege Ach und Herr Kollege Sackmann, mit sehr bemühten Argumenten wenig überzeugend versuchen, dem zu begegnen. Da lobe ich mir doch die GRÜNEN, die sagen: Kaiser will Staatsstraßen bauen, und das ist nun wirklich keine Zukunftsinvestition. Das ist wenigstens in sich schlüssig, und das passt zum GRÜNEN-Bild. Das trifft zwar nicht auf das zu, was Kaiser will, aber das macht aus deren Sicht Sinn.

Nein, meine Damen und Herren, wir haben alle miteinander mehr oder weniger beklagt, dass der Sparhaushalt, den Herr Stoiber erzwungen hat, für dieses Land letztendlich von Übel ist, weil damit die notwendigen und unverzicht baren Zukunftsinvestitionen in unverantwortlicher Weise hinausgeschoben oder gar nicht vorgenommen werden.

(Beifall bei der SPD)

Wenn wir alle dieser Auffassung sind, dann sind wir auch alle dazu aufgerufen, darüber nachzudenken, mit welchen anderen Instrumenten als Haushaltskürzungen wir das von uns allen mehr oder weniger Beklagte überwinden können. Ich halte daher den Vorschlag des Kollegen Kai ser und seines Arbeitskreises für besonders zielführend. Die Parklösung bei der LfA hat für mich im Übrigen einen ganz besonderen Charme, Herr Staatsminister.

Ich will in der knappen Zeit einen Aspekt kurz herausgrei fen. Mit Freude, aber auch mit Schmunzeln habe ich vor kurzem zur Kenntnis genommen, dass die Staatsregie rung ein zweites Ertüchtigungsprogramm Ostbayern auf legt. Als wir vor einem Jahr, im März/April 2003 wohlge merkt, unser Landeswahlprogramm vorgestellt haben, sagten wir: Liebe Leute, das Ertüchtigungsprogramm Ostbayern - heute müsste man es Ertüchtigungspro gramm Ostbayern I nennen - ist schön und recht; in vielen Punkten geht es am Bedarf vorbei, in anderen Punkten läuft es etwas schleppend an - damals wurde es noch nicht einmal zur Hälfte in Anspruch genommen, obwohl es bereits zwei Jahre alt war -; kurzum, wir brauchen drin gend ein zweites Ertüchtigungsprogramm. Das war im März/April 2003. Die Antwort der Staatsregierung war: Huber, „Niederbayern ist Aufstiegsregion“; anschließend Spitzner, etwas nördlicher, „Oberpfalz ist Aufstiegsregi on“; ganz zum Schluss Schnappauf, „Oberfranken ist Aufstiegsregion“. Aufstiegsregionen brauchen natürlich keine Ertüchtigungsprogramme - das ist klar. Kaum war die Wahl vorbei, haben sich die Probleme nicht länger leugnen lassen. Die CSU ist zu dem Ergebnis gekommen: Wir brauchen doch ein Ertüchtigungsprogramm Ostbay ern II, das das „erfolgreiche“ erste fortsetzen soll.

Ein Jahr später kommen Sie also auf das, was wir damals schon gesagt haben. Die Reaktion auf unseren Vorschlag eines Ertüchtigungsprogrammes II mit 200 Millionen Euro, die ich erfahren habe, war: Wo wollt ihr denn die 200 Milli onen, die wir gefordert haben, eigentlich herbekommen? Die Antwort lautet: 10 % dessen, was uns die Privatisie rung a`la Kaiser, sprich: Eon bringen würde, würden in den ostbayerischen Raum gehen. Das ist angemessen. Dort kann das Geld auch am sinnvollsten eingesetzt werden, meine Damen und Herren;

(Beifall bei der SPD)

denn sowohl bei der Investitionsfähigkeit der Kommunen als auch bei Forschung und Entwicklung, bei beruflichen Einrichtungen und bei den Verkehrswegen, von der Kreis straße angefangen bis zu den Autobahnen, hat der ost bayerische Raum einen besonderen Entwicklungsbedarf.

Das Geld kommt nicht vom Schlot. Über diese Privatisie rung kann es jedoch hereingebracht werden und ohne

eine zusätzliche Neuverschuldung in unserem Lande Sinn stiften. Ich bitte Sie dazu um Ihre Zustimmung.

(Beifall bei der SPD)

Ich erteile Herrn Kollegen Pschierer das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen, liebe Kollegen! Herr Kollege Hoderlein, es kommt darauf an, zur richtigen Zeit das Richtige zu tun. Wir haben in den Jahren 1994, 1996 und 2000 drei Priva tisierungstranchen gemacht. Das war zur damaligen Zeit die richtige Entscheidung. Sie tragen die Verantwortung dafür, dass die Bundesrepublik Deutschland zurzeit eine Neuverschuldung von über 40 Milliarden Euro aufweist und bereits mehrfach die Defizitkriterien der Europäischen Union verfehlt hat. In einer solchen Zeit sollten wir uns nicht über zusätzliche Privatisierungen unterhalten, son dern über die Sparpolitik.

Meine Damen und Herren, Sie verwechseln etwas: Sin kende Steuereinnahmen können Sie volkswirtschaftlich nicht kompensieren, indem Sie Tafelsilber verscherbeln. Sinkende Steuereinnahmen können Sie nur durch eine vernünftige Politik korrigieren, indem Sie die Rahmenbe dingungen verbessern. Die Rahmenbedingungen, die in Berlin vorgegeben werden, sind schlecht. Dafür tragen Sie die Verantwortung, nicht die Bayerische Staatsregierung.

(Beifall bei der CSU)

Ich will Ihnen etwas sagen: Sie haben in den letzten Jah ren die Verschuldung, die Arbeitslosigkeit und die Insol venzen nach oben getrieben. Jahr für Jahr gibt es in der Bundesrepublik 40 000 Insolvenzen. In diesem Jahr ver schwinden in der Bundesrepublik 100 000 Arbeitsplätze. Herr Kollege Hoderlein und liebe Frau Kollegin Dr. Krona witter, Sie sind in Berlin das Problem, aber leider Gottes nicht die Lösung.

Meine Damen und Herren, wir werden im Freistaat Bayern diesen Sparkurs, der sich bewährt hat, konsequent fort setzen, weil es dazu keine Alternative gibt. Sie können doch nicht permanent neue Schulden aufnehmen, um ir gendwann mit neuen Schulden die Zinsen für die alten Schulden zu bezahlen.

Gestatten Sie mir einige Anmerkungen zum Freistaat Bay ern. Mit Ihrer Themenstellung zur heutigen Aktuellen Stun de erwecken Sie den Eindruck, dass dieser Standort schlecht sei. Wir waren jedoch in den letzten zehn Jahren der Wachstumsspitzenreiter in der Bundesrepublik Deutschland. Im Freistaat Bayern lag das Wachstum bei 20 %, während es im Bundesdurchschnitt bei 13 % lag. Wir sind das Flächenland mit der höchsten Selbstständi genquote und außerdem Spitzenreiter bezüglich der neu en Technologien und der Zukunftstechnologien. Sie wer den in Deutschland kein Bundesland finden, das in den letzten Jahren eine offensivere Wirtschafts- und For schungspolitik betrieben hat. Vier Milliarden Euro aus den Privatisierungserlösen haben wir für Investitionen genutzt und damit zahlreiche Projekte angestoßen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, wir sind heute der modernste Forschungsstandort in der Bundesrepublik Deutschland. Sie haben beim For schungsreaktor Garching blockiert, während wir gewusst haben, dass wir solche Investitionen brauchen, um den Forschungsstandort Bayern attraktiv zu halten. Der Frei staat Bayern hat die Volkswirtschaft mit dem höchsten Hightech-Anteil am Bruttoinlandsprodukt. Wir sind auch das Bundesland, das – gemessen am Bruttoinlandspro dukt – den höchsten Anteil an Forschungs- und Entwick lungsausgaben hat. Wir sind Spitzenreiter beim Chancen kapital und den Patentanmeldungen.

Noch ein Wort zur Wirtschaftsstruktur des Freistaates Bayern: Der Freistaat Bayern beherbergt heute ein Drittel aller in der Bundesrepublik Deutschland Beschäftigten der deutschen Computerfertigung und der Luft- und Raumfahrtindustrie. Wir sind Spitzenreiter in der Fern seh- und Nachrichtentechnik sowie im Medienbereich. Auf vielen anderen Feldern hat sich der Freistaat Bayern in den letzten Jahren positiv von allen anderen Bundeslän dern abgehoben und ist heute zum Spitzenreiter in diesen Feldern geworden. Meine Damen und Herren von der Op position, aus diesem Grunde brauchen wir von Ihnen kei ne Belehrungen bezüglich des weiteren Einsatzes von Privatisierungserlösen.

Meine Damen und Herren, diese Alternative gibt es nicht. Das Motto kann nur lauten: Konsequent sparen. Diese Sparpolitik fordern wir auch auf Bundesebene ein. Tun Sie im Bund das, was wir in Bayern tun. Dann werden wir in den nächsten Jahren wieder Gestaltungsspielräume in der Politik haben.

Ich möchte noch etwas zu Ihrer Bundespolitik sagen. Ich kann auf Bundesebene nicht einmal den Ansatz einer ziel gerichteten Innovations- und Modernisierungspolitik er kennen, weder bei Grün noch bei Rot.

(Dr. Heinz Kaiser (SPD): Thema!)

Sie betreiben eine Politik für gestern aber nicht für mor gen. Sie stellen sich nicht den Herausforderungen. Ich sehe bei Ihnen wenig vernünftige Ansätze zum Thema „Wissensgesellschaft“.

(Karin Radermacher (SPD): Virtuelle Hochschule!)

Die rot-grüne Koalition in Berlin vernachlässigt konse quent die Infrastruktur. Wie wollen Sie künftig eine moder ne Volkswirtschaft bekommen, wenn Sie Ihre Pflichtauf gaben bei Straße und Schiene, überhaupt beim Ausbau der Verkehrsinfrastruktur, nicht erfüllen?

(Dr. Heinz Kaiser (SPD): Thema!)

Meine Damen und Herren, wir brauchen kein Fitnesspro gramm für Bayern. Sie dürfen mir glauben: Wir sind fit, aber wir haben einen Klotz am Bein. Dieser Klotz heißt Rot-Grün in Berlin.

(Beifall bei der CSU)

Jetzt hat sich Frau Kollegin Rupp zu Wort gemeldet.

Liebe Frau Präsidentin, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Ich vermute, Herr Kollege Pschierer hat in seiner Fraktion eine eidesstattliche Versicherung abgeben müssen, in der er sich verpflichtet hat, bei jedem Beitrag mehrmals zu sagen, dass der Bund schuld sei.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass wir im Bayerischen Landtag sind. Ihre Rede war schlicht eine Themaverfehlung.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Nun zu der Frage, ob die SPD eine Kurskorrektur vorge nommen hat oder nicht. Sie haben zentrale Unternehmen Bayerns verscherbelt, zum Beispiel die Bayerische Versi cherungskammer und die Bayernwerke. Das hat mit un serem Vorschlag, den wir Ihnen unterbreitet haben, über haupt nichts zu tun. Hier geht es um eine Beteiligung von 4,9 %. Bei mir entsteht langsam der Eindruck, dass es Ihnen nur darum geht, Aufsichtsratsposten zu behalten. Das scheint Ihre Motivation zu sein und nicht die Frage, ob wir mit diesem Geld für dieses Land etwas Sinnvolles tun könnten. Das hat nichts mit einer Kurskorrektur bei der SPD zu tun. Unsere Linie ist gleich geblieben.

Wo soll investiert werden? Meine Vorredner haben bereits erläutert, dass das Geld hauptsächlich in den Hochschul bereich fließen soll. Der Investitionsbedarf bei den Hoch schulen beläuft sich auf 1,75 Milliarden Euro. Für die schlichteren Gemüter unter Ihnen, die wenig phantasievoll sind und vielleicht auch nicht gut informiert, möchte ich im Detail erläutern, was an den Hochschulen los ist. Bei der Akademie in München regnet es seit 20 Jahren rein. Was wird aufgrund der Rückstände und der fehlenden Investi tionen im Bau getan? – Es wird immer wieder einmal ge flickt. Nach 20 Jahren wird jetzt endlich gebaut, allerdings in einem Tempo, das wir gerne beschleunigen würden. Wir sind der Ansicht, ständige nebenher durchgeführte Sanierungsmaßnahmen sind der falsche Weg.

Herr Kollege Ach, Sie haben erklärt, bei der CSU gäbe es schon lange diese Vorstellungen. Ich sage Ihnen, bei der CSU dauert es 20 Jahre, bis ein Hochschulbau tatsächlich durchgeführt wird.

(Beifall bei der SPD)

Die Operationsbedingungen an der Universitätsklinik Würzburg entsprechen den Bedingungen eines Feldlaza retts. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, ich würde Ihnen dringend empfehlen, sich die dortigen Zu stände einmal anzusehen.

(Manfred Ach (CSU): Das ist eine Unverschämt heit! Reden Sie doch keinen solchen Krampf! Wir haben in Würzburg 150 Millionen Euro investiert!)

Sie haben jahrelang nichts getan. Herr Kollege Ach, die Rückstände belaufen sich auf über eine Milliarde Euro. Darum geht es hier. Dass Sie sich jetzt so aufregen, zeigt mir, dass ich völlig Recht habe.

An der Universität München wächst der Schimmelpilz. Die Räume sind geschlossen und können nicht benutzt wer den. Das zeigt, was an den Universitäten tatsächlich los ist.

Jetzt komme ich zu Herrn Kollegen Mütze.

Der sagt, man solle nicht in Steine investieren. Das finde ich interessant. Offensichtlich ist er immer noch auf dem Niveau von studentischen Protestaktionen, die in U-Bahn höfen stattfinden. Das kann es ja wohl nicht sein. Wenn wir in Bildung investieren, müssen wir natürlich in den Hochschulbau investieren. Natürlich müssen wir dann in die Universitätskliniken investieren. Wir können doch nicht sagen, wir investieren nicht in Steine. Das finde ich etwas sehr kurz gedacht.