Lieber Herr Kollege Gantzer, wären Sie bereit, diesem Hohen Haus zu sagen, dass das, was Sie gerade dargelegt haben, eine bewusste Verfälschung der Wahrheit ist?
Die Äußerung des Ministerpräsidenten Stoiber als Kanzlerkandidat lautete, dass es davon abhängig ist, was die UN beschließt, und dass ein einseitiger Einsatz der Amerikaner ohne UN-Mandat abgelehnt wird, dass jede Beteiligung von uns abgelehnt wird, so lange die UNO sie nicht stützt.
Wir haben es aber für falsch gehalten, dass die Bundesregierung erklärt hat: Die UNO kann beschließen, was sie will, Deutschland wird sich nicht beteiligen. – Würden Sie bereit sein darzustellen, dass es dezidiert falsch ist, dass deutsche Soldaten allein auf Anforderung der Amerikaner in den Irak gegangen wären? Wer das behauptet, lügt.
(Lebhafter Beifall bei der CSU – Franz Maget (SPD): Das ist ja ganz neu! Jetzt wollen Sie es nicht mehr gewesen sein!)
Sehr geehrter Herr Minister, ich nehme diese Ausführungen erfreut zur Kenntnis, wäre nur auch erfreut gewesen, wenn ich sie in dieser Klarheit, wie ich sie gerade gehört habe, auch damals gehört hätte.
(Zurufe von der CSU: Ihr habt Politik damit ge- macht! – Susann Biedefeld (SPD): Die PassauRede von Stoiber nachlesen!)
Als Schröder erklärt hat: Wir werden nicht in den Irak gehen, haben Sie damit ganz bewusst Politik gemacht. Ich sage noch einmal: Eine ganz große geschichtliche Leistung ist es gewesen, dass diese Bundesregierung gesagt hat: Wir gehen nicht in den Irak.
Das ist für mich der große Beitrag zur Terrorismusbekämpfung gewesen. Denn wir sind deswegen nicht Zielland des islamischen Terrorismus, weil wir uns ganz klar distanziert und gesagt haben: Das machen wir nicht. Liebe Genossinnen und Genossen, das sollte man damit auch abrunden. Ich bin froh, dass wir das nicht gemacht haben, und ich bin froh, dass wir die Bundeswehr auch nicht einsetzen werden, wenn es zu solchen neuen Kriegen kommen sollte.
Meine Damen und Herren, liege Kolleginnen und Kollegen, in diesem Sinne habe ich vielleicht einen Wermutstropfen vergossen.
Aber ich sage abschließend noch einmal und möchte das Ganze damit wieder ein bisschen glätten: Wenn ich meine lange Zeit als Sicherheitspolitiker sehe, so ist das Schöne gerade an der Sicherheitspolitik – in anderen Bereichen ist das wesentlich schwieriger -, dass man sich in vielen Grundproblemen einig ist. Ich habe gerade gesagt: Ihr Haus und das Haus in Berlin sind sich vielfach – jedenfalls grundsätzlich – einig. Davon gehe ich aus. Deswegen ist auch die SPD grundsätzlich mit Ihnen einer Meinung, dass wir die Sicherheit in Deutschland und vor allem in Bayern schützen müssen. Sie werden grundsätzlich unsere Unterstützung haben. Darüber dass es bestimmte Probleme gibt wie beispielsweise die präventive Abhörung der Telefone von Rechtsanwälten, Notaren und Priestern, darüber werden wir reden müssen. Aber der Grundsatz lautet: Die Sicherheit des Bürgers muss für uns alle an erster Stelle stehen.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Professor Gantzer, Sie haben zum Schluss gesagt, Sie reichten die Hand zur Zusammenarbeit. Wir würden uns natürlich wesentlich leichter tun, diese Hand zu ergreifen, wenn Sie Ihre Ausführungen kurz vor Schluss nicht gemacht hätten. Denn Sie haben den unsäglichen Eindruck erweckt, als würden Sie den Terroranschlag in Madrid mit so vielen Toten mit der Beteiligung der Spanier am Irakkrieg zu rechtfertigen versuchen. Das halte ich für unsäglich. Unsere Fraktion wendet sich entschieden dagegen.
Denn das schwächt letztlich die gemeinsame Allianz aller Demokraten zur Ächtung des internationalen Terrorismus.
Das ist das tiefer gehende Problem, das sich mit Ihren Aussagen verbindet, fernab von allen parteipolitischen Auseinandersetzungen und unterschiedlichen Meinungen. Ich halte es für sehr schädlich, im Hohen Haus einen solchen Vergleich anzustellen.
Ich möchte in diesem Zusammenhang auch daran erinnern, welche Regierungskoalition erstmals Bundeswehrsoldaten in den Krieg geschickt hat, noch dazu in einen völkerrechtlich nicht legitimierten Krieg. Damals waren sich fast alle Völkerrechtlicher einig, dass dieser Krieg im Kosovo völkerrechtlich nicht legitimiert war.
Denn es lag kein Mandat des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vor. Trotzdem hat Ihre Regierungskoalition in Berlin Soldaten in den Kosovokrieg geschickt. Darauf möchte ich deutlich hinweisen. Das war das erste Mal nach dem Krieg.
- Ich hätte das nicht kritisiert. Nur, wenn Sie jetzt in einem anderen Fall diesen unsäglichen Vergleich mit einem fürchterlichen Terroranschlag herstellen, halte ich das, bei aller Wertschätzung, die ich sonst für Sie hege; Sie wissen das -, für hochgradig gefährlich und auch für unsäglich.
Wenn man von Bayern, wenn man von bayerischer Politik spricht, so denkt man automatisch, fast selbstverständlich, an ein Höchstmaß an Sicherheit für die Bürger, für die sich bei uns aufhaltenden Besucher und Gäste, für die Wirtschaft, man denkt an größtmöglichen Schutz vor Kriminalität und terroristischen Übergriffen, und man denkt an Sicherheit als wichtigen Standortfaktor, der für Bayern von ganz entscheidender Bedeutung ist. Bayern und innere Sicherheit sind Markenbegriffe, die untrennbar miteinander verbunden sind.
Wir sehen es als zentrales Thema unserer politischen Arbeit, für die Sicherheit in unserem Freistaat Entscheidendes zu leisten und uns politisch hierfür zu engagieren.
Als Vorsitzender des Sicherheitsausschusses dieses Hohen Hauses stehe ich gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen im Ausschuss und im Arbeitskreis dafür ein, dass wir Sicherheitspolitik im wohlverstandenen Interesse stets weiterentwickeln. Wir sehen uns da in einer besonderen Verantwortung. Das ist zweifelsohne schwierig, weil schon ein hoher Sicherheitsstandard erreicht worden ist.
Es war schwer, diesen Standard zu erreichen. Noch schwieriger ist es, diesen Standard zu halten. Wir stellen uns dieser Herausforderung, und wir sind nicht diejenigen, die im Zusammenhang mit der Sicherheitspolitik Ängste schüren.
Herr Kollege Gantzer, Sie haben Ängste angesprochen, die angeblich vom Innenminister geschürt werden. Weder mein Ausschuss noch der Innenminister schürt Ängste. Ich will das an einem Beispiel festmachen, nämlich an einer Aussage des Innenministers. Sie haben deutlich die Europapolitik angesprochen und die EU-Osterweiterung. Ich darf aus der Rede des Innenministers, die nachzulesen ist, zitieren, bei der er im Zusammenhang mit der EUOsterweiterung gesagt hat:
Nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand erwarte ich nicht, dass mit dem Termin 1. Mai 2004 gravierende sicherheitspolitische Veränderungen verbunden sind.
Er hat also gerade nicht irgendwelche Ängste geschürt, sondern darauf hingewiesen, dass er kein gravierendes Anwachsen von Bedrohungen und von Kriminalität erwartet.
Innere Sicherheit hat in Bayern von jeher den Stellenwert eines sozialen Grundwerts gehabt. Darauf möchte ich besonders hinweisen. Sie ist Voraussetzung für die Stabilität in unserer Gesellschaft, denn nur in einem Land, in dem sich die Bürger sicher fühlen, in dem die Menschen sicher leben können, können sie auch ihre Freiheit entfalten. Bayern verfolgt diese langfristig angelegte Sicherheitsstrategie und ist nicht umsonst das sicherste Bundesland in Deutschland. Wir gehen gegen Kriminalität aller Art konsequent vor. Es gibt kein opportunistisches Zurückweichen vor Gewalt. Es gibt bei uns auch keine rechtsfreien Räume, wie es anderenorts immer wieder der Fall gewesen ist, und wir sorgen für eine umfassende Kriminalprävention.
Die Vorbeugung steht bei uns im Mittelpunkt unseres politischen Bemühens. Deshalb greifen wir auch alle sicherheitsrelevanten Themen auf und reagieren sofort auf neue Kriminalitätsentwicklungen. Das ist ein Vorgang, der sich laufend weiterentwickelt, und man muss sich diesen neuen Herausforderungen immer wieder neu stellen, damit man die Allgemeinheit wirkungsvoll vor gefährlichen Gewaltverbrechern schützen kann. Wir gewähren – auch das ist ein wichtiger Punkt für uns – dem Opferschutz absoluten Vorrang. Für uns geht Opferschutz vor Täterschutz und nicht umgekehrt.
Wir haben heute von der neuen Bedrohung gehört, verehrte Damen und Herren. New York, Istanbul, Madrid, auch Europa ist in das Fadenkreuz fanatischer Terroristen geraten, die dem gesamten Westen, seinen Demokratien und Grundwerten den Kampf angesagt haben. Dieser islamistische Fundamentalismus und insbesondere die arabischen Mudjaheddin im Umfeld der Organisation alQuaida sind die derzeit akuteste Bedrohung der inneren Sicherheit. Auch in Deutschland und hier in Bayern haben wir ein nicht unerhebliches Potenzial islamistischer Kämpfer mit vielfältigen internationalen Verbindungen. Bayern hat schon frühzeitig auch in diesem Bereich auf die Ge
fährdungen reagiert, indem ein Sicherheitspaket auf den Weg gebracht und konsequent umgesetzt worden ist. Wir haben uns diesen Herausforderungen, die besonders nach dem 11. September 2001 gegeben waren und in der Folgezeit nicht geringer geworden sind, gestellt und haben dieses Sicherheitspaket bewusst umgesetzt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, zur effektiven Kriminalitätsbekämpfung nutzen und erproben wir modernste Technik. Lassen Sie mich darauf anhand einiger konkreter Beispiele eingehen. Wir führen derzeit ein neues Gerät zur elektronischen Abnahme von Fingerabdrücken ein, das so genannte Lifescan. Es versetzt uns in die Lage, binnen kürzester Zeit Aufnahmen von Finger- und Handflächenabdrücken durch ein direktes digitales ScanningVerfahren zu fertigen und zugleich elektronisch zu übermitteln. Damit ist ein wirkungsvoller Personenabgleich möglich.
Für deutsche Sicherheitsbehörden ist es sehr schwer, diese abgeschotteten Zirkel von gewalttätigen Vereinigungen zu durchbrechen. Wir wollen daher im Bereich der Prävention in Bayern auch das Polizeiaufgabengesetz verändern, ergänzen, auf den neuesten Stand bringen. Wir haben im Sicherheitsausschuss schon mehrfach darüber debattiert. Ich möchte an dieser Stelle herausstellen, dass wir viele Dinge gemeinsam mit der Opposition, gerade mit der SPD, voranbringen können. Uns geht es darum, dass wir in der akustischen Wohnraumüberwachung einen Weg finden, wie wir zum einen das höchstrichterliche Urteil des Bundesverfassungsgerichts natürlich befolgen, zum anderen nicht dem potenziellen Täterschutz, dem Schutz von Einzelpersonen, einen Vorrang vor dem Schutz der Allgemeinheit geben. So weit darf es in keinem Fall kommen, sonst würden die Dinge auf den Kopf gestellt werden.
Ich möchte auf ein weiteres Verfahren hinweisen, verehrte Damen und Herren: das Scanning von Autokennzeichen. In den europäischen Nachbarländern ist dieses Verfahren schon vor vielen Jahren eingeführt worden und ist dort gang und gäbe. Damit hat man große Erfolge gehabt. Gott sei Dank sind wir jetzt auch hier so weit. Nachdem Pilotversuche erfolgreich abgeschlossen wurden, haben wir jetzt auch in Bayern die Möglichkeit – auch das haben wir in unserem Ausschuss unterstützt und vorangebracht -, dass Autokennzeichen erfasst werden, mit dem Fahndungscomputer in Sekundenschnelle abgeglichen werden können und dass man dadurch Autoschieber, Menschenschleuser und Gewalttäter relativ schnell und erfolgreich fassen und überführen kann.
Auch in diesem Zusammenhang will ich darauf hinweisen, dass der Datenschutz in diesem Bereich sehr wichtig ist. Es werden nur dann Daten gespeichert, wenn sich tatsächlich ein erfolgreicher Abgleich ergeben hat. Die grenzüberschreitenden terroristischen Strukturen sind zwischenzeitlich so vielfältig, dass ein abgestimmtes gemeinsames Verfahren erforderlich ist. Die Verbesserung der grenzüberschreitenden Observation ist heute schon angesprochen worden, der grenzüberschreitende Einsatz von verdeckten Ermittlern, Undercoveragents, die Erweiterung des Datenbestandes des Schengener Informationssystems. Es ist mir wichtig, und darauf möchte ich auch an dieser Stelle hinweisen: Das Erfolgsmodell
Schleierfahndung, man kann es nicht oft genug erwähnen, hat sich als sehr wirksam und erfolgreich erwiesen. Ich kann mich noch gut erinnern – ich war damals schon in diesem Hohen Hause -, als wir darüber diskutiert haben, auch mit Ihnen, Herr Prof. Dr. Gantzer. Damals war die SPD noch nicht unbedingt auf unserem Weg dabei.