Protocol of the Session on July 17, 2008

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Kollege Bocklet.

Herr Dr. Runge, ich darf Sie zur Sachaufklärung auf Folgendes hinweisen: Im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens, das von der Regierung von Oberbayern durchgeführt wird, erfolgt eine umfassende rechtliche und fachliche Prüfung der Planungen, dabei – auch – des Bedarfs der dritten Start- und Landebahn. Die Frage des Bedarfs ist Teil der Planrechtfertigung. Dabei ist vor allem auch die Luftverkehrsprognose sorgfältig und neutral zu prüfen.

Die Planfeststellungsbehörde befindet sich derzeit noch in der Phase der Sachverhaltsermittlung, und in dieser Phase sind diese Gesichtspunkte, die Sie gerade vorgetragen haben, zu prüfen. Von daher gesehen gibt es überhaupt keinen Grund, das Verfahren auszusetzen, ein Gutachten einzufordern, das ohnehin im Rahmen dieses Verfahrens erhoben werden muss, um die Sachverhalte zu klären und danach das Verfahren wieder fortzuführen. Ich denke, es ist im Interesse auch der Planungssicherheit des gesamten Raumes, dieses Planfeststellungsverfahren schnell durchzuführen und alles zu vermeiden, was zu einer weiteren Verunsicherung führen könnte.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Christian Magerl (GRÜNE))

Deswegen bitte ich um Ablehnung dieses Dringlichkeitsantrags.

(Beifall bei der CSU – Zuruf von den GRÜNEN)

Nächster Redner: Herr Kollege Dr. Beyer.

Ich eröffne die Aussprache. Pro Fraktion wurden im Ältestenrat 5 Minuten beantragt. Herr Kollege Dr. Runge steht schon bereit.

(Allgemeine Unruhe)

Ich bitte, die Gespräche einzustellen. Herr Kollege, ich will Ihnen Ruhe verschaffen. Schauen Sie, ich mache das jetzt freiwillig.

(Beifall der Abgeordneten Maria Scharfenberg (GRÜNE) – Bravo-Rufe von den GRÜNEN)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir haben hier im Plenum, aber selbstverständlich auch bei uns im Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten viele Debatten geführt, auch viele Beschlüsse gefasst zum Vertrag von Lissabon bzw. zu dessen Vorläufer, dem Konventsentwurf zum Verfassungsvertrag. Angestoßen haben diese Debatten in dem Fall wieder mal wir. Sie erinnern sich an unsere Initiativen im Jahr 2003, an unsere ersten Anträge zum Verfassungsvertrag. Im Dezember 2003 hatten wir sogar ein einstimmiges Votum, was den Bereich der kommunalen Daseinsvorsorge anbelangt.

Wir haben sehr differenziert diskutiert, so wie es dem Thema angemessen ist, und das über alle Fraktionen hinweg und auch innerhalb aller Fraktionen. Das heißt, es gab von vielen Abgeordneten die Position „Ja, aber“ und von anderen „Nein, weil“.

Aber, meine Damen und Herren, darum geht es heute nicht. Es geht darum, wie man sich der jetzigen Situation stellt, wie man mit der jetzigen Situation umgeht, das heißt, wie wir mit der jetzigen Situation umgehen, ob wir uns wenigstens mit einem Plan B auseinandersetzen wollen, das heißt, ob man bemüht ist, das Beste aus der Situation zu machen. Ich kann nur berichten, was im Ausschuss gelaufen ist. Da können Sie versuchen hineinzuinterpretieren, was Sie wollen. Es geht um diesen konkreten Antrag, um das konkrete Anliegen.

Wir alle hier sind überzeugte Europäer. Die europäische Integration ist ein Erfolgsmodell ohnegleichen. Frieden, Freiheit, wirtschaftliches Wohlergehen sind getragen vom Zusammenwachsen der Staaten in Europa in den europäischen Gemeinschaften und dann in der Europäischen Union. Die Europäische Union war mit der Beitrittsoption und dann mit der Mitgliedschaft Reformmotor für sehr viele Staaten. Es gibt einfach viele Aufgaben, die sich gemeinschaftlich besser lösen oder nur gemeinschaftlich lösen lassen, gerade die globalen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts.

Es ist völlig unbestritten, dass die Europäische Union institutioneller und organisatorischer Reformen bedarf zur Steigerung ihrer Handlungsfähigkeit, um zum einen den Ansprüchen einer Union der 27 oder mehr und zum anderen den schon genannten globalen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gewachsen zu sein.

Sie wissen auch, dass sich insbesondere die Kollegin Dr. Hildegard Kronawitter aus der Wahrnehmung der örtlichen Sicht heraus hierbei anders entscheiden wird. Das wird auch im Abstimmungsverhalten meiner Fraktion deutlich werden.

Verehrter Herr Kollege Magerl, deswegen wäre es sachgerecht gewesen, Sie hätten Ihre Punkte einzeln zur Abstimmung gestellt. Das haben Sie zwischenzeitlich zugestanden, aber jetzt wieder zurückgezogen, weil Sie ein plakatives Endergebnis haben wollen.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Christian Magerl (GRÜNE))

Hören Sie zu! Ich trage sogar Ihre Einwände vor.

Das heißt, wir werden uns als Fraktion der Abstimmung enthalten. Ich gebe ausdrücklich zu Protokoll, wir stimmen Ziffern 1 und 2 zu, lehnen aber Ziffer 3 ab, weil ein ernst genommener Antrag zu Ziffern 1 und 2 bedeutet, das Planfeststellungsverfahren durchzuführen, um dort in einem sauberen Verfahren die neuen Erkenntnisse im Rahmen der Planrechtfertigung einfließen zu lassen. Dann gilt das, was für Hof gegolten hat, in der Tat auch die für dritte Startbahn, und das ist ein gutes Zeichen.

(Beifall bei der SPD)

Es liegen mir keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung, die auf Antrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN in namentlicher Form erfolgt.

Der federführende Ausschuss für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie empfiehlt die Ablehnung des Antrags. Für die Stimmabgabe sind die Urnen bereitgestellt. Wir beginnen mit der Stimmabgabe. Hierfür stehen fünf Minuten zur Verfügung.

(Namentliche Abstimmung von 15.09 Uhr bis 15.14 Uhr)

Die Stimmabgabe ist geschlossen. Die Stimmkarten werden außerhalb des Hohen Hauses ausgezählt. Das Ergebnis wird zu einem späteren Zeitpunkt bekannt gegeben.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 54 auf:

Dringlichkeitsantrag der Abg. Margarete Bause, Dr. Sepp Dürr, Maria Scharfenberg u. a. u. Frakt. (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das irische Votum als Chance – Institutionelle und organisatorische Reformen in der EU auch ohne überfrachtetes Vertragswerk zügig auf den Weg bringen (Drs. 15/10889)

Ich darf dem Hohen Haus gleich bekannt geben, dass die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN namentliche Abstimmung beantragt hat. Auch das bringen wir in großer Geduld zu Ende.

Dieses Abstimmungsverhalten muss erklärt werden, und dafür stehe ich hier.

Wir haben uns bei jedem Vertrag bis zuletzt beim Vertrag von Nizza und jetzt beim Vertragsentwurf von Lissabon von der Frage leiten lassen, ob der Gegenstand, über den verhandelt wird, und das Ziel, also der Vertrag, gegenüber dem bisherigen Vertrag ein Fortschritt, also ein Fortschritt gegenüber dem Status Quo ist oder nicht. Bei aller Kritik am Verfassungsentwurf und am Entwurf des Vertrags von Lissabon sind wir zu dem Schluss gekommen, dass beide Werke viel zu wünschen übrig lassen, dass das Ergebnis aber ein Fortschritt gegenüber dem Status Quo ist. Es ist ein Stück mehr Europa, es ist ein Stück mehr Integration, und damit kommen wir dem Ziel näher, das wir uns seit 1957 setzen.

(Beifall bei der SPD)

Nun aber sagen die GRÜNEN, sie wollten den Vertrag nicht. Nach dem Referendum der Iren halten sie ihn für tot. Was mit dem Vertrag geschieht, weiß kein Mensch, denn die Situation, die eingetreten ist, war nicht geplant. Einen geheimen oder auch einen sonstigen Plan B gibt es nicht. Es gibt ihn bestenfalls im einen oder anderen Kopf. Wir wissen nicht, wohin es geht. Wir müssen uns aber mit der Frage auseinandersetzen, was passiert, wenn es zu einer Alternative kommt, wenn also der Prozess insgesamt gestoppt wird. Dann müssen wir wieder an die nicht erfüllten Wünsche anknüpfen, die sich mit dem Vertrag von Lissabon haben nicht verwirklichen lassen.

Damit komme ich noch einmal auf die wesentlichen Punkte zurück. Wir haben immer deutlich gemacht, dass jedes Europa der Zukunft, also jeder weitere Vertrag, der letztlich darauf abzielt, dass die Menschen und nicht nur die Eliten mitgenommen werden, von Anfang an von Transparenz geprägt sein muss. Und er muss von der Teilhabe und Partizipation nicht nur der politischen Eliten, sondern breitester Volksschichten geprägt sein. Das war immer unser Bestreben, meine Damen und Herren. Wenn durch Plebiszite eine nach der anderen Niederlage kommt, ist das ein Signal in diese Richtung. Das heißt, macht kein Europa der Zukunft, wenn ihr euch nicht vorher vergewissert habt, dass das, was die Eliten wollen, auch vom Volk mitgetragen wird.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Die gesamten Entfremdungserscheinungen gehen letztlich darauf zurück. Deshalb sage ich es an dieser Stelle noch einmal. Jede weitere Vergemeinschaftung braucht Partizipation und Transparenz. Sie braucht auch immer mehr Stärkung der Rechte des Europaparlaments oder überhaupt die Entwicklung der Rechte des Europaparlaments zu den Vollrechten eines Parlaments, wovon wir immer noch weit entfernt sind.

(Beifall bei der SPD)

Einen Ansatz für diesen Gedanken sehe ich im Antrag der GRÜNEN. Wir freuen uns nicht über das Scheitern des

Aber selbstverständlich – das sagen wir an dieser Stelle auch noch einmal ganz klar – konnten und können diese Reformen auch ohne ein derart überfrachtetes Vertragswerk gelingen, wie es der Vertrag von Lissabon darstellt. Das geben der EG-Vertrag, der EU-Vertrag und auch das Protokoll von Amsterdam sehr wohl her.

Deshalb sagen wir: In dem Votum der Iren liegt auch eine Chance, dass man zu diesen Reformen kommt, ohne das schon genannte überfrachtete Vertragswerk und ohne einzelne Punkte dieses Vertragswerks in Kauf nehmen zu müssen, die wir alle über alle Fraktionen kritisch gestellt haben. Ich darf daran erinnern: Das war neben der fehlenden Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger und neben der schon genannten Überfrachtung, beispielsweise die unzureichende Kompetenzabgrenzung, der Drang zu mehr und mehr Zentralisierung oder die Ermächtigung, horizontal in die kommunale Daseinsvorsorge hineinzuregieren.

Wir meinen, wir sollten uns durchaus damit auseinandersetzen, offen und gewappnet sein. Was immer ein bisschen erstaunlich ist – und damit möchte ich fürs Erste schließen, Frau Präsidentin –: Sie – und damit meine ich die Kolleginnen und Kollegen von der CSU und auch die Herren von der Staatsregierung – haben in schönen Aufsätzen vieles kritisch gestellt, durchaus zu Recht, an anderer Stelle manchmal nicht ganz zu Recht, aber das sei jetzt dahingestellt. Aber wir müssen feststellen, Sie unternehmen nichts, aber auch gar nichts, um wenigstens zu versuchen, daran mitzuwirken, dass die Punkte, die Sie vorher kritisieren, zurückgenommen werden.

Wenn man über Jahre hinweg sagt: Jetzt ist es zu spät – das haben Sie 2003 gesagt, das haben Sie 2004 gesagt, das haben Sie 2006 gesagt, und auch 2008 habe ich es wieder gehört –, wenn man über Jahre und irgendwann über Jahrzehnte sagt: Jetzt ist es zu spät, jetzt können wir nichts mehr machen, dann ist es irgendwann tatsächlich zu spät.

Wir bitten also noch einmal freundlich um Ihre Zustimmung zu unserem Antrag. Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und des Abgeordneten Dr. Linus Förster (SPD))

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Hoderlein.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die CSU und die SPD haben zum Thema Lissabon, aber auch schon zum Vertragsentwurf übereinstimmende Positionen, wie es sich für eine große Koalition gehört. Wir haben dem zugestimmt. Die GRÜNEN haben dazu eine sehr kritische Position, sie haben es abgelehnt. Das ist bekannt.

Nun haben wir einen Antrag der GRÜNEN vorliegen, dem wir heute zustimmen werden, und zwar im Unterschied zur CSU.

in Polen, in Tschechien und in Großbritannien Hürden, die noch genommen werden müssen. Auch in Deutschland muss das Bundesverfassungsgericht noch über die anhängigen Klagen entscheiden. Trotzdem ist in allen Mitgliedsstaaten nach wie vor der feste Wille vorhanden, den Vertrag von Lissabon so schnell wie möglich in Kraft zu setzen. Die Fairness und die politische Klugheit gebieten es, den Iren genügend Zeit zu geben, um sich mit der entstandenen Situation auseinanderzusetzen und am Ende wie schon beim Vertrag von Nizza in zumutbarer Weise zu einem positiven Votum zu kommen. Wer jetzt vorschnell die Totenglocke für den Vertrag von Lissabon läutet, verbaut Europa die Chance, in absehbarer Zeit zu einem neuen besseren Vertrag zu kommen.

Zweitens. Der Vertrag von Lissabon ist das Maximum. Ich sage nicht das Optimum. Ich sage, er ist das Maximum dessen, was derzeit von 27 Regierungen politisch erreicht werden kann. Man kann an diesem Vertrag inhaltlich viel kritisieren. Das tun die GRÜNEN in ihrem Dringlichkeitsantrag ausführlich. Wer aber Realist ist und einen erzielbaren Fortschritt erreichen will, muss eingestehen, dass mehr und Besseres in absehbarer Zeit nicht zu schaffen ist. Auch wir haben im Zusammenhang mit der Beratung des Verfassungsvertrags und des Vertrags von Lissabon umfangreiche Kritik an den Entwicklungen in der Europäischen Union geübt und zahlreiche Verbesserungsvorschläge eingebracht. Leider haben wir aber nur mit einem Teil davon Erfolg gehabt. Ich erinnere an die offene Methode der Koordinierung, an die Daseinsvorsorge und an eine Reihe von anderen Punkten, nicht zuletzt an die Begrenzung der Zahl der Kommissare auf 18, mit der Folge, dass am Ende auch Deutschland einmal als größter Mitgliedsstaat nicht durch einen Kommissar in der Kommission vertreten sein wird.

Jetzt, wo ein politischer Kompromiss auf dem Tisch liegt, muss jeder wissen: Wer sich, wie die GRÜNEN und die SPD, einem Wunschdenken hingibt, wer den Vertrag zu Fall bringt, der wird am Ende nicht einmal den Vertrag von Nizza haben, der wird stattdessen mit leeren Händen dastehen, denn die Bestrebungen zu weiterer Einigung nehmen eher ab als zu. Wahrscheinlich wäre es weiser gewesen, und so war es auch der Wille der Mitgliedstaatsregierungen, vor der Osterweiterung diese Hausaufgaben zu erledigen. Daran ist der Vertrag von Nizza aber gescheitert. Bei der Ost-Erweiterung konnte man da nicht mehr zurück. Nun vermehrt sich die Zahl der Mitgliedstaaten und damit auch die Frustration über die ganze Europäische Union.