Protocol of the Session on March 16, 2004

Auch die Schwerpunktsetzung bei den Bedarfszuweisungen und beim Sozialhilfeausgleich für die Bezirke geht in die richtige Richtung. Sie müssen aber ehrlicherweise zugeben, Kolleginnen und Kollegen von der CSU, wäre diese Schwerpunktsetzung bei Schlüsselmasse, Bedarfszuweisungen und Sozialhilfeausgleich nicht erfolgt, hätten Sie niemals mit einer Einigung mit den kommunalen Spitzenverbänden rechnen können. Das war das Mindeste, was notwendig war. Die schon angesprochenen Petitionen der kommunalen Spitzenverbände und das verweigerte Gespräch des Bayerischen Ministerpräsidenten mit den kommunalen Spitzenverbänden in der vergangenen Woche beweisen deutlich, dass hier ein Nachholbedarf besteht, dem nachgekommen werden muss.

(Franz Maget (SPD): Angst vor dem Gespräch hat er, der Ministerpräsident!)

Denn die Kommunen werden sich das nicht gefallen lassen. Herr Staatsminister Prof. Dr. Faltlhauser hat ja seine Gesprächsbereitschaft, wenn auch sehr zögerlich, angedeutet, allerdings erst nach dem Beschluss zu diesem Haushaltsgesetz.

Kolleginnen und Kollegen von der CSU, verantwortlich für die Einschnitte bei den Kommunen ist letztlich der Gesetzgeber, und das sind Sie genauso wie wir hier im Bayerischen Parlament. Mit diesen Einschnitten übernehmen Sie die Verantwortung für den miserablen Zustand unserer Kommunen.

(Beifall bei der SPD)

Es ist billig und reicht für einen verantwortungsvoll handelnden Politiker bei weitem nicht aus, diese Verantwortung immer an andere weiterzureichen. Es ist ebenso billig und scheinheilig, wenn sich einzelne Politiker Ihrer Partei vor Ort hinstellen, wie in den letzten Tagen in Franken geschehen, und eine bessere kommunale Finanzausstattung einfordern. Heute können Sie diese Forderung einlösen: Stimmen Sie unserem Antrag zu!

(Beifall bei der SPD)

Wenn der von Ihnen vorgelegte Gesetzentwurf in Kraft tritt, nehmen Sie in Kauf, dass die Bezirks- und die Kreisumlage weiter erhöht werden müssen. Sie nehmen in Kauf, dass zum Beispiel Würzburg, wie von Innenminister Dr. Beckstein aufgefordert, öffentliche Einrichtungen wie Theater, Bäder und Bücher

eien schließt und dass Zuschüsse für Vereine, Kultureinrichtungen und Musikschulen völlig gestrichen werden müssen. Sie nehmen auch in Kauf, dass kommunale Kindergärten, Einrichtungen für Mittagsbetreuung und Horte ihre Pforten schließen müssen, weil den Städten das Geld dafür fehlt. Das steht bevor, wenn dieser strikte Sparkurs weitergeführt wird.

Die SPD-Landtagsfraktion will mit ihrem Antrag dieser kommunalfeindlichen Politik begegnen. Mit zusätzlichen Mitteln in Höhe von 345,2 Millionen Euro wollen wir ein deutliches Zeichen setzen. Die Kommunen sollen in die Lage versetzt werden, in eigener Finanzhoheit notwendige Ausgaben zu tätigen und mit gezielten Investitionen die regionale Wirtschaft positiv zu beeinflussen. Ich wiederhole: Sie haben heute Gelegenheit, Ihre Kommunalfreundlichkeit durch Zustimmung zu unserem Antrag zum Ausdruck zu bringen.

(Beifall bei der SPD – Franz Maget (SPD): Das wird nichts werden! – Herbert Ettengruber (CSU) : Das sehen Sie richtig! Erste Vizepräsidentin Barbara Stamm: Ich erteile das Wort für die CSU-Fraktion Frau Kollegin Görlitz. Bitte, Frau Kollegin. Erika Görlitz (CSU): Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Frau Schmitt-Bussinger, ich muss mich schon wundern, wenn Sie zwei Drittel Ihrer Redezeit damit verbringen, zu erklären, dass wir zu wenig Schulden machen, dass Schuldenmachen die einzige Lösung wäre, um den Kommunen zu helfen, und dann am Schluss bemerken, dass wir natürlich sparen müssen. Das wäre selbstverständlich eine Erkenntnis, für die wir sehr dankbar sind; denn Sie wissen, dass die Bundesregierung bisher nicht diesen Weg gegangen ist. Wir wissen auch, dass jeden Tag Zinsen in Höhe von 100 Millionen Euro anfallen, ohne dass je ein Effekt für die Konjunktur zu beobachten wäre.

Meine Damen und Herren, nicht ohne Stolz verweisen wir –

Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Volkmann?

Jetzt habe ich noch nicht einmal richtig angefangen.

Es tut mir Leid, ich muss Sie fragen.

Also nicht. Vielleicht später, Herr Kollege.

Herr Kollege, nachdem wir heute noch soviel Zeit miteinander verbringen werden, ergibt sich bestimmt die Gelegenheit, dass Sie Ihre Frage stellen. Jetzt lassen Sie mich bitte erst einmal meine Ausführungen machen.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Meine Damen und Herren, nicht ohne Stolz verweisen wir auf die Leistungen, die wir für die Kommunen erbringen. Ich muss Ihnen widersprechen: Wir handeln nicht von oben herab, sondern befinden uns mittendrin in unseren kommunalen Gremien. Wir arbeiten miteinander für unsere Kommunen und deren Ausstattung. Wir sind stolz darauf, dass wir trotz der schwierigen und desolaten Finanzsituation in der Lage sind –

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Frau Kollegin, einen Augenblick bitte. Darf ich alle Fraktionen des Hohen Hauses bitten, etwas ruhiger zu sein. Ich denke, die Kolleginnen und Kollegen, die am Rednerpult stehen, haben sich vorbereitet und verdienen Ihre Aufmerksamkeit. Frau Kollegin, bitte fahren Sie fort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin.

Meine Damen und Herren, es ist uns trotz der schwierigen finanziellen Lage gelungen, die Kommunen bestmöglich auszustatten und sie auszunehmen von Einsparungen, die es in allen anderen Bereichen gegeben hat. Wir sind stolz darauf, dass wir gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden ein Ergebnis erzielt haben, das den Kommunen die Möglichkeit gibt, mit Zuversicht in das Jahr 2004 zu gehen bei allen Problemen, die die Kommunen selbstverständlich haben und die wir sehr gut kennen. Die Gespräche mit den kommunalen Spitzenverbänden waren hart, aber erfolgreich; denn es hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass bei der schwierigen Finanzlage auch hier Verschiebungen stattfinden müssen. Wichtig war allen Beteiligten, dass die Schlüsselzuweisungen in gleicher Höhe erhalten bleiben.

Das ist gelungen. Genauso wichtig war es, dass die Bezirke für die Sozialhilfeausgaben einen erheblichen Zuschlag erhalten haben. Die Bezirke haben fast 50 % mehr als veranschlagt erhalten, um den Sozialhilfeausgleich tätigen zu können. Die Mittel wurden von 300 auf 440 Millionen aufgestockt.

(Christine Kamm (GRÜNE): Das wurde woanders weggenommen!)

Die Bedarfszuweisungen wurden von 14,5 Millionen Euro auf 57,8 Millionen Euro erhöht und die Kommunen erhalten einen Ausgleich für die Aus

fälle, die ihnen die vorgezogene Steuerreform verursacht. Durch diese Maßnahmen wurde erreicht, dass die Kommunen für das Jahr 2004 verlässliche Zahlen für ihre Haushalte haben.

Uns muss klar sein: Natürlich können die Kommunen nichts dafür, dass wir heute in dieser schwierigen Situation sind. Es ist die desolate Politik der Bundesregierung, die zu einer großen Verunsicherung in unserem Land führt. Meine Damen und Herren von der Opposition: Es ist doch lächerlich, wenn Sie immer wieder auf die Weltpolitik und die Weltkonjunktur verweisen. Tatsache ist, dass in ganz Europa der Markt brummt und Deutschland in der Zwischenzeit das Schlusslicht geworden ist. Das ist doch Tatsache und das muss man sehen.

(Unruhe - Franz Maget (SPD): Das ist doch lächerlich!)

Wir haben im Jahr 2001 ein Wachstum von lediglich 0,8 %, 2002 0,2 % und 2003 sind wir im Minus. Es ist doch ganz offensichtlich, dass die Kommunen und der Staat ihren Aufgaben nicht mehr nachkommen können, da die finanziellen Grundlagen weggebrochen sind. Dieser Gesichtspunkt kann doch nicht außer acht gelassen werden.

Gerade die Kommunen leiden darunter, weil ihre Gewerbesteuereinnahmen ganz gewaltig eingebrochen sind. Deshalb haben die Schlüsselzuweisungen für die Kommunen eine ganz neue Bedeutung erhalten. Während die Schlüsselzuweisungen früher als notwendig für die Erreichung von gleichen Lebensbedingungen angesehen wurden, sind die Kommunen heute schlichtweg auf die Schlüsselzuweisungen angewiesen, um ihre Verwaltungshaushalte decken zu können und im Verwaltungshaushalt über die Runden zu kommen. Schuld daran ist der Einbruch bei den Gewerbesteuereinnahmen. Meine Damen und Herren von der Opposition, es war doch Ihre Regierung, die es möglich gemacht hat, dass Betriebe, die im Ausland Verluste einfahren, diese mit Gewinnen im Inland gegenrechnen können. Das ist Tatsache.

(Unruhe - Franz Maget (SPD): Das ist doch gelogen! Das ist eine blanke Lüge! Das wissen Sie doch!)

Kommunen werden in den Ruin getrieben, weil sie Gelder, die sie vor drei oder vier Jahren eingenommen haben und die längst verbaut sind, an die Betriebe zurückzahlen müssen. Das kostet den Kommunen letztlich die Kraft.

(Beifall bei der CSU)

Viele Betriebe haben in der Zwischenzeit aufgegeben. Familienbetriebe, die lange Zeit versucht haben, eine Durststrecke zu überstehen, geben auf.

Wir haben eine desulate Situation bei den Lehrstellen. Wir haben nicht mehr genügend Lehrstellen, weile viele Gewerbebetriebe, die schon seit Generationen erfolgreich gearbeitet haben, dem Druck nicht mehr standhalten. Das sind die Probleme, die wir heute in den Kommunen haben.

Des Weiteren haben wir riesige Ausgaben bei der Sozialhilfe. Der Sozialhilfeausgleich ist nur im begrenzten Maße möglich. Immer mehr Menschen geraten in die Sozialhilfe, weil sie pflegebedürftig sind. Ein Grund liegt darin, dass durch eine Nullrunde bei den Renten die Einnahmen wegbrechen und damit immer mehr in die Sozialhilfe abrutschen. Das sind die Probleme, die wir haben. Wir haben zusätzliche Belastungen, die auch unsere Familien nicht mehr schultern können. Viele Kinder können nicht mehr für die kranke Mutter aufkommen, die im Altersheim leben muss, weil sie keine Arbeitsplätze haben oder selbst auf Hilfe angewiesen sind. Das ist das Problem. Vor allem spielen sich sehr dramatische Dinge ab, weil viele jetzt darauf angewiesen sind, dass über die Sozialhilfe die Unterbringungskosten ausgeglichen werden. Mit den Bedarfszuweisungen, die wir verdreifacht haben, haben wir die Möglichkeit, die Kommunen zu unterstützen, die in ärgste Not geraten sind. Es muss möglich sein, dass über die 57,8 Millionen die ärgste Not beseitigt wird. Im Jahr 2003 gab es Anforderungen von rund 55 Millionen. Danach hat sich diese Summe ausgerichtet.

Die hohe Arbeitslosigkeit hat auch Folgen für die kommunalen Haushalte. Die Ausgaben für Jugendhilfe und Sozialhilfe steigen enorm an. Wir haben in der Zeit von 2001 bis 2002 eine Steigerung von 258 Millionen auf inzwischen 4 Milliarden bei Ausgaben in der Sozial- und Jugendhilfe. Dem gegenüber steht nur ein unbefriedigender Ausgleich. Im gleichen Zeitraum, in dem die Kosten für Jugendund Sozialhilfe um immerhin über 7 % zugenommen haben, sind die Einnahmen bei den kommunalen Steuern um 393 Millionen zurückgegangen. Das heißt, dass zum einen die Ausgaben enorm gestiegen sind, während die Einnahmen weggebrochen sind. Viele Kommunen leiden unter Maßnahmen der Bundesregierung im Krankenhauswesen leiden. Wenn sie heute anprangern, dass im Krankenhausbereich zu wenig Finanzierungsmittel zur Verfügung stehen, dann muss ich Ihnen entgegenhalten, dass in der Zwischenzeit dreiviertel aller Krankenhäuser bei uns in Bayern rote Zahlen schreiben, weil durch Maßnahmen wie Deckelung des Krankenhausbudgets oder Nullrunden die Belastungen der Krankenhäuser gestiegen sind, was den Kommunen zusätzliche Lasten beschert.

Es ist mit Sicherheit ganz interessant, über die Landesgrenzen zu schauen. Sie machen das auch sehr gerne und so habe auch ich mich umgesehen, wie die anderen Bundesländer ihre Kommunen ausstatten. Es ist ganz interessant zu sehen, dass Bayern im Vergleich sehr gut abschneidet. Nord

rhein-Westfahlen gibt pro Einwohner 374 Euro aus, während Bayern 384 Euro ausgibt. In RheinlandPfalz sind es nur 286 Euro. Auch im Vergleich mit den anderen Bundesländern ist es klar ersichtlich, dass Bayern für seine Kommune viel tut. Wenn wir nach Nordrhein-Westfahlen schauen, müssen wir feststellen: Trotz einer Einsparung von 2 Milliarden sind dort die Zinsausgaben zweieinhalb mal so hoch wie bei uns in Bayern – wenn man es auf die Bürger umrechnet, sind sie immerhin doppelt so hoch.

Sie sehen daraus, dass es nichts nützt, pauschal mit Vorschlägen zu kommen, die Kommunen zu bedienen und in Schulden auszuweichen. Es ist wichtig, die Probleme an der Wurzel zu packen. Wir müssen die Gesetzgebung im Bereich der Sozial- und Jugendhilfe angleichen. In diesem Punkt sind Sie gefragt, da Sie als Vertreter in Berlin ein gewichtiges Wort mitzureden haben, unsere Bemühungen zu unterstützen.

(Unruhe – Christa Steiger (SPD): Nicht einmal Ihre eigenen Kollegen hören Ihnen zu, Frau Görlitz!)

Bayern hat über den Bundesrat Gesetzesvorschläge gemacht, wie die Beteiligung erhöht und verbessert werden kann, mit dem Ziel, dass sich der Bund und die Länder an den Ausgaben beteiligen. Die Kommunen können auf Dauer diese Lasten im Sozialbereich nicht schultern. Der Bund drückt sich schlichtweg vor entsprechenden Regelungen. Ich möchte an Sie appellieren, in Zukunft genauer darauf zu schauen, wo die Kommunen zusätzlich belastet werden. Das, was uns im Moment von Berlin droht, ist beängstigend. Die Zusammenlegung der Arbeitslosenhilfe und der Sozialhilfe wird nicht die versprochenen Entlastungen bringen. Man hat sich offensichtlich wieder einmal verrechnet und es ist abzusehen, dass eine Umsetzung der Pläne zu Mehrbelastungen bei den bayerischen Kommunen führen wird.

Durch den Wegfall des Wohngeldes werden sich die Belastungen der Kommunen erheblich erhöhen. Das haben wir schon einmal bei der Grundsicherung erlebt: Auch hier hat der Bund großartig einen Ausgleich versprochen, aber der war mangelhaft. Die Kommunen haben hier zusätzlich draufgezahlt.

(Zuruf der Abgeordneten Christa Steiger (SPD))

Meine Damen und Herren, wenn Sie etwas für Bayern und für die bayerischen Kommunen tun wollen, dann unterstützen Sie diese Maßnahmen.

(Unruhe)

Sorgen Sie dafür, dass die längst angekündigte Reform der kommunalen Finanzen durchgeführt wird,

und zwar eine Reform, die diesen Namen verdient. Nur dann können wir für unsere Kommunen etwas tun.

(Beifall bei der CSU – Christa Steiger (SPD): Zugabe!)