Protocol of the Session on March 16, 2004

Das ist das Entscheidende. Wir haben einen Vertrag ausgehandelt und wir haben diesen Vertrag hinterher schriftlich festgelegt, wie es üblich ist. Die Spitzenverbände haben sich beim Kollegen Ach, bei Herrn Beckstein und mir ausdrücklich bedankt. Das ist die Realität.

(Unruhe und Zurufe)

Dabei haben wir etwas gemacht, was andere Länder überhaupt nicht angegangen sind. Die Kommunen haben im Rahmen der Vorziehung der Steuerreform Einbußen. Das Land hat von diesen Einbussen unserer bayerischen Kommunen 130 Millionen Euro mit der schmerzlichen Schlussfolgerung übernommen,

(Zuruf von der SPD: Ihr habt doch gar keine gehabt!)

dass wir damit die Nettoneuverschuldung des Freistaates Bayern erhöhen mussten. Wir mussten die Nettoneuverschuldung, auf die ich wirklich sehr scharf blicke, erhöhen, um den Kommunen 130 Millionen Euro ihrer Last abzunehmen.

(Dr. Heinz Kaiser (SPD): Das ist doch kein Ausfall!)

Herr Kollege Kaiser, nehmen Sie das doch endlich einmal zur Kenntnis. Sie können im Übrigen auch noch mal hier heraufkommen und das Wort nehmen, wenn Sie das so behaupten. – Wenn der Vorsitzende und der stellvertretende Vorsitzende des Haushaltsausschusses mit ihrem Zwiegespräch fertig sind, darf ich vielleicht fortfahren.

(Heiterkeit)

Wir haben also in diesen Verhandlungen schmerzliche Einschnitte vorgenommen und einvernehmlich wie das letzte Mal auch schon - beschlossen, die Investitionen auch auf kommunaler Ebene zu kürzen. Und warum? – Wir wollten auf diese Weise das damit gewonnene Geld – auf kommunaler Seite waren es 60 Millionen – gewissermaßen in die Schlüsselzuweisungen hinaufschaufeln, damit die Kommunen insgesamt ihre Verwaltungshaushalte

finanzieren können. Es sind dort Gehälter zu bezahlen, Licht, Heizung usw. Sonst hätten sie nämlich genau das nicht mehr tun können.

(Zurufe)

Auch dies ist einvernehmlich geschehen. Die reinen Landesleistungen haben wir lediglich um 0,3 % gekürzt im Vergleich zu dem, was wir in anderen Bereichen getan haben. Sie wissen das. Es ist also praktisch eine konstante Finanzierung.

Ich glaube, das sollte man sehen. Es gibt viele Klagen draußen bei den Kommunen. Ich kenne dieses sehr wohl. Mit Sicherheit werden wir das Gespräch mit den Kommunen nach diesem Nachtragshaushalt nicht beenden, indem wir sagen, das ist nun der Haushalt. Wir werden vielmehr in Vorbereitung des nächsten Doppelhaushaltes ernste Gespräche mit den Kommunen in einer ganzen Reihe von Fragen führen müssen. Seien es Wasser- oder Abwasserfragen, oder Fragen zu den Kontingentflüchtlingen. Wir wissen es. Aber im Rahmen des jetzigen Haushalts haben wir eine einvernehmliche Lösung mit den Spitzenverbänden gefunden, und ich bin zuversichtlich, dass wir auch im nächsten Doppelhaushalt wieder eine einvernehmliche Lösung finden werden.

Die Spitzenvertreter der Kommunen gehen mit uns, mit dem Ministerpräsidenten oder auch mit mir, in der Öffentlichkeit nicht immer freundlich um. Dafür habe ich Verständnis, und zwar deshalb, weil sie Druck von ihren Bürgermeistern, Oberbürgermeistern oder Gemeinderäten bekommen und weil sie objektiv Probleme haben, die man auch nicht wegwischen kann. Sie müssen sich natürlich als Führungskräfte der kommunalen Verbände auch Luft verschaffen, indem sie in den Angriff übergehen. Sie wissen aber hier in Bayern alle miteinander – auch das will ich unterstreichen –, dass die Ursachen für das finanzielle Debakel auch der Kommunen nicht in Bayern und bei dieser Staatsregierung zu finden sind, sondern bei der Bundesregierung.

(Beifall bei der CSU – Zurufe von der SPD: Das musste ja kommen!)

Meine Damen und Herren, ich habe einleitend gesagt, dass wir mit diesem Nachtragshaushalt ein wesentlich weiteren Schritt dahin machen, die Grundstruktur des soliden Haushalts des Freistaates Bayern, der beispielgebend für andere Länder dasteht, fortzuführen und zu erhalten. Wenn Sie sich das Beispiel Nordrhein-Westfalen ansehen – das will ich an den Schluss stellen -, dann werden Sie feststellen, dass in den fünfziger, sechziger und teilweise auch noch zu Beginn der siebziger Jahre Nordrhein-Westfalen die Herzkammer des Wirtschaftswunders in der Bundesrepublik Deutschland

war und aufgrund seiner Wirtschaftskraft ganz gesunde Finanzen hatte, und jetzt innerhalb von fünf bis sechs Jahren die finanzielle Solidität verspielt und verloren hat.

Wenn man gute Grundstrukturen hat, wie Nordrhein-Westfalen sie hatte, dann darf man sich darauf nicht ausruhen. Man darf sich nicht zurücklehnen und sagen: Uns geht es gut, wir sind wir. Genau so hat man es dort aber gemacht. Man hat Anfang der siebziger Jahre alle möglichen Ausgabenprogramme begonnen. Man hat gemeint: Wir können alles finanzieren. Wir müssen uns nicht anstrengen, um die nächste, die übernächste und die überübernächste Legislaturperiode zu bestehen. Das hat dazu geführt, dass dieses Land heute für Zinsen einen Anteil von 10 % in seinem Haushalt hat. Wir haben nur 3 %. Der Unterschied ist unser Gestaltungsvorsprung. Dieses Land ist heute im Hinblick auf seine Gestaltungsmöglichkeiten bewegungsunfähig. Genau das wollen wir für Bayern nicht haben. Wir wollen gestaltungsfähig bleiben, wir wollen bewegungsfähig bleiben. Lassen Sie mich, durchaus auch mit Blick auf die Mehrheit in diesem Landtag, sagen: Die CSU hat seit mehr als 40 Jahren die absolute Mehrheit in diesem Hause. Wir sind fest entschlossen, sie weitere 10 und noch mehr Jahre zu behalten. Deshalb sind wir auch fest entschlossen, die Grundlagen unserer Politik zu bewahren.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Wir wollen auch in 10 Jahren den Freistaat Bayern für seine Bürger noch gestalten können. Deshalb ist dieser Nachtragshaushalt so zwingen notwendig, auch wenn er uns in Einzelpunkten weiß Gott zwickt. Ich bedanke mich für die Beratung. Ich bedanke mich bei allen Beteiligten, dass Sie so intensiv mitgewirkt haben.

(Lebhafter Beifall bei der CSU)

Vielen Dank Herr Staatsminister. Ich erteile das Wort zur weiteren Aussprache Frau Kollegin SchmittBussinger. Bitte schön, Frau Kollegin..

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Auch Ihre verbalen Liebesbekundungen gegenüber den bayerischen Kommunen, sehr geehrter Herr Finanzminister, vermögen nicht darüber hinwegzutäuschen, wie Sie mit Städten, Gemeinden und Landkreisen in Wirklichkeit umgehen, nämlich rücksichtslos und von oben herab.

(Beifall bei der SPD)

Rücksichtslos und von oben herab ist Ihre Einstellung zur kommunalen Ebene, meine Damen und

Herren von der CSU. Deren Finanznöte kümmert Sie kein bisschen. Die Kommunen sollen vielmehr dem Sparwahn des bayerischen Ministerpräsidenten zum Opfer fallen. Ich frage Sie, Herr Finanzminister, was ist diese einvernehmliche Lösung mit den kommunalen Spitzenverbänden wert, wenn diese kommunalen Spitzenverbände sich jetzt mit Petitionen an den bayerischen Landtag wenden? – Das ist ein Armutszeugnis für Ihre Verhandlungsergebnisse, die Sie gar so rühmen.

(Beifall bei der SPD)

Bayern, so das erklärte Ziel des Ministerpräsidenten, soll ab 2006 keine neuen Schulden mehr machen, um den Preis, dass viele Kommunen – es werden von Tag zu Tag mehr – sich hoch verschulden müssen oder schon bankrott sind. Um den Preis, dass Kultureinrichtungen, Sportvereine, Jugendhäuser ihre Angebote verringern oder ganz schließen müssen. Um den Preis, dass kommunale Kindergärten, Mittagsbetreuung und kommunale Jugendarbeit bald nicht mehr möglich sind. Um den Preis, dass Schulbauten, Krankenhausbauten, Umgehungsstraßen nicht realisiert werden können.

Kolleginnen und Kollegen, Sie sparen genau dort, und zwar rücksichtslos, wo es sowieso nichts mehr zu holen gibt. Gleichzeitig hoffen Sie, dass es keiner merkt. Deshalb wenden Sie große Mühe auf - auch Sie, Herr Kollege Ach, haben das gerade wieder getan –, um Ihre kommunalfeindliche Verhaltensweise als Wohltat zu verkaufen. Sie rühmen sich zum Beispiel, dass die Schlüsselzuweisungen stabil geblieben sind. Sie sagen allerdings nicht, dass diese Mittel von den Kommunen selbst finanziert worden sind.

Mein Kollege Heinz Kaiser hat eingangs schon gesagt: Fast 80 Millionen Euro gibt es für den kommunalen Straßenbau weniger aus dem Kraftfahrzeugsteuerverbund. 138 Millionen Euro gibt es weniger für die Abwasserbeseitigungsanlagen, 161 Millionen Euro weniger für den Krankenhausbau. Über 45 Millionen Euro sind es weniger für den ÖPNV, usw., usw. Ganz zu schweigen von den Kürzungen bei den Sozialausgaben, für die Jugend und den Sport. Das ist die wahre Bilanz Ihrer Sparorgie, meine Damen und Herren von der CSU-Fraktion.

Es wird Ihnen nicht gelingen, diesen Kahlschlag als Wohltat zu verkaufen. Viele Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker, vor allem auch aus Ihren Reihen, richten derzeit Appelle an die Staatsregierung und an die Abgeordneten der verschiedenen Parteien. Dazu gehört auch Ihr Oberbürgermeister Josef Deimer, der Herrn Ministerpräsidenten Stoiber ein vernichtendes Zeugnis ausstellt, wenn er von der totalen Ignoranz des Ministerpräsidenten spricht. Diese aufgebrachten Kommunalpolitiker

wollen nur Eines erreichen: dass Sie die Kommunalfeindlichkeit Ihrer Haushaltspolitik erkennen und ändern.

Inzwischen glaubt Ihnen auch niemand mehr, dass alle Schuld und Verantwortung in Berlin abzuladen ist. Nur zu gut ist uns, den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern und auch den Bürgerinnen und Bürgern in Erinnerung, welch unrühmliche Rolle Sie im Vermittlungsausschuss gespielt haben. Sie haben die historische Chance die Gemeindefinanzreform zu einem Erfolg werden zu lassen, verspielt. Sie haben es zu verantworten,

(Unruhe bei der CSU)

dass es seit dem 01.01.2004 keine verlässlichen und keine ausreichenden Gewerbesteuereinnahmen für die Kommunen gibt.

(Beifall der Abgeordneten Karin Radermacher – Unruhe bei der CSU)

Ganz im Gegenteil. Sie erklären als Ihre nächste Wohltat für die Kommunen – Herr Kollege Eckstein, hören Sie zu – die völlige Abschaffung der Gewerbesteuer. Das sind weitere Finanzausfälle in Höhe von 23 Milliarden Euro. Was Sie vor haben, und was Sie permanent tun, ist eine Entschuldungspolitik auf Kosten der Kommunen.

(Beifall bei der SPD)

Die bayerischen Städte, Gemeinden und Landkreise haben die Zeche dafür zu bezahlen, dass Ministerpräsident Stoiber es sich in den Kopf gesetzt hat, ab 2006 keine Neuverschuldung mehr zu haben. Das ist eine vollkommen einseitige Entschuldung: Auf Landesebene werden Leistungen abgebaut und weiter auf die Kommunen herabgedrückt. Das ist, das will ich an Hand eines Beispiels aufzeigen, als ob ich mich von Ihnen täglich zum Mittagessen einladen lasse und Ihnen, dem Gastgeber, erzähle: Schau her, wie sparsam ich bin – und Sie dann kritisiere, dass Sie mit dem Geld nicht umgehen können.

(Herbert Ettengruber (CSU): Sollen wir das mal ausprobieren?)

Das können wir gerne einmal ausprobieren, Herr Kollege Ettengruber. Sie wissen es ganz genau, Kolleginnen und Kollegen der CSU: Seit dem Amtsantritt von Ministerpräsident Stoiber ist die Schere zwischen den Ausgaben auf Landesebene und den Ausgaben auf der kommunalen Ebene immer weiter auseinander gegangen. Die Verschuldung der kommunalen Seite stieg im gleichen Zeitraum dreimal so stark wie die Verschuldung des Freistaats. Diese Schere wird auch mit diesem Nachtragshaushalt

weiter auseinander gehen mit dem wirklich fragwürdigen Erfolg, dass Bayern als erstes Bundesland möglicherweise keine Neuverschuldung mehr hat und die Kommunen dafür, quasi im Gegenzug, Ihrer Handlungsfähigkeit beraubt sind.

(Franz Maget (SPD): Das ist eine Schweinerei!)

Das ist eine Schweinerei, da haben Sie völlig Recht, Herr Fraktionsvorsitzender. Die Staatsregierung will einen Betrag von 309 Millionen Euro, das sind 5,4 % des kommunalen Finanzausgleichs einsparen. Unser Haushaltssprecher, Herr Kollege Kaiser, hat es bereits gesagt: Das ist mehr als doppelt so viel wie die Einsparung im Doppelhaushalt. Das muss man sich einmal vorstellen: Das Einsparvolumen im Finanzhaushalt macht 2,6 % aus. Bei den Kommunen spart man mehr als doppelt so viel, nämlich 5,4 %. Nimmt man allein die beabsichtigten Kürzungen bei den Investitionsfördermaßnahmen in Höhe von 550 Millionen Euro oder 30,9 %, das sind das Zuschüsse für Krankenhausbau, Straßen, Abwasserentsorgung usw., dann wird das Ausmaß des finanziellen Kahlschlags in den Kommunen deutlich.

Aber nicht allein die Kommunen sind davon betroffen. Betroffen, ja, deutlich getroffen, davon werden mittelständische Unternehmen, die eben keine Schulgebäude hinstellen, die keine Straßen bauen, die keine Krankenhausbauten erweitern und die somit diese 550 Millionen Euro nicht verdienen können.

Die vorgesehenen Grausamkeiten zeigen deutlich, dass die Kommunen als Melkkühe der Staatsregierung herhalten müssen. Das grundgesetzlich garantierte Recht auf kommunale Selbstverwaltung und die darauf resultierende Verpflichtung des Freistaates, dafür ausreichende Finanzmittel zur Verfügung zu stellen, ist dabei vollkommen nebensächlich.

Meine Damen und Herren, ich will nicht missverstanden werden, und deshalb sage ich es noch einmal deutlich: Auch die SPD befürwortet eine Haushaltskonsolidierung. Sparen muss sein. Es kommt nur darauf an, wie intensiv und wo gespart wird und wie viel Zeit man sich dabei lässt.

(Beifall bei der SPD – Franz Maget (SPD): Das ist die Kunst!)

Ihre Schwerpunktsetzung und den vorgegebenen Zeitraum lehnen wir von der SPD-Fraktion eindeutig und kategorisch ab. Selbstverständlich ist, dass zu allererst die Schlüsselmasse in ihrer Höhe gehalten wird. Sie ist – und da sind wir uns einig – für den Ausgleich des Verwaltungshaushalts dringend notwendig. Allerdings reicht die von Ihnen zur Verfügung gestellte Summe auf keinen Fall aus. Hier wol

len wir – deshalb haben wir diesen Antrag gestellt – mehr tun. Wir wollen mindestens 100 Millionen Euro mehr zur Verfügung stellen. Bei der sehr niedrigen Verbundquote von 11,4 % und den daraus resultierenden niedrigen Schlüsselzuweisungen ist das eine wichtige Maßnahme.

Auch die Schwerpunktsetzung bei den Bedarfszuweisungen und beim Sozialhilfeausgleich für die Bezirke geht in die richtige Richtung. Sie müssen aber ehrlicherweise zugeben, Kolleginnen und Kollegen von der CSU, wäre diese Schwerpunktsetzung bei Schlüsselmasse, Bedarfszuweisungen und Sozialhilfeausgleich nicht erfolgt, hätten Sie niemals mit einer Einigung mit den kommunalen Spitzenverbänden rechnen können. Das war das Mindeste, was notwendig war. Die schon angesprochenen Petitionen der kommunalen Spitzenverbände und das verweigerte Gespräch des Bayerischen Ministerpräsidenten mit den kommunalen Spitzenverbänden in der vergangenen Woche beweisen deutlich, dass hier ein Nachholbedarf besteht, dem nachgekommen werden muss.