Wir werden aber dem SPD-Antrag zustimmen, weil er, wie Sie richtig gesagt haben, weitgehender ist als Ihr Antrag.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Weidenbusch, Sie haben recht: Wer die Pressemitteilungen liest, die gestern Nachmittag veröffentlicht worden sind, könnte leicht zu der Einschätzung kommen, dass das, was wir heute hier machen, überflüssig ist. Die SPD hat in der Berliner Regierungskoalition nach langem Ringen die Widerstände der Union überwunden. Es wurde vereinbart, das BAföG anzuheben. Zum Wintersemester sollten die Bedarfssätze um 10 % und die Freibeträge um 8 % erhöht werden. Der Regierungsentwurf von Schavan muss an dieser Stelle geändert werden.
Während Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, hier im Bayerischen Landtag Krokodilstränen weinen und vorgeben, mit Ihrem Dringlichkeitsantrag für die Anhebung der BAföG-Sätze zu kämpfen, war es – Kollegin Gote hat darauf hingewiesen – genau Ihre Bundestagsfraktion, die in Berlin heftig gezögert hat und nur mit Mühe überzeugt werden konnte.
Das ist keine einmalige Sache. Wir kennen dieses Spielchen der CSU nur allzu gut. Immer wieder scheint die CSU gleichzeitig für und gegen etwas zu sein. Näher am Menschen wird betroffen geweint, und ferner vom Menschen, auf dem Weg in die Regierungszentralen, verflüchtigt sich die Betroffenheit, ja nicht selten verkehrt sie sich in entgegengesetztes Handeln.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben nicht vergessen: Diejenigen, die landauf, landab nichts anderes zu tun hatten, als aufgrund der eigenen Finanzierungsdefizite im Hochschulbereich den Studierenden durch Studiengebühren das Geld aus der Tasche zu ziehen, wollten auch 2005 das BAföG in seiner Substanz angreifen. War es nicht die gegenwärtige Bundesministerin Schavan, die einmal beabsichtigte, das BAföG ganz abzuschaffen? Waren es nicht Sie, Herr Goppel, der flugs darauf ins gleiche Horn stieß und statt des BAföG mit seinem Zuschussanteil und der Darlehensbegrenzung nur noch ein Darlehen ohne jeden sozialen Ausgleich haben wollte? Wenn ich Sie richtig verstanden habe, haben Sie sogar weiterhin vorgeschlagen, Bildungszwecke steuerlich zu begünstigen, damit die Studierenden noch mehr davon abhängig sind, ob die Eltern bereit, willens und in der Lage sind, die jeweilige Ausbildung zu finanzieren.
Da war es doch gut für die Studierenden und ihre Familien, dass diese Union 2005 die SPD nicht aus der Regierungsverantwortung drängen konnte. Schavan, Goppel und vielen anderen Möchtegern-BAföG-Abschaffern wurden die Flausen ausgetrieben. Auch wenn heute noch einige Wünsche offen bleiben, auch wenn wir noch abwarten müssen, was im Bundestag endgültig entschieden wird, bleibt doch festzustellen: Es war beileibe nicht Ihr krokodilstränendurchfeuchteter Dringlichkeitsantrag, der die Unionisten in Berlin bekehren konnte; es war die SPD-Bundestagsfraktion – konkret waren es die
Berichterstatterin Renate Schmidt und der bildungs- und forschungspolitische Sprecher Jörg Tauss –, welche die Attacken der Union abwehren und den dringend erforderlichen BAföG-Ausbau sichern konnte.
Liebe Kollegin Gote, ich gebe zu, dass auch in den eigenen Reihen noch Überzeugungsarbeit geleistet werden musste. Auf jeden Fall kann ich von hier aus Renate Schmidt und Jörg Tauss nur herzlich dafür danken, dass diese Reform gelungen ist.
Auch wenn wir noch weit von Chancengleichheit in der Bildung entfernt sind, so ist doch das Signal richtig: Dank der höheren Freibeträge erhalten mehr Menschen einen Anspruch auf BAföG. Die Anpassung bringt sicher ein kleines Stück mehr Unabhängigkeit vom Geldbeutel der Eltern. Voraussichtlich werden mit der Verabschiedung der Gesetzesnovelle noch weitere Verbesserungen durchgesetzt. So soll ein Betreuungszuschlag für Studierende mit Kindern kommen. Auch hier hat die SPD eine Verbesserung des Regierungsentwurfs erreicht; denn der Zuschlag soll mit der Zahl der betreuten Kinder steigen. Verbesserungen in der Förderung von Migrantinnen und Migranten und in der Auslandsförderung wurden erreicht. Die Einschränkung der elternunabhängigen Förderung des zweiten Bildungswegs, etwa an Kollegs oder an Berufsoberschulen, konnte abgewendet werden. Uns liegen die endgültigen Formulierungen noch nicht vor. Sie sind natürlich daraufhin zu überprüfen, ob sie unseren Erwartungen auch genügen, doch ich kann festhalten, liebe Kolleginnen und Kollegen: Während die Union zwischen dem Münchner Hü und Hott und dem Berliner Brr hin- und herlaviert, hat die SPD in der Großen Koalition gekämpft und grundsätzliche Verbesserungen durchgesetzt.
Dennoch kann man Ihrem kleingläubigen CSU-Krokodilstränenantrag bedenkenlos zustimmen; die sozialdemokratische Regierungspolitik in Berlin ist ohnehin besser.
Wir können uns aber auf keinen Fall zufrieden zurücklehnen. Auch nach diesem Teilerfolg gibt es noch erhebliche Defizite. So stellte der Präsident des Deutschen Studentenwerks – Kollegin Gote hat darauf hingewiesen – gestern in einer Presseerklärung richtig fest, dass der Beirat für Ausbildungsförderung der Bundesregierung eine Anpassung in dieser Höhe bereits für das Jahr 2007 empfohlen hatte.
Wenn sie nun erst im Wintersemester 2008/2009 in Kraft tritt, ist die Preis- und Einkommensentwicklung von 2007 und 2008 wieder nicht berücksichtigt. Der Erhöhung müsste gleich wieder eine Erhöhung folgen. Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, haben wir in unserem Antrag im ersten Spiegelstrich gefordert, eine generelle Anpassung an die Lebenshaltungskosten sicherzustellen.
Wenn es wirklich erklärter politischer Wille ist, dass die Studierendenquote nachhaltig erhöht wird, und wenn der freie Zugang zur Bildung für alle unabhängig vom Geldbeutel der Eltern mehr als soziallyrisches Gefasel in Sonntagsreden sein soll, dann muss weiterhin der Empfängerkreis des BAföG so ausgeweitet werden, dass für eine größere Zahl von einkommensschwachen Studierenden eine Förderung möglich ist.
Die nun erfolgte Erhöhung der Bedarfssätze und der Freibeträge geht in die richtige Richtung, aber wir haben damit lediglich das Förderniveau von 2002 erreicht. Unsere bildungspolitische Realität erfordert viel weiter gehende Schritte. Fast vier Fünftel aller BAföG-Bezieher geben an, ohne die Förderung nicht studieren zu können. Nur ein Prozent kann seinen Lebensunterhalt ausschließlich mit dem BAföG bestreiten. Knapp 70 % sind neben dem Studium erwerbstätig, und weit über die Hälfte von ihnen hält dies zur Bestreitung des Lebensunterhalts für unbedingt notwendig. Die Leistungsverdichtung und die Studienbedingungen tragen erheblich dazu bei, dass unter diesen Voraussetzungen der Studienerfolg mehr und mehr gefährdet erscheint.
Auch für das Studium gilt: In kaum einem anderen Industrieland ist der Zusammenhang zwischen der sozialen Herkunft und dem Bildungsweg so ausgeprägt wie in Deutschland. Daher ist eine Erneuerung der Ausbildungsförderung grundsätzlich überfällig.
Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, haben wir uns in unserem Antrag nicht wie die CSU auf minimalistische Forderungen beschränkt, die selbst die Wirklichkeit einer Großen Koalition schon längst überholt hat. Wir haben wenigstens ansatzweise auch die Forderung nach einer grundsätzlichen Strukturreform des BAföG angesprochen, die exemplarisch den Weg zu einer grundeinkommensbasierten Bildungsfinanzierung in allen biografischen Phasen öffnet.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, gehen Sie doch einmal wirklich näher an die Menschen heran. Haben Sie den Mut zu wirklich sozial orientierten Reformen im Bildungswesen!
Ich weiß, lieber Herr Goppel: Schon der neutestamentarische Thomas war durch seine Kleingläubigkeit charakterisiert. Lassen Sie sich dabei helfen, diese Kleingläubigkeit zu überwinden. Vergessen wir das Schwadronieren von der BAföG-Umstellung auf Kredit oder gar von seiner völligen Abschaffung. Greifen wir doch auf die in großer politischer Breite geführte konsensfähige Reformdebatte der Neunzigerjahre zurück, die in Richtung des sogenannten Drei-Körbe-Modells ging, um einen Webfehler
des BAföG-Konzepts zu beseitigen, der in der Verkoppelung von Studienfinanzierung und Familienförderung besteht. Junge Erwachsene zwischen 20 und 30 Jahren werden nämlich sozialrechtlich als Kinder eingestuft; eine unabhängige und selbstständige Planung der eigenen Bildungs- und Erwerbsbiografie ist ihnen somit kaum möglich.
In den nordischen Ländern geht man den umgekehrten Weg. Einen ausbildungsbedingten Familienleistungsausgleich im deutschen Sinne gibt es dort nicht. Stattdessen haben alle Studierenden, die als selbstständige Erwachsene gelten, einen Rechtsanspruch auf ein staatliches Grundstipendium. Die dafür erforderlichen Beträge werden in der öffentlichen Debatte nicht als konsumtive Ausgaben bewertet, die für die Finanzierung des Lebensunterhalts aufgewendet werden, sondern als Investitionen, die sich in Form künftigen volkswirtschaftlichen Wachstums plus erhöhter Steuereinnahmen rechnen.
Die Art und Weise, wie Gedankenansätze in dieser Richtung, die sich in unserem Antrag ebenso finden wie in dem Antrag des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, lieber Herr Weidenbusch, im Hochschulausschuss von Ihrer Mehrheit abqualifiziert wurden, zeigt, dass Sie entweder das Problem der Ausbildung und der Studienförderung nicht völlig durchdacht haben oder dass Ihnen die Schavan-Goppel-Absichten von 2005 doch näher stehen als der Einsatz für eine Bildung, die für alle da ist und die als öffentliche Aufgabe grundsätzlich auch öffentlich zu finanzieren ist.
Ich befürchte, dass Letzteres der Fall ist, kaschiert durch ein unzureichendes CSU-Fleißarbeitsanträglein, das aber nicht mehr als ein schwarzes BAföG-Feigenblatt sein kann. Dennoch, liebe Kolleginnen und Kollegen, stimmen wir dem überflüssigen CSU-Antrag zu, um Ihren Fleiß zu belohnen; denn das schadet ja nicht.
Unserem eigenen Antrag und dem Antrag des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN stimmen wir hingegen aus voller Überzeugung zu.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal fände ich es angemessen, Herr Vogel und Frau Gote, wenn Sie sich mit den Studierenden freuten, dass es diese Erhöhung im nächsten Jahr gibt.
Aber es freut mich, wenn Sie jetzt sagen, das tun wir doch schon. Ich nehme das mit Freude zur Kenntnis, dass Sie sich jetzt auch freuen!
Genau! Und als freundlicher Mensch werden Sie sicher gleich zurücknehmen, dass Sie hier völlig falsch behauptet haben, was Ihre SPD gemacht habe. Ich möchte Ihnen aus einer Bundestagsdrucksache mit der Nummer 16/4162 vorlesen, ausdrücklich unterzeichnet von Frau Renate Schmidt, Herrn Jörg Tauss und Herrn Dr. Ernst Dieter Rossmann. Es heißt dort auf Seite 2:
Angesichts der nach wie vor angespannten Haushaltslage kann derzeit eine Anpassung der Freibeträge, Bedarfssätze, Vom-Hundert-Sätze und Höchstbeträge nicht erfolgen.
Wie Sie vor diesem Hintergrund sagen konnten, die Genannten wären die Helden, die das erkämpft haben, erschließt sich nur Ihrem Gehirn. Dazu kann man nicht „freundlich“ sagen, sondern nur „lesefaul“. Ich empfehle Ihnen, diese Drucksache zu lesen. Es ist niemals von Nachteil, wenn man nicht nur ans Mikrofon geht und redet, sondern auch weiß, wovon man redet.
Im Übrigen darf ich noch Folgendes hinzufügen. Die Bundesregierung ist von 1998 bis zum Jahre 2005 von der SPD und den GRÜNEN gestellt worden. Die letzte Erhöhung stammt aus dem Jahre 2002. Sie hatten also von 2002 bis 2005 alle Möglichkeiten, als Regierungsbeteiligte diese Erhöhungen durchzuführen.