Protocol of the Session on October 24, 2002

Weil immer nur über die Zahlen der Zunahme diskutiert wird – das sind 28,4 Hektar pro Tag –, will ich heute auch noch einmal auf die Ist-Situation hinweisen. Wir haben in Bayern bei der Siedlungs- und Verkehrsfläche einen Anteil von 10% an der Landesfläche; davon sind 4% tatsächlich versiegelt. Das heißt also, 96% sind Wälder, Wiesen, Äcker und die Flure unserer Landschaft. Ich sage dies, damit man nicht immer in den Duktus verfällt, Bayern wäre zubetoniert.

Aber wir haben die Aufgabe, dass wir, weil wir sehen, dass der Flächenverbrauch wächst, dem entgegenwirken, dass wir den Trend stoppen und eine Trendumkehr einleiten. Wir nehmen deshalb – wie auch in den anderen Fällen, wie beim Lawinenschutz, wie beim Hochwasserschutz – das Landesentwicklungsprogramm zur Hilfe und formulieren darin zum ersten Mal verbindlich ein neues Ziel, dass nämlich die Innenentwicklung, die Nachverdichtung, die Nutzung ausgewiesener Neubauflächen Vorrang vor Neuausweisungen haben müssen.

(Gartzke (SPD): Das ist ja goldig!)

Das heißt, der Gemeinderat muss künftig in seiner Beratung zunächst einmal sehen, was er an Baulücken in der Gemeinde hat, was in der Gemeinde innen noch verdichtet werden kann, wo vielleicht ein früheres Bahngelände, ein Munitionsgelände der Bundeswehr oder anderes genutzt werden kann, um daraus eine neue Entwicklung zu machen.

Auch bei Infrastrukturmaßnahmen – so sieht es die Zielformulierung vor – muss der Verbrauch von Landschaft und Fläche gering gehalten werden.

Wir haben dazu ein „Kommunales Flächenressourcenmanagement“ gestartet; vier Pilotgemeinden arbeiten daran und im nächsten Jahr werden wir bayernweit ein

Bündnis zum Flächensparen abschließen, um damit diese Trendwende einzuleiten und gemeinsam mit den Kommunen im Rahmen deren Planungshoheit eine Rückführung des Flächenverbrauchs zu erreichen.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte mit diesen aufgezeigten Schwerpunkten deutlich machen, dass wir auf konsequenten Vollzug des Ordnungsrechts auf der einen Seite und auf gemeinsame Zukunftsverantwortung in Partnerschaft mit Wirtschaft und Gesellschaft auf der anderen Seite setzen.

Ich bin davon überzeugt, wenn es so etwas im Umweltbereich gäbe, wie wir es jetzt bei der Bildung mit Pisa auf dem Tisch haben, dann bekäme die bayerische Entwicklungs- und Umweltpolitik im Ländervergleich die gleichen guten Noten, wie es bei der Schulpolitik der Fall ist.

(Beifall bei der CSU)

Denn trotz aller schwierigen Rahmenbedingungen, die ich einleitend aufgezeigt habe, ist auch dieser vorgelegte Haushaltsentwurf ein Beispiel dafür, dass Umweltschutz in Bayern als zeitlose Daueraufgabe verstanden wird und nicht als ein Luxusartikel, den man sich bei guter Konjunktur leistet und dann, wenn es schlechter geht, davon Abstand nimmt.

Wir können auch mit diesem Haushalt deutlich machen, was Bayern nunmehr seit über 30 Jahren mit dem ersten Umweltministerium der Welt praktiziert und in konsequenter Arbeit des Bayerischen Landtags mit vielen Inhalten ausgefüllt hat, dass wir im Umweltschutz eine Aufgabe sehen, Schöpfungsverantwortung wahrzunehmen, damit sich unser Handeln heute nicht auf dem Rücken unserer Kinder und Enkelkinder auswirkt.

Unsere Kinder, unsere Enkel haben Anspruch auf ebensoviel Lebensqualität wie wir heute. Wir wollen generationsübergreifend denken und handeln, damit es in Bayern so bleibt, wie es ist – liebens- und lebenswert. Das ist Nachhaltigkeit auf gut Bayrisch, das ist der Weg, wie er sich auch in diesem Einzelplan 14 des Entwurfs des Doppelhaushalts 2003/2004 niederschlägt.

Noch einmal mit einem Dank an alle, die daran mitgewirkt haben, bitte ich Sie um Zustimmung zu dem vorliegenden Entwurf. Vielen Dank.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Herr Staatsminister.

Im Ältestenrat wurde für die Aussprache eine Redezeit von 1½ Stunden festgelegt. Auf die CSU-Fraktion entfallen 42 Minuten, auf die SPD-Fraktion 30 Minuten, auf die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN 18 Minuten. Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner erhält Herr Kollege Gartzke das Wort.

Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Es geht heute um Umweltschutz und es geht

um die Weichenstellungen in Bayern auf der Umweltebene für die nächsten zwei Jahre.

Das kann man natürlich von verschiedenen Seiten sehen und wir haben ja gerade schöne Worte gehört. Nachhaltigkeit muss in jedem vierten Satz stehen. Das ist auch eines der Umweltkriterien in Bayern. Aber entscheidender sind doch wohl die Fakten.

Ein Faktum spricht für sich – Herr Hofmann, hören Sie zu; Sie wollen sicherlich gleich etwas sagen –: Der Umweltschutz schlägt sich im Haushalt mit 1,85% des Gesamthaushaltes nieder. 1,85% der gesamten Ausgaben im Freistaat Bayern leisten wir uns in den nächsten zwei Jahren für den Umweltschutz. Das war auch schon einmal anders.

Weil vorher erwähnt wurde, dass Bayern mit der Einrichtung eines Umweltministeriums vor 30 Jahren einmal das erste Land war, muss man in diesem Zusammenhang immer an die Bibel denken. Und was steht in der Bibel? – Die Ersten werden die Letzten sein.

Diese Gefahr besteht, wenn man sich diesen Umwelthaushalt ansieht, sich die Finanzausstattung ansieht und wenn man die Schwerpunkte sieht.

Natürlich gibt es viel Öffentlichkeitsarbeit und Spatenstiche und Studien und Gutachten und so weiter.

(Kaul (CSU): Sie fordern doch die Gutachten!)

Die Gutachten nicht! Ich weiß sowieso, was Sache ist. Ich brauche kein Gutachten. Da kennen Sie mich schlecht.

Wir müssen uns im Klaren sein, dass wir heute bei den Verpflichtungen im Umweltschutz eigentlich weiter sind. Die entscheidende Aufgabe ist der Klimaschutz. Das ist die Nagelprobe für die künftigen Generationen. Klimaschutz müssen wir heute beginnen und vielleicht sind wir schon zu spät dran.

(Beifall der Frau Abgeordneten Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Dabei ist dieser Haushalt leider wieder ein Rückschritt und kein Fortschritt, weil die Weichen nicht richtig gestellt sind.

Wir haben dazu Anträge gestellt. Im Einzelplan 07 sind die erneuerbaren Energien und die Energieeffizienz voranzubringen. 50 Millionen e müssten wir haben, um auch hier in Bayern einen Pusch zu geben. Wir hätten hier viel zu tun.

Das steht auch im Detail im Antrag; das ist die Förderung der Geothermie – die hat in Bayern besondere Vorteile –, das ist die Förderung des Einsatzes der Biomasse, das ist weiter ein kommunales Förderprogramm für die kommunalen Liegenschaften zur CO2-Minderung und das ist endlich einmal der Einstieg in die dezentrale Energieversorgung. Diese Chancen werden vertan.

(Beifall der Frau Abgeordneten Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Weil viel über Rot-Grün gesagt worden ist, darf ich darauf hinweisen, dass die Bundesregierung hier in den letzen vier Jahren erfolgreich gearbeitet hat, dass sie einen Schwerpunkt gesetzt hat und dass das nach den Koalitionsverhandlungen auch ein Schwerpunkt der Arbeit in den nächsten vier Jahren ist.

Ich bin für den Koalitionsvertrag mit einer klaren Aussage dankbar – trotz härtester weltwirtschaftlicher Entwicklungen,

(Kaul (CSU): Oh, die Weltwirtschaft!)

eines gigantischen Schuldenberges, den Kohl und Waigel hinterlassen haben und der uns noch in Generationen am Hals hängen wird.

(Zurufe von der CSU: Oh, oh!)

Das ist doch das Problem und das gehört auch zum Thema Nachhaltigkeit.

(Beifall der Frau Abgeordneten Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wir brauchen uns von den größten Schuldenbaronen aller Zeiten

(Kaul (CSU): Oh je!)

bezüglich Sparsamkeit und Steuerpolitik nichts, aber auch gar nichts sagen zu lassen.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wer 16 Jahre lang dieses Chaos verantwortet hat, produziert hat und auf Pump gelebt hat, braucht heute nicht von Sparen zu reden und kann auch nicht von Nachhaltigkeit reden.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Denn auch das Steuerproblem ist eine Nachhaltigkeitsproblematik. Ich bin dafür dankbar, dass beim Gesetz über Erneuerbare Energien die Energiepolitik weitergeführt werden kann, die zunächst – mit allen Erfolgen – zur Disposition gestanden hat. Wir haben heute einen Anteil der Windenergie von über 4%; vor fünf Jahren lag er bei 0,5%. Ende des Jahres betrug der Anteil der Erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung 9%, und das wird fortgeführt. Wir haben für die Altbauten ein CO2-Minderungsprogramm in Höhe von über 200 Millionen e aufgelegt. Auch dieses Programm wird weitergeführt. Stoiber hat bei der Hochwasserdebatte im Bundestag 100 Millionen e gefordert. Hat denn Stoiber überhaupt nichts mitbekommen? Ihm ist der Umweltschutz nicht einmal die Hälfte dessen Wert, was wir fordern. Wir handeln trotz dieser Lage konsequent.

Bayern hätte hier eine einmalige Chance, das mit zu unterstützen. Die Erfolge, die einerseits bei der Stromerzeugung bei den Erneuerbaren Energien und andererseits beim CO2-Rückgang vorhanden sind, sind genannt. Seit 1998 verzeichnen wir in Deutschland bei CO2 einen Rückgang von 3%. Aber, Herr Kaul, in Bayern sind seit 1990 die CO2-Emmissionen gestiegen, und das ist ein Alarmzeichen. Man kann darüber nicht nur reden und Landesentwicklungsprogramme beschreiben, sondern muss auch Geld in die Hand nehmen und ordnungspolitisch handeln.

(Zuruf des Abgeordneten Kaul (CSU))

Ich frage Sie, warum ich keine Antwort bekommen habe. Seit Februar gibt es eine Energiesparverordnung, ein absolut fortschrittliches Instrumentarium auf der hoheitlichen Seite, die Bayern vollziehen müsste – aber Fehlanzeige.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Thema „Hochwasserschutz“, eine gigantische Herausforderung, müssen wir neu überdenken. Keiner hat sich vorstellen können, dass wir in Deutschland Regenereignisse mit fast 400 Litern in 24 Stunden haben werden; so etwas hat es nie gegeben. Die Spitze in Bayern lag bei 140 Litern. Dies ist eine gigantische Herausforderung. Wir müssen alle unsere Berechnungen darauf abstellen, dass größere Ereignisse kommen werden. Da hilft es nicht – da sind wir wieder beim PRThema –, eine Riesenstudie in Auftrag zu geben, sämtliche Klimaforscher in Bayern zusammenzufassen und jahrelang darüber zu reden. Die Studie mit hervorragenden Daten ist 1999 erlassen worden und hat 17 Millionen Euro gekostet. Aber welche Konsequenzen wurden gezogen? Zum hoheitlichen Handeln beim Hochwasserschutz sind klare Worte gefallen. Dann bitte ich aber auch, hoheitlich zu handeln. Ich wünsche schon jetzt viel Spaß, wenn die Hochwasserschutzgebiete endlich festgesetzt werden. Dabei stehen wir mit Blick auf den hoheitlichen Hochwasserschutz in Bayern im Vergleich zu anderen Ländern, etwa Rheinland-Pfalz und BadenWürttemberg, an letzter Stelle.