Protocol of the Session on October 24, 2002

Habe ich irgendwo ein Faktum unrichtig dargestellt? – Sie sollten nicht in Beschimpfungen und Polemik verfallen, anstatt vernünftig und sachlich zu argumentieren.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Volkmann? – Herr Kollege, bitte schön.

Herr Staatsminister Dr. Beckstein, würden Sie mir darin zustimmen, dass die Einbrüche bei der Gewerbesteuer auf steuerliche Änderungen zurückzuführen sind, die bereits im Jahr 1996 vorgenommen worden sind, und dass sich die Kritik des Münchner Oberbürgermeisters lediglich darauf gerichtet hat, dass diese Änderungen später nicht revidiert worden sind, dass also die Ursache im Jahr 1996 zu suchen ist und nicht in der Zeit ab 1998?

(Zurufe von der CSU)

Herr Kollege Volkmann, diese Frage ist in hohem Maße strittig,

(Lachen bei der SPD)

zumal das Ausnutzen von Steuerschlupflöchern sowie die Verrechnung und Abschreibung von Organkrediten Maßnahmen sind, die erst in neuerer Zeit Wirkung gezeigt haben. Das macht auch eine aktuelle Diskussion um ein Steuerschlupfloch deutlich, das sich die Stadt München nutzbar zu machen sucht. Wenn ich das recht in Erinnerung habe, hat der Bundesfinanzminister nicht etwa irgendwelche steuerlichen Veränderungen verantwortlich gemacht, welche die rot-grüne Koalition seit 1998 jederzeit hätte zurücknehmen können, sondern er hat sich darauf bezogen, dass die Weltkonjunktur schwach sei und daraus Schwierigkeiten entstünden. Ich bestreite mit Nachdruck, dass die rot-grüne Bundesregierung, die 1998 in ihre Koalitionsvereinbarungen schreibt, dass sie die kommunalen Finanzen drastisch verändern wolle, in den vergangenen vier Jahren keine Möglichkeit zu Veränderungen gehabt hätte. Ich bestreite mit Nachdruck, dass es ein Naturgesetz gewesen wäre, 100 Milliarden UMTS-Erlöse einzunehmen mit der Folge, dass die Kommunen die Verluste haben und die Gewinne im Bundeshaushalt sind. Das war nicht fair.

(Zustimmung bei der CSU)

Die Kommunen befinden sich insgesamt in einer schwierigen finanziellen Situation. In Bayern befinden sie sich

aber in einer besseren Situation als in jedem anderen Bundesland. Ich werde das morgen vor dem Gemeindetag auch so darstellen. Ich bin davon überzeugt, dass es im Gemeindetag keinen Bürgermeister geben wird, der das im Einzelnen bestreitet.

(Zuruf des Abgeordneten Mehrlich (SPD))

Die kommunalen Spitzenverbände, auch der Gemeindetag, auch der Städtetag – Herr Deimer ist uns gegenüber keineswegs immer unkritisch – haben anerkannt, dass der Freistaat seine Kommunen besser behandelt als andere Länder, und sich ausdrücklich dafür bedankt. Dennoch müssen wir einräumen, dass die finanzielle Situation der Kommunen außerordentlich schwierig ist. Wir bemühen uns aber darum, ihnen zu helfen. Das kann man aber nicht mit oberflächlichen Schlagworten machen, erst recht nicht mit Verleumdungen.

(Beifall bei der CSU)

Das Wort hat Herr Kollege Strasser.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Herr Dr. Beckstein, wir haben Verständnis dafür, dass es sie ärgert, dass die Union am 22. September die Bundestagswahl verloren hat, dass sie lieber als Bundesinnenminister herumgereist wären, als sich jetzt mit den kommunalen Finanzen in Bayern herumschlagen zu müssen.

(Lachen bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Loscher-Früh- wald (CSU): Was soll diese Polemik?)

Dass Sie vielleicht beleidigt sind, das mag durchaus sein. Dafür haben wir auch Verständnis. Sie fassen uns auch nicht mit Samthandschuhen an, dann müssen Sie es sich gefallen lassen, wenn man auch Sie nicht mit Samthandschuhen anfasst. Deswegen dürfen Sie nicht beleidigt sein.

(Gabsteiger (CSU): Nicht ständig lügen!)

Augenblick, ich gebrauche jetzt nicht das Wort der Lüge. Ich komme auf die Fakten zurück. Ich meine, wir sollten uns daran orientieren.

Es wird so viel über die kommunalen Finanzen gesprochen. Herr Minister, Sie müssen einmal in die Unterlagen hineinschauen. Die Einnahmen der Kommunen sind vom Jahr 1998 bis zum 31. Dezember 2001 – das ist Fakt – um etwa 800 Millionen Euro gestiegen. Wer heute etwas anderes behauptet, der sagt die Unwahrheit. Die Einnahmen sind gestiegen; schauen Sie nach, lassen Sie sich von Ihren Mitarbeitern beraten. 800 Millionen Euro oder um 6,8% haben die Einnahmen zugenommen.

Ich gestehe ein Problem ein. Die Einnahmen der kreisfreien Städte haben um 400 Millionen Euro abgenommen, die Einnahmen der kreisangehörigen Gemeinden

sind aber um 1,2 Milliarden Euro gestiegen. So kommen wir auf 800 Millionen Euro.

Herr Minister, Sie kommen aus Nürnberg. Bei den kreisfreien Städten wie Würzburg oder Regensburg – man muss nicht immer München nennen, hat der Freistaat Bayern genügend zu tun. Übernehmen Sie die kommunalen Schulen der Städte Würzburg, Regensburg und Nürnberg. Dann sieht das Defizit dieser Städte ganz anders aus. Das ist die Hausaufgabe der Staatsregierung, nicht der Bundesregierung. Das müssen Sie tun. Hierzu sind Sie aber nicht bereit.

(Beifall bei der SPD)

Ein Zweites: Ich schätze Kollegen Franz Meyer. Könnten wir nicht einmal eine Koalition bilden und den Herrn Staatsminister überzeugen? Im Bereich der kommunalen Finanzen haben wir im Freistaat riesige Probleme. Das können Sie nicht leugnen. In Niederbayern gibt es fleißige Leute und gute Kommunalpolitiker.

(Willi Müller (CSU): Nicht nur in Niederbayern!)

Die Steuerkraft der niederbayerischen Kommunen beträgt nur 56% der Steuerkraft Oberbayerns. Angesichts dessen haben wir in Bayern große Probleme, –

(Hofmann (CSU): Das ist nicht wahr!)

weil sich die oberbayerischen Kommunen wesentlich mehr leisten können als die niederbayerischen.

(Hofmann (CSU): Das hat damit gar nichts zu tun!)

Selbstverständlich hat das etwas damit zu tun. Sie haben keine Ahnung. Zum Beispiel werden die Anträge für neue Feuerwehrfahrzeuge der oberbayerischen Kommunen – 330 an der Zahl – alle genehmigt, die Anträge der niederbayerischen Kommunen aber nicht, weil die Steuerkraft der Kommunen in Oberbayern stärker ist.

Mein Kollege Heinz Mehrlich hat Recht: Sie haben nicht rechtzeitig einen bayerischen Finanzausgleich eingeleitet. Das ist Ihre Aufgabe, nicht die Aufgabe der Bundesregierung.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abgeordneten Willi Müller (CSU))

Noch eine dritte Bemerkung: Wir haben ein bestimmtes Volumen im Haushalt. Ob jetzt 25 Millionen Euro oder 25,1 Millionen Euro, das spielt keine Rolle. Wie Sie mit dem Geld umgehen, das ist unser Problem. Laut dem Gemeindetag müssen die Kommunen auf 4,2 Milliarden Euro warten. Das ist das Problem der Bayerischen Staatsregierung. Die Probleme der Kommunen werden nicht gelöst, wenn diese immer länger auf Zuschüsse warten müssen. Dafür ist nicht der Bund zuständig, sondern der Freistaat Bayern. Mit dem Geld, das uns zur Verfügung gestellt wird, wird nicht richtig umgegangen.

Gestern waren wir beim Bayerischen Landessportverband. Dort haben wir gehört, dass die bayerischen

Sportvereine jetzt einen Bescheid erhalten – im Jahr 2002 –, dass sie ihr Geld im Jahr 2008 bekommen. Als zuständiger Minister für den Sport müssten Sie als Erster mit erhobener Fahne vorangehen und sagen: Wir müssen im Freistaat Bayern endlich einen bayerischen Finanzausgleich auf den Weg bringen und den Kommunen das Geld geben, das ihnen zusteht.

(Beifall bei der SPD)

Staatsminister Dr. Beckstein legt Wert auf die Feststellung, dass er nicht der zuständige Minister für den Sport sei.

Das Erstaunliche ist eingetreten, wir haben keine weitere Wortmeldung. – Doch, der Herr Kollege Meyer. Er hat mir vorhin ausdrücklich versichert, er würde nicht mehr reden.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen!

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Einige Anmerkungen müssen dazu gemacht werden. Ich habe es vorhin bereits angesprochen.

(Frau Radermacher (SPD): Dann braucht man nichts mehr zu sagen!)

Der Grund für die Finanzsituation unserer Kommunen liegt in der verfehlten Wirtschafts- und Steuerpolitik der rot-grünen Bundesregierung.

(Beifall bei der CSU)

Ich möchte ausdrücklich festhalten, dass Bayern das kommunalfreundlichste Bundesland in Deutschland ist. Ich bitte Sie, das zur Kenntnis zu nehmen. Dafür sprechen die Fakten im Staatshaushalt. Wir werden in den kommenden Wochen über den kommunalen Finanzausgleich beraten; dann können Sie die Zahlen genau in Augenschein nehmen.

Ich frage Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen, ist es richtig, dass gerade in der Umsetzung der Grundsicherung der Rente unsere bayerischen Landkreise mit 300 Millionen Euro belastet werden und vom Bund nur einen Ausgleich von 35 Millionen Euro bekommen? Dafür ist die Bundesregierung verantwortlich und die sie tragenden Parteien, die in der Verantwortung stehen.

(Beifall bei der CSU)

Ich habe vorhin deutlich gemacht, dass der Antrag Bayerns im Bundesrat auf Absenkung der Gewerbesteuerumlage nach langem Bemühen eine Mehrheit bekommen hat – endlich. Ich erwarte, dass SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Bundestag diesem Antrag und dieser Initiative zustimmen. Nicht nur davon reden, sondern auch handeln. Ich fordere Sie auf, auf Ihre Genossen in Berlin Einfluss zu nehmen, damit im Interesse der Kommunen ein Ausgleich geschaffen wird.

(Beifall bei der CSU)

Deutlich wurde auch die Diskussion der Regierungsprogrammkommission angesprochen. 1998 stand im Regierungsprogramm der Bundesregierung, die kommunalen Finanzen sollen gestärkt werden. Nichts wurde getan. Die Gemeindefinanzreform wurde nicht in Angriff genommen. Erst im Mai dieses Jahres tagte erstmals die Kommission. Dafür tragen Sie die Verantwortung.