Protocol of the Session on July 16, 2002

Herr Kollege Pschierer, die AfA-Tabellen sind in der Regierungszeit von Kohl geändert worden. Rot-Grün hat die Zeiten bei den Computern wieder reduziert.

(Zuruf des Abgeordneten Pschierer (CSU))

Herr Kollege Pschierer, Sie verwechseln oft den Grenzsteuersatz mit der Durchschnittssteuer. Erst habe ich gedacht, das sei böser Wille. Nachdem Sie uns aber soeben Ihre phänomenale Prozentrechnung vorgeführt haben, glaube ich wirklich, dass Sie es nicht besser wissen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Lassen Sie mich zu den Zahlenvergleichen kommen. Das halte ich im Grunde genommen für Beckmesserei.

Herr Kollege, Sie dürfen nur fünf Minuten reden. Es heißt ganz klar in unserer Regelung, dass ein Redner einer Fraktion länger als fünf Minuten sprechen kann, nämlich zehn. Dann sprechen alle im Fünf-Minuten-Rhythmus. Sie sprechen schon fünf Minuten und kommen jetzt bitte zum Schluss.

(Zuruf des Abgeordneten Hofmann (CSU))

Man muss klar feststellen, dass wir die höchsten Arbeitslosenzahlen unter Ihrer alten Bundesregierung hatten. Seit Stoiber ist es in Bayern bergab gegangen, trotz der 8 Milliarden DM an Privatisierungserlösen und trotz des Beschäftigungspaktes. Die Schere zu den anderen Bundesländern klafft nicht mehr so weit auseinander. Das bedeutet, dass Sie von der CSU die Letzten sind, die über Themen wie Wirtschaft und Arbeitsmarkt reden dürfen.

(Zuruf des Abgeordneten Ach (CSU))

Sie werden uns aber weiterhin die Chance bieten, uns mit Ihnen auseinander zu setzen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Die verbleibende Redezeit hat nichts mit der Länge der Beiträge in der Aktuellen Stunde zu tun. Der nächste Redner ist Herr Kollege Schläger.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Frau Staatsministerin Stewens und Herr Staatsminister Dr. Wiesheu haben heute in ihren Beiträgen ausgeführt, wie gut es mit der Zuwanderung in Bayern bestellt ist. Ihre Reden standen unter dem Motto: Zuwanderung ist gut. Es ist dabei aber nicht deutlich geworden, dass es in Bayern Gebiete gibt, aus denen eine permanente Abwanderung zu verzeichnen ist. Es handelt sich um Nordostbayern, wo die Arbeitslosigkeit insbesondere im Winter auf gefährliche 12% steigt und wo wir uns der Arbeitslosenquote des benachbarten Sachsen annähern. In den Landkreisen Hof, Wunsiedel und Tirschenreuth sind in 15 Jahren 15000 Menschen abgewandert. Nach der Wende ist es etwas besser geworden, aber seit Jahren wandern pro Landkreis etwa 1000 Menschen ab.

Stellen Sie sich einmal vor, was das wirtschaftlich bedeutet. Was hat die Staatsregierung dagegen unternommen? – Viele Menschen, die heute durch Städte gehen, in denen reihenweise Geschäfte in Einkaufszeilen leer stehen, die Orte sehen, in denen Fabriken stillgelegt und in Gebäuden Fenster eingeschlagen sind, glauben, sie seien schon in der ehemaligen DDR, wenn sie unsere Region besuchen. In Teilbereichen ist die

Lage dramatisch, und dafür ist die Bayerische Staatsregierung verantwortlich, die nur den tollen Speckgürtel um München sieht und andere Gebiete in Bayern vernachlässigt.

(Beifall bei der SPD)

Seit Jahrzehnten fordern verantwortliche Menschen aus allen Bereichen, dass gegengesteuert wird. Wir haben jahrelang gefordert, dass aus dieser Region ein Höchstfördergebiet werden muss, das 28% Förderung erhält. Die Regierung von Oberfranken teilt jedoch auf die Frage, was im Durchschnitt gegeben worden sei, mit, es seien nur 11% gewesen. Wenn der Durchschnitt bei nur 11% liegt, dann bedeutet das, dass manche Betriebe überhaupt keine Förderung erhalten haben.

Die Förderpraxis in den letzten Jahren war mit dafür verantwortlich, dass insbesondere in der Porzellanindustrie keine Arbeitsplätze geschaffen worden sind. Apropos Porzellanindustrie: Herr Staatsminister Dr. Wiesheu, Sie wollten damals unbedingt die bayerische Lösung, als es um die Sanierung von Hutschenreuther ging. Wir wissen, dass die bayerische Lösung in die Hose gegangen ist. So etwas erwähnen Sie nicht, weil das schief gelaufen ist.

Was macht diese Staatsregierung? – Sie initiiert ein Programm, mit dem noch die letzten jungen Leute aus der Region abgeworben werden. Die Lehrlinge werden aufgefordert, nach München zu gehen, und mit Zuschüssen dorthin gelockt.

Daher sage ich noch einmal, dass die Abwanderung durch das Lehrlingsprogramm leider gefördert worden ist. Soviel ich weiß, ist dieses Programm in der Zwischenzeit nicht mehr neu aufgelegt worden. Aber zunächst ist Ihnen jedenfalls nichts Besseres eingefallen.

Dass der bayerische Ministerpräsident bei der Industrieansiedlung nicht viel zu sagen hat, hat BMW bewiesen. BMW ist nach Leipzig gegangen. Jetzt richtet sich die ganze Hoffnung darauf, dass wenigstens der Autozuliefererpark in die Region Hof/Wunsiedel kommt. Dazu muss ich sagen: Vor Ort haben alle betroffenen Kommunen ihre Hausaufgaben gemacht. Jetzt liegt es eben doch an der Staatsregierung, den Erfordernissen der Landesentwicklung gerecht zu werden, indem sie endlich einmal eine gute Regionalpolitik macht, damit in dieser Region angesiedelt wird. Es wäre ganz gut, wenn in dieser Hinsicht in den nächsten Wochen und Monaten endlich einmal Nägel mit Köpfen gemacht würden.

Das ist für den Ministerpräsidenten die letzte Chance, zu beweisen, dass er auch in kritischen Situationen mit der Wirtschaft zurechtkommt und eine Arbeitsmarktpolitik betreibt, die sich sehen lassen kann. Bis jetzt ist es ja so: Er ist ein Schönwetterpolitiker, ein Ministerpräsident für schönes Wetter. Dort, wo die Wirtschaft boomt, gehört nicht viel dazu, sich mit seinen Leistungen zu brüsten. Aber dort, wo es kritisch ist, müsste er etwas beweisen.

(Zurufe von der CSU: Die Zeit ist abgelaufen!)

Jawohl, ich höre gleich auf. Aber ich möchte diesen Gedanken noch zu Ende sprechen. Der Ministerpräsident sollte jetzt endlich beweisen, dass er auch in kritischen Situationen den Aufgaben gerecht wird. Wer in Bayern die kritischen Aufgaben nicht in den Griff bekommt, bekommt garantiert Ostdeutschland erst recht nicht in den Griff.

(Beifall bei der SPD)

Die nächste Wortmeldung kommt vom Kollegen Dinglreiter.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie hätten gut daran getan, auf Ihre Reden heute zu verzichten und dem Antrag der CSU zuzustimmen. Dies wäre für die Sache, um die es geht, das Beste gewesen.

Herr Kollege Dr. Runge hat gefragt, warum man hier so lange über dieses Thema diskutieren muss. Ich will es Ihnen sagen: Ich habe mich deswegen gemeldet, weil ich heute gelesen habe, was der Bundeswirtschaftsminister bei der Vorlage seines Wirtschaftsberichts zum Besten gegeben hat. Man muss aufschreien, wenn man das liest, was dort gesagt worden ist. Da wurde eine kraftlose Abschiedsbilanz gegeben. Man könnte sie überschreiben mit „Schönreden und Ausweichen“.

Der Bundeswirtschaftsminister hat in der Situation, in der wir uns befinden, in seiner Präambel wörtlich geschrieben: Zur Mitte des Jahres zeichnet sich ein deutliches Wirtschaftswachstum ab, und für das nächste Jahr ist mit einem Wirtschaftswachstum von 3% zu rechnen. Das schreibt dieser Mensch jetzt in einer Präambel. Da muss man doch fragen: Wo lebt denn dieser Bundeswirtschaftsminister? Doch nicht in Deutschland! Sonst würde er anders schreiben.

Tatsache ist, dass wir im Juni erstmals seit 1993 die höchste Arbeitslosigkeit hatten. Tatsache ist, dass die Einzelhandelsumsätze um über 4% zurückgegangen sind. Tatsache ist, dass die Zahl der Arbeitnehmer im verarbeitenden Gewerbe um fast 8% zurückgegangen ist. Tatsache ist, dass auch das, was die Regierung bisher gerettet hat, der Export, rückläufig ist. Die Ausfuhren haben sich im Juni gegenüber Mai um 7,8% reduziert. Und da sagt dieser Mensch, alles sei in bester Ordnung.

Meine Damen und Herren, von Ihnen wird heute wieder kritisiert, dass wir die Staatsquote senken wollen. Der Herr Wirtschaftsminister hat heute gesagt, die Staatsquote zu senken und staatlichen Einfluss zurückzuführen, bedeute nicht, den Sozialstaat zu schwächen, dies sei viel sozialer, als vom Staat abhängig zu bleiben. Das sagt euer Wirtschaftsminister. Aber Herr Schröder sagt: Senkung der Staatsquote ist Zerschlagung des Sozialstaats. Ja, was gilt bei euch in Berlin denn? Es ist zu fragen: Welche Politik wollt ihr denn machen?

Man muss etwas dagegensetzen. Es darf nicht mehr so weitergehen. Es muss ein Katalog konkreter Maßnahmen vorgelegt und etwas getan werden. Meine Damen

und Herren von der Opposition, wir haben im Wirtschaftsausschuss dazu einen umfangreichen Antrag der CSU beschlossen. Das war vor längerer Zeit. Darin haben wir ganz konkrete Maßnahmen aufgelistet. In unserem heutigen Papier ist das wiederum der Fall.

Aber statt konkret Maßnahmen zu benennen, wie die Hürden des Arbeitsmarkts beseitigt werden können, flüchtet sich der Minister in lange Kapitel, in denen er unter anderem die Frage aufwirft, worum es bei der Globalisierung gehe. Das ist in der Wirtschaftspolitik ein riesiges Kapitel. Globalisierung und Entwicklungsländer sind zwar wichtige Themen, aber nicht solche, die jetzt, zur Mitte des Jahres 2002, im Wirtschaftsbericht abzuhandeln wären. Da stimmt also etwas nicht. Da muss man etwas dagegenhalten. Man muss die kritische Lage zum Thema machen, damit die Menschen begreifen, dass diese Regierung saft- und kraftlos ist.

Unsere Aktivität soll deutlich machen, dass wir Reformen brauchen, dass wir die Wachstumskräfte stärken müssen. Dafür brauchen wir eine zukunftsweisende Politik für den Mittelstand; denn dieser schafft Arbeitsplätze. Neue Arbeitsplätze zu schaffen, heißt in diesem Zusammenhang auch, den Arbeitsmarkt flexibler zu gestalten. Sie aber haben ihn immer mehr zubetoniert.

Ich muss noch etwas sagen, was schon häufig gesagt worden ist: Sozial ist, was Arbeit schafft. Sozial ist nicht, wenn Sie Schutzzäune schaffen, die Arbeit verhindern. Sozial sind Sie, wenn Sie das Entstehen von Arbeitsplätzen ermöglichen. Dazu brauchen wir mehr Flexibilisierung auf dem Arbeitsmarkt, eine Verringerung der Steuer- und Abgabenquote und Reformen zur Verbesserung der wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen. Das ist in unserem Antrag enthalten. Deshalb bitte ich um Zustimmung.

(Beifall bei der CSU)

Die nächste Wortmeldung kommt vom Herrn Kollegen Strasser.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist unwahrscheinlich interessant, hier einem Minister und den Mitgliedern der CSU-Fraktion zuzuhören.

(Beifall bei der CSU)

Nur, liebe Kolleginnen und Kollegen, merken Sie sich eines: Was eine Regierung 16 Jahre lang hier gemacht hat, kann eine andere Regierung nicht in vier Jahren wieder gutmachen.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist unwahrscheinlich interessant, wie Sie hier versuchen, das bayerische Volk und die Politiker zu belehren. Wer einen LWS-Skandal im Koffer hat, wer für diese 500 Millionen verantwortlich ist, sollte nicht hierher kommen und gescheit daherreden wie ein Oberlehrer.

(Ach (CSU): West LB!)

Wenn ich mich unparlamentarisch äußern wollte, würde ich sagen: Die Ausführungen von Herrn Minister Wiesheu waren schon ein bisschen lümmelhaft. Herr Minister, Sie sollten hier einmal einen anderen Sprachgebrauch wählen. Das wäre höchste Zeit.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Minister versucht jetzt, der Bundesregierung Vorschläge zu machen, was sie tun sollte. Diese Vorschläge hätte er besser machen sollen, als es um die Sanierung der Maxhütte ging. Da hat die Bayerische Staatsregierung versagt.

Ich sage noch etwas zu den Skandalen.

(Zurufe von der CSU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, da Sie die Bundesregierung schon so oberlehrerhaft dauernd angreifen, müssen Sie sich auch einmal gefallen lassen, dass man Ihnen dazu einiges sagt. Wer hat denn die großen Geschichten um den Deutschen Orden eingeleitet? – Wer war für den Dorfhelferinnen-Skandal verantwortlich, wer für die Kirch-Kredite? – Das waren nicht wir, auch nicht die Bundesregierung. Hier ging es um ein Versagen der Bayerischen Staatsregierung und der CSUFraktion, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)