Protocol of the Session on July 16, 2002

Bei der Staatsverschuldung haben Sie in Brüssel darum gebettelt, dass der blaue Brief nicht kommt. Die Gesundheitsreform ist ebenfalls eine Fehlanzeige.

Sie erwecken immer den Eindruck, dass die Zahlen, die hier verkündet werden, Zahlen der CSU-Landesleitung sind. Nein, es sind Zahlen der OECD, der Weltbank, des internationalen Währungsfonds und des Sachverständigenrates. Bei der Arbeitslosigkeit, beim Wachstum, bei Umsatzentwicklungen, bei Betriebszahlen oder bei Investitionen sind die SPD-regierten Länder Schlusslicht.

Frau Kollegin Stahl, Sie empfehlen uns das „C“ aus dem Namen der CSU zu streichen.

(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das waren nicht wir, sondern der Kardinal!)

Ich kann Ihnen und der SPD nur empfehlen, auf die Begriffe sozial und gerecht zu verzichten. Es ist sozial zutiefst ungerecht, dass die Hartz-Kommission vorschlägt, das Arbeitslosengeld und die Arbeitslosenhilfe zu kürzen.

(Lachen bei der SPD – Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Oh mei, oh mei, das sagt der Richtige!)

Mit Ihrer Steuerpolitik haben Sie den Mittelstand eklatant benachteiligt.

(Werner (SPD): Das glaubt Ihnen doch niemand!)

Sie haben bei den Veräußerungsgewinnen aus Beteiligungsverkäufen den Mittelstand benachteiligt. Die Korrekturen im Vermittlungsausschuss waren nur ein Verdienst der Herren Stoiber, Faltlhauser und Huber. Das war doch nicht Ihr Verdienst. Sie haben die Abschreibungsbedingungen für den Mittelstand verschlechtert. Wenn Sie weiter regieren, haben wir künftig in unseren mittelständischen Betrieben die ältesten Computer, Werkzeuge und Maschinen.

Ich erinnere mich noch gut daran, dass Sie als großes Markenzeichen und Werbeträger für Ihre Steuerreform damals den Vorstandsvorsitzenden der Porsche AG gewählt haben. Sie haben eine Steuerpolitik für die Großkonzerne gemacht. Um nachher den Mittelstand noch zu bestrafen, haben Sie mit dem Betriebsverfassungsgesetz, mit den Teilzeitregelungen und mit dem Scheinselbstständigkeitsgesetz den Mittelstand eklatant benachteiligt.

Herr Staatsminister Wiesheu hat es zuvor schon angesprochen. Dem Scheinselbstständigkeitsgesetz zufolge, welches Sie verabschiedet haben, war es unmöglich, dass jemand aus der bestehenden Firma heraus sich selbstständig macht und für den früheren Arbeitgeber Aufträge ausführt. Jetzt kommen Sie mit der „Ich AG“. Dabei haben Sie aber noch nicht einmal die Frage beantwortet, wer dann die Sozialversicherungsbeiträge bezahlen soll.

Der härteste Vorwurf, den ich heute gehört habe, war aber folgender: Es wäre wichtig gewesen, die Privatisierungserlöse des Freistaates Bayern zum Abbau der Arbeitslosigkeit einzusetzen. Wir brauchen die Privatisierungserlöse für die High-Tech-Offensive und nicht für den Abbau der Arbeitslosigkeit. Ich hätte mir hier eher erwartet, dass Sie von den Erlösen aus der Veräußerung der UMTS-Lizenzen den Ländern und Kommunen Geld zurückgeben. Wir haben die High-Tech-Offensive gestartet, um den Freistaat Bayern zukunftsfähig und wettbewerbsfähig zu machen.

Ein allerletzter Punkt, meine Damen und Herren von der Opposition: Die größte Luft- und Lachnummer ist für mich die Hartz-Kommission. In den neuen Bundesländern haben Sie sage und schreibe 1,4 Millionen Arbeitslose und 76000 freie Stellen. Was wollen Sie dort mit mehr Vermittlungsaktivitäten? Sie können die 1,4 Millionen Arbeitslosen in den neuen Bundesländer doch nicht in virtuelle oder fiktive Firmen vermitteln. Dazu brauchen Sie viel mehr Existenzgründer, und dazu müssen Sie eine andere Steuerpolitik betreiben, nach der sich Existenzgründungen wieder lohnen. Sie müssen dazu eine Arbeitsmarktpolitik betreiben, die flexibel ist und es den Mittelständlern erlaubt, flexibel auf die Erfordernisse des Arbeitsmarktes zu reagieren. Dazu müssen Sie eine Sozialpolitik betreiben, welche die Sozialversicherungsbeiträge nicht ständig in die Höhe treibt, sondern sie senkt.

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist jetzt schon lange überzogen.

Abschließend, meine sehr verehrten Damen und Herren –

Entschuldigung, das geht jetzt wirklich nicht.

Nach dem 22. September werden wir die Gelegenheit haben, das alles umzusetzen.

(Beifall bei der CSU)

Als nächster Redner hat Herr Kollege Dr. Runge das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon spannend, dass wir auf Antrag der CSU-Fraktion eine Diskussion in der Aktuellen Stunde zu einem Papier des Kanzlerkandidaten und seines Seniorpartners Lothar Späth

führen. In der Wirtschaft nennt man solche Herren Aktivsenioren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich halte das für ungewöhnlich.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Spaenle (CSU))

Lassen Sie mich ausreden. Wir sollen ein Papier begrüßen, das Sie als Programm bezeichnen und „Offensive 2002 – Aufschwung für Arbeit“ nennen. Das ist nichts anderes als ein Wahlkampfpapier, in manchen Teilen auch ein Wahlkrampfpapier. Das wäre dasselbe, wie wenn wir Dringlichkeitsanträge dazu stellen würden, dass der Kanzlerkandidat einmal Hüh und einmal Hott sagt.

(Kaul (CSU): Was ist denn mir Ihrem Klima-Antrag?)

Herr Kollege Kaul, wir danken für Ihre Steilvorlage. Dieses Papier ist ein wüstes Sammelsurium. Einerseits stehen konkrete Dinge wie die Lkw-Maut oder die Ökosteuer drin, dann hören wir auf der anderen Seite wieder die Forderung nach der Beseitigung bürokratischer Hemmnisse.

(Zuruf des Abgeordneten Kobler (CSU))

Aber wie Sie die bürokratischen Hemmnisse beseitigen wollen, sagen Sie nicht. – Herr Kobler, Sie haben doch keine Ahnung.

(Kaul (CSU): Aber Sie haben Ahnung!)

Ich greife die Anpassung der Mittelstandsfinanzierung an die geänderten Rahmenbedingungen auf. Sagen Sie uns doch, wie Sie das machen wollen. Herr Kollege Scholz und ich haben dazu reihenweise Anträge gestellt und Ansätze aufgezeigt.

(Kobler (CSU): Die waren das Papier nicht wert!)

Von Ihnen kam aber immer nur ein Nein. Sie haben keinen einzigen Antrag gestellt, der Auskunft darüber geben würde, wie Sie das machen wollen. Sie wissen es eben nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Sie stellen nur plakative Forderungen. Man könnte Ihnen reihenweise die einzelnen Punkte um die Ohren hauen. Es gibt aber noch Wichtigeres zu sagen.

Herr Kobler, Sie stehen angeblich für die Sozialpolitik. Schauen Sie einmal auf Seite 2 des Dringlichkeitsantrages nach. Ich lese Ihnen vor, was Sie machen wollen. Dort heißt es: „Für Beschäftigte mit einem Arbeitsentgelt zwischen 401 e und 800 e bei einer Arbeitszeit von mindestens 20 Wochenstunden Reduzierung der Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung.“ Sie haben hoffentlich ausgerechnet, was das bedeutet. Sie wollen einen neuen Niedriglohnsektor einführen, der durch besonders

niedrige Löhne gekennzeichnet ist. 5 e pro Stunde ist wirklich eine grandiose Forderung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abgeordneten Kobler (CSU))

Wir haben wahrhaft Absonderlichkeiten von Herrn Kobler und Herrn Dr. Bernhard zu hören bekommen. Es wurde von der Steuer- und Abgabenerhöhung der Bundesregierung gesprochen, der Mittelstand werde benachteiligt, es finde eine Umverteilung von unten nach oben statt, und wir bräuchten Steuersenkungen.

(Ach (CSU): Das ist richtig!)

Ich finde Steuersenkungen gar nicht so schlecht.

(Dr. Bernhard (CSU): Dann sind wir uns ja einig!)

Sie stehen doch für die größte Steuererhöhung in der Geschichte der Bundesrepublik.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Ich nenne a) die Mineralölsteuer und b) die höchsten Steuersätze.

(Ach (CSU): Finanzpolitisch haben Sie keine Ahnung!)

Ich erinnere nicht nur an den Eingangssteuersatz, den wir um 10 Prozentpunkte reduzieren, sondern ich spreche auch den Spitzensteuersatz von 53 Prozentpunkten an.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Sie von der Union stehen für die hohen Steuern. Noch schöner wird es, wenn man sich die Äußerungen über neue Bürokratie und neue Konstrukte wie die Bauabzugssteuer anhört. Schlafen Sie denn? – Wer hat denn die Bauabzugssteuer im Bundesrat beantragt? – Das war der Freistaat Bayern. Wer hat die Bauabzugssteuer bejubelt? – Das waren die Herren Faltlhauser und Beckstein. Jetzt greifen Sie das an. Sie wissen wirklich nicht, wovon Sie reden.

(Beifall des Abgeordneten Werner (SPD))

Herr Kollege Pschierer, die AfA-Tabellen sind in der Regierungszeit von Kohl geändert worden. Rot-Grün hat die Zeiten bei den Computern wieder reduziert.