Ich muss etwas dazu sagen. Die SPD-Fraktion befasst sich seit Jahren hier im Landtag seriös, sachlich und sehr intensiv mit diesem ganzen Bereich.
Bei den Redebeiträgen mancher Kolleginnen und Kollegen von der CSU-Fraktion hatte ich den Eindruck, dass der Sozialbericht von ihnen nicht vollständig gelesen worden ist. Herr Kobler, man darf nicht nur die weißen Seiten der Staatsregierung lesen, man muss sich intensiv mit dem Analyseband beschäftigen.
Da steht nämlich alles drin. Wir müssen keine Ursachenforschung mehr betreiben. Das hat die Armutskonferenz der Wohlfahrtsverbände gezeigt.
Ein Drittel der Sozialhilfeempfänger in Bayern sind Kinder unter 18 Jahren. Das ist für ein nicht gerade armes Land wie Bayern eine ganze Menge. Arm zu sein heißt nicht nur, wenig Geld zu haben. Es ist nicht nur eine Geldfrage, arm zu sein. Durch Armut sind viele Lebenssituationen beeinträchtigt. Das bedeutet, dass der Zugang zu Lebenschancen schlechter ist. Das ist ein Negativkreislauf, ein Drehtüreffekt. Die Armutskonferenz hat gezeigt, Armut wird vererbt, sie pflanzt sich fort. Dagegen müssen wir angehen.
Die Verknüpfung von Bildungs- und Sozialpolitik ist besonders wichtig. Schauen wir uns einmal die Wirklichkeit in den Regionen an. Wir haben ein regionales Gefälle in Bayern. Die Schere klafft beim Einkommen zwischen Süd- und Nordbayern auseinander. Die Schere klafft bei den Bildungsabschlüssen auseinander. 10% der jungen Leute bei uns verlassen die Schule ohne einen Abschluss, ganz egal welche Schulart. 18% der Berufsschülerinnen und Berufsschüler bei uns verlassen die Berufsschule ohne Abschluss. Das zu bekämpfen, ist der Weg, um aus der Armutsfalle herauszukommen.
Die Abiturquoten sind in Oberbayern deutlich höher als in Oberfranken. Man muss die Ursachen für dieses Gefälle bekämpfen. Das liegt nicht daran, dass die oberbayerischen Kinder klüger als die oberfränkischen oder niederbayerischen sind. Es ist der Zugang zu Bildung, der durch Rahmenbedingungen geschaffen werden muss.
Wir haben Differenzen zwischen Oberbayern und Oberfranken bei der Zahl der angebotenen Ausbildungsplätze. Die Ursache dafür liegt in der Landesentwicklungspolitik, in der Strukturpolitik. Der Ausspruch von Frau Stewens, junge Leute sollten etwas flexibler sein, ist wenig hilfreich. Wir müssen die Ursachen bekämpfen.
Lassen Sie mich noch eines sagen: Das Familiengeld ist keine Alternative. Sie werden aber nicht in Verlegenheit kommen, das umzusetzen.
(Beifall der Frau Abgeordneten Werner-Muggendor- fer (SPD) und der Frau Abgeordneten Radermacher (SPD))
Darum braucht sich die Frau Staatsministerin keine Gedanken zu machen. Sie muss nicht erklären, warum Ministerpräsident Stoiber noch im Februar gesagt hat, es gibt kein Familiengeld, es ist nicht finanzierbar. Das Familiengeld ist eine Falle für die Frauen, die wieder zu
Armut führt. Mit der Gewährung von Familiengeld werden noch keine Betreuungseinrichtungen geschaffen.
Schauen wir uns die regionalen Unterschiede bei den Sozialhilfebeziehern in Bayern an: Dort, wo die Zahl der Bezieher von Niedrigeinkommen am höchsten ist, haben wir die geringste Dichte bei den Sozialhilfebeziehern. Wir haben ein Stadt-Land-Gefälle. Wir haben dort aber auch eine verdeckte Armut.
Ich zitiere aus einer Untersuchung der Caritas zur Armut: „In Bayern haben wir die wenigsten Sozialhilfebezieher.“ Das sagt die Caritas, Herr Kobler, die ist unverdächtig. Die Caritas hat in einer Untersuchung festgestellt, dass im Vergleich mit den anderen Bundesländern in Bayern weniger Menschen Sozialhilfe beantragen, obwohl sie Anspruch darauf hätten. Das heißt, hier ist eine verdeckte Armut vorhanden. Dagegen müssen wir angehen.
Zur Prävention dürfen wir das nicht nur aus sozialpolitischer Sicht betrachten, sondern wir müssen durch alle Politikfelder gehen und das im Rahmen der Landesentwicklung und der Bildungspolitik anschauen.
Wir könnten schon weiter sein, wenn Sie im Jahr 1999 unserem Dringlichkeitsantrag, der sich mit dem Sozialbericht befasst hat, zugestimmt hätten. Dann wären wir heute schon zwei Jahre weiter, und es wäre etwas für die Menschen hier im Lande und gerade für die Kinder getan worden.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! In aller Kürze will ich zehn Thesen zur Bekämpfung der Kinderarmut nennen. Ich denke, wir sollten uns in einer Aktuellen Stunde zur Kinderarmut wesentlich intensiver mit den Inhalten auseinander setzen.
Frau Staatsministerin Stewens hat mit Recht darauf hingewiesen. Ich möchte zunächst auf einige Dinge eingehen, die vonseiten der Rednerinnen und Redner der Opposition vorgetragen wurden. Ich frage mich, ob Sie die Entstehungsgeschichte dieses Armutsberichts richtig beurteilen und ob Sie sie richtig kennen.
Es waren die Bayerische Staatsregierung und der DGB, die gemeinsam einen Armutsbericht entwickelt und erarbeitet haben.
(Frau Steiger (SPD): Nein, es waren die Gewerkschaften und ein einstimmiger Beschluss des Landtags!)
Sie wissen, dass es ein CSU-Antrag war, der die Strukturen geschaffen hat. Bitte verleugnen Sie das nicht. Bitte denken Sie daran, dass wir in der Familienpolitik, und zwar in der gesamten Bandbreite, nicht nur eine Zuständigkeit der Bundesländer haben. Gerade was die finanzielle Seite und die Steuern anbelangt, ist der Bund verantwortlich.
Wenn ich daran denke, wie Sie, meine Damen und Herren von der SPD und vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, als wir uns damals über den Armutsbericht unterhalten haben, auf die schwarz-gelbe Bundesregierung losgegangen sind! Das war damals eine ganz andere Ausgangslage für Sie.
Schließlich noch zum Familiengeld. Ich habe Sie, Frau Steiger, immer für eine vernünftige Frau gehalten.
Ich frage mich, warum das Familiengeld zu einer Armutsfalle werden soll. Wie soll das gehen, wenn wir mit einer von den Einkommensgrenzen unabhängigen Bündelung dafür sorgen, dass Familien mit Kindern keine Sozialhilfe mehr benötigen?
Das wäre doch eine sozialpolitische Pionierleistung, und die werden wir erreichen. Damit können Sie sich mit Ihren Konzepten nicht vergleichen.