Protocol of the Session on January 30, 2002

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Beide Anträge sind irgendwie trickreich, weil sie in gewisser Weise die tatsächliche Absicht verbergen. Die GRÜNEN wollen eigentlich beantragen, auf keinen Fall das Transrapid-Projekt zu verwirklichen, sie diskutieren aber lieber über die Kosten.

(Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist der Grund, warum wir ihn nicht wollen!)

Die CSU würde eigentlich lieber beantragen, auf jeden Fall die Transrapidstrecke zu bauen, ohne über die Kosten zu reden. Insofern ist das ein wenig unübersichtlich.

(Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nur für die SPD!)

Deswegen erlaube ich mir, unser Abstimmungsverhalten zu erläutern.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Es ist wirklich falsch, das Projekt als hirnrissig und unverantwortlich zu bezeichnen, wie es Herr Kollege Dr. Runge getan hat. Das ist der verkehrte Ansatz. Er hat im Übrigen das Projekt in Nordrhein-Westfalen einbezogen und beide Projekte für unverantwortlich erklärt, übrigens im Gegensatz zu den GRÜNEN in Nordrhein-Westfalen, die den Metrorapid ausdrücklich oder nicht ausdrücklich – zumindest habe ich das gelesen – begrüßen.

Ich gebe gern zu, dass die Meinungen innerhalb der einzelnen Fraktionen zum Transrapid eine Spur weit auseinandergehen. Im Prinzip sollten wir uns aber darüber verständigen, dass der Transrapid eine positive Technologie ist

(Beifall bei der SPD und bei der CSU)

und möglicherweise eine echte Alternative zum Flugverkehr innerhalb Europas sein kann. Die Technologie ist energiepolitisch und umweltpolitisch sinnvoll.

(Abg. Herrmann (CSU): Richtig!)

Sie kennt weniger Verschleiß als andere und ist weniger unfallträchtig als andere Technologien, da die Strecken kreuzungsfrei verlaufen. Es gibt noch viele andere Vorteile. Deswegen sage ich noch einmal eindeutig: Der Transrapid hat gute Chancen, und wir sollten uns bemühen, ihn zu realisieren, vor allem auch, weil er ein industriepolitisches Zukunftsprojekt ist.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb sagen wir: Wenn es geht, soll das Projekt durchgeführt werden. Jetzt muss man sich aber die Strecke in München anschauen. Funktioniert das Projekt auf dieser Strecke in München? – Machbar ist es, das hat die Studie ergeben. Es stellen sich planungsrechtliche Fragen. Die örtliche Bevölkerung ist natürlich skeptisch. Das kann man nachvollziehen. Damit muss man umgehen. Das steht aber für mich nicht im Vordergrund. Im Vordergrund steht die Frage, ob das Projekt wirtschaftlich zu betreiben ist. An dieser Stelle ist, so meine ich, der Wirtschaftsminister am Zug. Es ist eine Illusion, zu glauben, dass alle Bundesmittel, die für den Transrapid vorgesehen sind, nach München fließen könnten. Solange zwei Projekte auf dem Weg sind, wird niemand ehrlicherweise damit rechnen können, dass ein Bewerber seine Bewerbung zurückzieht. Beide Bewerber haben dies zu einem Prestigeprojekt für sich erklärt und werden im Rennen bleiben.

(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Prestigeprojekt!)

Deswegen kann nur jeder annehmen, dass die Mittel aufgeteilt werden. Wir legen Wert darauf, dass die Auf

teilung gerecht erfolgt. Das bedeutet, dass der prozentuale Förderanteil gerecht sein muss.

(Zuruf des Abgeordneten Kupka (CSU))

Deshalb bin ich nach einer groben Schätzung auf eine Größenordnung von 500 Millionen Euro gekommen. Legen Sie mich bitte darauf nicht fest, ich kann das nicht auf den Cent genau nachrechnen.

(Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Stoiber auch nicht!)

Alle Abgeordneten in der Region München müssen mit einem besonderen Thema umgehen, und zwar mit dem Thema Nahverkehr und S-Bahn. Nach meiner Wahrnehmung steigt die Stimmung in der Münchner Bevölkerung gegen den Transrapid aus folgendem Grund: Die S-Bahn ist in einem katastrophalen Zustand. Das nehmen die Fahrgäste wahr.

(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sofern sie mit ihr fahren!)

Sie ist unpünktlich, sie ist nicht sauber, der Service ist schlecht, und die Bahnhöfe sind teilweise in einem bemitleidenswerten Zustand.

Die Fahrgäste, die diesen Zustand tagtäglich ertragen müssen, sagen natürlich: Wenn man nicht einmal dazu in der Lage ist, eine vernünftige S-Bahn zu betreiben, dann spart euch bitte den Transrapid. Diese Diskussion haben wir.

Herr Staatsminister Dr. Wiesheu, es liegt in Ihrer Verantwortung, dass es bei der S-Bahn nicht bei immer neuen Ankündigungen bleibt. Wie oft hat man gehört, dass 500 Millionen Euro oder noch mehr in die S-Bahn investiert werden. Diese Ankündigungen sind bekannt, aber die Fahrgäste merken keine Verbesserung. Das ist das entscheidende Problem.

(Beifall bei der SPD)

Darum sagen viele Leute: Macht erst eure Hausaufgaben bei der S-Bahn, und dann kann man über den Transrapid reden. Ich will das ausdrücklich sagen, weil der Wunsch in der Bevölkerung groß ist – wir teilen diesen Wunsch –, dass nicht Mittel, die wir für die S-Bahn dringend brauchten, für den Transrapid abgezweigt werden.

Wenn das die Linie der Staatsregierung wäre, wenn sie also Mittel aus dem GVFG, dem Nahverkehrsprogramm und dem S-Bahn-Programm herausnehmen würde, um sie zur Kofinanzierung des Transrapids zu verwenden, dann wird es in der Bevölkerung quer durch alle Parteien keine Mehrheit für den Transrapid geben. Das verspreche ich Ihnen. Deshalb müssen wir, die Befürworter des Transrapids, heute eine klare Botschaft an die Bürgerinnen und Bürger richten. Diese kann meiner Ansicht nach nur lauten: Ja zum Transrapid, schnell prüfen, wie er sich wirtschaftlich darstellt, aber nicht zulasten der jetzt bestehenden öffentlichen Verkehrsmittel. Diese Botschaft muss klar erfolgen.

Wir werden uns jetzt jedenfalls so verhalten: Wir werden uns beim CSU-Antrag der Stimme enthalten, weil nach seinem Wortlaut Nahverkehrsmittel auf den Transrapid umgeleitet werden können. Dem sollten wir nicht zustimmen. Wir stimmen aber auch nicht gegen den Antrag, weil wir nicht wollen, dass daraus interpretiert wird, wir seien gegen den Transrapid. Wir wollen nur deutlich zu Protokoll geben, dass der Transrapid nicht zulasten der S-Bahn finanziert werden darf. Deswegen enthalten wir uns beim Antrag der CSU, und damit unsere Haltung klar erkennbar wird, stimmen wir auch dem Antrag der Grünen zu, denn die Intension, die darin zum Ausdruck kommt -

(Zuruf von der CSU: Eiertanz!)

Das ist kein Eiertanz.

(Zuruf von der CSU: Sie wollen ihn doch!)

Wer den Transrapid wirklich will, der kann ihn nicht gegen die Bevölkerung durchsetzen, sondern er muss eine Wirtschaftlichkeitsberechnung und ein betriebswirtschaftliches Konzept vorlegen, welches die Menschen davon überzeugt, dass wir die S-Bahn stärken – die Stärkung der S-Bahn ist überfällig – und trotzdem den Transrapid in München finanzieren. Das ist unsere Aufgabe. Dass die Lösung dieser Aufgabe nicht leicht ist, weiß ich. Aber dieser Aufgabe müssen sich alle Transrapid-Befürworter stellen.

(Wortmeldung des Abg. Dinglreiter (CSU))

Ich hätte jetzt eigentlich schon aufgehört.

Also gestatten Sie die Zwischenfrage des Kollegen Dinglreiter.

Herr Kollege Maget, als der Bundesverkehrsminister seine Entscheidung bekannt gab, haben Sie erklärt, dass Sie diese Entscheidung begrüßen und dass Sie mit 500 Millionen DM rechnen würden. Wie wollen Sie sich die Finanzierung dann bei Gesamtkosten von 1,6 Milliarden DM vorstellen?

(Gartzke (SPD): Das weiß nur der Wiesheu!)

Deshalb bitte ich darum, dass wir in aller Ruhe über ein Wirtschaftlichkeitskonzept reden, ohne dass wir uns jetzt schon darauf festlegen, dass die Finanzierung zulasten anderer Verkehrsmittel erfolgt.

Ich stelle einfach einmal die Frage in den Raum: Wie wäre es zum Beispiel mit einer privaten Finanzierung eines solchen Systems? Ist darüber schon diskutiert worden? Hat man das ausgelotet, Herr Kollege Dinglreiter? Gibt es unter Umständen private Investoren, die sich an einem solchen Modell beteiligen wollen? Bei der Strecke Hamburg – Berlin wurde darüber auch einmal geredet. Kann man diese Frage an dieser Stelle nicht noch einmal neu stellen, damit wir die Diskussion zulasten der S-Bahn beenden können? Denn Sie bekommen

den Transrapid in München nur zulasten der S-Bahn. Das verspreche ich Ihnen.

(Haedke (CSU): Deswegen müssen wir möglichst viel Geld in Berlin holen!)

Dafür bekommen Sie aber nicht einmal auf dem Parteitag der Münchner CSU eine Mehrheit. Das verspreche ich Ihnen. Das ist der Grund für unser Abstimmungsverhalten, und ich hoffe, dass damit Ihre Frage beantwortet ist.

(Beifall bei der SPD)

Nächster Redner: Herr Kollege Dr. Runge.

(Zwischenruf von der SPD: Jetzt kommt die Nord- allianz!)

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin jetzt nicht herausgegangen, um den Eiertanz des Kollegen Maget zu kommentieren. Ich schätze ihn sonst sehr. Seine Aufgabe war sicher sehr schwierig, aber sie war eben nicht lösbar. Deswegen wäre der Grundsatz „si tacuisses...“ angebracht gewesen.

Sie haben gesagt, unser Antrag wäre trickreich. Den Antrag, keinen Transrapid zu bauen, haben wir bereits mehrfach gestellt. Sie erinnern sich sicher an unseren letzten Antrag „Keine Steuermilliarden...“, welcher aber keine Zustimmung gefunden hat.

Ich möchte in aller Deutlichkeit etwas klarstellen: Ich habe gesagt, dass der Umgang mit Steuergeldern für diese beiden Nahverkehrsprojekte hirnrissig und unverantwortbar ist. Ich habe mich gar nicht so sehr gegen den Transrapid generell ausgesprochen. Ich habe immer gesagt, wenn überhaupt Steuergelder dafür ausgegeben werden, dann sollen sie dort ausgegeben werden, wo die Systemvorteile auch zum Tragen kommen.

Herrn Dinglreiter, Sie haben meine Einschätzung noch einmal wiederholt. Sie scheinen aber nicht zu wissen, dass das die gleiche Einschätzung ist wie die der CDU/ CSU-Fraktion im Bundestag. Auch sie sagt, dass beide Projekte hirnrissig sind, dass sie keinen Sinn machen. Die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag sagt weiterhin, dass sie die Strecke Hamburg – Berlin oder eine ähnlich lange Strecke will. Ich habe es erst neulich wieder in einem Protokoll gelesen.

(Dinglreiter (CSU): Das ist falsch!)