Protocol of the Session on October 9, 2001

(Beifall bei der CSU)

Ich sage mit aller Deutlichkeit, dass in einer Situation, wo es in der Tat tief beunruhigend ist, wenn Menschen anderer Hautfarbe oder eines ausländischen Aussehens oft schon Misstrauen oder gar einen Grad von Verdächtigung erleben, der nicht akzeptabel ist, diese Menschen wissen sollen – und das müssen wir betonen –, dass sie den vollen Schutz unseres Rechtsstaats genießen, so wie wir andererseits alle bekämpfen, die in ihren Reihen leider zu Extremen zählen.

Ich wiederhole etwas, was ich dieser Tage schon einmal gesagt habe: Wir müssen auch erwarten, dass führende Repräsentanten des Islam in Bayern, ja dass eigentlich alle in den muslimischen Gemeinden, die von Muslimen Kenntnis haben, die zu terroristischen Akten oder zu Gewalttätigkeiten neigen, in Zusammenarbeit mit den Staatsorganen diese auch benennen.

(Beifall bei der CSU)

Es genügt nicht, dass sie sich persönlich zu unserer Gesellschafts- und Staatsordnung bekennen. Sie genießen den Schutz unseres Staates, sie haben aber auch die Verpflichtung, aktiv mitzuwirken, dass dieser Staat entsprechend geschützt werden kann.

(Beifall bei der CSU)

Wir erleben gegenwärtig auch manch schleichenden, zynischen und extrem hochmütigen Antiamerikanismus. Niemand von uns braucht kritiklos zu sein gegenüber Mentalitäten, Lebensweisen oder Forderungen in anderen Nationen. Aber was gegenwärtig zum Beispiel da und dort in Feuilletons der Zeitungen über den amerikanischen Präsidenten zu lesen ist, ist unglaublich von Hochmut geprägt. Meine Damen und Herren, lassen Sie es mich so ausdrücken: Als Rundfunkrat einer öffentlich-rechtlichen Anstalt im ARD-Verbund schäme ich mich für das, was Wickert in den Tagesthemen gesagt hat

(Beifall bei der CSU – Hofmann (CSU): So ist es!)

und – lassen Sie mich das hinzufügen – auch für das, was gestern wieder in den Tagesthemen lief. Ich habe es zufällig gestern Abend noch gesehen. Da hat ein Kommentator des Südwestrundfunks, wenn ich mich recht erinnere, in einer Art und Weise über den amerikanischen Präsidenten geredet, vorher mit scheinheiligen Sätzen: Er hat uns ja positiv überrascht, auch wenn er immer wieder so ein Cowboy-Vokabular hat. Aber jetzt wird ja geschossen, jetzt kommt die Cowboy-Mentalität. Parallel dazu wird in zynischer Weise der Versuch abgewertet, gleichzeitig dem afghanischen Volk durch Lebensmittelaktionen zu helfen. Auch in dieser Situation habe ich mich dafür geschämt, dass in einer öffentlichrechtlichen Anstalt in Deutschland so etwas über den Sender läuft.

(Beifall bei der CSU – Dinglreiter (CSU): Sehr gut! – Zuruf der Frau Abgeordneten Gote (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Hier, meine Damen und Herren, beginnt nämlich die schleichende Relativierung und die Verharmlosung des Terrorismus.

(Beifall bei der CSU)

Dies gilt übrigens auch überall dort, wo er mit Armut erklärt wird oder wo die Probleme im Nahen Osten nur Israel zugeschrieben werden, obwohl in den gesamten letzten Jahren nie zu beobachten war, dass die arabischen Staaten ein ernsthaftes Interesse daran haben, die Probleme und die Nöte des palästinensischen Volkes wirklich einer Lösung zuzuführen.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Meine Damen und Herren, Terrorismus zielt darauf ab, dass wir Gefangene der Angst werden. In der „Süddeutschen Zeitung“ von heute befindet sich ein Beitrag von Stefan Ulrich unter der Überschrift „Angst als schärfste Waffe“. Ich zitiere:

Diese Angst trifft eine angstentwöhnte Gesellschaft in Europa und Amerika, eine Rückversicherungsgesellschaft. Ein Jahrzehnt lang lebte sie im außenpolitischen Paradies. Nach dem Ende des Kalten Krieges winkte ewiger Friede. Doch das war ein Trugbild. 19 Kamikaze-Flieger haben es zerrissen und die Welt ins Stadium der Bedrohung zurückgeschleudert. Man könnte aber auch sagen: in den Normalzustand. Denn das Gefühl, ausgesetzt zu sein, gehörte stets zur Conditio humana. Die Bürgergesellschaft muss erst wieder lernen, Angst auszuhalten, mit ihr zu leben und zugleich ein normales Leben zu leben. Wenn sie dies schafft, dann wirkt die Angst nicht zerstörerisch. Dann setzt sie Kräfte frei, macht abwehrbereit und wirkt gegen ihre Erzeuger.

Meine Damen und Herren, darin wird ansatzweise die Dimension sichtbar, vor der die moderne Zivilisation steht, vor der wir alle stehen.

Lassen Sie mich zum Schluss, Herr Maget, auf unseren Parteitag zurückkommen, über den Sie eine Erwartung an den Ministerpräsidenten formuliert haben.

Ich habe heute einen Internet-Ausdruck erhalten, wo das Bündnis – so nennen sich die Gruppen – die Demonstrationen – um es vorsichtig einmal so zu nennen – ankündigt.

(Maget (SPD): Das ist mir leider bekannt!)

Der Einladungstext ist aggressiv und enthält falsche Behauptungen, wie etwa, dass wir das letzte Mal Herrn Haider eingeladen hätten. Von diesen mit Stand vom 3. Oktober aufgeführten Organisationen, 47 an der Zahl, sind 29 extremistische Organisationen, die Gegenstand der Beobachtung durch den Verfassungsschutz sind. Mit diesen Gruppierungen in der Aktionsgemeinschaft sind leider Gottes auch die Jungsozialisten der SPD in Nürnberg

(Zahlreiche Zurufe von der CSU, darunter: Sauerei! – Maget (SPD): Leider!)

und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Kreisverband Nürnberg.

(Freiherr von Rotenhan (CSU): Stahl ist da Mitglied! – Zahlreiche Zurufe von der CSU)

Frau Stahl, hier steht: BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Kreisverband Nürnberg, mit entsprechender InternetAdresse.

(Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das kann nicht sein, das ist schlichtweg falsch!)

Meine Damen und Herren, Terrorismus und Gewaltanwendung können nur bekämpft werden, wenn solche erklärtermaßen mit Gewalt verbundenen Demonstrationen von allen demokratischen Kräften bekämpft werden.

(Lebhafter Beifall bei der CSU)

Deshalb, meine Damen und Herren von der Opposition, hängt ein wesentlicher Teil Ihrer Glaubwürdigkeit für die weitere Debatte davon ab,

(Maget (SPD): Wollen Sie damit sagen, ich trage das mit, oder was?)

ob Sie sich gegenüber Ihren Parteimitgliedern glaubwürdig verhalten und sie in die Schranken weisen.

(Lebhafter Beifall bei der CSU – Maget (SPD): Das habe ich längst getan!)

Nächste Rednerin ist Frau Kollegin Stahl.

(Zurufe von der CSU – Gegenrufe von der SPD und vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Glocke des Prä- sidenten)

Meine Damen und Herren, das Wort hat Frau Kollegin Stahl.

Herr Präsident, meine Herren und Damen! Die Trümmer des World Trade Center rauchen unglaublicherweise nach vier Wochen immer noch. Hunderttausend Tonnen von Gebäuderesten wurden weggeräumt, und doch handelt es sich gerade einmal um 10% der gesamten Masse. 5900 Menschen aus den verschiedensten Nationen werden bis zum heutigen Tage vermisst, und es dürfte klar sein, dass die Tausenden von Angehörigen sie nie mehr wiedersehen werden. Durch die Medienberichterstattung bekamen die Toten ein Gesicht. Angehörige erzählen von ihren Vätern, Müttern, Töchtern und Söhnen, von Wünschen und Hoffnungen, die mit unter geschmolzenem Stahl und zerbrochenen Steinen begraben wurden. Es übersteigt unsere Vorstellungskraft nachzuvollziehen, was die Opfer gelitten haben mögen. Wir fragen uns, wie es die Angehörigen schaffen, mit den Schreckensbildern im Gedächtnis weiterzuleben.

Angesichts dessen ist es geschmacklos, das Thema innere Sicherheit aus parteitaktischen Gründen zum Wahlkampfschlager zu machen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

wie es Ministerpräsident Stoiber und die Staatsregierung nach Ankündigung vorhaben. Bei der Rede des Ministerpräsidenten fragte ich mich auch, an wen im Plenum Teile dieser Rede eigentlich gerichtet waren. Ich fordere Sie, meine Kollegen von der CSU, dringend auf, sich von der infamen Weise zu distanzieren, in der wir in Form von Spiegelstrichen in eine Reihe mit Jublern, Befürwortern und Verharmlosern gestellt worden sind.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der CSU)

Ich komme noch dazu, keine Sorge; ich vergesse das in meinem Text nicht.

Wir halten es für verantwortungslos, dass Sie in einem Wettlauf mit anderen Rechtspopulisten kurzfristige Scheinlösungen anbieten, die die Menschen in falscher Sicherheit wiegen. Der Anführer der deutschen Propagandisten heißt ja zur Zeit Herr Schill. Ich bin gespannt, wann Sie ihn einladen. Der NPD-Chef Voigt bestätigt ihn in seinen Vorschlägen, und Herr Aribert Wolf findet die Gleichung: Schill + CDU = CSU. Das stammt nicht von uns, sondern von ihren eigenen Leuten. Eine schillernde Gestalt wie Berlusconi sucht uns in Nürnberg heim,

(Lachen des Abgeordneten Freiherr von Rotenhan (CSU))

und Nürnberg wird allmählich in eine Art Ausnahmezustand versetzt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Bernhard (CSU): Von Ihrem Kreisverband, von Ihren Leuten und von Ihnen!)

Er kommt aufgrund einer staatspolitischen Einladung von Ihnen. Ich frage mich: Wieso spricht er auf einem Parteitag, wenn es eine staatspolitische Einladung ist? Berlusconi ist bekannt dafür, dass er sich mit der Mehrheit im Parlament seine Gesetze selbst macht, um straffrei auszugehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Herren und Damen, in dieser schwierigen Zeit verbünden Sie sich mit Leuten, die ein sehr eigenartiges Verhältnis zu demokratischen Spielregeln haben, was Ihnen seit Ihrer innigen Beziehung zu Herrn Haider, selbst wenn Sie ihn nicht eingeladen haben, sich aber offen zu ihm bekennen, ja nicht fremd ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lebhaf- ter Widerspruch von der CSU)

Ich bitte Sie, das ist doch wirklich kein Geheimnis mehr. Ich möchte Sie auch daran erinnern –

(Zahlreiche Zurufe von der CSU)