Protocol of the Session on July 11, 2001

Eine weitere Zusatzfrage? – Frau Kollegin Paulig.

Herr Staatsminister, erstaunt es Sie nicht, dass es im Südosten Bayerns trotz sehr hoher Milchviehdichte keinen einzigen BSE-Fall gibt, während im angesprochenen Gebiet eine Häufung vorliegt? Welche Konsequenzen ziehen Sie aus der Korrelation der Verfütterung des Milchaustauschers der Firma Alma und der BSE-Fälle in den betroffenen Betrieben?

Herr Staatsminister.

Staatsminister Sinner (Verbraucherschutzministe- rium) : Ich habe Ihnen vorhin schon mitgeteilt, dass wir die Untersuchung auf der Grundlage der Unterlagen, die wir erhoben haben, einem neutralen Forschungsinstitut übertragen. Natürlich war ein auslösender Faktor, dass in den Tiermehlen und den Milchaustauschern infektiöses Material enthalten war. Das ist nichts Neues, das ist eine Binsenweisheit. Es geht jetzt darum, zurückzuverfolgen, welche Tiermehle und Austauscher verwendet wurden. Wenn ein Hersteller zufällig prionenhaltiges Material im Tierfett hatte, versuchen wir aufzuklären, woher die Tierfette kamen. Sie kamen nicht nur aus Deutschland, sondern auch aus dem Ausland. Es ist wahrscheinlich, dass durch derartiges infektiöses Mate

rial Fälle ausgelöst wurden, aber ich kann nicht für den Einzelfall sagen, das war nur diese eine Firma. Das können andere Firmen oder auch andere Produkte gewesen sein. Wir versuchen, dies durch die Risikoanalyse zu ergründen.

Ich habe nur darauf hingewiesen, dass es trotz einer Häufung, wie wir sie vordergründig haben, in einem Monat ein völlig anderes Bild geben kann, wenn in anderen Bereichen ebenfalls Fälle auftreten, was ich nicht ausschließen kann.

Nächster Fragesteller ist Herr Kollege Hartenstein.

Herr Staatsminister Sinner, welche Erkenntnisse lieferten bis heute die Ermittlungen des Bayerischen Landesamtes für Ernährung zu einem möglichen Zusammenhang zwischen dem gehäuften Auftreten von BSE-Fällen im Allgäu und der Ernährung der Tiere der betroffenen Herden, zu welchen Ergebnissen führte bislang in diesem Zusammenhang die Überprüfung der Produktionsverfahren der Talgschmelze Unkel in Würzburg, und welche Konsequenzen sind nach Auffassung der Staatsregierung gegebenenfalls ergänzend aus den angesprochenen Befunden abzuleiten?

Herr Staatsminister, bitte.

Staatsminister Sinner (Verbraucherschutzministe- rium) : Herr Kollege Hartenstein, wie ich bereits erwähnt habe, hat die Bayerische Landesanstalt für Ernährung die verwendeten Futtermittel von der Geburt bis zum Auftreten der Krankheit BSE anhand der vorhandenen Unterlagen vor Ort ermittelt. Sie hat die Unterlagen betriebsweise zusammengestellt und die Daten in der EDV erfasst. Diese Unterlagen werden je nach dem Fortgang der Erhebungen vereinbarungsgemäß auch dem Landeskriminalamt für weitere Auswertungen zur Verfügung gestellt. Um deutlich zu machen, wie umfangreich das Datenmaterial ist, darf ich darauf hinweisen, dass es sich pro BSE-Betrieb um mehrere hundert Seiten handelt. Die Firma Robert Unkel, Firma Unimelt GmbH, Würzburg, verarbeitet ausschließlich fleischhygienerechtlich als tauglich für den menschlichen Genuss beurteilte Rohfette von Rindern und Schweinen. Bereits seit 1996 werden die Rohfette einer intensiven Eingangskontrolle auf Fremdbeimengungen wie Knochen, Milz, Gehirn und Rückenmark unterzogen.

Die Herstellungsbedingungen entsprachen und entsprechen geltendem Recht. Durch die Auswahl des Rohmaterials und durch firmeneigene Wareneingangskontrollen seit 1996 ist die Firma Unkel bestrebt, sicherzustellen, Verunreinigungen des Rohfettes zu verhindern. Nach den derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnissen sind die genannten Verarbeitungsbedingungen jedoch nicht ausreichend, um potenziell vorhandene Prionen zu eliminieren. Daher setzt sich die Bayerische Staatsregierung bekanntermaßen dafür ein, das Verfütterungsver

bot – das im Übrigen nur in Deutschland auch für Tierfett gilt – langfristig aufrechtzuerhalten.

Ich war selbst in der ersten Februarwoche bei der Firma Unkel und habe mir den Betrieb angesehen. Ich habe auch mit den zuständigen Veterinärbehörden gesprochen. Der Sachverhalt, wie er geschildert wurde, ist zutreffend, aber es ist nicht auszuschließen, dass auch bei lebensmitteltauglichem Material bis zum Oktober letzten Jahres infektiöses Material in die Verarbeitungsprozesse gelangt ist, wobei die Firma Unkel seit 1996 keine Knochen mehr verarbeitet hat. Auch das konnte nachgewiesen werden.

Zusatzfrage: Herr Kollege Hartenstein.

Herr Staatsminister, der erste Teil meiner Frage ist nicht beantwortet. Ich wiederhole deshalb: Welche Erkenntnisse lieferten bis heute die Ermittlungen des Bayerischen Landesamtes für Ernährung? Auch der letzte Teil meiner Frage ist nicht beantwortet. Ich möchte deshalb ergänzend anfügen: Welche Konsequenzen zieht die Bayerische Staatsregierung aus den bisher vorliegenden Ergebnissen?

Herr Staatsminister, bitte.

Staatsminister Sinner (Verbraucherschutzministe- rium) : Ich kann Ihnen dazu nur sagen, wir führen die Risikoanalyse auf der Grundlage der vorhandenen Daten durch. Sie wollen jetzt von mir Antworten, die erst als Ergebnis einer Risikoanalyse auf der Grundlage des Datenmaterials gegeben werden können. Wir haben mit möglichen Auftragnehmern gesprochen, die so etwas durchführen können. Der zeitliche Horizont bis zu einer befriedigenden Auskunft wird bei dem vorliegenden Fragenmaterial – wir stellen nicht nur Ihre Fragen, sondern auch andere – von den möglichen Auftragnehmern mit einem Jahr bis eineinhalb Jahre angegeben. Das heißt, die Auswertung der Daten erfordert einen gewissen Zeitraum. Wir haben die Daten im Übrigen auch dem Landeskriminalamt und dem zuständigen Staatsanwalt gegeben, der alle Daten hat, die auch wir haben. Auch er ist noch nicht zu weitergehenden Erkenntnissen gekommen, sodass er sich aufgrund der vorhandenen Daten und der Beweislage zu weiteren Schritten veranlasst sähe.

Weitere Zusatzfrage: Herr Kollege Hartenstein.

Welchen möglichen weiteren Ursachen für das Auftreten von BSE wurde bzw. wird derzeit noch von Ihrer Seite aus nachgegangen?

Herr Staatsminister, bitte.

Staatsminister Sinner (Verbraucherschutzministe- rium) : Wir konzentrieren uns auf den Weg der Fette und auf die Tiermehle. Wir gehen nicht der Behauptung

nach, das Ganze hänge mit Tschernobyl zusammen. Wir gehen auch nicht den Thesen von Prof. Scholz nach. Wir versuchen aber, auch international wissenschaftlich abzuklären, ob BSE etwas mit der Bekämpfung von Parasiten beim Rind zu tun haben könnte, was in England problematisiert wurde, oder mit anderen im internationalen Bereich diskutierten Übertragungswegen.

Im Rahmen des Kontakts mit dem Bundesveterinäramt der Schweiz hat sich allerdings herausgestellt, dass wir wahrscheinlich hauptsächlich mit dem Weg Tiermehl und Tierfett rechnen müssen. Vielleicht gibt es noch eine kleine Bandbreite möglicher weiterer Übertragungswege. Ein Rest wird bleiben. Die Schweizer sagen, die weiteren Übertragungswege, die jetzt diskutiert werden, bewegen sich im Bereich des „Hintergrundrauschens“ der Fälle. Ein genetisch bedingter Rest wird übrig bleiben. Wir werden niemals die Null erreichen, aber es wird ein Wert sein, der sehr gering ist.

Letzte Zusatzfrage: Frau Kollegin Paulig.

Herr Staatsminister, nachdem Sie gesagt haben, es wäre bei der Firma Unkel überprüft und geklärt, dass alle verarbeiteten Schlachtabfälle ordnungsgemäß bzw. für den menschlichen Verzehr geeignet waren, müssen Sie bereits Erkenntnisse haben. Ich frage Sie: Wann wurden welche Mengen von der Firma Unkel aus England importiert und zu Tiermehl bzw. Futtermittelzusätzen weiterverarbeitet?

Herr Staatsminister, bitte.

Staatsminister Sinner (Verbraucherschutzministe- rium) : Soweit ich es den Unterlagen entnehmen kann, hat die Firma Unkel nicht importiert. Ich kann der Frage noch nachgehen; aus dem Stegreif kann ich sie nicht beantworten.

Die Firma Unkel hat allerdings lebensmitteltaugliches Material verarbeitet. Es handelt sich um Material, das beim Schlachten anfällt, also zum Beispiel Knochen und Schwarten. Dieses lebensmitteltaugliche Material ist von der Firma Unkel verarbeitet worden im Gegensatz zu anderem Material, das nicht tauglich ist, in die Tierkörperbeseitigungsanstalt kommt und von dort auch in das Tiermehl gelangt. Ich habe schon in der Fragestunde im Februar auf die Frage von Herrn Kollegen Hartenstein geschildert, dass das nicht auszuschließen ist.

Es ist die Frage der Größenordnung, die wir klären wollen. Es geht darum, wie viele infektiöse Rinderhirne können auf dem Weg des tauglichen Materials beim Schlachten in den Nahrungsmittelkreislauf gelangt sein. Es ist Ziel der Erhebungen und der Risikoanalyse, eine Hochrechnung zu ermöglichen, wie viele BSE-Fälle wir zu erwarten haben und mit welcher Kontamination in der Nahrungsmittelkette wir für den Menschen rechnen müssen.

Herr Kollege Hartenstein, Sie erinnern sich, in der ersten Fragestunde sind die Fette vom Bundesamt für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin problematisiert worden – ich habe das Zitat vorgelesen –, die in Konditoreien zum Beispiel für Christstollen und Ähnliches verwendet wurden. Die Behörde ist Frau Bundesministerin Künast unterstellt. Die Fragen werden also auf der Bundesebene abgeklärt.

Wir kommen zur nächsten Frage. Fragestellerin ist Frau Paulig.

Herr Staatsminister! Welche Betriebe waren neben der Würzburger Talgschmelze Unkel Zulieferer der Firma Alma-Futtermittel GmbH in Kempten, war die Würzburger Talgschmelze Unkel in der fraglichen Zeit auch Zulieferer für andere Hersteller von Milchaustauschern, die von BSE betroffene Betriebe belieferten, und warum wurden diese Informationen, nachdem sie bei der Landesanstalt für Ernährung ganz offensichtlich vorlagen, weder unverzüglich der Staatsanwaltschaft in Kempten vorgelegt noch in der Sitzung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 20.06.2001 berichtet, als der Dringlichkeitsantrag der GRÜNEN dazu behandelt wurde?

Herr Staatsminister, bitte.

Staatsminister Sinner (Verbraucherschutzministe- rium) : Herr Präsident, Hohes Haus! Frau Kollegin Paulig, seit dem ersten bayerischen BSE-Fall vom Dezember 2000 bis zum 44. bestätigten Fall vom 29.06.2001 wurden in allen Fällen epidemiologische Ermittlungen durchgeführt. Das nahm den Umfang von mehreren hundert Seiten pro Betrieb an.

Bei einer Besprechung am 6. März 2001 im Innenministerium wurde Folgendes vereinbart: Die dokumentierten Daten und Untersuchungsergebnisse der Nachforschungen von den BSE-betroffenen Betrieben werden von der Landesanstalt für Ernährung erhoben und gespeichert, automatisch an das Verbraucherschutzministerium weitergeleitet und dem Bayerischen Landeskriminalamt zur Verfügung gestellt. Das Landeskriminalamt wird außerdem über jeden bestätigten BSE-Fall sofort von uns informiert und erhält alle weiteren relevanten Informationen von der Landesanstalt für Ernährung, auch bezüglich der Kontrollen von Herstellerbetrieben. Das Bayerische Landeskriminalamt koordiniert zentral bayernweit den Informationsfluss innerhalb der Justizbehörden und ist für die Weitergabe von Informationen an die Staatsanwaltschaft und auch für eigenständige Ermittlungen der örtlichen Polizeibehörden zuständig.

Es konnte nicht festgestellt werden, ob die Firma Alma Futter im fraglichen Zeitraum von der Talgschmelze Unkel beliefert wurde, da sie 1997 in Konkurs ging und für den Zeitraum davor keine Unterlagen mehr existieren.

Die Firma Unkel belieferte verschiedene – drei von insgesamt 12 in Bayern ansässige – Hersteller von Milch

austauschern in Bayern. Ein ursächlicher Zusammenhang zum BSE-Geschehen konnte bisher nicht hergestellt werden. Im Übrigen – das habe ich vorhin schon erwähnt – verarbeitet die Firma Unkel ausschließlich fleischhygienerechtlich als tauglich für den menschlichen Genuss beurteilte Rohfette von Rindern und Schweinen. Bereits seit 1996 findet die vorhin schon genannte Eingangskontrolle statt. Die Herstellungsbedingungen entsprachen und entsprechen geltendem Recht.

Ein möglicher Zusammenhang zwischen der Verfütterung von Milchaustauschern und BSE, um den es heute laufend geht, ist neben anderen Fragestellungen Gegenstand eines Forschungsvorhabens, das von uns in Kürze vergeben wird.

Zusatzfrage: Frau Kollegin Paulig, bitte.

Herr Staatsminister, da Sie den ersten Teil meiner Frage nicht beantwortet haben, welche Betriebe neben Unkel an Alma-Futtermittel geliefert haben, frage ich Sie, ob Ihnen bekannt ist, dass die Firma Unimills, Tochter von Unilever, Mannheim, ebenfalls an Unkel geliefert hat, und gehen Sie in diesem Zusammenhang der Frage nach, welches Material dieser Konzern an Alma-Futtermittel geliefert hat. Des Weiteren haben Sie leider nicht ausgeführt, an welche Betriebe Unkel tatsächlich geliefert hat – das wäre in diesem Fall sehr interessant –, und wie erklären Sie sich die öffentliche Klage der Staatsanwaltschaft Kempten, dass die Landesanstalt eben nicht die notwendigen Unterlagen bereitstellt, und warum haben Sie in der Sitzung des Ausschusses am 20.06. nicht über diese Zusammenhänge berichtet?

Herr Minister, bitte.

Staatsminister Sinner (Verbraucherschutzministe- rium) : Herr Präsident, Hohes Haus! Über Zusammenhänge, die nicht bekannt waren, konnte ich wohl kaum berichten, auch nicht in der Ausschusssitzung. In unserem Haus hat gestern, am 10.07., ein Gespräch mit der Staatsanwaltschaft stattgefunden. Die öffentlichen Äußerungen, die in verschiedenen Zeitungen zu lesen waren hinsichtlich des Materials, das zur Verfügung gestellt wurde, haben offensichtlich keinen realistischen Hintergrund. Offenbar ist eine missverständliche Äußerung erfolgt. Alle Daten, die erhoben wurden, liegen dem Landeskriminalamt vor. Alle Daten, die von der Staatsanwaltschaft verlangt werden, sind für sie verfügbar. Ich habe den Gesprächsvermerk dabei. Die Staatsanwaltschaft wird sich selbst noch zu diesem Thema äußern. – Der Frage nach den übrigen Lieferfirmen kann ich noch nachgehen. Aufgrund der mir vorliegenden Unterlagen kann ich weder bestätigen noch dementieren, was Sie hier fragen.

Eine Zusatzfrage: Frau Kollegin Paulig, bitte.

Herr Minister, es ist schade, dass Sie die Antwort nicht beantworten. Das war jetzt nur ein Stoßseufzer. Die Frage lag Ihnen doch vor. Warum beantworten Sie sie also nicht?

Sie sprachen von der fehlenden Antwort auf Ihre „Antwort“.

Ja, es war nach den Betrieben gefragt.

Normalerweise antwortet man auf Fragen.

Gut, ich stelle jetzt meine letzte Zusatzfrage.

Nein, das ist erst die zweite.

Herr Staatsminister, teilen Sie die Einschätzung von Epidemiologen, dass angesichts der regionalen Häufung im Landkreis Weilheim mit derzeit sieben Fällen – das sind bundesweit die meisten – und der Wohnortnähe von zirka fünf Kilometern zur Landkreisgrenze des an Creutzfeldt-Jakob erkrankten Markus M. die Wahrscheinlichkeit wächst, dass auch hier eine infektiöse BSE-induzierte Erkrankung vorliegen könnte, dies auch angesichts der Tatsache, dass die Erkrankung vor der regionalen Häufung bekannt wurde?