Protocol of the Session on July 11, 2001

Zum weiteren Ablauf am Nachmittag weise ich darauf hin, dass nach der Fragestunde und der anschließenden Beratung weiterer offener Tagesordnungspunke – das werden die Zweiten Lesungen und Verfassungsstreitigkeiten sein – die Sitzung gegen 15.45 Uhr aus technischen Gründen unterbrochen wird. Es muss einiges für die Ansprache des Premierministers von Québec, Herrn Bernard Landry, vorbereitet werden, die gegen 16 Uhr beginnt. Es ist keine alltägliche Sache, dass bei uns ein ausländischer Staatsgast redet. Daher bitte ich darum, dass das Haus zahlreich versammelt sein möge.

Ich rufe jetzt auf:

Tagesordnungspunkt 8

Gesetzentwurf der Abgeordneten Maget, Pfaffmann und anderer und Fraktion (SPD)

zur Entwicklung und Verbesserung der Gesundheitsförderung in Bayern (Bayerisches Gesund- heitsförderungsgesetz) (Drucksache 14/5685)

Zweite Lesung –

Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Die erste Wortmeldung stammt von Herrn Kollegen Pfaffmann.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte nicht erneut die grundsätzliche Notwendigkeit eines Gesetzes zur Verbesserung der Gesundheitsförderung begründen. Ich verweise auf die Erste Lesung und auf die Ausschussdebatten.

Ich habe die Ausschussprotokolle gelesen und verfolgt, wie dieses Thema in den Ausschüssen diskutiert wurde. Es fällt auf, dass sich durch diese Diskussion wie ein roter Faden immer wieder dieselben Argumente ziehen. Es wird gesagt, eigentlich sei das ein wichtiger und richtiger Vorschlag, eigentlich grundsätzlich eine gute Idee. Die Notwendigkeit einer Verbesserung der Gesundheitsförderung wird auch gesehen. Wenn es dann aber letztlich um die Abstimmung geht, findet man jeden Grund, um eben dagegen zu sein.

Meine Damen und Herren, dieser Gesetzentwurf hat einen Fehler, keinen inhaltlichen, sondern schlichtweg den, dass er von der falschen Partei kommt.

(Beifall der Frau Abgeordneten Werner-Muggendor- fer (SPD))

Das ist Ihre Art und Weise, liebe Kolleginnen und Kollegen, zu diskutieren, das ist Ihr Verständnis für die Debatte in diesem Hause.

Eine zweite Argumentationslinie der Ablehnung ist genauso häufig zu finden. Sie geht nach dem Motto: Eigentlich nicht schlecht, aber wir wollen sowieso ein besseres Gesetz und eine bessere Regelung machen; deswegen stimmen wir hier nicht zu, sondern warten auf die Gesetzentwürfe der Staatsregierung. Das ist die zweite Argumentationslinie.

Meine Damen und Herren, in der Zeitung ist zu lesen, dass sich der Vorsitzende der CSU-Fraktion über die Bedeutungslosigkeit dieses Parlaments beklagt. Da müssen Sie sich nicht wundern. Wenn Sie immer nur Direktiven der Staatsregierung abwarten und keine eigenen Vorschläge einbringen, brauchen Sie sich nicht zu wundern, dass dieses Parlament, in dem Sie übrigens die absolute Mehrheit haben, immer bedeutungsloser wird.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zurufe von der CSU)

Wenn Sie sich das nicht anhören wollen, können Sie ja draußen warten.

Meine Damen und Herren, mit diesem Gesundheitsförderungsgesetz wollen wir ein bestimmtes Verständnis von Gesundheitsförderung umsetzen. Gesundheitsförderung darf sich nicht in Einzelaktionen erschöpfen, hier ein bisschen Drogenprävention, hier ein bisschen Aufklärung. Was hier fehlt, ist ein Gesamtkonzept der Gesundheitsförderung, und das ist der Inhalt unseres Gesetzentwurfs, ein integrierter Ansatz, der auch die Strukturen und die Rahmenbedingungen insgesamt verbessert.

(Beifall der Frau Abgeordneten Werner-Muggendor- fer (SPD))

Dazu brauchen wir eine Gesundheitsberichtserstattung. Dazu brauchen wir eine Änderung der Aufgaben des öffentlichen Gesundheitsdienstes. Die Kommunen müssen die Möglichkeit haben, die Selbsthilfeförderung als Handlungsauftrag verbindlich zu regeln und nicht nur freiwillig. Wir wollen auch, dass Gesundheitserziehung als offizielles Unterrichtsfach eingeführt wird. Ich will das auch noch einmal begründen.

Es mag ja sein, Kolleginnen und Kollegen, dass der Gesetzentwurf in dem einen oder anderen Punkt verbesserungswürdig ist. Es mag sein, dass er in dem einen oder anderen Punkt auch unvollständig ist, keine Frage. Nur, ich hätte mir dann halt gewünscht, dass Sie diese Unvollständigkeiten auch benennen. Noch nicht einmal das haben Sie gemacht,

(Beifall der Frau Abgeordneten Werner-Muggendor- fer (SPD))

sondern Sie haben sich auf den Standpunkt gestellt: Das müssen wir halt ablehnen; wir warten, bis die Staatsregierung etwas vorlegt. – Das ist nicht mein Verständnis von einer vernünftigen inhaltlichen Diskussion über einen Gesetzentwurf.

Ich will aus Zeitgründen an einem Punkt deutlich machen, was Sie ablehnen, Kolleginnen und Kollegen, nämlich dass die bayerischen Schulen die grundsätzliche Aufgabe bekommen, – ich zitiere – „ein gesundheitsbewusstes Verhalten zu fördern und zu einer gesunden Lebensweise anzuregen“. Das wollen Sie nicht, das lehnen Sie ab, obwohl in der Präambel oder in den grundsätzlichen Ausführungen des Erziehungs- und Unterrichtsgesetzes zehn Aufgabenpunkte ausgeführt sind, was Erziehungs- und Unterrichtsziele sind,

zum Beispiel so wichtige Bildungsaufträge wie Kenntnisse von Tradition und Brauchtum unter besonderer Berücksichtigung Bayerns zu vermitteln oder Verständnis für die Umwelt zu fördern oder die Liebe zur Heimat zu wecken. Das sind wichtige Punkte. Ich habe gar nichts dagegen. Aber ich verstehe um Himmels willen nicht, warum nicht auch ein Verständnis für die Gesundheit und für ein gesundheitsbewusstes Leben aufgenommen werden soll. Es ist zwar noch nicht konkret, aber selbst das wollen Sie nicht, meine Damen und Herren. Das ist mir völlig unverständlich.

Gesundheitsförderung darf nicht weniger wert sein als andere politisch inhaltlich wichtige Ziele. Gesundheitsförderung ist einer der entscheidenden Punkte. Zu diesem Schluss kommt man, wenn man sich anschaut, wie es mit der Gesundheit bestellt ist. Ich verweise da auf das Protokoll. Man kann es konkret aufzählen, was in dieser Hinsicht bereits im Kindesalter los ist.

Nach neuen Untersuchungen hat bereits jedes zehnte Kind im Grundschulalter Raucherfahrungen. Das zeigt doch ganz klar, dass es wirklich notwendig und wichtig ist, endlich einzugreifen und Rahmenbedingungen zu schaffen, damit Gesundheitsförderung als Erziehungsund Unterrichtsziel ernst genommen wird.

Sie sagen immer, dass in Bayern dies sowieso schon alles gemacht werde, dass Bayern in dieser Frage sowieso besser sei als der Rest der Welt.

Ich will ein Beispiel anführen. Das größte bundesweit vorhandene Gesundheitsförderungsprogramm hat seinen Ursprung in Bayern. Das stimmt. Es heißt „Klasse 2000“. Vielleicht kennen Sie es. Diese Initiative geht von dem Klinikum Nürnberg aus. Das „Klasse 2000“-Projekt richtet sich an Grundschüler der ersten bis vierten Klasse. Es ist ein ganzheitliches Aufbauprogramm zur Gesundheitsförderung der Kinder, eine wunderbare Sache, die bundesweit anerkannt ist.

Auch die Teilnehmerzahlen sind auf den ersten Blick beeindruckend. Allein in Bayern sind bis zum laufenden Schuljahr 45000 Schüler in 1718 Klassen an diesem Projekt beteiligt. Da kann man sagen: Das läuft doch wunderbar; da tun wir doch etwas.

Auf der anderen Seite muss man aber auch sagen, dass wir in Bayern 540000 Grundschüler haben. 8% der Schülerinnen und Schüler im Grundschulalter sind an einem Gesundheitsförderungsprogramm beteiligt. Ich frage Sie: Reichen Ihnen diese 8% der beteiligten Schüler? Ist es nicht sinnvoll, noch mehr Schülerinnen und Schüler und überhaupt junge Menschen in ein solches Programm zu bringen?

Die Gesundheitsprogramme, die es gibt, entwickeln sich ausschließlich auf rein freiwilliger Basis. Auch das muss man sagen. Das spricht nicht für eine bewusste Förderung und eine bewusste Steuerung. Es darf doch nicht sein, dass alles auf freiwilliger Basis geschieht. Man nimmt das zwar hin, aber einen grundsätzlichen Handlungsbedarf sieht man nicht.

Selbstverständlich brauchen wir in den Schulen eine gewisse Freiheit. Die Lehrer brauchen in ihrer Eigenverantwortung Freiheiten. Aber natürlich brauchen sie auch Rahmenbedingungen. Das bedeutet, dass man Vorgaben machen muss, wie Gesundheitsförderung in den Schulen umgesetzt werden kann.

Am sichtbarsten ist der politische Wille dann, wenn es ums Geld geht. Sie können jetzt fragen, wie dieses bundesweit anerkannte Projekt „Klasse 2000“ finanziert wird. Ich sage: vom Freistaat gibt es keine müde Mark. Daran können Sie ablesen, wie viel Ihnen das alles wert ist. Das Ganze finanziert sich durch Spenden von Sponsoren und Eltern. Auch andere Gesundheitsförderungsprojekte in den Schulen werden durch Sponsoren gefördert, zum Beispiel regelmäßig durch den Lyons-Club und den Rotary-Club. Wir bedanken uns natürlich recht herzlich für diese Förderung. Sie ist wichtig. Aber es kann doch nicht wahr sein, dass wir ein so wichtiges Thema allein dem Rotary-Club oder dem Lyons-Club überlassen. Meine Damen und Herren, hier braucht man politische Verantwortung, politische Steuerung und Rahmenbedingungen, die wir mit diesem Gesetzentwurf schaffen wollen.

Wir wollen, dass der Freistaat Bayern seine Verantwortung für die Gesundheitsförderung in den Schulen wahrnimmt und die Gesundheitsförderung in den Schulen einen anderen Stellenwert, neue Formen und neue Strukturen bekommt, damit die Kinder besser vorbereitet werden und wissen, wie man sich gesundheitsbewusst verhält.

Die Zahlen über den Gesundheitszustand der Kinder, die in der Presse veröffentlicht werden, sprechen für sich. Fragen Sie in den Familien. Jedes vierte Kind erkrankt mittlerweile an Haltungsschäden. Das sind Zahlen, die Sie zur Kenntnis nehmen müssen.

Wenn Sie weiter warten wollen, bis die Staatsregierung etwas vorlegt, dann werden wir lange warten. Nehmen Sie Ihre Verantwortung in diesem Parlament wahr, und diskutieren Sie zusammen mit uns einen vernünftigen Gesetzentwurf. Am besten ist es, Sie stimmen ihm heute noch zu.

(Beifall bei der SPD)

Die nächste Wortmeldung kommt von Frau Kollegin Schopper.

Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Der Zweiten Lesung des Gesundheitsförderungsgesetzes konnten Sie bisher nicht so sehr viel abgewinnen. Ich denke, wir sollten uns hier aufgrund unserer parlamentarischen Verantwortung unstrittig darüber zeigen, dass wir der Prävention einen noch höheren Stellenwert innerhalb der Gesundheitspolitik geben. Wir haben erste Ansätze auf Bundesebene gesehen, wo wir im Gesundheitsstrukturgesetz erstmals feste Geldbeträge bereitgestellt haben, wo für Versicherte entsprechende Präventionsangebote ermöglicht werden. Der beste Versicherte ist derjenige – darüber sind wir uns einig –, dem nichts fehlt. „Salutogenese“ ist das neue Schlagwort in der Gesundheitspolitik.

Ich glaube, wir sollten in den nächsten Jahren nicht die Kosten, die in der gesundheitspolitischen Auseinandersetzung oft einen breiten Stellenwert einnehmen, als den wichtigen, zentralen Punkt ansehen, sondern schauen, inwieweit wir dahin kommen können, Gesundheit überhaupt nicht erst aufs Spiel zu setzen und Krankheiten zu vermeiden.

Von daher ist es umso wichtiger, vorzusorgen und sich durch den Lebensstil die Gesundheit zu erhalten. Bei den Menschen müssen wir Aufklärung betreiben, damit der Stellenwert der Gesundheit überhaupt erkannt wird. Wir sind in der Politik natürlich aufgefordert, vor allem im Hinblick auf die Kinder aufzuklären und vorzusorgen.

Der Kollege Pfaffmann hat schon Zahlen genannt. Was an Haltungsschäden und Übergewicht bei Kindern festgestellt wird, sind Hypotheken für die Zukunft. Dabei dürfen wir aber nicht nur bei den Kindern ansetzen, sondern müssen auch die Eltern mit ins Boot holen und bei ihnen Aufklärung betreiben.

Gesundheitsberichterstattung, wie sie in dem Gesetzentwurf vorgesehen ist, ist ein wichtiger Punkt. Wir haben bereits bei der Sozialberichterstattung gesehen, dass es eine sehr hohe Schichtspezifik innerhalb der Gesundheitszustände der einzelnen Menschen gibt. Natürlich haben wir aber auch eine regionale Verwerfung. Von daher bin ich froh, dass wir im Krebsregister, das wir letztes Jahr beschlossen haben, den Bereich, wo die Krebserkrankungen mit am häufigsten waren, aufgenommen haben.

Auch die Gesundheitskonferenzen halte ich für eine sinnvolle Einrichtung. Von daher haben wir diesem Gesetzentwurf erheblich mehr abgewinnen können als Sie, die Sie sich in der Ablehnung so brüsk gezeigt haben.

Wir haben immer ein Problem damit gehabt. Das haben wir auch in den einzelnen Ausschüssen deutlich gemacht. Wir sagen, dass wir Gesundheitserziehung nicht als eigenes Fach in den Grund-, Haupt-, Realschulen oder Gymnasien haben wollen. Denn es handelt sich um eine Querschnittsaufgabe, bei der das Wissen in den einzelnen Fächern vermittelt werden sollte. Man darf

nicht glauben, dass man über ein einzelnes Fach entsprechende Gesundheitsförderung betreiben kann. Das halten wir nicht für angezeigt. Eine Verteilung über die einzelnen Fächer ist besser.

Gesundheit zu bewahren und wieder gesund zu werden ist für viele Menschen wichtig. Aber es ist mitunter nicht so einfach, sich zum Beispiel das Rauchen abzugewöhnen oder seinen Drogen-, Nikotin- oder Alkoholkonsum einzuschränken. Auch kann sich nicht jeder beim Essen umstellen.

Wir haben als Gesundheitspolitiker die schwierige Aufgabe, Zivilisationskrankheiten zurückzudrängen. Von daher glauben wir, dass Aufklärung und Gesundheitsförderung auf allen Ebenen notwendig sind, damit die Gesundheit nicht auf dem Spiel steht.

Wir werden dem Gesetzentwurf zustimmen, auch wenn wir Bauchschmerzen haben, was dieses eigene Fach Gesundheitserziehung anbelangt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nächster Redner ist Herr Kollege Zimmermann.