Es ist generell mein Eindruck, dass SPD und GRÜNE, solange sie in der Opposition waren, immer nur Bahn und Bahn und Bahn gerufen haben, davon aber, seitdem sie in der Regierung sind, nichts mehr sehen, hören oder sagen. Das ist vorbei.
Herr Hoderlein, wenn Sie mir vorwerfen, hier habe der Generalsekretär gesprochen, so nehme ich das durchaus als Kompliment. Die CSU hatte immer gute Generalsekretäre.
Umgekehrt muss ich Ihnen aber sagen – das können Sie nicht unbedingt als Kompliment nehmen –: Bei Ihnen hatte ich nicht nur den Eindruck, sondern die Überzeugung, dass der Parteivorsitzende gesprochen hat. Das ist deswegen kein Kompliment, weil die SPD in Bayern in der Regel keine guten Parteivorsitzenden gehabt hat.
Ich weiß ja nicht, ob Sie diese Reihe fortsetzen wollen oder werden. Mit der intellektuellen Qualität Ihrer Thesen, die Sie vorgebracht haben, ist es jedenfalls nicht weit her. Wenn Sie die Arbeitslosenzahlen in Deutschland von 1983 und 1998 vergleichen, vergessen Sie, dass es zwischenzeitlich eine Wiedervereinigung gegeben hat.
Nein, ich war bei Ihrer Rede im Plenum – im Gegensatz zu Ihnen. Knatschen Sie doch nicht dazwischen.
Herr Hoderlein macht es sich bequem, wie es einem Parteivorsitzenden der SPD zusteht: Während der Debatte ist er nicht da oder er hört nicht zu. Am Schluss meint er, er müsse seinen großen Auftritt als Parteivorsitzender haben. Das können Sie selber bewerten, wie Sie wollen. Ich habe mir die Dinge sehr genau angehört und aufgeschrieben. Lesen Sie es vielleicht einmal nach. Bei dem Vergleich der Arbeitslosenzahlen haben Sie die Wiedervereinigung überhaupt nicht erwähnt, sondern außer Acht gelassen.
Zweitens haben Sie nicht die Folgen der sozialistischen Misswirtschaft in den neuen Ländern erwähnt.
Diese haben uns die Probleme sowohl bei der Arbeitslosigkeit wie auch insgesamt bei der Neuverschuldung gemacht. Ihnen geht es zur Zeit ja nicht viel anders. Man sieht ja, wie Sie sich bei der Fortsetzung der gesamten Programme für den Osten Deutschlands und bei den 300 Milliarden DM, die bezahlt werden müssen, gequält haben. Sie schütteln das Geld schließlich auch nicht aus dem Ärmel. Herr Eichel hat seinen Haushalt bisher von der Verschuldung nicht nennenswert befreien können. Es werden zwar schöne Ziele genannt, aber mehr ist es auch nicht. Es ändert sich also relativ wenig.
Wenn Sie sagen, dass der Einfluss der Psychologie in Politik und Wirtschaftspolitik sehr groß ist, dann muss ich sagen, die Tatsache, dass Sie mit der PDS, die als umgewandelte SED für die Misswirtschaft in der ehemaligen DDR hauptverantwortlich ist und der wir die gesamten Ergebnisse zu verdanken haben, heute Koalitionen und demnächst noch größere Koalitionen eingehen wollen,
ist das Miserabelste, was Sie im Blick auf Berlin anstellen können. Dies wird seine Auswirkung über Berlin hinaus haben. Jeder weiß heute, dass sich die SPD angesichts der Schwäche der GRÜNEN überlegt, ob nach der nächsten Bundestagswahl nicht die PDS ihr Partner sein kann. Dazu kann ich nur sagen: Das ist das „beste“ psychologische Signal, das Sie für die Wirtschaft geben können. Es ist nicht ein Signal für Investitionen in Deutschland, sondern ein Signal für Investitionen im Ausland. Machen Sie nur so weiter!
Dass Sie dem Bürger weiter das Geld aus der Tasche ziehen und meinen, er merkt es nicht, beweisen die Ökosteuer, EEG und KWK und die geplante Schwerverkehrsabgabe. Sie sagen, für die Infrastruktur brauche man mehr Geld. Warum erklärt man sich denn nicht bereit, die streckenbezogene Maut – das ist die Schwerverkehrsabgabe – zu 100% in die Infrastrukturfinanzierung zu stecken?
Warum sagt die SPD: nur 25%, mehr nicht!? Bodewig wurde gefragt, ob man nicht mehr machen könne – die Verkehrsminister sind ja durchaus dafür –; er hält sich aber zurück. Von Ihnen kommt kein anderer Ansatz. Wo soll es denn herkommen? Früher hat es immer geheißen: Verkehr finanziert Verkehr. – Das ist schon lange nicht mehr so. Verkehr finanziert heute alles Mögliche mit. Wenn man hier eine neue Methode der Gebührenabschöpfung einführt, so hat dies nur Sinn, wenn diese Mittel zu 100% in die Infrastrukturfinanzierung gehen.
Nun zur großen Steuerreform, die Sie auch wieder angesprochen haben. Es heißt immer, dass durch diese Steuerreform im Schnitt ein Volumen von 90 Milliarden DM – es können auch ein paar Milliarden mehr oder weniger sein; das ist Wurst – bewegt wird. Unter Einbeziehung der Gegenfinanzierung verbleiben 50 oder 55 Milliarden DM. Was bleibt nach 2005 denn übrig? Rechnen Sie es doch einmal nach. Die Ökosteuer wird, wenn es mit ihr nach der Bundestagswahl weitergeht, wie die GRÜNEN es wollen, einschließlich der Mehrwertsteuer bis dahin schon zusätzliche Belastungen von 35 bis 37 Milliarden DM gebracht haben. Lafontaine – dessen Steuerreform hat man schon vergessen – hat seinerzeit eine Zusatzbelastung von 10 Milliarden DM für die Wirtschaft gebracht. Die Schwerverkehrsabgabe soll etwa 7 Milliarden DM bringen. EEG und KWK machen dann um die 12 Milliarden DM aus. Wenn man dies zusammenrechnet, ergeben sich Zusatzbelastungen von über 60 Milliarden DM, von etwa 65 Milliarden DM. Nach Abschluss der Steuerreform – ich rechne hier nicht einmal die kalte Progression ein – zahlt der Steuerzahler, der Steuerbürger mehr, als ihm an Entlastung in Aussicht gestellt worden ist. Dies ist ein großer Umverteilungs- und Verschiebebahnhof. Von der größten Steuerreform der Geschichte, von der Schröder geredet hat, bleibt nichts übrig.
Ich kann dazu nur sagen: Das bleibt die größte Propagandaaktion, die die Bundesregierung jemals gestartet hat.
Noch ein Wort zur Senkung der Arbeitslosenzahlen. Stellen Sie einmal einen Vergleich an. Betrachten Sie einmal die demographische Entwicklung und fragen Sie sich, inwieweit die Senkung der Arbeitslosenzahlen tatsächlich auf neue Arbeitsplätze zurückzuführen ist. Letzteres wäre wirtschaftlich effektiv. Es gibt ein paar Länder, in denen neue Arbeitsplätze geschaffen werden. In anderen Ländern geschieht dies nicht; dort ist die Senkung der Arbeitslosenzahlen ausschließlich durch die demographische Entwicklung bedingt, nicht aber durch die gute ökonomische Entwicklung und durch neue Arbeitsplätze. Hauen Sie deshalb doch nicht so mit Ihrer Propaganda um sich! Wenn Sie dies auf dem Parteitag der SPD tun, soll es mir recht sein. Hier herinnen können Sie es aber nicht tun. Hier im Parlament können Sie es nicht tun.
Von Ihnen wurde 1998 eine Senkung der Lohnzusatzkosten auf unter 40% versprochen. Es wurde gesagt: Das erreichen wir mit der Ökosteuer. – Dann zahlen nicht nur die Lohnabhängigen, sondern alle, auch die Rentner, die Arbeitslosen, die Studenten, alle miteinander zahlen mit. Damit wollte man die Senkung der Lohnzusatzkosten unter 40% bewerkstelligen. Wie stellt sich der Sachverhalt nun aber dar? Nichts mehr ist los! Die Lohnzusatzkosten liegen weiter über 40% und trotzdem zahlen alle die Ökosteuer. Was ist denn aus Ihren schönen Versprechungen geworden?
Was die Bauwirtschaft angeht, so wird immer schön gepredigt, dass die Kapazitäten sehr hoch seien. Warum hat Herr Schröder dann Holzmann gerettet? Er ist im Übrigen auch beim Gespräch mit der Wirtschaft anlässlich der Handwerksmesse gefragt worden, was er denn tue, damit es in der Bauwirtschaft vorangehe. Schröder hat darauf hingewiesen, dass Überkapazitäten vorhanden seien. Auf die Frage, warum er Holzmann gerettet habe, saß er genauso da wie Sie: Schweigend.
Er hat damals so gehandelt, weil es ihm vor dem Parteitag gerade gepasst hat. Sonst war gar nichts dahinter. Heute reden Sie von Überkapazitäten. Sie haben die Nachfrage eingeschränkt. Wenn ich es Ihnen noch einmal vortragen muss, Herr Hoderlein, weil Sie vorhin nicht anwesend waren, dann tue ich es: Die Tatsache, dass man die Verluste beim Mietwohnungsbau seit Lafontaine weitgehend nicht mehr mit anderen Einkommensarten verrechnen kann, hat zu einer massiven Reduktion des Mietwohnungsbaus geführt. Die Tatsache, dass Sie die Spekulationsfrist beim Eigenheimbau auf 10 Jahre verlängert und gleichzeitig die Kündigungsfrist für Mieter mit dem Argument der notwendigen Mobilität auf ein Vierteljahr verkürzt haben, hat zu einem Absacken der Entwicklung beim Eigentumswohnungsbau und beim Einzelhausbau geführt. Die Tatsache, dass Rot-Grün die Förderbedingungen verschlechtert hat, hat zu einem Rückgang des Potenzials im Bereich derjenigen geführt, die sich ein eigenes Haus leisten und bauen können. Die Tatsache, dass Rot-Grün die Finanzierung im Bereich
des sozialen Wohnungsbaus auf einen Mindestbestand heruntergefahren hat, wird mittlerweile auch von Frau Fuchs, die doch der SPD-Bundestagsfraktion angehört, beklagt. Deswegen läuft im sozialen Wohnungsbau zu wenig. Man hat an vier Stellen die Bremsen angezogen. Nun wundert man sich, dass der Karren steht. Rot-Grün spricht von Überkapazitäten. Natürlich haben wir beim Abbremsen der Nachfrage in dieser Situation Überkapazitäten.
Dass im Bereich des Wirtschaftsbaus nichts läuft, hat mit der wirtschaftlichen Entwicklung zu tun, weil das Vertrauen nicht mehr da ist, weil Sie die Finanzinvestoren, nicht aber die Investoren in Sachkapital bei der Steuerreform gefördert haben. Deshalb läuft im Bereich des Wirtschaftsbaus nichts. Im Bereich des öffentlichen Baus leistet Herr Eichel einen „großen“ Beitrag, weil er die Investitionsquote zurückfährt. Wir halten diese Quote wenigstens. Auch in diesem Bereich passiert also zu wenig. Es wird umverteilt, das Geld wird in den Konsum gegeben, aber nicht in die Infrastruktur. Das wird sich rächen.
Wenn Sie die Kommunen bemitleiden, dann sagen Sie bitte auch, dass die Kommunen jetzt bei der Rentenreform mitbezahlen, dass wegen der steigenden Zahl der Sozialhilfeempfänger aufgrund Ihrer Wirtschaftspolitik die Kommunen mitbezahlen.
Die disponiblen Mittel für die Investitionen werden dadurch zu knapp. Der Mangel an Infrastruktur wird sich negativ auswirken.
Sie sagen, die Konjunktur im Baubereich gehe zurück. Entschuldigung, im letzten Jahr ist sie im PKW-Bereich bereits zurückgegangen. Das wurde durch den Auslandsabsatz kompensiert, aber dieser geht heute auch zurück. Im LKW-Bereich geht der Absatz in Amerika um 40% zurück und bei uns wird er auch zurückgehen. Bei den Bussen erleben Sie dasselbe. Auch bei der Elektronik und bei den exportorientierten großen Industriezweigen flacht der Auftragseingang aus dem Ausland ab. Im letzten Jahr ist er im Inland bereits zurückgegangen. Es ist ja die alte These, dass die Probleme im Binnenmarkt und in der Binnenkonjunktur lägen und dass in den Binnenmarkt investiert werden müsse. Das hat Herr Lafontaine zumindest richtig analysiert; allerdings hat er daraus die falschen Konsequenzen gezogen.
Dafür, dass der Bund Bayern benachteiligt, gibt es viele eklatante Beispiele, die ich gar nicht wiederholen will. Wenn Sie das wollen, gebe ich es Ihnen auch noch einmal schriftlich. Das ist so bei dem Thema Kasernenschließung. Benachteiligt werden wir auch beim Thema Infrastrukturausgaben bei der Bahn, beim Interregio und bei anderen Themen. Das kann man angesichts der Zahlen ja nicht mehr bestreiten. Sie wollen das wegdiskutieren. Ich sage Ihnen gleich: Das wird Ihnen nicht gelingen. Sie wären besser beraten, beim Bund zu intervenieren, damit er Bayern und damit er uns anders behandelt.
Ein vorletzter Punkt: das Märchenbuch Bundesverkehrswegeplan. Bekanntlich bin ich seit einigen Jahren auch Verkehrsminister. Seit dieser Zeit besuche ich regelmäßig die Verkehrsministerkonferenzen. Ich habe diese Konferenzen in der Zeit vor dem Regierungswechsel und in der Zeit danach erlebt. Wissen Sie, was vor dem Regierungswechsel war? Die Kollegen und Kameraden aus den SPD- und aus den SPD/grün-regierten Ländern haben stets gesagt: In den Bundesverkehrswegeplan muss alles hinein, was irgendwann gebaut werden soll; das ist ja kein Finanzierungsplan. – So war immer die Aussage. Da haben wir uns natürlich auch nicht zurückgehalten und haben gesagt: Was gebaut werden muss, kommt dort hinein. – Dann darf man sich heute nicht wundern. Obwohl die SPD an diesem Buch tüchtig mitgeschrieben hat, kommt der Hoderlein heute und sagt, das sei ein Märchenbuch. Ja, da waren Sie doch selber die Märchenonkel, da waren Sie ordentlich dabei!
Und wenn gesagt wird, es fehle die Finanzierung, so sage ich Ihnen: Sie haben nach dem Regierungswechsel die Finanzierungsquoten deutlich zurückgefahren und Sie fahren sie noch weiter zurück. Die mittelfristige Finanzplanung für die Investitionen bei der Bahn geht von 9 Milliarden DM, die es bei Herrn Waigel noch waren, bei Eichel auf 6,4 und auf 4,4 Milliarden DM zurück. Das ist die Wirklichkeit. Das gleicht man vorübergehend durch die UMTS-Erlöse aus, drei Jahre je 2 Milliarden DM. Wenn die Bundestagswahl vorbei ist, ist es mit den Mitteln vorbei. Das ist die Realität. Halten Sie doch da die Leute nicht zum Narren! Das Ganze passt doch nicht.
Der letzte Punkt, den ich ansprechen möchte, ist Ihr Einfluss auf die Psychologie. Jawohl, die Lage folgt der Stimmung, heißt es in der Wirtschaft. Nur, die Stimmung entsteht nicht durch Appelle. Die Stimmung im Wirtschaftsbereich entsteht durch klare ziel- und zukunftsorientierte Entscheidungen, nicht dadurch, dass Sie eine Blaskapelle aufmarschieren lassen, sondern dadurch, dass Sie Entscheidungen treffen, bei denen die Wirtschaft den Eindruck hat: Das ist langfristig sinnvoll und zukunftsorientiert. In der Wirtschaft denkt man nämlich nicht in Vier- und Fünfjahreszyklen wie wir in der Politik in der Regel, sondern in Acht- bis Zwölfjahreszyklen, manchmal sogar länger, weil das die Investitions- und Amortisationszeiträume sind. Deswegen braucht man längerfristig Klarheit.
Aber das, was Sie hier mit Ihren Gesetzen und mit den Entscheidungen, die in den vergangenen Jahren getroffen worden sind, an Orientierung gegeben haben, geht genau in die falsche Richtung, gibt keine Klarheit, gibt nicht mehr Flexibilität im Arbeitsmarkt, gibt nicht mehr Klarheit bei Investitionen, gibt nicht mehr Klarheit bei Innovationen, bei neuen Produkten, bei neuen Entwicklungen, gibt nicht mehr Klarheit für die Wirtschaft, wie es insgesamt weitergeht. Und deswegen ist die Stimmung durch Ihre Politik auch psychologisch negativ beeinträchtigt. Deswegen müssen Sie entweder Ihre Politik ändern oder es muss die Regierung geändert werden.
Zum weiteren Vorgehen, meine Damen und Herren: Ich werde im Anschluss den Tagesordnungspunkt 8 aufrufen, die Zweite Lesung des Gesetzentwurfs zur Entwicklung und Verbesserung der Gesundheitsförderung in Bayern, weil das noch vor der Fragestunde erledigt werden kann.
Zum weiteren Ablauf am Nachmittag weise ich darauf hin, dass nach der Fragestunde und der anschließenden Beratung weiterer offener Tagesordnungspunke – das werden die Zweiten Lesungen und Verfassungsstreitigkeiten sein – die Sitzung gegen 15.45 Uhr aus technischen Gründen unterbrochen wird. Es muss einiges für die Ansprache des Premierministers von Québec, Herrn Bernard Landry, vorbereitet werden, die gegen 16 Uhr beginnt. Es ist keine alltägliche Sache, dass bei uns ein ausländischer Staatsgast redet. Daher bitte ich darum, dass das Haus zahlreich versammelt sein möge.