Protocol of the Session on July 10, 2001

(Breitschwert (CSU): Deine Rede sei ja ja oder nein nein!)

In wirklich begründeten Einzelfällen könnten wir mitziehen. Uns fallen aber nur sehr wenig begründete Einzelfälle ein, zum Beispiel der Platz vor einer Synagoge oder ein dunkler Park-and-ride-Platz; das war’s dann schon fast. Deswegen werden wir den Entwurf der CSU ablehnen und uns bei der Abstimmung über den SPD-Entwurf der Stimme enthalten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als nächster hat Herr Staatsminister Dr. Beckstein das Wort, bitte.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Ich bin davon überzeugt, dass eine moderne Kriminalitätsbekämpfung nicht mehr ohne Videotechnik auskommt.

(Beifall bei der CSU)

Selbstverständlich ist die Videotechnik nicht der Stein der Weisen, sondern ein Mosaiksteinchen im großen Kampf gegen die Kriminalität. Sie gehört heute zum internationalen Standard. Ich weise ausdrücklich darauf hin, dass wir in Bayern damit keineswegs die allerersten

sind. Baden-Württemberg, Hessen, das Saarland und Sachsen haben dafür die gesetzlichen Möglichkeiten, wobei das Saarland, wenn ich mich recht erinnere, eine vierzehntägige Aufzeichnungsmöglichkeit vorsieht. Darüber hätte man sich auseinandersetzen können. Kollege Herrmann hat das angedeutet: Das wäre nicht der entscheidende Punkt gewesen. Ich glaube, nahezu alle polizeilichen Sachverständigen sind sich darin einig, dass man ohne Videoüberwachung nicht mehr auskommt.

Ich will daran erinnern, dass wir in diesem Hause früher eine erbitterte Auseinandersetzung über die Installierung von Videokameras in Fussballstadien geführt haben. Herr Hahnzog, wenn ich mich recht entsinne, haben Sie sich damals vehement gegen Videokameras in Fussballstadien gewendet. Heute ist das international eine Selbstverständlichkeit. Es gibt kein Europameisterschaftsspiel und kein Weltmeisterschaftsspiel in einem Stadion, ohne dass Videotechnik verwendet wird. Es ist eindeutig, dass die Videotechnik dort erhebliche Vorteile hat, um Kriminalität in den Stadien zu reduzieren. Herr Kollege Jung, ich lade Sie und auch Herrn Hahnzog ein, sich das im Nürnberger Stadion anzusehen.

(Dr. Hahnzog (SPD): Ich habe ein bisschen mehr Ahnung als Sie vom Fussball! – Zuruf von der CSU: Er hat nicht vom Fussball geredet!)

Ich bin durchaus zufrieden, wenn wir uns darauf einigen können, dass Sie etwas vom Fussball verstehen und ich etwas von der Sicherheit.

(Beifall bei der CSU)

Videotechnik in Fussballstadien ist heutzutage eine Selbstverständlichkeit. Jeder weiß, dass sie eine der Anforderungen ist, welche die FIFA oder der DFB stellt. Ich möchte auch darauf hinweisen, dass der umfangreichste Einsatz von Videotechnik, den es in Deutschland gibt, in Bahnhöfen stattfindet, damit im Verantwortungsbereich des Bundesgrenzschutzes und des jetzigen Bundesinnenministers. Zwar wurden die Anlagen noch unter dem damaligen Bundesinnenminister Kanther installiert, aber Herr Schily hat das voll übernommen. Ich habe mit ihm zusammen die Sicherheitseinrichtungen am Münchner Hauptbahnhof angesehen. In der Tat ist es unter Fachleuten nicht mehr umstritten, dass die Einführung der Videotechnik dazu geführt hat, dass die Bahnhöfe von ihrem Schmuddelimage weggekommen sind, nicht mehr als Angsträume gelten und saubere, ordentliche, kunden- und bürgerfreundliche Orte geworden sind. Das muss man doch als positiv ansehen.

Im Münchner Hauptbahnhof, auch am Stachus, gibt es Verkehrsflächen auf unterschiedlichen Ebenen. Oben ist die Bahn, unten verkehrt die U-Bahn und dazwischen ist eine öffentliche Verkehrsfläche. In dem öffentlichen Verkehrsbereich wäre eine Videoüberwachung nicht möglich. Dann würde sich aber jegliches Gefährdungspotential dorthin zurückziehen: Das kann nicht vernünftig sein.

Frau Tausendfreund, es ist richtig, dass manche Banküberfälle wegen der Überwachungskameras vermummt

erfolgen. Wir haben mit Kameras aber ganz andere Möglichkeiten der Aufklärung von Banküberfällen.

(Große Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Herr Präsident, ich bin für Ihr Eingreifen sehr dankbar. Hier wird so laut geredet, dass man seine eigenen Äußerungen nur mit Mühe hört. Ich danke Ihnen dafür, dass Sie die Diskussion erleichtern. Wir wollen doch hier über eine Frage diskutieren, die angeblich so wichtig ist, dass man zum Verfassungsgericht gehen will. Man sollte sich daher schon ernsthaft darüber unterhalten.

Videotechnik ist heute in Banken oder auch in Selbstbedienungsgeschäften eine Selbstverständlichkeit. Jeder weiß, dass die ganz überwiegende Zahl der Videokameras nicht im Bereich öffentlicher Verkehrsflächen, sondern aufgrund Hausrechtes eingesetzt wird. In diesem Bereich wird die Videotechnik in sehr viel weitergehendem Umfang eingesetzt, als es in öffentlichen Bereichen geschieht oder auch aus unserer Sicht sinnvoll erscheint.

Nun zu dem Versuch in Regensburg. Eine Grundlage des Versuchs in Regensburg war, dass man unter dem geringsten Kostenaufwand die vorhandenen Kameras, die für Zwecke der Verkehrslenkung von den Verkehrsbetrieben der Stadt Regensburg angebracht worden sind, auch für Zwecke der Kriminalitätsprävention an ausgesuchten Orten verwendet hat. Der Kostenaufwand war also minimal. Deswegen habe ich diesem Versuch auch zugestimmt. Bei diesem Versuch waren jene Plätze der Ausgangspunkt, an denen im Rahmen der Verkehrslenkung Video eingesetzt worden ist. Die Ergebnisse wurden dann ausgewertet.

(Glocke des Präsidenten)

Eines der Ergebnisse ist eben, dass wir in der Tat die Aufzeichnungsmöglichkeit brauchen. Andernfalls müsste wirklich rund um die Uhr jemand vor die Monitore gesetzt werden. Es ist ja gerade der Sinn dieser Maßnahme, die polizeiliche Effizienz zu erhöhen.

Herr Kollege Jung, Sie haben zwar Recht, wenn Sie sagen, wir würden eigentlich noch Tausende von Polizeibeamten mehr benötigen. Sie wissen aber so gut wie ich, dass – mit Ausnahme Bayerns – nahezu alle Länder die Polizeistärke abgebaut haben. Hamburg hat dies in dramatischer Weise getan. Deswegen musste Kollege Wrocklage zurücktreten. Das war einer der Gründe. Nordrhein-Westfalen hat die Zahl der Polizeibeamten reduziert, ebenso Berlin und Niedersachsen. Wir sind, wie ich glaube, das einzige Land, das überhaupt keine Änderungen vorgenommen hat, obwohl wir die Grenzkontrollen abgebaut haben. Es gab damals harte Auseinandersetzungen darüber, ob man dann nicht wenigstens die Zahl der Grenzpolizisten deutlich reduziert. Wir konnten das abwehren. Ich halte das auch für richtig.

Es wird doch aber niemanden geben, der es für realistisch hält, zu einer erheblichen Ausweitung der Personalkapazitäten zu kommen. Also muss man sich fragen – dies ist der Ausgangspunkt –, wie man die vorhandenen Personalkapazitäten besser und effizienter einset

zen kann. Es ist unbestreitbar: Man kann die Kameras an unterschiedlichen Stellen anbringen; in der Einsatzzentrale kann man jemanden die Vorgänge dann beobachten lassen, der beispielsweise sonst nicht voll ausgelastet ist, weil er eben nur bei Notrufen und bei Telefonanrufen gefordert ist. Natürlich ist es klar, dass es dann auch wichtigere Dinge gibt, als die einfache Routinetätigkeit des Beobachtens des Monitors. Gerade deswegen ist die Aufzeichnung erforderlich.

Wir haben festgestellt, dass manche Anzeige erst nach etlichen Tagen eingeht. Es ist dann hilfreich, per Video eine Nachkontrolle vornehmen zu können.

Die Akzeptanz beurteilen wir völlig anders als Sie, Herr Kollege Jung. Nachdem dieses System in Hessen eingeführt worden ist, hat die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ eine Meinungsumfrage mit Bezug auf Frankfurt durchgeführt. Dabei hat sich ergeben, dass weit über 70 Prozent der Bevölkerung die Videotechnik positiv bewerten. Es ist keineswegs so, dass nur unbelebte Räume Angsträume darstellen. Ich lade Sie ein, einmal nach Hamburg zu gehen und sich das Gelände um den Hauptbahnhof anzuschauen. Dies ist einer der Bereiche, wo ganz offensichtlich eine Videoüberwachung dringend geboten wäre. Ich bin aus Anlass der Sicherheitssituation in München und Hamburg jetzt eingeladen worden, für die „Bild“-Zeitung in Hamburg einige Ausführungen zu machen. Ich werde die Situation in Hamburg also aus gegebenem aktuellen Anlass darstellen können.

(Beifall bei der CSU)

Als die Innenministerkonferenz nach Hamburg eingeladen worden ist, ist uns empfohlen worden, bei der Anreise mit der Bahn den Bahnhof nicht auf der linken Seite zu verlassen, weil dort ein Platz sei, auf dem aufgrund der Drogenszene mit Gefährdungen zu rechnen sei. Es hieß, man solle nur nach rechts aus dem Bahnhof hinausgehen. So etwas würde ich bei uns in Bayern nie akzeptieren.

(Beifall bei der CSU)

Dass dies selbst bei der SPD – jedenfalls kurz vor Wahlkämpfen – ähnlich gesehen wird, haben wir ja erlebt. Ich hätte hier gerne noch einige Bemerkungen zu den jüngsten Ausführungen des Bundeskanzlers zur Behandlung von Sexualstraftätern gemacht.

(Beifall bei der CSU – Zuruf von der CSU: Sehr gut!)

Herr Staatsminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Kollegin Tausendfreund?

Bitte schön, Frau Kollegin!

Herr Dr. Beckstein, würden Sie mir zustimmen, wenn ich sage, dass Hamburg nicht Regensburg ist? Schließlich auch noch die Nachfrage, warum bei dem Regensburger

Projekt, bei dem es eine Untersuchung gegeben hat, welche Plätze Angsträume sind, gerade die Plätze ausgewählt worden sind, die in dieser Untersuchung nicht speziell als Angsträume ausgewiesen worden sind?

Herr Innenminister!

Zunächst bestätige ich Ihnen ausdrücklich, dass Regensburg und Hamburg nicht dasselbe sind.

(Beifall bei der CSU – Zuruf von der CSU: Gott sei Dank!)

Ich sage Ihnen auch sehr deutlich, dass ich als Innenminister für polizeiliche Zustände wie in Hamburg in einer Millionenstadt wie München nicht die Verantwortung tragen wollte. Ich bin sehr froh, dass wir in München eine viel bessere Situation haben. Wir befinden uns auch im Wettbewerb. Dann ist es natürlich auch so, dass man manches in Relation setzt. Man hört von einer um 9500 höheren Häufigkeitszahl in der Kriminalität in Hamburg. Natürlich halte ich eine etwa gleich hohe Zahl von Morden in Hamburg, Berlin und München nicht für akzeptabel. Natürlich sehe ich auch die Situation im Bereich Raub sehr kritisch. Man muss aber die Unterschiede sehen und sich fragen, was man mit Prävention erreichen oder auch nicht erreichen kann. Man kann – jeder Sicherheitsfachmann weiß das – Morde durch Prävention praktisch nicht verhindern, weil Morde ganz überwiegend im persönlichen Nahbereich passieren. Man kann aber die Zahl der Handtaschenraube reduzieren. Man kann die Zahl der offenen Drogenszenen reduzieren. Das tun wir.

(Glocke des Präsidenten)

Es ist ganz offensichtlich, dass auch Videotechnik einen kleinen Beitrag dazu leisten kann.

Frau Kollegin Tausendfreund, ich habe dargelegt, dass wir bei dem Versuch in Regensburg deswegen die kriminalitätsbelasteten Plätze gewählt haben, die die Verkehrsbetriebe auch für ihre Zwecke ausgesucht haben, weil wir damit den preiswürdigsten Weg einschlagen konnten. Wir werden Videotechnik nicht flächendeckend einkaufen und einsetzen, sondern wir werden bei dem Einsatz sehr sparsam und sehr zurückhaltend sein. Wir werden beispielsweise vorhandene Videokameras, wenn es also nichts kostet, bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für die von mir angesprochenen Zwecke nutzen. Es ist doch ganz selbstverständlich, dass ich jeweils andere Überlegungen anstellen muss, je nachdem, ob ich für eine Kamera ein paar Hunderttausend Mark aufwenden muss oder der Einsatz praktisch nichts kostet. Wir wären doch völlig verrückt, wenn wir nicht wie in Mannheim, wo ein Glasfasernetz bereits vorhanden ist, die Kameras anschließen und einsetzen würden. Der SPD-Oberbürgermeister von Mannheim hat gegenüber den Innenministern der B-Länder ausdrücklich hervorgehoben, dass, wenn das Glasfasernetz zur Übertragung ohnehin schon vorhanden ist, die Aufstellung der Kameras wenig kostet, zugleich einen sehr hohen Sicherheitsgewinn bringt. Diese Mittel-Zweck-Re

lation werden wir selbstverständlich immer im Auge haben.

Herr Staatsminister, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage der Frau Kollegin Tausendfreund?

Bitte schön, Frau Kollegin!

Herr Beckstein, heißt das, dass das Projekt in Regensburg dann eigentlich aus Kostengründen und nicht aus Sicherheitsgründen durchgeführt wurde?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Ich weiß nicht, ob ich diese Frage ernst nehmen soll. Wenn ich sie ernst nehme, muss ich Ihnen sagen: Wer Sicherheitspolitik ohne jede Berücksichtigung von Kosten betreibt, ist ein Tor. Wer Sicherheitspolitik nur unter Kostengesichtspunkten betreibt, ist auch ein Tor.

(Beifall bei der CSU – Zuruf von der CSU: Bundes- wehr ohne jede Kosten!)

Ich wäre doch aber von allen guten Geistern verlassen, wenn ich eine solche Möglichkeit nicht wahrnehmen würde, wie sie sich bietet, wenn mir jemand sagt: Wir haben hier bestimmte Kameras, die ihr ohne nennenswerte Kosten einsetzen könnt. Die einzig zusätzlichen Kosten waren die Kosten eines zusätzlichen Monitors. Dieser Monitor ist ohne Anforderung zusätzlicher Mittel aus dem Budget der örtlichen Polizei bezahlt worden. Das ist etwas anderes, als wenn ich einige Millionen oder gar zig Millionen für ein bestimmtes Projekt aufwenden würde.