Protocol of the Session on June 26, 2001

(Beifall bei der CSU – Maget (SPD): Wer Berlusconi und Haider unterstützt, sollte sorgfältiger in seiner Wortwahl sein!)

Auch im Hinblick auf die PDS ist das Wahlverhalten der Bürger kein Maßstab für das, was der Staat zu leisten hat. Eines werden wir mit Blick auf den Solidarpakt und die weitere Förderung der neuen Bundesländer feststellen dürfen: Es kann nicht angehen, dass man sich zum Beispiel in Sachsen-Anhalt oder Mecklenburg-Vorpommern Sozialleistungen leistet, die nach unserer Auffassung nicht finanzierbar sind, weil die PDS gern gefällig ist und das Ganze über den Finanzausgleich finanzieren will.

(Frau Gote (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was ist mit dem Saarland?)

So kann es nicht gehen. Bei aller Solidarität haben wir hier das Recht, deutlich zu sagen, was wir für angemessen halten und was nicht.

Meine Damen und Herren, eine der wichtigsten Entscheidungen in diesem Paket ist nach meiner Überzeugung eine Entscheidung, die ich zum gegenwärtigen Zeitpunkt schlicht nicht für möglich gehalten habe, nämlich die Entscheidung zum Abbau der Gemeinschaftsaufgaben ab 2004. Ich sage ganz offen, nach dem, was bei den Diskussionen in den Sitzungen der Fraktionsvorsitzenden an unterschiedlichen Interessen vorgetragen worden ist, ist das ein Riesenschritt. Es ist auch der denkbar wichtigste Schritt zur Stärkung der Parlamente, weit wichtiger als jedes von Ihnen vorgeschlagene Konsultationsverfahren zwischen der Regierung und dem Parlament im Hinblick auf Stellungnahmen im Bundesrat. Den Ländern werden Zuständigkeiten zurückgegeben. Wir als Gesetzgeber haben wieder die volle Entscheidungsfreiheit über den Haushalt. Das ist ein Riesenschritt in Richtung der Stärkung der Länderrechte und ein Riesenschritt in Richtung der Stärkung der Rechte des Parlaments. Ich fürchte aber, es wird noch ein schwieriges Kapitel werden, bis alles verhandelt und realisiert ist. Da es Gott sei Dank einen Beschluss mit einem zeitlichen Ziel gibt, gehe ich aber davon aus, dass die Angelegenheit realisiert wird.

(Maget (SPD): Der Beschluss war einstimmig!)

Das ist richtig. Der Teufel wird im Detail stecken. Herr Maget, die Einstimmigkeit ist wertvoll und rechtfertigt manchen Kompromiss in der Sache. Im föderalen System kommt man nur so weiter.

Es ist übrigens eine Selbstverständlichkeit, dass auch der Bund seinen Beitrag leistet. Dass der Bund, der um der Stimmen im Bundesrat und des politischen Kuhhandels willen schon so viel Geld ausgegeben hat, in der Frage der föderalen Neuordnung auch einen finanziellen Beitrag leistet, ist eine schlichte Selbstverständlichkeit.

Ich halte es auch für sehr wichtig, dass sich die Ministerpräsidenten geeinigt haben, bevor sie zum Kanzler gingen. Wichtig ist ferner, dass es in der Frage des horizontalen Finanzausgleichs, nämlich in der Beziehung der Länder untereinander, nun interessanter ist, zusätzliche Mehreinnahmen zu erzielen, weil ein größerer Anteil von diesen Mehreinnahmen dem jeweiligen Land bleibt. Wichtig ist, dass die Anreize, die die Eigenanstrengungen honorieren, verstärkt wurden, was nicht nur für Bayern ein Vorteil ist.

Was Sie zu den Kommunen ausgeführt haben, erinnert an das Motto: „Ich glaube nur der Statistik, die ich selbst manipuliert habe.“ Das ist frei nach Churchill. Es gibt doch überhaupt keinen Zweifel daran, dass die bayerischen Kommunen im bundesweiten Vergleich die größte finanzielle Solidität aufweisen und keines der SPD-geführten Länder – ich lasse Baden-Württemberg jetzt einmal außen vor – auch nur annähernd in der Finanzsituation sind, die unsere Kommunen aufweisen. Wer auch nur über ein bisschen Erinnerungsvermögen verfügt, der weiß, wie der Ministerpräsident Schröder die Kommunen ausgeplündert hat und mit der jetzigen Steuerreform eine Reihe von Entscheidungen getroffen hat, die zulasten der Kommunen gehen.

(Beifall bei der CSU)

Herr Maget, wenn Sie etwas Wirksames für die Kommunen in Bayern tun wollen, dann appellieren Sie an die Bundesregierung, auch wenn dieser Appell wahrscheinlich nicht beachtet wird. Appellieren Sie an die Bundesregierung, die Sonderbelastungen der Kommunen zu streichen. Das ist der wichtigste Beitrag für mehr Handlungsspielraum der Kommunen.

(Beifall bei der CSU)

Im Übrigen hat der Bundeskanzler in einer frühen Phase der Verhandlungen gedroht, dass man über den Hebel der besseren Finanzsituation der bayerischen Kommunen eine Regelung zu unseren Lasten suche. Man wollte nämlich die Finanzsituation der Kommunen zu 100% in das Berechnungsmodell einbeziehen, was erhebliche zusätzliche Belastungen für Bayern bedeutet hätte. Wir sind nun bei 60% statt 50% gelandet. Das schmeckt uns nicht völlig, wir können es aber gemessen an dem, was im Raum stand, verkraften.

Was das Selbstverwaltungsrecht der Kommunen betrifft, so waren es unsere Initiativen hier im Parlament, nicht Ihre, die die Kommunen gestärkt haben. Wir haben beispielsweise Kompetenzen an die Kommunen durch die Delegation im Baurecht zurückgegeben. Wir haben Baurichtlinien für Schulen, Kindergärten usw. abgebaut. Wir haben in der Rechtsaufsicht den Kommunen deutlich mehr Freiraum gegeben und die Staatsaufsicht zurückgenommen. All das waren Initiativen aus den Reihen der CSU, nicht aus den Reihen der SPD.

Sie glauben, dass die Staatsverwaltung im Vergleich zu den Kommunen in personeller Hinsicht besonders stark sei. Ich würde Ihnen dringend empfehlen, sich mit Herrn Kollegen Franzke darüber zu unterhalten, welch heftige Attacken er in der letzten Legislaturperiode gegen uns

geritten hat, wenn es um Personalabbau in der Staatsverwaltung und um Verwaltungsvereinfachung gegangen ist. Das ist Ihre Doppelstrategie, die nicht glaubwürdig ist.

(Beifall bei der CSU)

Meine Damen und Herren, diese Übereinkunft ist ein wichtiger Schritt für den Föderalismus in Deutschland. Sie ist ein wichtiger Schritt für den Gestaltungsspielraum der Landesparlamente. Natürlich gibt es noch viele Schritte auf diesem Weg zu tun. Dabei kann man nur hoffen, dass die Bundesregierung und der Bundeskanzler auch das Subsidiaritätsprinzip zu ihrem Leitmotiv machen, so wie es für uns selbstverständlich ist.

Der CSU ist es letztlich zu verdanken – ich sage das nicht als Propagandaformel, sondern ich kenne die inneren Abläufe –, dass es zur Aufnahme des Subsidiaritätsprinzips in den Maastrichter Vertrag gekommen ist. Bundeskanzler Kohl hat es durchgesetzt, nachdem die CSU in intensiven Gesprächen mit ihm das Feld dafür bereitet hat. Er war es, der es letztlich im Vertrag verankert hat. Ohne die Initiative der CSU gäbe es das Subsidiaritätsprinzip im Maastrichter Vertrag nicht.

Wir haben einen entscheidenden Anteil daran, dass die Ebene der Regionen in Europa eingeführt wurde. Dies war mühsam, weil die innere Verfassung der nationalen Ebenen sehr unterschiedlich ist. Das war aber trotzdem ein ganz wichtiger Schritt.

Der Bayerische Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber hat über Jahre hinweg für eine Neuabgrenzung der Kompetenzen innerhalb der europäischen Gliederung gekämpft und ist dafür jahrelang beschimpft worden. Wir sind heute Gott sei Dank in der Situation, dass dies in der Konferenz von Nizza auf der Ebene der Regierungschefs beschlossen wurde und es jetzt um die Umsetzung geht. Das ist ein großer Erfolg für unsere Politik der Verwirklichung des Subsidiaritätsprinzips. Wir haben auch wesentliche Akzente in der Verwirklichung des Subsidiaritätsprinzips in Deutschland gesetzt.

Jetzt geht es darum, dass wir wirklich Schritt für Schritt auf die Abschaffung der Gemeinschaftsaufgaben hinarbeiten. Wir brauchen eine gründliche Neuverteilung der Aufgaben für Bund, Länder und Kommunen einschließlich der dafür erforderlichen Steuerhoheit für Bund, Länder und Kommunen. Das ist der wirksamste Weg für die notwendige Revitalisierung in Deutschland. Mischfinanzierung und Mischverantwortung führen nicht nur dazu, dass es für den Bürger undurchschaubar ist, wer letztlich die Verantwortung trägt, was wiederum die Staatsverdrossenheit fördert, sondern es kommt auch zu einem Lähmungseffekt. Die Abschaffung der Gemeinschaftsaufgabe führt dahin, dass wir im Geleitzug nicht mehr auf die Langsamsten warten müssen, sondern dass wir selbst entscheiden können, was wir für notwendig und richtig halten und was wir uns leisten können.

Ich freue mich auf den Tag, an dem wir auch in Steuerfragen selbst entscheiden müssen und für unsere Entscheidungen auch gerade stehen müssen. Ich freue mich, wenn bei dieser oder jener Steuer, die den Län

dern jetzt schon zusteht, dieser oder jener Satz genommen wird, beispielsweise bei der Erbschaftssteuer. Ich freue mich auf den Tag, an dem auch die Kfz-Steuer voll in die Kompetenz der Länder fällt. Ich freue mich darauf, wenn wir dafür die volle Verantwortung und die vollen Gestaltungsmöglichkeiten haben. Ich hoffe, dass Herr Clement in dieser Beziehung nicht ein einsamer Kämpfer innerhalb der SPD bleibt, sondern diese Haltung auch innerhalb der SPD mehrheitsfähig wird. Mit Blick auf die SPD in Bayern bin ich nicht optimistisch, aber ich hoffe, dass wir in Herrn Clement weiterhin einen Verbündeten haben.

(Beifall bei der CSU)

Die nächste Rednerin ist Frau Kollegin Stahl. Bitteschön.

Herr Präsident, meine Herren und Damen! Wir fragen uns schon, wer dem Ministerpräsidenten eingeflüstert hat, dass das Ergebnis vom Wochenende eine Regierungserklärung wert ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Selbstverständlich können Sie zu allem Regierungserklärungen abgeben, aber Bürgerinnen und Bürger staunen doch, erinnern wir uns doch sehr gut an das Kampfgetöse und Wortgeschepper der vergangenen Monate. Ungleichbehandlung, Benachteiligung, Bestrafung, Wettbewerbsverzerrung – das waren die Schlagworte, mit denen die Bayerische Staatsregierung im Verbund mit anderen so genannten Geberländern wie BadenWürttemberg und Hessen, das später auf den Zug aufgesprungen ist, vor das Bundesverfassungsgericht gezogen war. Und das ist das Ergebnis? – Ich frage mich schon, ob man sich nicht sehr weit aus dem Schaufenster gelehnt hat und ob man nicht auch mit etwas weniger Getöse vielleicht sogar mehr erreicht hätte, und zwar nicht nur in finanzieller Hinsicht, sondern sehr wohl auch in Bezug auf eine Strukturreform.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Politische Muskelprotzerei hat noch nie zum Wohl von irgendetwas geführt, und schon gar nicht zu intelligenten Reformen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Staatsregierung trug hehre Verfassungswerte wie die durchaus bedenkenswerte Stärkung der Länderkompetenzen und die Begriffe Gerechtigkeit und Solidarität vor sich her. Da sind wir einer Meinung. Ich habe den Eindruck, sie tat das letztlich nur zu dem einen Zweck, um zu vertuschen, dass es ihr in Wirklichkeit nur um das Geld ging und nicht um Chancen und fairen Wettbewerb für alle Bundesländer.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Am 11. November 1999 – wenn das Datum auch etwas anderes signalisiert, – war das Urteil durchaus ernst

gemeint – erging das Urteil des Bundesverfassungsgerichts mit seiner Fristsetzung für ein Maßstäbegesetz bis 2002 und für ein Finanzausgleichsgesetz bis 2004. Beide Gesetze sollten für einen transparenten und ein gerechteres Umlagesystem im Verhältnis von Bund und Land sorgen. Die Wellen schlugen danach hoch. Man konnte sich dabei nicht des Eindrucks erwehren, dass es in dieser Auseinandersetzung aber eher um die fundamentale Auseinandersetzung mit Bonn und Berlin, nicht aber um Sachargumente für eine Föderalismusreform ging.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Erinnern wir uns noch einmal: Es wurde einst in Bayern – es wurde heute schon einmal angesprochen – eine Enquete-Kommission eingerichtet, die sich mit der Stärkung des föderalen Systems in Deutschland auseinander setzen sollte. Wenn die Staatsregierung den Länderfinanzausgleich wirklich ernst genommen hätte und umfassend hätte diskutieren wollen, dann hätte sie vielleicht auch einmal Aufmerksamkeit auf die Arbeit in der Kommission gerichtet. Die Arbeit in der Kommission zeigt nämlich sehr wohl sehr großen Sachverstand, gerade auch im Hinblick auf die Staatsfinanzen. Doch diesen Sachverstand für eine wirkliche Reform zu nutzen, hat man unseres Erachtens nach versäumt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir sind der Überzeugung, dass mit der Marathonsitzung an diesem Wochenende die Chance für eine Wende vertan worden ist. Diese Chance wird auch so schnell nicht wieder kommen. Schließlich stehen Wahlkämpfe ins Haus, und eine Sachdebatte wurde dadurch schon immer erschwert. Seit dem vergangenen Wochenende – die Medien waren am Montag voll davon – spricht man von einem großen Tag für den Föderalismus, gar von einer Sternstunde. Der Herr Ministerpräsident spricht gleich mehrmals in einem Interview von einem gewaltigen Erfolg, von einem gewaltigen Durchbruch für alle Länder. Wenigstens der Finanzminister, Professor Dr. Faltlhauser, bleibt in seiner Pressemitteilung am 24. Juni 2001 auf dem Teppich und teilt mit, dass es dem Freistaat nur um das Geld ging. Er rechnet auch aus, was am Ende dabei übrig bleibt. Ich muss Ihnen sagen: Dafür sieht das Ergebnis reichlich mager aus.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erinnere mich daran, dass Ministerpräsident Stoiber vormals ungefähr 3 Milliarden DM an zusätzlichen Finanzmitteln gefordert hat. Er ist jetzt bei 390 Millionen DM gelandet.

(Maget (SPD): Torpedo und Flaschenpost!)

Ich will ganz deutlich sagen: Wir sind darüber nicht unglücklich, das ist gar nicht der Punkt. Ich bin froh, dass der Bund in dieser Diskussion nicht noch mehr zugeschustert hat. Ein höherer Ausgleich wäre unter Umständen auf Kosten der ostdeutschen Länder gegangen, deren Situation der Staatsregierung – anders als es die Behauptungen hier glauben machen wollen – doch

etwas gleichgültig zu sein scheint. Anders ist es nicht zu verstehen – wenn man Pressemeldungen glauben darf, die können Sie vielleicht richtig stellen –, dass am Wochenende Vorschläge eingebracht worden sein sollen, die beinahe alle ostdeutschen Länder noch weiter in die roten Zahlen getrieben hätten. Damit war die Aufforderung verbunden, sie sollen sich das Geld, das ihnen fehlt, beim Bund holen. Uns liegt die Entwicklung im Osten sehr wohl am Herzen. Der Solidarpakt II ist da ein ganz wichtiger Schritt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist durchaus einzusehen, dass eine solide Länderfinanzpolitik auch belohnt werden soll. Natürlich soll sich auch Leistung lohnen. Deshalb ist es doch richtig, dass die Geberländer eine Entlastung erfahren. Ich möchte Sie nur an die Worte erinnern, die Sie immer wieder in anderen Zusammenhängen angeführt haben: Gleiches gleich und Ungleiches ungleich behandeln.

Die Situation in den neuen Bundesländern wird noch viele Jahre nicht mit der Situation in den alten Bundesländern vergleichbar sein. Hier sind wir im Hinblick auf Artikel 106 des Grundgesetzes sehr wohl auch weiterhin gefordert, für eine Einheitlichkeit der Verhältnisse in Deutschland zu sorgen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)