Oh heiliger Sankt Leonhard, mach bittschön unsere Kühe hart, hart gegen Frost und BSE, sonst lupfen’s mich noch in die Höh‚. Mach’s Futter ohne dieses Mehl; verdamm‚ die Stamm, die falsche Seel‚. Gib unsern Bauern ruhig Blut und lass mir den Ministerhut!
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Vielen Dank, Herr Kollege. Das Wort hat Herr Kollege Heckel. Bitte.
Sehr verehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen, meine sehr geehrten Herren! Ich möchte mich zunächst bei Herrn Staatsminister Dr. Weiß für seine Ausführungen zu dem Deliktbereich Medikamentenmissbrauch in der Schweinemast bedanken. Dr. Weiß hat den aktuellen Stand wiedergegeben. Was hätte er sonst tun sollen, Herr Starzmann, als über die aktuelle Situation zu informieren und über geplante Maßnahmen zu reden?
Sie, Kollege Starzmann, haben Vorfälle aus den Jahren 1995 und 1996 und aus den folgenden Jahren angeführt und auf vermeintliche Versäumnisse hingewiesen. Ich frage mich: Wo war denn die Wachsamkeit der Opposition in diesen Jahren? Wo waren denn Ihre Aktivitäten, wenn Sie davon Kenntnis hatten?
Ich schätze Sie, Herr Kollege Starzmann, als einen versierten Agrarpolitiker mit Augenmaß, durchaus kompromiss- und kooperationsbereit über Parteigrenzen hinweg. Aber heute – so meine ich – sprach der brave Parteisoldat Gustav, vor allem bei seinen Attacken auf unseren Landwirtschaftsminister.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es liegen zwei Dringlichkeitsanträge vor, nämlich der Antrag auf Drucksache 14/5615 und der Antrag auf Drucksache 14/5616. Eigentlich sind die beiden Anträge durch die Ausführungen des Herrn Justizministers bereits erledigt. Weil ich aber annehme, dass die Antragsteller dies nicht so sehen, und weil es andererseits guter Brauch in diesem Hause ist, Berichtsanträge zu behandeln, schlage ich vorab bereits vor, diese beiden Anträge an den zuständigen Fachausschuss zu verweisen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, zweifelsohne ist das Vertrauen des Verbrauchers in die Qualität heimischer Fleisch- und Wurstwaren durch den bekannt gewordenen Antibiotika-Missbrauch in der bayerischen und in der österreichischen Schweinemast erneut erschüttert. Wir sind uns einig in der gemeinsamen Zielsetzung: Zerschlagung illegaler, krimineller Strukturen und Organisationen beim Tierarzneimitteleinsatz.
Die Tatsache, dass es in den vergangenen Jahren immer wieder bekannt gewordene Fälle von gravierenden Verstößen gegen das Arzneimittelrecht gab, die ich als massive Angriffe auf die Verbrauchersicherheit, auf die Gesundheit werte, muss, ganz im Sinne der Ausführungen des Herrn Justizministers, zu einer konzertierten Aktion gegen derartige Vorkommnisse führen. Gegenseitige Schuldzuweisungen, welchen Gesamtberufsstand auch immer betreffend, sind dabei nach meiner
Meinung nicht zielführend. Tatsache ist, dass einige wenige schwarze Schafe, die ich bewusst als kriminelle Elemente bezeichnen möchte – schwarze Schafe auf der Seite der Anbieter, schwarze Schafe auf der Seite der Abnehmer –, bewusst und aus verantwortungsloser Gewinnsicht gegen Recht und Gesetz verstoßen. Ihnen gilt es das Handwerk zu legen.
In der Ministerratssitzung am 15. Januar 2001 wurde in Übereinstimmung mit Vorschlägen der Landestierärztekammer eine Reihe von Zielsetzungen formuliert. Wir stehen zu einem generellen Verbot des Einsatzes von Antibiotika in der Schweinemast als Prophylaktikum, als Leistungsförderer. Ein Antibiotika-Verbot in der Therapie allerdings, bei der Behandlung kranker Tiere, wäre unsinnig. Auf diesen Einsatz im Notfall, im Krankheitsfall sind alle Tierhalter angewiesen, Öko-Bauern, Öko-Betriebe genauso wie konventionell wirtschaftende Tierhalter. Die Applikation von Antibiotika darf allerdings nur direkt oder unter Kontrolle eines verantwortlichen Tierarztes erfolgen.
Wir sind für eine weitergehend effektivere Kontrolle des Tierarzneimittelverkehrs vom pharmazeutischen Großhandel – das heißt, man muss die Kontrolle etwas vorverlegen – über den Tierarzt bis zum Einsatz vor Ort. Dazu müssen – auch ein Vorschlag der Veterinärverwaltung und der Tierärztekammer – die Veterinärbehörden personell verstärkt werden. Wir brauchen so eine Art Spezialteam, das, fortgebildet und einschlägig erfahren, schwerpunktmäßig und überregional den Vollzug des Arznei- und Futtermittelrechtes und den gesamten Tierarzneimittelverkehr überwacht. Dazu zähle ich auch eine Intensivierung der Kontrollen der tierärztlichen Hausapotheken, meine Damen und Herren.
Eine weitere Empfehlung der Tierärztekammer beinhaltet die Installation von Sonderermittlungsgruppen auf der Ebene der Staatsanwaltschaften beim LKA und bei der Kriminalpolizei, die sich schwerpunktmäßig mit Straftaten nach dem Arzneimittelrecht befassen.
Ich freue mich deshalb über die Mitteilung des Herrn Justizministers, dass beim LKA eine Sonderkommission „Schweinemast“ eingerichtet wurde. Die Fortbildung von Amtstierärzten und praktischen Tierärzten zum Thema Arzneimittelrecht muss verbindlich eingeführt werden. Wir haben eine ähnliche Regelung bisher bereits beim Fleischhygienerecht.
Es gibt Schwierigkeiten, meine Damen und Herren – auch das muss man sagen –, bei der Verfolgung und beim Vollzug im Rahmen positiver Rückstandsbefunde, die im Zusammenhang mit bakteriologischen Untersuchungen oder bei Untersuchungen nach dem Rückstandskontrollplan auftreten. Hier fehlt oft eine weitergehende Untersuchung zur Qualität des Wirkstoffs und zur quantitativen Feststellung der gefundenen Rückstandsmenge. Also auch damit ist eine personelle Verstärkung in diesem Bereich begründet.
Ein weiteres Manko möchte ich hier ganz offen ansprechen, ein Manko, das auch von der Tierärztekammer immer wieder angesprochen wird. Eingeleitete Verfahren werden von den zuständigen Gerichten, wie sich
immer wieder erweist, wegen Geringfügigkeit eingestellt, da offensichtlich das Sicherheitsgefährdungsprinzip im Sinne eines präventiven Verbraucherschutzes nicht erkannt wird oder das vorliegende Beweismaterial einfach nicht ausreicht. Denn – auch dies hat der Justizminister bereits gesagt – nur bei groben Verstößen gegen arzneimittelrechtliche Vorschriften kann einem Tierarzt die Approbation entzogen werden. Das kann in unserem Rechtsstaat, unserem Rechtsmittelstaat, lange Jahre dauern. Es wird deshalb – ich begrüße das – seitens des Justizministeriums empfohlen, stattdessen das Dispensierrecht einzuziehen, das dem Tierarzt zwar eine weitere Berufsausübung erlaubt, ihn aber letztlich inaktiv macht; denn er ist ja auf den Arzneimitteleinsatz angewiesen.
Lassen Sie mich zusammenfassen: Ich meine, dass in dem sehr komplexen Bereich Tierarzneimittelmissbrauch viel geschehen ist und – der Justizminister hat bereits einiges dargestellt – noch viel geschehen wird in enger Zusammenarbeit mit der Justiz, auch mit dem neu eingerichteten Ministerium für Ernährung, Gesundheit und Verbraucherschutz. Wir müssen die Effizienz des Kontroll- und Überwachungssystems verbessern und insbesondere auch die Ahndungsmöglichkeiten bei offensichtlichem Missbrauch des Arzneimittelrechts verschärfen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir müssen dies im Interesse des Verbrauchers tun. Verbraucherschutz steht in Bayern an erster Stelle.
Wir müssen dies tun im Interesse der heimischen Landwirtschaft, des verarbeitenden Gewerbes, aber auch im Interesse der Tierärzteschaft, der in der Lebensmittelüberwachung auch in Zukunft eine besondere Bedeutung, eine besondere Verantwortung zukommt. Und – hier spreche ich als Tierarzt – wir sind es leid, Tierärzteschaft und Landwirtschaft, dass wir wegen einiger weniger schwarzer Schafe, wegen einiger krimineller Elemente immer wieder verteufelt werden und in Verruf geraten. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine Herren und Damen! Wenn uns auch in diesen Tagen kaum mehr etwas erstaunt, so waren wir doch etwas verwundert, dass der Herr Justizminister Weiß für heute eine Erklärung angesetzt hat. Natürlich zählt man eins und eins zusammen und ist dann schnell bei den Ermittlungen zu Antibiotika in der Schweinemast. Was hier bisher abgeliefert wurde, waren Willensbekundigungen und war die Bekundung, Schadensbegrenzung zu betreiben, eine Schadensbegrenzung, die nicht notwendig geworden wäre, wenn man vorher in der Verwaltung und in der Justiz ordentlich gearbeitet hätte.
Die Regierungserklärung war in ihren Ausführungen insoweit überflüssig. Natürlich erwarte ich auch, dass der Herr Landwirtschaftsminister Miller sich heute noch zu Wort meldet. Doch nach der gestrigen Debatte verstärkt sich bei mir eher der Eindruck, er soll aus der Schusslinie nicht nur genommen, sondern auch gehalten bleiben.
Wieder muss ein anderer, heute der Herr Weiß, allerdings nicht ganz zu Unrecht – insofern trifft es keinen Unschuldigen – den Kopf hinhalten.
Zwar geht es bei Antibiotika in der Schweinemast zuvorderst um den veterinärmedizinischen Bereich, aber eben auch um Standards in der Schweinezucht. Und da sind Sie gefordert, Herr Miller. Es ist schon eine heftige Geschichte, die Sie uns hier auftischen, Herr Justizminister.
Nur sollten Sie nicht glauben, dass, indem Sie Herrn Vanino jetzt zum Alleinverantwortlichen erklären – ein bisschen ging es ja in diese Richtung –, unser Informationsbedürfnis damit gedeckt wäre. Das ist sicher nicht der Fall. Denn neben der Frage, welches Ministerium der Staatsanwaltschaft die Erkenntnisse zu illegalen Vorgängen vorgelegt hat und warum das entsprechende Ministerium nie nach dem Ermittlungsergebnis gefragt hat, geht es auch – das hat mein Kollege von der SPD schon gesagt – um den vorbeugenden Verbraucherschutz und damit verbundene notwendige Kontrollen. Dazu werden auch unsere Dringlichkeitsanträge klare Antworten verlangen, ebenso die Aktuelle Stunde, die heute noch ansteht.
Ermittlungen stehen schließlich erst am Ende einer Kette von Versäumnissen. Es drängt sich nach den Presseberichten der letzten Tage schon der Eindruck auf, als sei sehr wertvolle Zeit verloren gegangen, in der Maßnahmen hätten ergriffen werden müssen. Erst einmal hört, sieht und riecht die Staatsregierung lange nichts. Aber wenn es dann anfängt zu stinken, wird sie doch etwas aufmerksamer. Dann geht man wie heute auch wieder in die Offensive, dann wird hektische Betriebsamkeit vorgetäuscht. Ich sage ganz bewusst „vorgetäuscht“, denn wenn Sie jetzt erst anfangen aktiv zu werden, ist es eigentlich schon zu spät. Herr Minister Weiß, die Sau ist aus dem Stall und die Staatsanwaltschaft wird sie nicht mehr einfangen. Fünf Jahre sind ins Land gegangen. Seit Jahren überschwemmt eine organisierte Tierarzneimittelmafia – so O-Ton EU – unter den Augen der Bayerischen Staatsregierung den Schweinefleischmarkt hier
im Freistaat im gesundheitsgefährdeten Produkten, und Sie, Herr Weiß, und Ihre Kolleginnen und Kollegen aus dem Kabinett haben tatenlos zugesehen.
Weshalb das so war, versuchen wir mit unserem Dringlichkeitsantrag aufzuklären. Im ersten Moment scheint es wirklich wie gerufen zu kommen, dass man eine Ermittlung – es gibt ja mehrere – ausgerechnet bei Staatsanwalt Vanino gelandet sein lässt, der mit seiner Vergangenheit, die durch die Medien gegangen ist, ein wunderbares Beispiel für Exkulpationsversuche darstellt. Ich sage Ihnen aber, diese Entschuldigungsversuche sind zu wenig; denn es geht eben nicht um verschleppte Ermittlungen und nicht nur um dieses eine Verfahren. Bitte, sagen Sie auch nicht, Sie hätten nichts gewusst. Sie hätten es wissen können und Sie hätten es wissen müssen. Ich sage Ihnen auch: Bei mir als Verbraucherin wirken diese Werbekampagnen für landwirtschaftliche Produkte aus Bayern jedenfalls wie die Aufforderung zum Verbraucherselbstmord mit Messer und Gabel.
Meine Herren und Damen von der Staatsregierung, in Ihren Ministerien wird offensichtlich nur das wirklich wahrgenommen – –
Meine Herren und Damen von der Staatsregierung, in Ihren Ministerien wird offensichtlich nur das wahrgenommen, was Ihnen nahe stehende Lobbygruppen erzählen und präsentieren. In der Presse hätten Sie längst nachlesen können, was heute die Spatzen von den Dächern pfeifen. Wie wir in den letzten Tagen mehrfach lesen konnten, wurde die bayerischen Behörden seit November 1995, also seit über fünf Jahren, von ihren österreichischen Kollegen regelmäßig über deren Verdacht informiert. Es wurden ihnen Namen von verdächtigen Personen genannt. Es wurden Hinweise auf illegale grenzüberschreitende Geschäfte übergeben. In der österreichischen Politik hat sich in diesem Zusammenhang schon der Begriff von der deutschen Autobahntierärzten und ihren aktenkundigen Aktivitäten eingebürgert. Das kann man in der Antwort der österreichischen Bundesregierung auf die Anfrage eines Abgeordneten im Mai 2000 nachlesen. Sie sehen also, es war dort durchaus ein Bewusstsein vorhanden.
Die Bayerische Landestierärztekammer, der niederbayerische Bezirksverband praktizierender Ärzte – und das waren nicht die einzigen – haben mehrfach bei der Staatsregierung interveniert, haben Polizei und Staatsanwaltschaft informiert – ohne Folgen.
Wir selbst haben ein Schreiben über ein solches eingestelltes Verfahren bekommen. Hier wird nur der schwarze Peter an die Verwaltung weitergeschoben. Auch die Regierung von Niederbayern hat in diesem Fall keine besonders rühmliche Rolle gespielt. Natürlich weiß ich, dass auch der Sanktionskatalog ein gewisses Problem darstellt, weshalb die Staatsanwaltschaften manchmal ein Verfahren einstellen müssen. An diesem Fall aber wird sehr augenfällig, wie mit der Gesundheit Schindluder getrieben wird, ohne dass darauf reagiert wird.