Protocol of the Session on December 13, 2000

Weitere Zusatzfrage: Herr Odenbach.

Ist Ihnen klar, Frau Staatsministerin, dass Sie damit vor allen Dingen das Konnexitätsprinzip einfordern, und sind Sie dann auch bereit, dies in anderen bayerischen Bereichen analog umzusetzen, zum Beispiel gegenüber den Kommunen?

Hier ist kein Zusammenhang mehr gegeben zur ursprünglichen Frage. Wir sind nun weit von BSE entfernt.

Frau Staatsministerin.

Herr Präsident, ich bedanke mich bei Ihnen ganz herzlich. Herr Kollege, ich gestehe Ihnen zu, dass Sie jetzt vielleicht nicht genügend Zeit hatten, um sich eine Zusatzfrage zu überlegen und Sie hier vorzutragen. Sie wissen genau, was geschehen ist. Es geht um 180000 BSE-Fälle in Großbritannien.

(Frau Schweiger (CSU): In Deutschland einer !)

Bisher, Frau Kollegin Schweiger. Jeder von uns in diesem Hohen Haus, über Parteigrenzen hinweg, weiß, dass dieses Thema – ich brauche nur an Frau Kollegin Höhn in Nordrhein-Westfalen zu denken – von Großbritannien selbst und von der EU insgesamt in einer Art und Weise behandelt worden ist, die verantwortungslos sondergleichen ist.

(Beifall bei der CSU)

Jetzt sind wir alle miteinander in dieser Misere, um mich noch sehr vornehm auszudrücken. Wenn Sie, Herr Kollege Odenbach, im Zusammenhang mit dem, worüber wir jetzt diskutieren, diese Zusatzfrage stellen, werden Sie wohl selbst sehr schnell erkennen, dass Sie diese Zusatzfrage an die Bayerische Staatsregierung nur in einem anderen Zusammenhang stellen können. Sie können diese Frage aber nicht in diesem Zusammenhang stellen, wenn es um die Dramatik geht, die wir jetzt alle gemeinsam zu bewältigen haben und die zulasten der Landwirtschaft – da gebe ich Ihnen völlig Recht – geht.

(Beifall bei der CSU)

Letzte Zusatzfrage.

Frau Staatsministerin, dann muss ich eigentlich nur noch fragen: Ist Ihnen eigentlich noch in Erinnerung, dass bis 1998 eine CDU/CSU-geführte Bundesregierung auch für die BSE-Problematik verantwortlich war und dass bis dahin alle Forderungen und alle Kritikpunkte, die von der SPD, von der damaligen Opposition kamen, nach dem Motto niedergemacht wurden „das schadet unserer Landwirtschaft und unserer fleischverarbeitenden Industrie“?

Jetzt sind wir in eine politische Diskussion hineingeraten. Die Frage hieß, was Bayern im Zusammenhang mit den BSE-Fällen unternimmt.

Ich rufe die nächste Fragestellerin auf, Frau Kollegin Schopper.

Frau Staatsministerin, trifft es zu, dass in einigen Landkreisen und kreisfreien Städten Bayerns entgegen dem Anspruch der Kinder und Jugendlichen auf Hilfe gemäß der §§ 27 ff KJHG Wartelisten insbesondere für Jugendliche, die auf eine Heimunterbringung angewiesen sind, existieren, weil die betroffenen kreisfreien Städte und Landkreise als Träger der öffentlichen Jugendhilfe aus Mangel an Haushaltsmitteln keine bedarfsgerechte Vorhaltung von Heimplätzen gemäß des § 3 Absatz 2 KJHG in Verbindung mit den §§ 69 und 79 Absatz 2 KJHG getroffen haben, und wenn ja, welche Landkreise und kreisfreien Städte sind das, und wie gedenkt die Bayerische Staatsregierung darauf zu reagieren?

Frau Staatsministerin.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf die Anfrage wie folgt beantworten: Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe haben die Gesamtverantwortung einschließlich der Planungsverantwortung für die Erfüllung der Aufgaben nach dem Sozialgesetzbuch VIII interjection: (SGB VIII). Dieser Verantwortung werden die Landkreise und kreisfreien Städte insgesamt gerecht. Dies zeigt unter anderem der Anstieg bei der Gewährung von Hilfen zur Erziehung, sowohl im ambulanten Bereich als auch bei der Hilfegewährung außerhalb des Elternhauses. Nach Angaben des Bayerischen Landesamtes für Statistik und Datenverarbeitung wurden zum Jahresende 1999 für rund 17000 Kinder und Jugendliche außerhalb der Herkunftsfamilie – davon rund 8500 in der Heimerziehung – Hilfen zur Erziehung gewährt. Dies ist eine Steigerung von 3,5% gegenüber dem Vorjahr. Die Bruttoausgaben für die Jugendhilfe haben 1998 rund 2,7 Milliarden DM betragen. Die Zuschüsse nach dem Bayerischen Kindergartengesetz sind dabei nicht eingerechnet. Der maßgebliche Aufwand lag vor allem bei den Kommunen.

Ob und in welchem der 96 Landkreise und kreisfreien Städte Wartelisten für die Gewährung von Hilfen zur Erziehung bestehen, ist der Staatsregierung nicht bekannt. Dies könnte nur mittels einer umfassenden Erhebung und dann auch nur jeweils für einen bestimm

ten Stichtag ermittelt werden. Wenn Sie heute ermitteln, könnte es sein, dass diese Erhebung bereits in drei Wochen hinfällig ist. Festzustellen ist aber, dass im Freistaat Bayern insgesamt qualifizierte und ausreichende Hilfeangebote bestehen. Da der Bedarf an Hilfen zur Erziehung einem ständigen qualitativen und quantitativen Wandel unterliegt, müssen die Träger der öffentlichen Jugendhilfe für bedarfsgerechte Angebote Sorge tragen. Dieses Angebot der Jugendhilfe war noch nie so differenziert und passgenau wie heute.

Die Staatsregierung unterstützt die Landkreise und kreisfreien Städte bei der Weiterentwicklung und dem bedarfsgerechten Ausbau der Hilfen zur Erziehung nach den Prämissen des Bayerischen Kinder- und Jugendhilfeprogramms. Dazu gehört nicht nur die Förderung von Projekten und Einrichtungen im Einzelfall, sondern auch die Unterstützung bei der Verbesserung der Planungsinstrumente – Hilfeplan und Jugendhilfeplanung – vor Ort. Dies geschieht zum Beispiel durch die Unterstützung von Forschungsprojekten und Qualitätsentwicklungsverfahren.

Erste Zusatzfrage: Frau Kollegin Schopper.

Frau Staatsministerin, Sie haben soeben das umfangreiche Hilfekonzept in den einzelnen Landkreisen erläutert und gesagt, dass Sie momentan keine Aussagen darüber machen könnten, inwieweit Wartelisten bestünden. Gleichzeitig haben Sie angesprochen, dass in den Haushalten der Kommunen die Hilfen explosionsartig angestiegen seien. Vor diesem Hintergrund möchte ich Sie fragen, ob Sie im Landesjugendausschuss thematisieren werden, wie die Kommunen finanziell unterstützt werden könnten und ob es Konzepte gibt, damit dem gesteigerten Hilfebedarf finanziell Rechnung getragen werden kann.

Bitte, Frau Staatsministerin.

Frau Kollegin Schopper, ich werde den Vorsitzenden des Landesjugendhilfeausschusses gern fragen, ob man diese Fragen einmal zum Thema einer Sitzung machen könnte. Dem steht sicher nichts im Wege. Sie kennen die gesetzliche Situation des Jugendhilferechts. Wir sind uns sicherlich einig, dass ein Hilfeplan passgenau für die jeweilige Situation des jugen Menschen erarbeitet werden muss. Erfreulicherweise gibt es in Bayern sehr viele Landkreise und kreisfreie Städte, die eine hervorragende Jugendhilfeplanung auf den Weg gebracht haben.

Diese Kommunen leisten auch sehr viel Präventionsarbeit, damit es erst gar nicht zu einer Heimerziehung kommt. Sie setzen mit ihrer Hilfe zur Erziehung sehr viel früher ein, zum Beispiel mit einer sozialpädagogischen Familienhilfe. Selbstverständlich wird in der Jugendhilfeplanung für bestimmte Fälle auch die Heimerziehung nötig sein. Mein Anliegen ist, dass die Heimerziehung nicht erst am Schluss erfolgt, sondern dass sie passge

nau für das jeweilige Kind oder für den Jugendlichen ist. Selbstverständlich müssen diese Punkte diskutiert und weiterentwickelt werden.

Eine weitere Zusatzfrage: Frau Kollegin Schopper.

Frau Staatsministerin, wir stimmen darin überein, dass die Heimerziehung nicht die Ultima ratio sein kann. Ich habe jedoch das Gefühl, dass die Kommunen langsam an ihre Überforderungsgrenzen stoßen. Der allgemeine Hilfebedarf hat gerade in den ambulanten Hilfen ungeheuer zugenommen. Das zeigt, dass die Alarmsignale besser wahrgenommen werden.

Frau Kollegin Schopper, ich warte auf Ihre Frage.

Dann will ich es dabei belassen. Es war einfach zu verlockend, noch einmal Stellung zu nehmen.

Herr Präsident, ich möchte noch zwei Sätze sagen. Frau Kollegin Schopper, ich glaube, dass wir die Kommunen nicht alleine gelassen haben. Sehen Sie sich einmal das Beratungssystem an. Für dieses Beratungssystem gewähren wir den Kommunen sehr hohe Personalkostenzuschüsse. Ich habe die Devise ausgegeben, dass für die Erziehungs- und Familienberatungsstellen die Zuschüsse in den nächsten zwei Jahren nicht gekürzt werden.

Die nächste Frage stellt Herr Kollege Nöth.

Frau Staatsministerin, ich frage die Staatsregierung, ob es Richtlinien für die Festlegung der Anzahl von förderfähigen Altenheim- und Pflegeplätzen in Landkreisen und kreisfreien Städten gibt und – falls ja – nach welchem Modus diese Anzahl sich errechnet und ob es Überlegungen gibt, wie aufgrund der sich verändernden Alterspyramide und der damit verbundenen steigenden Anzahl einsamer und pflegebedürftiger Menschen die entsprechenden Einrichtungen im Altenheimund Pflegebereich zeitnah zur Verfügung gestellt werden können.

Bitte, Frau Staatsministerin.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Nöth, ich darf Ihre Anfrage wie folgt beantworten: Es gibt keine staatlichen Richtlinien für die Festlegung der Anzahl von förderfähigen Alten- und Pflegeheimen in Landkreisen und kreisfreien Städten. Das Sozialministerium legt in jährlichen Koordinierungsgesprächen zusammen mit den Spitzenverbänden der öffentlichen

und freien Wohlfahrtspflege, der Obersten Baubehörde, dem Landesverband privater Alten- und Pflegeheime und den Regierungen, die im einzelnen zu fördernden Bauvorhaben von teil- und vollstationären Altenpflegeheimen für die Jahresförderprogramme fest. Die Bauprogramme werden nach Maßgabe der für diese Förderbereiche im Haushalt – mit der Zweckbestimmung „Landesplan für Altenhilfe“ – verfügbaren Haushaltsmittel aufgestellt.

Nach dem Bayerischen Ausführungsgesetz zum Pflegeversicherungsgesetz sind die Landkreise und die kreisfreien Städte für die Vorhaltung von Pflegeeinrichtungen für ältere Menschen zuständig. Aus diesem Grunde wurde den Kommunen im Jahr 1995 auch die Bedarfsermittlung übertragen. Seit 1995 gibt es also keine staatliche Bedarfsfeststellung mehr. Die Pflegekassen, die überörtlichen Träger der Sozialhilfe und die Träger der Pflegeeinrichtungen werden an der kommunalen Bedarfsermittlung beteiligt.

Damit ist eine ortsnahe, schnelle und flexible Bedarfsermittlung nötig. Soweit die Nachfrage nach pflegerischen Leistungen durch vorhandene Pflegeeinrichtungen nicht gedeckt ist, muss das Angebot an entsprechenden Platzkapazitäten von den Kommunen als Pflichtaufgabe im eigenen Wirkungskreis erweitert werden. Dabei werden vorrangig bestehende Altenheimplätze entsprechend der demografischen Entwicklung bedarfsgerecht in Pflegeheimplätze umgewandelt. Herr Kollege Nöth, wir brauchen immer weniger Plätze im rüstigen Bereich, weil das Eintrittsalter in den stationären Einrichtungen immer mehr steigt. Im Schnitt treten die Menschen erst im 86. Lebensjahr in eine stationäre Einrichtung ein. Deshalb setzen wir weniger auf Neubauten, sondern vielmehr auf die Umstrukturierung von Rüstigenplätzen in Pflegeplätze.

Eine Zusatzfrage? – Herr Nöth.

Frau Staatsministerin, können Sie aus Sicht Ihres Hauses Antwort geben, inwiefern private Anbieter zunehmend in diesen Markt einsteigen, und ob eventuell daran gedacht ist, dass privaten Anbietern – sei es von Kommunen oder vom Staat – für diese Vorhaltungen entsprechende Zuschüsse gewährt werden?

Frau Ministerin.

Frau Staatsministerin Stamm (Sozialministerium) : Herr Kollege Nöth, momentan kann ich mir nicht vorstellen, dass der Staat in diesem Fall private Anbieter unterstützen kann. Im Ausführungsgesetz zum Pflegeversicherungsgesetz ist das in Bayern nicht vorgesehen. Unsere Haushaltsmittel sind begrenzt, und wir müssen alles tun, das Jahresbauprogramm für die Altenheime aufzustellen und unseren gesetzlichen Verpflichtung zur Bezuschussung nachzukommen.

Eine weitere Zusatzfrage? – Herr Kollege Stahl.

Verehrte Frau Staatsministerin, es ist Fakt, dass in unserem Land zu wenig Altenheimplätze vorhanden sind. Die Kommunen halten sich meistens zurück, und Privatinvestoren drängen auf den Markt. Gäbe es die Möglichkeit, dass der Freistaat zinslose oder zinsgünstige Darlehen gewährt, wenn private Investoren, die Diakonie, die Arbeiterwohlfahrt oder die Caritas Altenheime bauen?

Frau Ministerin.

Frau Staatsministerin Stamm (Sozialministerium) : Herr Kollege Stahl, man kann sich viel vorstellen. Ich muss aber die Vorgabe des Ausführungsgesetzes zum Pflegeversicherungsgesetz beachten. Dort ist klar zum Ausdruck gebracht, dass die Kommunen den Bedarf ermitteln – das wollten die Kommunen im Rahmen der Selbstverwaltung. Sie wollten die staatliche Planung auf Landesebene nicht mehr. Dem sind wir im Ausführungsgesetz gerecht geworden. Außerdem wurde die Finanzierung zwischen dem Staat, den Kommunen und den freien Trägern geregelt. Die Finanzierung ist nur für kommunale Einrichtungen oder Einrichtungen der freien Wohlfahrtspflege vorgesehen, nicht für private Träger. Wenn das Hohe Haus der Meinung ist, dass etwas verändert werden sollte, muss es mehr Geld zur Verfügung stellen. Ich stehe dem sehr aufgeschlossen gegenüber. Da der Einzelplan 10 verabschiedet ist, wird sich dies in den nächsten beiden Jahren nicht realisieren lassen, weil es künftige Haushaltsverhandlungen voraussetzt, um die Weichen anders zu stellen.

(Willi Müller (CSU): Nehmen wir das Geld für das Olympiastadion!)

Letzte Zusatzfrage: Herr Kollege Egleder.

Frau Staatsministerin, nachdem der Altenhilfeplan des Freistaats Bayern die Quote von 4% der über 65-jährigen Leute in Bayern ansetzt, für die ein Pflege- und der Altenheimplatz bereit stehen muss, frage ich Sie, ob diese Quote, nachdem dieser Bevölkerungsanteil zunimmt, von 4% auf 5% oder weiter erhöht werden muss.

Frau Ministerin.

Frau Staatsministerin Stamm (Sozialministerium) : Herr Kollege, der Freistaat Bayern ist für die Bedarfsplanung nicht mehr zuständig. Zuständig sind die Landkreise und kreisfreien Städte. Sie machen zusammen mit den Sozialhilfeträgern und überörtlichen Trägern aufgrund ihrer Bevölkerungsstruktur die Bedarfsplanung. Zuständig für die Bedarfsplanung sind die kreisfreien Städte und die Landkreise, nicht mehr der Freistaat Bayern. Mit dem Ausführungsgesetz zum Pflegeversicherungsgesetz haben wir die Zuständigkeit nach unten gegeben.