Protocol of the Session on November 9, 2000

Das Maß an Nivellierung, das heute über den vertikalen und horizontalen Ausgleich erfolgt, ist zu groß und bietet zu wenig Anreize zum Wettbewerb zwischen den Ländern.

Wir dürfen aber bei dieser Diskussion nicht verschweigen, dass Bayern 38 Jahre lang Empfängerland im System des Länderfinanzausgleichs gewesen ist. Wir danken für diese solidarische Hilfe der anderen Bundesländer, die wir in Bayern dazu nutzten, unsere Wirtschaftskraft und unsere Steuerkraft entscheidend und nachhaltig zu verbessern.

Bayern gibt jetzt solidarisch etwas von dieser Aufbauhilfe zurück, vor allen an die neuen Bundesländer, die 80% des Volumens des Länderfinanzausgleiches erhalten. Ohne einen Kompromiss zwischen den Bundesländern wird es zu keiner vernünftigen Regelung kommen können. Deshalb muss man mit den guten Argumenten, die wir doch haben, überzeugen und Mehrheiten gewinnen. Der Klageweg dagegen ist eine Sackgasse. Er bringt ebenso wenig wie oberlehrerhafte Wichtigtuerei.

Wir wollen die Stärken des deutschen Föderalismus auch im künftigen Europa erhalten und durchsetzen. In Nizza wird im Dezember dieses Jahres die Reform der europäischen Institutionen im Hinblick auf die Osterweiterung der EU im Mittelpunkt stehen. Diese Osterweiterung ist ein schwieriges Projekt. Allein die institutionellen Fragen wie zum Beispiel die Größe der Kommission oder der Übergang vom Einstimmigkeitsprinzip zu Mehrheitsentscheidungen im Ministerrat sind schwierig genug. Hinzu kommen höchst unterschiedliche soziale und ökonomische Standards zwischen den Mitgliedsstaaten und den Beitrittskandidaten.

Ich bin vorbehaltlos der Auffassung, dass wir die Osterweiterung brauchen und durchsetzen müssen. Mit Tschechen, Ungarn, Slowenen und Polen verbindet uns eine Jahrhunderte lange gemeinsame Geschichte. Erst mit dem Einzug dieser Völker ist das europäische Haus wird die Periode der Kriege und der nationalen Konflikte auf unserem Kontinent endgültig beendet sein.

(Beifall bei der SPD)

Ohne die Zustimmung der Menschen wird die Osterweiterung aber nicht gelingen. Wir können diese Zustimmung nur erreichen, wenn wir die wirtschaftlichen Chancen gerade für uns in Bayern durch die Osterweiterung in den Vordergrund rücken. Die Osterweiterung ist eine

historische Chance, von der niemand genau sagen kann, wie lange sie uns erhalten bleibt. Deshalb darf man auch in dieser Frage keine Ängste schüren. Man braucht die Gefahren nicht zu leugnen, muss aber die Vorteile sichtbar machen.

Es gibt viele Menschen, die der Zukunft sorgenvoll entgegenblicken, es gibt viele, die sich ängstlich fragen, ob sie den Anforderungen, die künftig an sie gestellt werden, gerecht werden können. Und es gibt viele, die es der Politik nicht mehr zutrauen, unsere Zukunft tatsächlich gestalten zu können. Lassen Sie uns deshalb gemeinsam alle diese Menschen in unserem Lande ansprechen und mitnehmen. Unser Leitbild ist eine solidarische Leistungsgesellschaft, tolerant und weltoffen, wirtschaftlich erfolgreich aber auch sozial gerecht. Das sind die Leitbilder sozialdemokratischer Politik für unsere Heimat Bayern, für ein blühendes Land im Herzen Europas. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Bravo-Rufe von der SPD – lang anhaltender Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Vielen Dank, Herr Kollege Maget. Das Wort hat nun Herr Kollege Glück.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Maget, wenn Sie sich mit dem Herrn Ministerpräsidenten befassen, habe ich immer den Eindruck, dass Sie sich in einem starken inneren Zwiespalt befinden. Auf der einen Seite bewundern Sie ihn.

(Lachen und Zurufe von der SPD)

Sie bewundern seine Stärke, seine Führungskraft und seine Leistungen für Bayern. Auf der anderen Seite aber haben Sie innerlich eine Wut – das haben Sie ein bisschen dadurch zum Ausdruck gebracht, am liebsten wäre Ihnen, wenn er nach Berlin ginge –, dass Sie dagegen nicht ankommen.

(Zuruf von der CSU: Richtig!)

Und dann verhalten Sie sich ein bisschen wie die kleinen Tiere, die als „Wadenbeißer“ bekannt sind.

(Beifall bei der CSU – Zuruf von der SPD: Sie machen doch selbst immer den Wadenbeißer!)

In dem Stile war auch Ihre Rede.

(Zurufe von der SPD)

Sie war so etwas wie ein Zwergenaufstand.

(Beifall bei der CSU)

Natürlich gibt es niemanden in diesem Hohen Hause – um an Ihre Rede anzuknüpfen –, der nicht schon einmal Fehler gemacht hätte. Das wird auch der Ministerpräsident für sich selbst sagen. Aber ebenso gilt, dass Edmund Stoiber der Motor für die Entwicklung Bayerns ist.

(Beifall bei der CSU)

Es ist in besonderer Weise sein persönliches Verdienst, dass Bayern weltweit gerade in diesen Zeiten des Umbruchs ein Markenartikel ist. Eigentlich müssten auch Sie feststellen, wenn Sie irgendwo in Europa und in der Welt unterwegs sind, welchen Ruf Bayern hat. Und der bayerische Ministerpräsident Stoiber hat diesen Ruf Bayerns in diesen Jahren gemehrt.

(Beifall bei der CSU)

Meine Damen und Herren, es ist für unser Land gut, wenn dem bayerischen Ministerpräsidenten die Türen offen stehen bei den Spitzenpolitikern dieser Welt wie zum Beispiel jetzt beim Generalsekretär der UN oder bei anderen führenden Politkern.

(Beifall bei der CSU)

Denn damit werden bayerische und deutsche Interessen vertreten. Wir haben bayerische Politik nie als Separatismus verstanden, sondern wir haben eine Erstverantwortung für unser Land Bayern, aber genauso haben wir eine Verantwortung für Deutschland, und dem fühlen wir uns verpflichtet. Und so gestaltet Edmund Stoiber auch seine Aufgabe als Ministerpräsident. Kein anderes Bundesland wird so erfolgreich und so tatkräftig geführt.

Herr Maget, Sie haben jetzt die solidarische Leistungsgesellschaft entdeckt. Aber wir in Bayern haben die solidarische Leistungsgesellschaft schon verwirklicht, als Sie im Mief des Klassenkampfs überhaupt noch nicht so weit denken konnten.

(Beifall bei der CSU)

In keinem anderen Bundesland, in keiner anderen Region Deutschlands haben die Menschen so viele Chancen wie in Bayern. Wenn die SPD mit ihrer Klassenkampfidee die letzten 20 oder 30 Jahre in Bayern geprägt hätte, ginge es allen Menschen im Lande schlechter, insbesondere den unteren Einkommensgruppen.

(Beifall bei der CSU)

Das wäre die Konsequenz, meine Damen und Herren. Mit Ihrer Bewertung der bayerischen Politik sind Sie im Wesentlichen eine Linie gefahren; die bayerische Politik ist eigentlich gut,

(Abg. Maget (SPD): Danke!)

in manchen Dingen sogar sehr gut,

(Abg. Maget (SPD): Ach so!)

aber überall noch ein bisschen mehr.

Meine Damen und Herren, auch wir wissen, dass Bayern nicht das Paradies sein kann. Sonderlich originell ist Ihre Position aber nicht, Herr Maget. Denn Sie verfahren nach dem Motto „Wir haben zwar keine eigene Alternative, würden aber alles noch ein bisschen anders

machen“. Selbstverständlich ist es im politischen Wettbewerb Aufgabe der Opposition, aus ihrer Sicht darzustellen, was CSU und Staatsregierung noch besser machen könnten. Dazu habe ich in Ihrer Rede aber zu wenig Alternativen entdeckt. Herr Maget, Sie versuchen gegenwärtig, zumindest die SPD-Landtagsfraktion aus alten Denkkategorien herauszuführen und der CSU in Nachahmung anzunähern. Die Menschen in Bayern werden aber weiterhin sagen: „Bleiben wir lieber beim Schmied, bevor wir zum Schmiedl gehen.“

(Beifall bei der CSU)

Herr Maget, Sie mögen die eine oder andere Auflockerung in Ihrer Partei erreichen, und es wäre auch ganz gut, wenn wir im Lande mehr Übereinstimmung bei wichtigen Themen hätten; eine politische Alternative zur CSU sehe ich aber nicht.

Die bayerische SPD ist auf Bundesebene machtlos. Da Sie, Herr Maget – man höre und staune – Franz Josef Strauß zitiert haben, möchte auch ich ihn

(Maget (SPD): Zitieren Sie halt Willy Brandt!)

wie die „Süddeutsche Zeitung“ vom 25. Mai 2000 zitieren:

Seit die SPD in Berlin regiert, spielen die Bayernsozis im Parteigefüge, um es mit FJS zu sagen, die Rolle eines unehelichen Sprösslings auf einem Bauernhof mit 15 ehelichen Kindern.

(Heiterkeit und Beifall bei der CSU – Widerspruch bei Abgeordneten der SPD)

Offensichtlich liebt die „Süddeutsche Zeitung“ Strauß mittlerweile ebenso wie Sie ihn.

(Hofmann (CSU): Das sind Bauernhöfe! – Heiterkeit bei der CSU)

Die Anträge der Bayern-SPD zum Bundesparteitag im Dezember 1999 zeigen, wie viel Sie, Herr Maget, noch zu tun haben, um Ihre Partei zeitgemäß zu gestalten. Damals wurde – man höre und staune – unter anderem gefordert: Abschaffung von Bundeswehr und Nato, Streichung von Eichels Sparpaket, Kippen von Schröders Grundsätzen – „der wirtschaftsfreundliche dritte Weg des Kanzlers ist unerwünscht“ – und Wiedereinführung der Vermögensteuer, beantragt von zwölf bayerischen SPD-Verbänden.

(Maget (SPD): Da sehen Sie einmal, wie viel Arbeit wir noch haben!)

Ja, da haben Sie wirklich noch viel Arbeit. Mit der Rede, die Sie heute gehalten haben, sind Sie fast ein Außenseiter in Ihrer Partei. Denn Sie haben versucht, wirtschaftsfreundlich zu sein.