Meine sehr verehrten Damen, meine Herren, lassen Sie mich, nachdem Kollege Dr. Köhler es angesprochen hat, noch etwas zum Thema Handwerksordnung und europäische Rechtsprechung sagen. Ich freue mich außerordentlich darüber, dass im Hause das Bekenntnis zum Mittelstand unisono ist. Ich würde mich noch mehr freuen, wenn man sich beispielsweise bei der SPD-Fraktion von bestimmten Entwicklungen absetzen würde, die im Koalitionspapier in Berlin begründet liegen, in dem es ursprünglich hieß: berufsbegleitender Erwerb des Meisterbriefs – Herr Staatsminister Dr. Wiesheu hat das angesprochen.
Mit dem großen Befähigungsnachweis, Herr Kollege Dr. Köhler, haben wir kein Problem mit der europäischen Rechtsprechung – um es ganz deutlich zu sagen. Wir haben ein Problem, wenn im Rahmen der EU-Osterweiterung die Einstimmigkeit diskutiert und eventuell aufgehoben wird. Darum bitte ich Sie, dafür zu sorgen, dass in den Fragen, in denen bis dato das Thema Einstimmigkeit Bestand hat – dazu gehört der gesamte Bildungssektor und eben auch der Befähigungsnachweis –, dieses Prinzip aufrechterhalten wird.
Ich darf noch ganz kurz begründen, was den Sinn des Befähigungsnachweises ausmacht. Herr Staatsminister Dr. Wiesheu sagte es: Über 80% überleben die kritischen ersten fünf Jahre am Markt. Das sind doppelt so
viele wie in jeder anderen Branche. Aber auch wenn Sie den Wirtschaftsbereich Handwerk in den europäischen Ländern miteinander vergleichen, werden Sie feststellen, dass es nirgends eine so hohe Selbstständigenquote im Handwerk gibt wie in den Staaten, in denen der Meisterbrief obligatorisch ist für die Selbstständigkeit und auch Voraussetzung für die Ausbildung. Das ist ein ganz entscheidender Punkt, 40% Ausbildungsleistung im Handwerk, ein wichtiger Faktor, den wir erhalten müssen.
Lassen Sie mich schließlich feststellen, meine sehr verehrten Damen und Herren: mit dem 10-Punkte-Aktionsprogramm für Wirtschaft und Standort in Bayern hat Herr Staatsminister Dr. Wiesheu deutlich gemacht, dass auf der Basis des Erfolgs mit den Daten des Haushalts für Wirtschaft, Verkehr und Technologie 2001/2002 in der Fassung des Haushaltsausschusses von letzter Woche eine geeignete Weichenstellung für die Zukunft vorgenommen wurde.
Wir möchten Herrn Staatsminister Dr. Wiesheu und die Staatsregierung dabei gerne unterstützen und bitten um Zustimmung.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, Herr Staatsminister Dr. Wiesheu! Anlässlich der Einbringung des Haushalts durch Staatsminister Prof. Dr. Faltlhauser habe ich in meinem Redebeitrag die Fokussierung der Debatte auf die Bundespolitik glossiert und darum gebeten, dass man sich, vor allem in der CSU, ernsthaft mit unseren Anträgen auseinandersetzt. Staatsminister Prof. Dr. Faltlhauser hat dies auch zugesagt.
Ich verkneife mir jetzt Ausflüge zu Bundesthemen, obwohl Minister Dr. Wiesheu diese reichlich gespielt hat, der Kollege Dr. Kaiser hat meines Erachtens trefflich gekontert.
Wir haben zum Einzelplan 07 sechzehn Anträge gestellt. Es ging zu gleichen Teilen um die Erhöhung von Ansätzen und um neue Ansätzen wie um Kürzungen bzw. um Streichungen. Diese Anträge sind in einem – vorsichtig ausgedrückt – relativ schnellen Durchlauf im Haushaltsausschuss behandelt worden. Fünfzehn Anträge sind abgelehnt worden, einem hat man zustimmen können. Vielleicht wäre es auch sinnvoll – ich wage es kaum anzusprechen –, sich in Zukunft auch in den Fachausschüssen mit den einzelnen Anträgen zu befassen. Sie brauchen keine Angst zu haben, dass ich alle sechzehn Anträge noch einmal im Einzelnen durchkaue. Ich werde mir vielleicht den einen oder anderen während meiner Ausführungen herausgreifen.
Das wichtigste Instrument, das den Bundesländern zur Standort- und Arbeitsplatzsicherung zur Verfügung steht, ist die Wirtschaftsförderung, und zwar die Wirtschaftsförderung im weitesten Sinne. Das schließt die
Infrastrukturförderung und die Maßnahmen ein, die wir nicht im Einzelplan 07, sondern in anderen Einzelplänen finden.
Mein erster Kritikpunkt an der Wirtschaftsförderung in Bayern sind die Gegenstände und Schwerpunkte. Wir haben dazu immer wieder unsere Bedenken vorgebracht, deshalb werde ich mich jetzt kurz fassen. Wir würden gerne anders gewichten und andere Schwerpunkte setzen, noch mehr für Handwerk und Mittelstand, für Bildung und Ausbildung und mehr für die rationale Energiegewinnung und Energienutzung tun. Wir haben in konkreten Anträgen Programme gefordert, die die Kommunen abgreifen können, weil diese nicht von den Bundesprogrammen bedacht werden.
Der zweite Kritikpunkt betrifft die oft fehlende Transparenz in der Wirtschaftsförderung. Es gibt zahlreiche Fördertöpfe, zum Teil für identische Zwecke, und die Mittel müssen bei unterschiedlichen Stellen beantragt werden. Das Ergebnis ist, dass Firmen, die förderwürdig sind und es bitter notwendig hätten, gefördert zu werden, nicht zum Zuge kommen. Andererseits gibt es jede Menge von Mitnahmeeffekten, und im Extremfall landen die Fördergelder auf Festgeldkonten. Auch das wird immer wieder aufgedeckt. In diesem Zusammenhang ist es uns unverständlich, dass unser Antrag auf Erfolgskontrolle in diesem Haus abgelehnt worden ist.
Intransparenz herrscht nicht nur für Firmen, die auf Suche nach Förderinstrumenten sind, sondern auch für uns Parlamentarier. Ich nenne die gegenseitige Deckungsfähigkeit einzelner Titel, irreführende Bezeichnungen bei anderen Titeln oder aber jede Menge von Schattenhaushalten und Nebenhaushalten, die dem Ministerium große Spielräume eröffnen, am Parlament vorbeizuhandeln.
Als nächstes möchte ich die Ordnungspolitik kurz streifen. Herr Wiesheu, ich habe mir noch einmal Ihre Haushaltsrede von vor knapp vier Jahren angeschaut. Dort heißt es:
Ich bin der Meinung, dass bloße Formalprivatisierungen noch nicht einen Entfall von VOB und VOL begründen.
Herr Minister Wiesheu, das ist gut und schön, auch wir GRÜNE teilen diese Auffassung, in den vier Jahren ist aber kaum etwas geschehen. Es hat eine Reihe von Gesprächen gegeben, und Sie haben uns immer wieder informiert; wir wünschen uns aber Ergebnisse. Ihnen wäre ein besseres Standing gegenüber dem Innenminister zu wünschen.
Jetzt wird es ganz heftig, wenn ich auf die Themen TeleCenter und „Virtueller Marktplatz Bayern“ zu sprechen komme. Herr Kollege Traublinger hat sich schon kurz dazu geäußert. In Moment sehe ich ihn leider nicht, sonst könnte ich ihm den Unterschied zwischen München.de und VMB erklären. Er hätte es bitter nötig.
Gerade als Vertreter der Handwerker hätte er das dringend nötig. Die Tele-Center sind nicht nur massiv staatlich gefördert, sondern Mitgesellschafter sind in vielen Fällen die Kommunen. Diese Einrichtungen machen kleinen Internetdienstleistern, also Unternehmen, die Firmen und Vereine hosten oder kleine Marktplätze im Netz anbieten, massiv Konkurrenz. Das Landwirtschaftsministerium und die Staatskanzlei preisen nun den schönen virtuellen Marktplatz an und sagen, sie könnten sich als regionale Betreiber die Tele-Center vorstellen. Das muss man sich einmal vorstellen. Die Staatskanzlei geht sogar noch weiter. Sie rät den regionalen Betreibern, die Gestaltung von Webseiten anzubieten, wenn sonst das Geld nicht reiche, da 40% der Erlöse des Verkaufs der Komponenten im virtuellen Marktplatz an die regionale Betreiber gingen, 60% aber an den zentralen Betreiber Siemens/SAP. Das ist in einer Empfehlung aus der Staatskanzlei zu finden. Dies ist überaus stimmig mit dem neuen kommunalen Wirtschafts-/ jetzt Unternehmensrecht. Das ist ein klarer Verstoß gegen die Subsidiaritätsklausel. In der Gemeindeordnung bezieht sich darauf der Artikel 87, in der Landkreisordnung der Artikel 75. Das Betreiben virtueller Marktplätze bis hin zu den „Annextätigkeiten“, Seitengestaltung und Design der Webpräsenz für Dritte zählt sicher nicht zu den Aufgaben gemeindlicher Daseinsvorsorge. Selbst wenn die Staatsregierung hierin irgendeinen öffentlichen Zweck erkennen sollte, dann ist davon auszugehen, dass der Unternehmenszweck ebenso gut und wirtschaftlich durch einen Privaten erfüllt werden kann. Die letzten beiden Zeilen sind Originalzitate aus der Gemeindeordnung und der Landkreisordnung.
Herr Bernhard ist auch nicht anwesend. Ich hätte ihn gerne angesprochen, weil er sich seinerzeit massiv in die Diskussion um die Gemeindeordnung, die Landkreisordnung und die Bezirksordnung eingeschaltet hat. Ich frage mich an dieser Stelle, wofür wir das eigentlich machen. Es kann doch nicht alles aus Jux und Tollerei sein.
Die Wirtschaftsministerkonferenz stellt mit wachsender Sorge fest, dass Kommunen vermehrt in Konkurrenz zu privatwirtschaftlichen Unternehmen treten und dadurch vor allem kleine und mittlere Unternehmer verdrängt und Arbeitsplätze gefährdet werden. Die Wirtschaftsministerkonferenz hat auf diese alarmierende Entwicklung bereits mit Beschluss vom 08.06.1999 hingewiesen. Die Wirtschaftsministerkonferenz spricht sich für eine klare Grenzziehung zwischen dem Rahmen für die kommunalwirtschaftliche Tätigkeit ungeachtet der jeweiligen Rechtsform und den der Privatwirtschaft vorbehaltenen Tätigkeitsfeldern aus.
Weiter unter heißt es, dass eine restriktive Auslegung des kommunalen Wirtschaftsrechts im Vollzug sowie eine effektive Kommunalaufsicht, die die geltenden
rechtlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen für kommunale Unternehmen im Einzelfall tatsächlich einsetzt, eingefordert werden bzw. notwendig sind. Es ist überaus beschämend zu sehen, dass die Kommunalaufsicht, wenn sie denn angerufen wird, nichts unternimmt.
Herr Minister, wir fordern Sie nachdrücklich auf, endlich entsprechend tätig zu werden. Sie überlassen viel zu viel in der Wirtschaftspolitik herumdilettierenden Ministerien hier im Lande.
Ich nenne in diesem Zusammenhang das Innenministerium, das Landwirtschaftsministerium und vor allem die Staatskanzlei. Die Ausführungen, die Staatsminister Huber gestern gemacht hat, zeugen nicht gerade von Qualität. Er hat haarscharf vorbei an der Realität, nämlich diametral entgegengesetzt argumentiert. Er hat das Gegenteil von dem behauptet, was sein Kollege Prof. Dr. Faltlhauser gesagt hat. Herr Minister Wiesheu, Sie sind aufgerufen, das Feld stärker zu besetzen.
Das ist in weiten Teilen ein ordnungspolitischer Amoklauf, eine mittelstandsfeindliche Staatswirtschaft, was die anderen Häuser betreiben.
Ein wichtiges Feld ist ferner die Energiewirtschaft. Wir haben gestern darüber ausführlich diskutiert. Ich möchte aber noch einmal auf die Kraftwerksstilllegungen eingehen. Auf drei Feldern hat die Staatsregierung versagt. Das erste Feld betrifft den Binnenmarkt für Strom. Man ist im nationalen Energiewirtschaftsgesetz wesentlich weiter gegangen und schneller vorgegangen als dies von der entsprechenden EU-Richtlinie gefordert war. Dies geschah unter der Bundesregierung von CDU/CSU und FDP.
Wenn es schon den Binnenmarkt gibt, dann braucht man auch einen einheitlichen Rahmen, damit gleiche Wettbewerbsbedingungen gegeben sind.
Doch gleiche Wettbewerbsbedingungen wollen CSU und Staatsregierung partout nicht haben. Drittens. Die Staatsregierung hat es versäumt, im Rahmen der Verhandlungen zur Fusion von Viag und Veba eine Verpflichtung zur Standortsicherung auszuhandeln. Sie hat also das Faustpfand einer Sperminorität bei der Viag jämmerlich schlecht genutzt. Auch in dem Zusammenhang ein Appell: Herr Minister Dr. Wiesheu, mischen Sie sich stärker ein. Die anderen Ressorts können es einfach nicht.
Ein letztes Feld auf meinem kurzen Streifzug: die Verkehrspolitik. Wir alle haben mit den Geburtsfehlern der Bahnreform zu kämpfen, mit dem Netzbetrieb innerhalb der DB-Holding. Herr Minister, wir fordern Sie auf, unser Anliegen zu unterstützen, dass das Netz aus der Holding herausgenommen und entweder privatisiert wird – mit Regulierungsbehörde – oder wieder in öffentliche Hand gestellt wird. Noch etwas zur Diskussion um Interregio, Interregio-Express und Stilllegungspläne. Es geht hier
nicht darum, immer nur zu maulen und mit gegenseitigen Schuldzuweisungen zu blockieren. Vielmehr ist kreatives Vorgehen gefragt. Uns allen in diesem Haus ist dieser Bahnverkehr doch sehr wichtig.
Ein wichtiger Streitpunkt in der Bahnpolitik sind die jeweiligen Defizite, ist die Finanzierung des Bahnverkehrs. Herr Minister Dr. Wiesheu, wenn Sie sich einerseits für kostspielige Prestigeobjekte stark machen und diese sogar vorantreiben, brauchen Sie sich nicht zu wundern, wenn für andere Vorhaben zu wenig Geld zur Verfügung steht. Wenn es um die genannten Prestigeobjekte geht, ist beispielsweise an die Hochgeschwindigkeitsstrecke über Ingolstadt zu denken oder an die jetzt von Ihnen unterstützte Hochgeschwindigkeitstrecke – ich sage: Rennstrecke – durch den Thüringer Wald. Auch der Transrapid kostet Geld, kostet sehr viel Geld. Wenn wir die gesamten Investitionskosten und die Infrastrukturkosten kapitalisieren, müssen wir zu dem Schluss kommen: Das Projekt rechnet sich eigentlich nicht. Wir müssten schon immens hohe Fahrpreise verlangen, um den Transrapid tatsächlich kostendeckend betreiben zu können. Wenn dieses Verkehrsmittel überhaupt zum Zuge kommt, sollte dies nur dort geschehen, wo nicht andere Kollektivverkehrsmittel kannibalisiert werden. Genau das wäre bei der Verbindung zwischen München und dem Münchner Flughafen der Fall.
Ein Feld, auf dem dringender Handlungsbedarf besteht, ist der MVV. Das S-Bahn-Desaster vom letzten Winter ist, wie ich glaube, doch allen hier in Erinnerung. Auch jetzt funktioniert die S-Bahn so schlecht, wie es in keinem Herbst zuvor zu erleben war. Auch jetzt noch entfallen Züge. Manchmal wird erklärt, wegen Personalmangels falle der Zug aus. Oft wird gar nichts gesagt. Die Situation ist äußerst schlecht. Wir können kaum glauben, dass es hier zu Verbesserungen kommen wird. Herr Minister, hier ist der Freistaat Aufgabenträger. Hier ist er zuständig. Er bestellt die Verkehre. Vorhin haben Sie gesagt, für 1,5 Milliarden DM würde guter Verkehr bestellt. Ich wage zu bezweifeln, dass dies so ist.
Wir wünschen uns eine bessere Umsetzung des Bayerntakts. Wir wünschen uns die Wiederinbetriebnahme stillgelegter Strecken. Entsprechende Anträge haben wir im Bayerischen Landtag eingebracht. Wir wissen um die Verhandlungssituation mit der DB. Wir haben Anträge zur Sicherung bestimmter Trassen und im Hinblick auf Zuschüsse für den Ankauf von Bahnhöfen gestellt. Leider sind alle diese Initiativen erst einmal abgelehnt worden. Doch wir lassen nicht locker. Wir kämpfen weiter für einen guten Bahnverkehr. Ich denke, irgendwann werden wir Erfolg haben.
letzten Woche ist mir in einer deutschen Wochenzeitung eine Schlagzeile aufgefallen, die lautete: „Die Wirtschaft kommt endlich auf die Beine – nun fürchten die Betriebe Stolperfallen durch den Staat“. Richtig: Die Konjunktur hat angezogen. Sogar der Einzelhandelsumsatz ist leicht gestiegen. Doch Ökosteuer, Einschränkungen beim Kündigungsschutz, neues Betriebsverfassungsgesetz, Gesetz zur Teilzeitarbeit und ein mittelstandsunfreundliches Steuergesetz legen sich wie Raureif auf die Blütenhoffnungen eines lang andauernden Konjunkturaufschwunges.
Weil ich das getan habe, äußere ich mich jetzt so deutlich, Herr Kollege Dr. Kaiser. Irgendwo muss ein Kontrapunkt gesetzt werden. – Anderswo war zu lesen, die Bundesregierung werde zum Beschäftigungsrisiko, wenn sie alles so umsetzt, wie es jetzt geplant sei.