Wir sprechen Mitte nächsten Jahres einmal darüber. – Erkennbar ist jedenfalls: Durch die neuen Medien und durch die Globalisierung verändert sich die Arbeit. Die Entwicklung geht hin zu immer stärkerer Flexibilisierung. Doch die Bundesregierung will jetzt wieder ein Arbeitsrecht schaffen, das restriktiver ist als das einer überholten Industriegesellschaft.
Herr Dr. Kaiser, es ist richtig, wenn Sie den Unternehmern und den Mitarbeitern in Bayern danken, die den wirtschaftlichen Erfolg erzielt haben. Das tun auch wir gern. So schließe ich mich dem Dank an. Die Unternehmer und die Mitarbeiter in Bayern haben stärker als die Menschen anderswo erkannt, was notwendig ist und was getan werden muss, damit wir vorankommen. Doch meine ich, die Leistungen der Staatsregierung und die Leistungen des Bayerischen Landtags – beide haben die notwendigen Rahmenbedingungen geschaffen – müssen deswegen nicht unbedingt unter den Tisch fallen. Als Beispiel für besagte Leistungen nenne ich nur, was mit der High-Tech-Offensive an Zukunftsprojekten in den neuen Technologien, in den „Life Sciences“, im Hinblick auf neue Materialien sowie in der Umwelt- und Verfahrenstechnik erreicht worden ist. Entsprechende Projekte sind wichtig. Gerade die Mittelständler sind es, die uns auf den genannten Gebieten voranbringen. Von ihnen kommen die wesentlichen Impulse für den Fortschritt. Doch müssen wir ihnen Hilfestellung geben, damit dies auch möglich ist. Für die Kompetenzzentren, die hier unterstützend tätig sind, wurden 1,5 Milliarden DM aufgewandt.
Auch in puncto IuK-Technologie hat Bayern gehandelt. So hat sich bei uns die Zahl der Informatikstudenten auf 8500 erhöht und damit seit dem Wintersemester 1994/1995 mehr als verdoppelt. Anderswo sehe ich nichts Vergleichbares. Zusätzlich wurde kurzfristig ein 60-Millionen-DM-Sonderprogramm zur weiteren Aufstockung der Informatikstudienplätze an bayerischen Universitäten und Fachhochschulen beschlossen. Finanziert aus Mitteln aus dem bayerischen Wirtschaftsministerium, wurde eine Informationskampagne für den Mittel
stand durchgeführt. In diesem Rahmen wurde aufgezeigt, wie mit neuen Kommunikationsmedien Märkte erschlossen, Kunden gewonnen, Kooperationen leichter eingegangen, Fertigungsprozesse effizienter gestaltet und Kosten gesenkt werden können. Denn wir wissen, dass der Wettbewerbsdruck gerade für Mittelständler ungeheuer groß ist. Diese Initiativen haben wir durch Maßnahmen im Hinblick auf die Ausbildung bzw. die berufliche Ausbildung ergänzt.
Die „Green-Card“, die als großer Renner gestartet ist, ist zu einem Sparmobil geworden. Wir sehen: Im Ausland ist das Interesse daran, nach Deutschland zu gehen, nicht sehr groß. Deswegen werden wir auch in Zukunft darauf angewiesen sein, dass die Unternehmen die benötigten Kräfte selbst heranbilden. Entsprechende Fördermaßnahmen haben wir in Bayern in hervorragender Weise eingleitet und teilweise auch schon umgesetzt. Ich wünschte, andere machten da mit. Denn es reicht nicht, dass Bayern unter den europäischen Regionen an der Spitze steht, was den Forschungsaufwand, die Zahl der Patentanmeldungen und die Zukunftsfähigkeit anbelangt. Auch die anderen Länder und der Bund müssen endlich die notwendigen Anstrengungen unternehmen, damit unser Land insgesamt wieder die technologische Führerschaft in Europa einnimmt. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD-Fraktion, ich bitte Sie darum, sich etwas mehr darum zu kümmern, dass die Länder, in denen Ihre Partei die Regierung stellt, den dargestellten bayerischen Kurs mitfahren, damit wir in Deutschland besser vorankommen. Es ist sinnvoller, das zu tun, als die Leistungen Bayerns schlecht zu reden.
Ein weiterer Punkt, weil immer wieder Forschung und Entwicklung angesprochen werden. Bayern liegt bei den Ausgaben für Forschung und Entwicklung an der Spitze, gemessen an der Bevölkerungszahl, sogar noch vor den USA und vor Japan. Doch wenn ich sehe, was die Bundesregierung tut, muss ich feststellen: Damit bin ich nicht zufrieden.
Wissen Sie, was UMTS heißt? – Unerwartete Mehreinnahmen zur Tilgung von Schulden. So nennt das der Bundesfinanzminister. In Wirklichkeit geht es um eine neue Technologie, die für uns ungeheuer wichtig ist. Die alte Bundesregierung hat noch ein Programm mit 25 Millionen DM eingerichtet für die Deutsche Forschungsgemeinschaft, um die notwendigen Entwicklungen bei IT voranzubringen. Was tut die neue Bundesregierung? – Sie nimmt die 100 Milliarden DM ein, obwohl die Fachleute sagen, bei UMTS sei dringender Forschungsbedarf, damit wir das Problem bei den Antennen besser in den Griff bekommen. Die Bundesregierung sieht sich nicht in der Lage, von den 100 Milliarden DM gezielt etwas für Forschung und Entwicklung auszugeben. Das ist nicht der richtige Weg. Man muss anprangern, was hier gemacht wird, weil wir so nicht weiterkommen.
Wir haben in Bayern – der Minister sprach es deutlich an – bei den Existenzgründungen viel erreicht. Wir sind bei der Selbständigen-Quote an der Spitze. Damit wir das bleiben, werden wir die Unternehmensnachfolge in besonderer Weise fördern. Die 10 Millionen DM, um die wir das Mittelstandsförderprogramm aufstocken wollen, sollen dazu dienen, dass die Konditionen für die Unternehmensnachfolge in der Familie noch verbessert werden, um auf diese Weise den Anreiz für die Übernahme des familieneigenen Betriebes zu verbessern. Das kommt einer guten Politik zugute und sichert die Zukunft des Mittelstandes.
Unsere Politik fördert den Tourismus mit zielgenauen Instrumenten. Wir müssen aber sehen, dass das Ausland um uns herum mit Qualität ungeheuer stark aufrüstet und wir deshalb Zusätzliches tun müssen. Aus diesem Grund haben wir angeregt, die Gewerbeförderung noch einmal um fünf Millionen DM zur Qualitätsverbesserung im Tourismus aufzustocken. Etwa 97% dieser Mittel gehen an das Hotel- und Gaststättengewerbe. Um diese Zielgruppe geht es uns, weil wir versuchen müssen, mit dem Ausland mitzuhalten. Das geht nur, wenn die Warteliste der Förderungen verringert werden kann.
Lassen Sie mich noch ein paar Anmerkungen zum Thema Verkehr machen. Mobilität ist Voraussetzung und Folge unseres Wohlstands – so lesen wir es zuweilen. Das gilt in besonderer Weise für den Güterverkehr. Die Arbeitsteilung in Europa hat als Folge der offenen Märkte und der unterschiedlichen Kosten zugenommen. Deswegen gibt es mehr Verkehr. Unser Bemühen ist es, die Abwicklung der Verkehre effizienter zu gestalten. Die Bayerische Staatsregierung – ich will nur ein Beispiel herausgreifen – hat Mittel eingesetzt, damit das Logistikkompetenzzentrum in Prien am Chiemsee einen Weg finden konnte, wie man die Verkehre auf der Bahn über den Brenner und die Alpen schneller, besser und zuverlässiger gestalten kann. Es gibt weitere Projekte auf dem Sektor des öffentlichen Verkehrs. Wir wollen versuchen, mit Logistikkonzepten ein Stück weit voranzukommen. Hier sind wir durchaus auf dem richtigen Weg. Wir sind auch für die Verteuerung des Güterverkehrs auf der Straße durch eine streckenbezogene Gebühr. Wir haben das schon zur Zeit der alten Bundesregierung beschlossen. Allerdings halten wir eine angemessene Entlastung der deutschen Unternehmer für notwendig, damit wir im Wettbewerb mit den Ausländern ein Stück weit gleichziehen. Es genügt nicht, nur die Straße zu verteuern und bei der Bahn alles so zu belassen, wie es ist. Es ist notwendig – wie der Wirtschaftsminister das deutlich ausgedrückt hat –, dass die Investitionen für die Bahn weiter steigen und insbesondere dem Güterverkehr auf der Bahn mehr Aufmerksamkeit gewidmet wird. Nicht nur der ICE ist wichtig, auch die Güterbahn ist wichtig. Dafür muss mehr unternommen werden. Wir können den Straßenverkehr nicht so lange verteuern, bis die Bahn endlich im Wettbewerb mitkommt.
(Herbert Müller (SPD): Zwei Milliarden DM jedes Jahr zusätzlich für die Bahn, das ist doch nicht schlecht!)
Bitte? – Ja, ja. Der Wirtschaftsminister hat deutlich gemacht, dass das lange noch nicht ausreicht, um die Dinge angemessen auf die Reihe zu bringen.
In diesem Zusammenhang muss ich die Ökosteuer ansprechen. Da wir durch die Arbeitsteilung mehr Verkehr haben,
darf es nicht so kommen, dass der Verkehr zunehmend von den ausländischen Unternehmen abgewickelt wird. Wir müssen darauf schauen, dass deutsche Unternehmen eine Chance haben, den Verkehr abzuwickeln.
Da Franzosen, Holländer, Belgier und Italiener Rückerstattungen machen, können wir nicht immer noch draufsatteln, weil wir dadurch die Wettbewerbssituation, die vorher zweifellos nicht ausgeglichen war, noch weiter verschärfen und dadurch den Mittelstand unerträglich belasten würden.
Ich möchte es, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, dabei belassen. Zum Schluss will ich einen Dank an den Wirtschaftsminister
und die Damen und Herren in seinem Hause für die gute und konstruktive Zusammenarbeit aussprechen. Als Vorsitzender des Ausschusses für Wirtschaft, Verkehr und Technologie möchte ich den Dank auch sagen für die stetige Bereitschaft, in dem Ausschuss zu offenen Fragen und aktuellen Informationen stets zur Verfügung zu stehen. Ich hoffe, dass wir in diesem Sinne die Zusammenarbeit fortsetzen können. Weil wir mit der Zusammenarbeit zufrieden sind, stimmen wir dem Haushalt des Wirtschaftsministers zu.
(Beifall bei der CSU – Herbert Müller (SPD): Sie haben vergessen, sich bei der Bundesregierung zu bedanken!)
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Zu einer zusammenfassenden Stellungnahme hat der Staatsminister für Wirtschaft, Verkehr und Technologie das Wort. Bitte schön, Herr Dr. Wiesheu.
Frau Präsidentin, Hohes Haus! Ich will auf einige Argumente eingehen, die vorhin gebracht wurden, und einige Anmerkungen machen. Kollege Kaiser hat gesagt, die bayerischen Wirtschaftsdaten seien gut. Das trifft zu. Das wäre im wesentlichen das Ergebnis der Rahmenbedingungen durch den Bund bei der Steuerreform. Ich frage, warum diese Ergebnisse seltsamerweise nicht automatisch auch in Niedersachsen, Schleswig-Holstein und anderswo eintreten. Die bundespolitischen und europapolitischen Rahmenbedingungen sind überall gleich, aber die Entwicklungen in den Ländern in Deutschland sind nicht überall gleich. Das muss man sehen.
Sie können mit der Umstrukturierung von Kohle und Stahl im Ruhrgebiet argumentieren. Das kennen wir aber schon sehr lange. In Niedersachsen gibt es das Problem nicht, in Schleswig-Holstein nicht und in anderen Ländern auch nicht. Dennoch hat man dort Probleme und ganz andere Zahlen. Die Ostländer will ich gar nicht heranziehen. Es muss also auch an den landespolitischen Gegebenheiten und Faktoren liegen. Es ist keine Erfindung nur der letzten sechs oder sieben Jahre, sondern das wird seit ein paar Jahrzehnten betrieben: Wir setzen mehr auf Innovation, mehr auf zukunftsträchtige Technologien, mehr auf die Standortpflege, mehr auf den Mittelstand und die Existenzgründer und mehr auf die Kooperationen zwischen Hochschule und Wirtschaft.
In den siebziger Jahren hat es Ideologen gegeben – das ist Ihnen besser bekannt als mir –, die gesagt haben, die Hochschulen dürften mit der Wirtschaft nichts zu tun haben. Die Debatte ist – Gott sei Dank – vorbei. Aber sie ist lange praktiziert und verfolgt worden. Diese Fehlentwicklungen wurden in anderen Ländern forciert – bei uns nicht. Es wurde seinerzeit gesagt, wir hätten eine rückständige Hochschulpolitik. Das Gegenteil war der Fall. Heute machen andere das nach, was wir gemacht haben.
Ich könnte Ihnen die Zahlen über die Ausgaben für Forschung und Entwicklung in anderen Ländern nennen. Es gibt welche, die nur 0,6% oder 0,8% des Bruttoinlandsprodukts für Forschung und Entwicklung ausgeben. Sie wundern sich dann, dass sie keine Innovationspotenziale haben. Bei uns sagt man: Von nichts kommt nichts. Die Dinge hängen miteinander zusammen. Es gibt bei gleichen bundes- und europapolitischen Rahmenbedingungen unterschiedliche Ergebnisse in den Ländern, weil die Wirtschafts- und Wissenschaftspolitik in den Ländern unterschiedlich gestaltet wird. Das war der Hintergrund für die Privatisierungsaktion. Wir wollen nicht besitzen, sondern mit den Erlösen gestalten.
Mich wundert, warum Niedersachsen mit so großer Freude auf seinen Anteilen an der VW AG sitzen bleibt. Warum denn, was haben die davon? Dass der Ministerpräsident im Aufsichtsrat sitzt? Was er da hört, kann er wahrscheinlich auch auf andere Weise erfahren. Dass er bei der Standortsicherung mitreden könnte, ist mir nicht bekannt geworden. In Niedersachsen hat VW genauso Arbeitsplätze abbauen müssen wie anderswo. Als ich mit Herrn Piëch, Herrn Schröder und Herrn Spöri verhandelt habe, ob die Produktion des A 3/A 4 nach Ingol
stadt kommt oder nicht, haben logischerweise nur die Standortfaktoren gegolten – und darüber bin ich froh. Die haben ein schönes Arbeitszeitmodell entwickelt, und die Betriebsräte in Ingolstadt haben einiges zugestehen müssen. Trotzdem frage ich mich, warum Niedersachsen auf seinen VW-Anteilen sitzen bleibt, anstatt sie zu verkaufen und die Erlöse für die Modernisierung des Standorts zu verwenden, wie wir es in Bayern getan haben.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Staatsminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dr. Scholz? –
Herr Minister, ist Ihnen entgangen, dass bei VW in einer gemeinsamen Aktion mit dem damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Schröder ein Programm ausgearbeitet wurde, mit dem gestaltend eingegriffen und der Erhalt von Zehntausenden von Arbeitsplätzen gesichert wurde, und zwar über einen sehr wichtigen Zeitraum hinweg, bevor erneut die volle Inanspruchnahme kam?
Auch VW musste eine Menge Arbeitskräfte entlassen. Dann wurde auf Gruppenarbeit umgestellt, als Personalchef Herr Hartz geholt, der das organisieren musste. Weil man Ruhe mit der Belegschaft haben wollte, wurde ein Arbeitszeitmodell vereinbart, mit dem auf 32, zum Teil sogar 30 Stunden reduziert und manches flexibler gestaltet wurde – da war schon am Donnerstag Schluss. Damit hat es aber auch Ärger gegeben. Denn so weit sie keine andere Beschäftigung hatten, haben die Leute gesagt: „Was sollen wir am Freitag zu Hause?“ Die haben dann ein bisschen schwarz gearbeitet, anstatt allein zu Hause herumzuhocken. Das Modell war also nicht ganz angemessen und wurde deshalb wieder geändert.
Das mag ein normaler Diskussionsprozess sein. Trotzdem frage ich mich: Ist es heute angesichts der aktuellen Wettbewerbssituation sinnvoll und notwendig, dass ein Land mit mehr als 20% an einer Automobilfirma beteiligt ist. Man könnte die Anteile verkaufen, die Erlöse nehmen und gestalten, in Zukunftsfähigkeit investieren, um den Standort attraktiv zu machen. Wir haben das gemacht. Andere machen es nicht. Das ist deren Entscheidung. Das sollte man zur Kenntnis nehmen.
Die Steuerreform ist für den Mittelstand nicht ausgewogen. Denn die Steuersätze für Personengesellschaften sind anders als die für Kapitalgesellschaften. Kapitalgesellschaften können Anteile an anderen Kapitalgesellschaften verkaufen und brauchen dafür keine Steuern zu zahlen. Bei Personengesellschaften geht das nicht, selbst wenn es sich um Betriebsvermögen handelt. Firmen als Personengesellschaften, die zum Beispiel Konkursfirmen übernehmen, die sie unter anderem dadurch neu ordnen wollen, indem sie Grundstücke der Anlagenteile von einem Betrieb in den anderen nehmen, müssen dies als Entnahmegewinn paradoxerweise voll versteuern.
Würde eine Kapitalgesellschaft so verfahren, wäre die Umwandlung völlig steuerfrei. Das passt doch nicht zusammen. Denn auch im mittelständischen Bereich sind Umstrukturierungen erforderlich, und deshalb kommen die Leute und fragen: „Habt ihr nicht irgendwo“ – salopp gesagt – „einen Firmenmantel einer defizitären Firma, damit wir mit dem Verlustvortrag noch arbeiten und das Ganze steuerneutral bewältigen können?“ Das kann doch nicht der Sinn der Sache sein.
Wenn eine Firma als Kapitalgesellschaft eine andere aufkauft, weil beide Unternehmen zueinander passen, ist mit der Steuerbefreiung laut Bundesregierung auch beabsichtigt, die Wirtschaft umzustrukturieren, um die so genannte Deutschland AG aufzulösen. Angenommen, eine Firma verfährt so, strukturiert um und erzielt Synergieeffekte, werden in der Regel größere Renditen erzielt und Arbeitsplätze abgebaut; denn anders keine Synergieeffekte. Wir kennen die Beispiele RWE und e.on. Derartige Fusionen gehen in der Regel zulasten von Arbeitsplätzen; es handelt sich um Finanzinvestitionen. Dadurch werden die Firmen zwar gestärkt; zunächst aber zulasten der Arbeitsplätze. Die damit verbundenen finanziellen Transaktionen sind bei Kapitalgesellschaften steuerfrei. Bei Kapitalgesellschaften, die Kapitalgesellschaften ankaufen, gibt es keine Gegenfinanzierung; denn es gibt bei diesen Verträgen auch keine Abschreibungen.
Wenn mittelständische Betriebe als Personengesellschaften in Sachkapital investieren, gibt es eine Gegenfinanzierung durch Verschlechterung der Abschreibungsbedingungen, und das bedeutet – man kann es gar nicht oft genug sagen –, dass Investitionen in Sachkapital, die prima facie Arbeitsplätze schaffen und erhalten, schlechter gestellt sind, weil in diesem Fall schlechtere Abschreibungsmöglichkeiten greifen und die Steuererleichterung durch die Gegenfinanzierung kompensiert wird. Finanzinvestitionen sind dagegen steuerlich besser gestellt, weil bei ihnen im Steuerrecht keine Gegenfinanzierung vorgesehen ist. Im Ergebnis werden dadurch Sachinvestitionen benachteiligt und Kapitalinvestitionen bevorzugt. Wenn man ökonomische Effekte erzielen will, muss man aber Sachinvestitionen bevorzugen. Zwar ist die Steuerreform grundsätzlich für die Wirtschaft eine Verbesserung – sie ist ein Schritt in die richtige Richtung –, wenn man aber größere ökonomische Effekte erzielen will, müssen Schwerpunkte auf die Verbesserung des Sachkapitalstocks und auf die Stabilisierung bzw. Neuschaffung von Arbeitsplätzen gelegt werden.
Es ist gesagt worden, zwar seien viele Sanierungen gelaufen, ihr späterer Erfolg sei aber nicht garantiert.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Dr. Kaiser, wir haben die Aussprache geschlossen. Weitere Zwischenfragen können nicht zugelassen werden.
Bei einer Betriebssanierung kann man nur eine neue Ausgangsbasis schaffen. Was die Betriebe dann daraus
machen, hat man politisch nicht in der Hand. Bei der Sanierung von Winterling wurde seinerzeit mit Herrn Ihle vereinbart, dass ein Fachmann für die Organisation der Produktion und ein weiterer Fachmann für die Organisation des Vertriebs eingestellt werden muss. Herrn Ihle allein war dies angesichts der Größenordnung des Betriebs nicht möglich. Im August vor zwei oder drei Jahren wurde von ihm zugesichert, man werde so verfahren. Geschehen ist es nicht. Herr Ihle wurde einbestellt, um ihm noch einmal klar zu machen, dass er so zu verfahren hat und dass er ein sauberes Rechnungswesen braucht. Wieder ist nichts geschehen. So etwas lässt sich leider politisch nicht erzwingen. Das konnten nicht einmal die Banken. Zu der bedauerlichen Situation, die dann eingetreten ist, kam es leider auch durch das Versagen der Anteilseigner, die nicht bereit waren, 5 Millionen in den Betrieb zu stecken, obwohl sie früher eine Menge Geld herausgeholt hatten. Deshalb gab es im Einvernehmen mit den Gewerkschaften keinen anderen Weg, als den Konkurs nicht mehr aufzuhalten. Hätten wir mit Villeroy & Boch vor ein paar Jahren schon eine Lösung versucht, wären die Arbeitsplätze, die jetzt stillgelegt werden, seinerzeit schon stillgelegt worden.