Protocol of the Session on October 18, 2000

(Beifall bei der SPD)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Traublinger, bitte.

Frau Präsidentin, Hohes Haus! Herr Kollege Dr. Kaiser, es wundert mich immer wieder aufs Neue, wie Sie es schaffen, aus einem Lob eine Verurteilung zu machen. Sie begannen Ihre Rede mit einem Dank an die Unternehmer, an die bayerische Wirtschaft und begründeten dies mit den hervorragenden bayerischen Wirtschaftsdaten. Sie hätten redlich gehandelt, wenn Sie den bayerischen Wirtschaftsminister, die Bayerische Staatsregierung und letztlich auch die sie tragende Partei einbezogen hätten.

Ich sage Ihnen auch warum.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Kaiser (SPD))

Das, was wir an Wirtschaftsdaten aufweisen können, zum Beispiel – heute schon genannt – die Selbstständigenquote, eine hervorragende Lehrstellenbilanz, um die uns andere Flächenstaaten beneiden, einen Arbeitsmarkt mit 4,8% Arbeitslosen und auch in den schwächeren Gebieten mit 7,2% immer noch deutlich unter dem Bundesschnitt, zeigt sehr deutlich, dass Bayern in allen wichtigen Fragen Spitzenreiter ist.

Das kommt nicht von ungefähr. Wirtschaftspolitik ist ein Mosaik, ein Mosaik von Kalkulierbarkeit, von geschaffenen Rahmenbedingungen, von Glaubwürdigkeit und Beständigkeit in der Politik.

Sie haben ähnlich wie Ihr Kollege Schieder, der das im Haushaltsausschuss gemacht hat, die Ursache bayerischer Erfolge im Wesentlichen auf zwei Punkte zurückgeführt: zum einen auf die Berliner Politik und zum Zweiten auf den Euro-Wechselkurs. Sie, Herr Kollege Dr. Kaiser, haben das heute beim Euro-Wechselkurs zwar ohne euphorischen Unterton gemacht, Ihr Parteifreund Schieder hat das im Haushaltsausschuss so zum Ausdruck gebracht, als ob der Eurokurs letztlich dafür zuständig wäre, dass wir in Bayern diese hervorragenden Daten haben.

Eines ist unbestritten: Der Eurokurs ist sehr wohl eine entscheidende Grundlage dafür, dass ein Bereich der bayerischen, der deutschen Wirtschaft boomt, nämlich der Export. Daran besteht kein Zweifel. Aber, meine Kolleginnen und Kollegen, das, was aus Berliner Sicht hierzu kommt, lässt zu wünschen übrig. Wir vernachlässigen mit dem Blickwinkel ausschließlich auf Euro- und Exportwirtschaft den Themenbereich Binnenwirtschaft.

Damit komme ich zu dem zweiten Bereich, den Sie lobend erwähnt haben, nämlich zu den Erfolgen der Bundesregierung. Sie haben dies sogar in einen Zusammenhang mit Legendenbildung bezüglich einer Benachteiligung des Mittelstandes gestellt. Herr Kollege Dr. Kaiser, das, was Sie als große Meisterleistung bezeichnet haben – ich darf Ihnen als Handwerksmeister sagen, wir verstehen unter Meisterleistung etwas anderes –, ist bei der Steuerreform sicherlich nicht angebracht. Warum? Ich verkenne übrigens nicht, dass es Fortschritte gegeben hat, Fortschritte, die sich der Bundeskanzler kurz vor der Abstimmung in der Art von armenischem Teppichhandel erkauft hat.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Kaiser (SPD))

Ich will nur sagen, was Sie eigentlich wollten. Sie wollten nicht die Wiedereinführung des halbierten Steuersatzes bei der Betriebsaufgabe aus Altersgründen – ein ganz entscheidender mittelstandspolitischer Aspekt!

(Unruhe bei der SPD – Dr. Kaiser (SPD): Das ist doch gemacht worden!)

Herr Kollege Dr. Kaiser, Ihre Fraktion wollte die Absenkung des Spitzensteuersatzes auf 42% nicht. Bis eine Nacht vorher waren es 45%. Der Spitzensteuersatz wurde bei 98000 DM erreicht und nicht, wie jetzt im Paket des Geschäftes, bei 102000 DM.

Ich sage Ihnen in diesem Zusammenhang noch eines: Die Steuerreform ist ein Schritt, aber kein ausreichender, und er kommt zu spät. Es gibt eine große Ungleichbehandlung für den Bereich des Mittelstands. Der Bereich nämlich, dem auch das Handwerk zugehörig ist, in dem die Unternehmen im Regelfall in der Rechtsform der natürlichen Person geführt werden – das sind deutlich über 80% –, liegt in der Endstufe der Steuerreform bei 42%, und das ist im Jahre 2005 der Fall, geht also deutlich über die jetzige Legislaturperiode hinaus. Der Bereich der Kapitalgesellschaften wird am 1. Januar 2001 mit einem Körperschaftsteuersatz von 25% deutlich entlastet. Ich sage ausdrücklich, dass die Entlastung der Kapitalgesellschaften nicht falsch ist, aber die Ungleichbehandlung zwischen dem großen Bereich des Mittelstandes und den Kapitalgesellschaften spricht Bände. Das ist der Punkt, der kritisch herausgearbeitet werden muss.

Wenn man schon beim Steuerbereich ist, muss natürlich die Ökosteuer in gleicher Weise genannt werden. Was haben Sie mit der Ökosteuer bewirkt? Sie haben bewirkt, dass das Ungleichgewicht in der Entwicklung von Export und Binnenwirtschaft noch verstärkt wird, weil der, der im Inland produziert, der im Inland arbeitet, der im Inland konsumiert, mit deutlich höheren Kosten belastet wird, als es vor Einführung der Ökosteuer der Fall war. Der Trick, den Sie mit der vermeintlichen Kompensation der Lohnzusatzkosten angewendet haben, ist mehr als durchsichtig.

Wie gesagt, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen auch von der SPD, das Thema Steuerreform und das Thema Politik aus Berlin lässt jedenfalls keinen Schluss darauf zu, dass wir in Bayern auch nur annähernd Impulse bekommen hätten, um die Daten zu erreichen, die wir heute aufweisen können.

Ich kann das übrigens noch mit einer Reihe von anderen Gesetzesvorhaben, die in Planung oder beschlossen sind, ergänzen, beispielsweise mit dem heute schon genannten Thema 630-DM-Kräfte. Es ist ein Trauerspiel, wie hier seinerzeit argumentiert und gearbeitet wurde: Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln.

(Frau Dr. Baumann (SPD): Weil Sie es jahrzehntelang lang haben schleifen lassen!)

Oder der Entwurf des Mitbestimmungsgesetzes mit der angedachten Möglichkeit, dass bis zu Rationalisierungsinvestitionen oder Umweltschutzinvestitionen der Betriebsrat mitreden kann. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Sie das realisieren, machen Sie den Wirtschaftsstandort kaputt.

Oder das Teilzeitgesetz, auch ein Gesetz, das derzeit in Beratung ist. Wenn Sie das aus der unternehmerischen Verfügungsgewalt herausnehmen – da gebe ich Ihnen Brief und Siegel –, werden Sie mit Sicherheit nicht mehr, sondern deutlich weniger Arbeitsplätze und auch weniger selbstständige Existenzen als Ergebnis haben.

(Herbert Müller (SPD): Und wie machen Sie das mit dem Recht auf Teilzeit?)

Meine sehr verehrten Damen, meine Herren, Kollege Dr. Kaiser – und damit möchte ich mich auch noch auf einige bayerische Themen einlassen – hat erfreulicherweise unseren Antrag begrüßt, das Mittelstandskreditprogramm auf 90 Millionen DM anzuheben.

Im Haushaltsentwurf war es mit 5 Millionen DM plus angesetzt, durch einen Änderungsantrag der CSU wurde es dann auf 90 Millionen DM angehoben.

Herr Minister Dr. Wiesheu hat dazu Ausführungen gemacht, saldiert über die letzten Jahre. Ich möchte diese ergänzen, weil das Thema so wichtig ist, und möchte das denen ins Stammbuch schreiben, die glauben, das MKP könne bezogen auf den Haushalt nur unter konsumtiven Gesichtspunkten gesehen werden. Wir haben 1999 rund 3900 Unternehmen über das MKP fördern können. Damit man auch hier weiß, welcher Investitionsschub damit getätigt wurde, sage ich dazu: Dieser betrug 1999 rund 1,6 Milliarden DM. Sie können es auch in Arbeitsplätzen haben: Rund 21000 Arbeitsplätze wurden damit gesichert und 5000 neu geplant.

Daran zeigt sich sehr deutlich, dass das MKP ein Instrumentarium ist, das die bayerische Wirtschaft braucht, das der bayerische Mittelstand braucht und das von den Mitteln und Konditionen her so ausgestattet sein muss, dass es seiner Aufgabe gerecht werden kann.

Meine sehr verehrten Damen, meine Herren, Herr Kollege Dr. Kaiser hat das Thema Rating angesprochen. Wenn wir uns heute über das Thema Rating unterhielten, wären wir ein Jahr zu spät dran, Herr Kollege Dr. Kaiser.

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Kollegin Dr. Baumann?

Traublinger (CSU) Ja.

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Bitte, Frau Kollegin.

Herr Kollege Traublinger, wie halten Sie es und wie hält die CSU bzw. die CSU-Fraktion es mit dem Recht auf Teilzeitarbeit, mit dem Recht auf Vereinbarkeit von Familie und Beruf, mit dem Recht von Frauen auf Arbeit?

Frau Kollegin, Sie müssen sich den Gesetzentwurf anschauen und das, was derzeit in der CSU-Fraktion diskutiert wird, nämlich das Problem der familienbezogenen Teilzeit.

(Frau Dr. Baumann (SPD): Was ist Ihre Meinung dazu?)

Das, was in Ihrem Entwurf steht, ist ein globaler Anspruch jedes Arbeitnehmers, jeder Arbeitnehmerin auf Teilzeitbeschäftigung mit dreimonatiger Ankündi

gung. So kann es nicht kommen – um das ganz klar und deutlich zu sagen.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU – Herbert Müller (SPD): Aber Herr Stoiber vertritt das doch! Da schlagen wohl zwei Seelen in Ihrer Brust: Handwerk und CSU!)

Lassen Sie mich auf das Thema Rating zurückkommen. Es ist mit dem „Basler Akkord“ heute schon angesprochen worden, Herr Kollege Dr. Kaiser. Wir haben es erreicht – und wenn ich „wir“ sage, meine ich sowohl die Bayerische Staatsregierung wie die bayerische Wirtschaft –, dass die Beurteilung von externem und internem Rating gleichgestellt wird. Der Fairness halber darf ich feststellen, dass wir diesbezüglich auch nachdrückliche Unterstützung von Ihren Kolleginnen und Kollegen im Deutschen Bundestag bekommen haben. Das Thema jetzt aufzugreifen ist ein wenig zu spät. Aber ich gebe Ihnen Recht, dass wir über die Ausführung noch reden müssen. Nur das Förderinstrumentarium auszufüllen ist sicher ein unzureichender Weg. Hier muss an der Ursache gearbeitet und darf nicht am Symptom kuriert werden.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Kaiser (SPD))

Ich komme zur Arbeitsmarktsituation. Ich sagte es vorhin schon: 4,8% Arbeitslosigkeit im Durchschnitt grenzt, insbesondere in Ballungsbereichen, nahe an die Vollbeschäftigung. Ich verkenne nicht, dass wir erhebliche Probleme im produktiven Bereich und auf dem Dienstleistungssektor haben, ausreichend Arbeitskräfte zu bekommen. Herr Minister Dr. Wiesheu hat sehr deutlich angesprochen, dass dies ein vielschichtiger Prozess ist. Er beginnt mit der Qualifizierung von Arbeitskräften, aber ich gehe soweit zu sagen: Es darf natürlich nicht dort enden, wo zum Beispiel die Green Card des Herrn Bundeskanzlers endet, nämlich bei Einkommensgrößen von 100000 DM aufwärts. Das kann nicht der Weg sein. Wenn es darum geht, in Deutschland dringend benötigte Arbeitskräfte zu bekommen, darf man das nicht mit einer Einkommensschwelle von 100000 DM versehen, eine Größenordnung, die deutlich über dem Durchschnittseinkommen bayerischer und deutscher Handwerker liegt.

Zum Thema „virtueller Marktplatz“ haben Sie, Herr Kollege Dr. Kaiser, der Bayerischen Staatsregierung vorgehalten, dies würde in einen völlig falschen Weg münden. Es sei nicht Aufgabe der Staatsregierung, auf diesem Sektor tätig zu werden.

Sie sollten mit Ihrer Kritik beim Münchner Oberbürgermeister und den beiden Präsidenten der IHK und der Handwerkskammer beginnen. Diese drei haben nämlich einen Letter of intent unterzeichnet, welcher ein Münchenportal zum Inhalt hat, mit der gleichen Zielsetzung, die Sie kritisieren.

(Dr. Runge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dann haben Sie es nicht verstanden, Herr Traublinger! – Dr. Kaiser (SPD): Darf ich eine Zwischenfrage stellen?)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Kollege Traublinger, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Dr. Kaiser?

Traublinger (CSU) Ja, sehr gern.

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Bitte, Herr Kollege.

Dr. Kaiser (SPD) Herr Kollege Traublinger, wenn Sie das Münchenportal ansprechen, also eine regionale Sache, die wir durchaus befürworten, frage ich: Warum macht das von Ihnen auch initiierte Münchenportal, der regionale Marktplatz München, bei dem Buy-net der Staatsregierung nicht mit? Der Oberbürgermeister hat zum Ausdruck gebracht, dass Sie das ablehnen.

Herr Kollege Dr. Kaiser, wer derzeit im Bereich Internet etwas vorschnell ablehnt, ist mit seiner Aussage zu früh dran. Was sich auf diesem Sektor abspielt, wird über kurz oder lang in riesige Einheiten münden. Ich darf das aus dem Blickwinkel des Handwerks sehr deutlich sagen. Es gibt handwerk.de mit in der Endstufe 700000 Teilnehmern allein aus dem Handwerksbereich. All dies wird mit Partnern entweder gespiegelt oder verlinkt, wie auch immer. Es würde zu weit führen, diesen Dialog jetzt zu vertiefen.

(Dr. Kaiser (SPD): Das machen wir ein andermal!)

Das können wir zur rechten Zeit gerne tun. Entscheidend ist: Das, was Sie kritisieren, wird in München praktiziert.

(Frau Dr. Baumann (SPD): Das ist anders!)