Protocol of the Session on October 18, 2000

ten stellen, der richtige Weg ist, um der braunen Gefahr zu begegnen. Es müsste ein Ruck durch diese Gesellschaft gehen, und unser Beitrag dazu in diesem Hause wäre eben auch ein Beitrag der Legislative, des Gesetzgebers, nicht wohl formulierte Proklamationen, sondern wirklich handfeste Taten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es ist an der Zeit, dass auch Sie, meine Damen und Herren von der CSU, endlich einmal positive Signale in Richtung der ausländischen Bevölkerung in unserem Land richten und zeigen, dass Sie klar für deren Interessen eintreten.

Auf Landesebene fehlt nach wie vor in Bayern für 9,2% der hier lebenden Menschen, eben für die Ausländerinnen und Ausländer, eine Einrichtung, die ihre Interessen vertritt, indem sie Informations- und Beratungsrechte gegenüber der Staatsregierung wahrnimmt. Der Stelle eines oder einer Landesausländerbeauftragten haben Sie sich hartnäckig verweigert, und damit fehlt eben eine Einrichtung, die auf Integrationsprobleme hinweist, die an der Gestaltung und Umsetzung von Integrationsmaßnahmen beteiligt wird.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich bin der AGABY sehr dankbar – die SPD-Fraktion ist ihr zu großem Dank verpflichtet –, dass sie sich dieser Aufgabe auch ohne Ihre Unterstützung annimmt. Sie engagiert sich und versucht, auf kommunaler Ebene und auf Landesebene durch Erfahrungs- und Informationsaustausch wenigstens einiges am Laufen zu halten, was aber eigentlich dringend der staatlichen Anerkennung, der formellen und der finanziellen Unterstützung bedürfte.

Wir brauchen einen Landesausländerbeirat, dem die erforderlichen Rechte zugesprochen werden. Wir brauchen einen Landesausländerbeirat, der von Landtag und Staatsregierung zuverlässig in entsprechenden Fragen unterrichtet wird, dem notwendige Anhörungsrechte eingeräumt werden und der mit den erforderlichen finanziellen Mitteln ausgestattet wird. Wir sollten dankbar dafür sein, dass es die AGABY gibt, deren Arbeit sinnvoll und vernünftig fortgeführt werden könnte und der man diese Aufgaben übertragen könnte.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, machen wir uns nichts vor. Unseren deutschen und ausländischen Mitmenschen in Bayern vermitteln wir mit dieser und mit vielen anderen Entscheidungen, wie ernst es uns wirklich mit der oft beschworenen Integration ist. Die Bundesrepublik hat sich in den letzten Jahrzehnten unbestritten zu einer stabilen Demokratie entwickelt. Vielleicht aber ist die rechtsradikale Gewalt eine Art Fieberthermometer für das wiedervereinigte Deutschland. Es zeigt uns an, dass ein Infekt diese Gesellschaft erfasst hat, der schnell auch zu ihrer nachhaltigen Schwächung führen kann.

(Dr. Bernhard (CSU): Geh!)

Dem müssen wir gegensteuern. Dabei dürfen wir nicht auf Ratschläge, kritische Hinweise, demokratisch-solidarische Unterstützung und Mithilfe derer verzichten, um die es an zentraler Stelle geht, nämlich die Migrantinnen und Migranten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wenn ich in diesem Zusammenhang noch einmal an die Asyldebatte, an die Unterschriftensammlung gegen die doppelte Staatsbürgerschaft und an die Kinder-statt-Inder-Kampagne erinnere, kommt mir manchmal das Bild des Zauberlehrlings in den Sinn, der nun mit der Konsequenz zu kämpfen hat, dass er die Geister, die er rief, nach populistischem Gebrauch nicht wieder so einfach vertreiben kann.

Manche Politiker und Politikerinnen – und da kann ich meine eigene Partei nicht ausnehmen – haben leider allzu schnell populistische und integrationsfeindliche Parolen der Konservativen übernommen.

(Zuruf des Abgeordneten Hofmann (CSU))

Damit finden Sie sich mit all den Stoibers und Kochs, den Schönbohms und Becksteins in einem Boot, und zwar in einem Boot, das in meinen Augen nun wirklich viel zu voll ist.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir können aber auch aus den Erfahrungen dieser Sommermonate lernen. Als ermutigendes Zeichen konnten wir zur Kenntnis nehmen, dass allenthalben der Rassismus und Rechtsradikalismus als gesellschaftliche Gefahr, bei einigen auch als ökonomisches Problem wahrgenommen werden und über eine bestimmte Zeit zum Thema in den Medien und in der politischen Öffentlichkeit wurden. Dabei sind wir uns einig, dass dazu sicher auch das Sommerloch beigetragen hat. Natürlich habe ich mir einerseits gedacht – und Ihnen wird es nicht anders ergangen sein –: Endlich wird die Problematik erkannt. Andererseits war aber auch eine gehörige Portion Skepsis dabei, weil doch allzu lange verschleiert, verharmlost und verniedlicht wurde.

Noch etwas kommt hinzu: Bei manchen Klagen über rechtsradikale und ausländerfeindliche Ausschreitungen stand für mich viel zu laut die Sorge um den Wirtschaftsstandort Deutschland im Vordergrund und nicht die Sorge um die Menschen, die darunter leiden.

Diese ganze Diskussion verweist unmittelbar auf einen wichtigen Aspekt, um den es in der heutigen Debatte wie auch in vielen anderen Debatten immer wieder geht: Was sind geeignete Maßnahmen für die gesellschaftspolitische Herausforderung der Integration? „Deutschland ist kein Einwanderungsland“ – immer wieder wurde dieser Satz in der Vergangenheit von Ihrer Seite, meine Kolleginnen und Kollegen von der CSU, vorgetragen. Ich kann mit Frau Beck, die vor einer Woche hier war, nur

sagen: Die Wiederholung dieses Satzes hat ihn nicht richtiger gemacht.

(Zuruf des Abgeordneten Breitschwert (CSU))

In der aktuellen Debatte um die Green Card oder um den Vorschlag der Blue Card aus Bayern hat nun endlich auch die CSU erkannt, dass Deutschland Einwanderung braucht. Spät erkennen auch Sie, dass die Einwanderungsgesellschaft längst notwendige Realität ist.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN)

Da kommt mir wieder John Maynard Keynes in den Sinn, der einmal einem Kritiker entgegengehalten hat: „Wenn die Fakten sich ändern, ändert sich auch meine Meinung.“ Was machen Sie? Meine Kolleginnen und Kollegen von der CSU, sie beharren auf Ihrer Meinung, auch wenn sich viele Fakten ändern. Die Fakten haben sich geändert. Wir sind in Deutschland eine Einwanderungsgesellschaft. Wir brauchen aus ökonomischen und sozialen Gründen Einwanderung. Ich möchte auch klarmachen, dass wir diese Einwanderungsdiskussion nicht mit der Asyldiskussion verknüpfen sollten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN)

Darüber haben wir vor etlichen Monaten an dieser Stelle schon einmal diskutiert.

(Breitschwert (CSU): Was ist das denn anderes?)

Wir dürfen aber auch nicht die Diskussion fortführen, die Beckstein, Goppel und andere in einer üblen Art und Weise losgetreten haben,

(Breitschwert (CSU): Das ist die Wahrheit!)

nämlich zu unterscheiden zwischen solchen Menschen, die uns nützen und solchen, die uns ausnützen oder, wie Goppel gesagt hat, Deutschland dürfe sich – –

(Willi Müller (CSU): Das hat der Schily auch gesagt!)

Dafür schäme ich mich genauso, das habe ich hier schon einmal gesagt. Ich halte das für genauso falsch.

(Hofmann (CSU): Was ist denn die Green Card anderes?)

Herr Hofmann, ich würde von Ihnen gerne anstelle eines Zwischenrufs einmal eine zusammenhängende Argumentation erleben.

(Hofmann (CSU): Ich habe eine Frage gestellt!)

Dann könnte man darüber reden.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ihr Verständnis – Herr Hofmann, jetzt bin ich am Mikrofon, und es tut gut, einmal lauter schreien zu können als

Sie –, von Zuwanderung ist ein doch sehr egoistisches, unchristliches, unmenschliches.

(Hofmann (CSU): Sie haben überhaupt keine Ahnung!)

Ich habe davon vielleicht mehr Ahnung als Sie. Es mag Ihnen bloß peinlich sein, wenn Sie das manchmal einsehen müssen. –

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich halte es mit Johannes Rau, der mit seinem Wort „Einwanderung ist eigennützig, Asyl ist uneigennützig“ den richtigen Ton getroffen hat. Es geht uns um Menschen und deren Schicksale, nicht aber um ein ökonomisches Nutzenkalkül. Ich halte es für wichtig, dass wir in der Diskussion zwischen Asyl und Einwanderung sauber trennen.

Lassen Sie mich zum Schluss kommen. Wenn Sie von der CSU einmal 100% der Wählerstimmen erreichen, dann brauchen Sie sich so etwas nicht mehr anzuhören. Aber dazu sind wir viel zu stark, und wir sind auf dem besten Wege, noch stärker zu werden. Meine Partei hat keine Angst davor, wenn dieses Thema zum Wahlkampfschlager wird, weil dann jeder sieht, wo die Menschlichkeit und das christliche Verständnis sitzt, und das sitzt nicht bei Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU.

(Beifall bei der SPD)

Meine Fraktion und die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN haben einen sinnvollen Gesetzentwurf eingebracht bzw. unterstützt. Wenn Sie sich einem sozialen und christlichen Grundverständnis wirklich verpflichtet fühlen, dann unterstützten Sie diesen Gesetzentwurf. Wenn nicht, dann kann ich Ihnen nur mit Joseph von Eichendorff zurufen: „Der Herr behüte Sie auf ihren Holzwegen.“

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich kenne Joseph von Eichendorff als feinen Poeten. Ich habe erhebliche Zweifel, dass er so etwas gesagt hat, zumal er Jurist war.

Als nächster Redner hat Herr Kollege Herrmann das Wort.

Lieber Herr Kollege Vogel! Manche Äußerungen, die Sie soeben von sich gegeben haben, kann man nicht stehen lassen. Ich spreche Ihnen jedes Recht ab, von diesem Pult aus Ihrer Sicht zu definieren, was unchristlich ist und zu behaupten, dass zum Beispiel Herr Kollege Hofmann ein unchristliches Verständnis von Einwanderungspolitik hat. Ich kann der Bibel weder die eine noch die andere gesetzliche Form und schon gar nicht die Frage, ob wir in Bayern einen Landesausländerbeirat brauchen, entnehmen. Das ist eine Art von