Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kollegen, liebe Kolleginnen, sehr geehrter Herr Staatsminister! Ich habe die Blue Card begrüßt und ich sage es hier nochmals: Ich begrüße, dass Sie von der Bayerischen Staatsregierung endlich Ihre bisherige Realitätsverweigerung aufgegeben haben und auf dem Boden der Tatsachen angekommen sind – ein großer Fortschritt für den Freistaat Bayern.
Der geistige Vater des Slogans „Kinder statt Inder“ – er heißt Edmund Stoiber und nicht Günther Beckstein – hat dank des Green-Card-Anstoßes von Bundeskanzler Gerhard Schröder vom strikten Nein zum Jein gefunden, um dann den Versuch zu machen, sich an die Spitze der Bewegung zu setzen, um dieses Nein und Ihre politische Isolation in dieser Frage vergessen zu machen.
Meine sehr geehrten Herren, meine sehr geehrten Damen, ich stimme dem Geschäftsführer der IHK für München und Oberbayern, Herrn Dörfler, uneingeschränkt zu, der gesagt hat: „Wir brauchen beides im Interesse der Wirtschaft.
Wir brauchen beides, nämlich die Green Card genauso wie die Blue Card.“ Wir fordern Sie daher auf, nicht zu versuchen, das Green-Card-Konzept im Bundesrat zu blockieren, sondern ihm zuzustimmen. Herr Herrmann, alles das, was Sie hier an Kritik geäußert haben, läuft ins Leere. Der Betreffende kann sich nicht in die soziale Hängematte legen.
Natürlich ist der Aufenthalt daran gebunden, dass es eine Arbeitserlaubnis und einen Arbeitsvertrag gibt. Natürlich wollen wir, dass diese Menschen mit ihrer Qualifikation hier bei uns arbeiten. Deshalb holen wir sie doch in einem begrenzten Umfang. Auch die Mitarbeiter mit Blue Card werden eine Arbeitserlaubnis der Bundesanstalt für Arbeit brauchen. Deshalb ist ein Zusammenwirken von Landes- und Bundesebene unabdingbar.
Das Green-Card-Konzept hat im Übrigen einen großen Vorteil: Es enthält beides: Einwanderung von Fachkräf
ten und gleichzeitig die verbindliche Zusicherung von Ausbildung eben dieser Fachkräfte durch die Wirtschaft in unserem Land, und zwar sowohl von jungen neuen Kräften als auch von Arbeitslosen in diesem Bereich.
Eine kleine Anmerkung: Es wäre gut, wenn diesen Anstrengungen von Bundespolitik und Wirtschaft – die Anstrengungen der Wirtschaft waren überfällig, und sie hätten, wenn sie früher stattgefunden hätten, vielleicht beide Lösungen überflüssig gemacht – ebensolche Anstrengungen der Bildungspolitik auf Landesebene folgen würden. Ich halte es für nicht hinnehmbar, dass mehr Bewerber für ein Informatikstudium an Hochschulen und Fachhochschulen in Bayern abgelehnt als angenommen werden, und zwar nicht etwa deswegen, weil ihnen die notwendige Qualifikation fehlen würde, sondern aus Platzgründen, weil auch wir in Bayern zuwenig Informatikstudienplätze haben. Diesem Mangel muss abgeholfen werden, wenn wir nicht auf Dauer auf Fachkräfte aus dem Ausland angewiesen sein wollen.
Ich halte es für richtig, dass wir über Blue- und GreenCard-Regelungen eine spezifizierte Zahl von Menschen nach Deutschland holen, Menschen, die nicht etwa anderen Arbeitsplätze wegnehmen, sondern ohne die neue Arbeitsplätze hier bei uns gar nicht erst entstehen können. Die begrenzte Zahl und die Voraussetzung der Qualifikation können unter anderem dazu dienen, Ängste in der Bevölkerung abzubauen. Dies ist notwendig, bevor wir ein umfassendes Einwanderungsgesetz auf den Weg bringen. Deshalb ist es auch richtig, dass die Bundesanstalt für Arbeit sowohl für die Blue Card als auch für die Green Card den Rahmen für die Arbeitserlaubnis setzt.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, die Beweglichkeit der CSU ist mehr als erstaunlich: Vom gebetsmühlenartigen Wiederholen des Slogans „Deutschland ist kein Einwanderungsland“ bis zum jüngsten Beklagen, dass die Bundesregierung nicht längst – gleichzeitig mit der Green Card – ein umfassendes Zuwanderungsgesetz vorgelegt hat, war der Weg ein sehr, sehr kurzer, frei nach dem fränkischen Motto: „Was interessiert mich mein Gschmarre von gestern.“ Das verstehen Sie, Herr Herrmann.
Nicht von gestern, sondern von vorvorgestern waren Ihre Argumente, und deshalb ist es gut, dass Sie sich endlich ein Stück in die richtige Richtung bewegt haben. Für uns von der SPD ist es dabei vollkommen unstreitig, dass es für Zugewanderte einen Anspruch auf aktive Integrationsbemühungen des Staates gibt, aber ebenso eine Verpflichtung unserer ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger, sich aktiv an ihrer eigenen Integration zu beteiligen. Deshalb haben wir zum Beispiel keine Kritik an den Tests für in Bayern lebende Ausländer, die die deutsche Staatsbürgerschaft erwerben wollen, geübt. Wir halten es aber für vollkommen verfehlt, dass Sie diese Tests jetzt verschärfen wollen und es damit selbst für deutsche Staatsbürger schwer machen, sie zu bestehen. Das dient der Integration nicht, sondern verhindert
Liebe Kollegen und liebe Kolleginnen von der CSU, wir werden Sie mit Ihrer Blue Card buchstäblich beim Wort nehmen und all die Petitionen, die Sie für angeblich „erledigt“ erklärt haben, noch einmal bearbeiten. Es handelt sich um Petitionen von Arbeitgebern, die händeringend darum gebeten haben, ihre ausländischen Fachkräfte – auch Hightech-Fachkräfte –, die in einem hohen Ausmaß integriert sind, behalten zu dürfen. Jetzt haben Sie die Gelegenheit, Ihre damaligen Fehlentscheidungen zu korrigieren.
Wir brauchen ein nationales, ein europaverträgliches Migrationskonzept mit klaren Anforderungen für Einwanderungswillige, die sich dann nicht mehr länger durch Asylverfahren hindurchlügen oder illegale Wege beschreiten müssen. Wir müssen dieses Migrationskonzept verbinden mit einem verbindlichen Integrationskonzept. In diesem Zusammenhang erinnern wir an unsere zu einem nicht kleinen Teil einstimmig im Bayerischen Landtag verabschiedeten Anträge, von denen nahezu noch nichts umgesetzt ist.
Lassen Sie mich einen letzten wichtigen Punkt nennen, den wir nicht begrüßen, sondern den wir kritisieren, nämlich Ihre immer wieder gestarteten untauglichen Versuche, eine geregelte Zuwanderung aus ökonomischen Interessen – das muss man betonen – mit einer Zuwanderung aus humanitären Gründen zu verknüpfen. Die falsche Verknüpfung von Einwanderung und Asyl können wir nicht zulassen. Dabei machen wir nicht mit.
Meine sehr geehrten Herren, meine sehr geehrten Damen von der CSU, wollen Sie wirklich Gesamtquoten für Zuwanderung aus beiden Gründen festlegen und Flüchtlinge aus einer schrecklichen Diktatur, gefolterte Menschen oder Bürgerkriegsflüchtlinge ablehnen, weil in dem betreffenden Jahr zum Beispiel schon mehr als 10000 Informatiker zu uns gekommen sind? Das geht nicht; das wäre unwürdig; das können wir nicht wollen. Oder wollen Sie umgekehrt dringend benötigte Fachkräfte nicht hereinlassen, weil es in diesem Jahr ein paar Asylbewerber zu viel gibt? Das wäre ein Schildbürgerstreich. Wenn ich das kritisiere, heißt das nicht, dass wir uns einer Diskussion über eine effektive Bekämpfung des auch von uns nicht bestrittenen Asylmissbrauchs, des Schlepper- und Schleuserunwesens verschließen würden.
Wir begrüßen, dass Sie endlich auch die Frage der Aussiedler und insbesondere der Russlanddeutschen auf die Tagesordnung setzen. Vielleicht hören Sie endlich damit auf, auch hier gebetsmühlenhaft zu wiederholen, dass die Türen weit offen stehen, obwohl Sie doch wissen, dass es auch in diesem Bereich eine Unmenge an Missbrauch gibt, den wir abstellen müssen. Wir reichen die Hand dazu, denn das kann selbstverständlich so nicht weitergehen.
Ich verstehe nicht, welcher Teufel Sie reitet, dass Sie laufend dieses untaugliche Konglomerat aus Zuwanderung und Asyl zur Diskussion stellen. Sie wissen so gut wie wir, dass wir auf europäischer Ebene in absehbarer Zeit einheitliche Regelungen haben werden. Führen wir also die Diskussion dort, wo sie hingehört, nicht immer hier im Landtag als Stimmungsmache gegen Asylbewerber und Ausländer. Das ist auch Ihrer nicht würdig, und es ist vor allem des „C“ in Ihrem Parteinamen nicht würdig.
Liebe Kollegen, liebe Kolleginnen, wir sind froh darüber, dass wir aufgrund der Tätigkeit der Arbeitsgruppe des Innenministers unter Leitung von Rita Süßmuth und unter stellvertretender Leitung von Hans-Jochen Vogel noch rechtzeitig vor Ende dieser Legislaturperiode verwertbare Erkenntnisse für ein Einwanderungsgesetz in unserem auch ökonomischen Interesse – ich betone das noch einmal – haben werden. Hier wird es Quoten geben müssen. Im Asylrecht aber ist, wie es Klaus J. Bade ausgedrückt hat, nicht eine „Quotierung der Hilfsbereitschaft“ angesagt, sondern es sind Verteilungsquoten zwischen den europäischen Ländern notwendig. Wir fordern Sie auf, diesen Weg – den einzig erfolgversprechenden – mitzugehen und auf Ihrem Weg der zunehmenden Erkenntnis voranzuschreiten. Wir freuen uns darüber.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich an das anknüpfen, was Frau Kollegin Schmidt zum Schluss gesagt hat. Es wäre gut, wenn wir in Europa eine Quotierung bekämen, aber der zuständige Kommissar, Herr Vitorino, sagt, dass überhaupt kein Weg hinführt, eine Quotenregelung vorzulegen, weil er keine Chance sieht, dass mit Ausnahme von Deutschland irgendein Land zustimmt. Herr Schily sagt, dass er es für eine Illusion hält, wenn in der Öffentlichkeit der Eindruck erweckt wird, wir würden über Europa zu einer Lastenquotierung kommen.
Da kann ich nur sagen, sehr verehrte Frau Schmidt: Es hilft uns nichts, wenn Sie bei den Kolleginnen und Kollegen den Eindruck erwecken, es werde eine Quotierung auf europäischer Ebene geben, ihr eigener Bundesinnenminister aber sagt, es führe kein Weg dorthin. Herr Schily hat darauf hingewiesen, dass wir zunächst bei uns eine Lösung herbeiführen müssen, um europafähig zu werden und auf europäischer Ebene eine Quotierung zu erreichen. Sie können doch nicht ernsthaft bestreiten, dass Herr Schily sagt: „Wir brauchen eine einheitliche europäische Regelung, und müssen deswegen auch unser Grundrecht auf Asyl infrage stellen.“ Herr Schily sagt das übrigens in einer sehr viel härteren Formulierung als ich. Denn er geht von 3% anerkannten Asylbe
werbern aus, während ich in meinem Eckpunktepapier mit allem drum und dran, also mit Eheschließung, Erkrankung während der Zeit des Hierseins usw., 15% angesetzt habe. Wir sollten uns nicht in die eigene Tasche lügen.
Ich wundere mich immer, dass Sie bestimmte Entwicklungen der Vergangenheit nicht zur Kenntnis genommen haben. Die Notwendigkeit, ein Zuwanderungsgesetz zu schaffen, besteht bereits seit 1993. Ich verhehle nicht, dass es mit der FDP nicht möglich war, zu einheitlichen Kriterien zu kommen, während wir in Bonn an der Regierung waren.
Allerdings ist es in einer Zeit, in der man sich auf über vier Millionen Arbeitslose zubewegt, sehr viel schwieriger als in normalen Zeiten, das Thema Zuwanderung miteinander zu erörtern. Ich wundere mich auch, dass in Ihrem Beitrag, Frau Schmidt, keine Rede davon war, wie wahrhaft mutig es ist, wie die GRÜNEN, bei 3,5 bis 4 Millionen Arbeitslosen eine großflächige Einwanderung zu fordern. Wir machen nicht mit, wenn es heißt: „Wir brauchen frische, willige und billige Arbeitskräfte aus dem Ausland, die Arbeitslosen im Inland sind uns Wurscht!“ Das kann nicht richtig sein,
(Beifall bei Abgeordneten der CSU – Widerspruch bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN und der SPD)
auch unter sozialen Aspekten nicht. Deswegen fordere ich uns alle auf – insbesondere Sie, die Sie alle Petitionen aufgreifen wollen – mit Blick auf abgelehnte Asylbewerber, die im Bauwesen, in der Gastronomie und
als Krankenschwestern und Pflegekräfte beschäftigt sind, auf den Bundesinnenminister und auf den Bundesarbeitsminister dahin gehend einzuwirken, dass die Möglichkeiten der Arbeitsgenehmigung geändert werden. Die Bundesanstalt für Arbeit sagt allerdings, da führe kein Weg hin. Denn zum Beispiel in Nürnberg gibt es arbeitslose, ausgebildete Krankenschwestern, weshalb dort schon darüber diskutiert wurde, ob das städtische Klinikum diese ausgebildeten Krankenschwestern nicht über den Bedarf hinaus übernehmen könnte. Deshalb können wir in München nicht sagen: „Nein, wir wollen dafür auf jeden Fall Leute aus Drittländern, mit denen keine Verträge bestehen.“
Wir lassen Ihnen jedenfalls nicht durchgehen, dass Sie in Berlin nichts tun und uns in München anklagen.
Ich weiß, dass die GRÜNEN das klare Konzept, das wir vorgestellt haben, bis aufs Blut ärgert. Ich fordere Sie auf, eine Abstimmung mit ihrem Bundestagskollegen Özdemir, der für diese Fragen zuständig ist, herbeizuführen. Er hat im Rahmen der Diskussion am vergangenen Freitagabend im Sender „Phoenix“ meine erste Formulierung gebraucht, wonach wir mehr Leute hereinlassen wollen, die wir brauchen, und weniger, die uns brauchen. Dabei geht es nicht um eine schlichte Erweiterung der Zuwanderung, sondern um ein Umsteuern, damit unser Sozialsystem nicht in derselben Weise von Zuwanderung belastet wird, wie es in den vergangenen zehn bis 15 Jahren der Fall war.
Man kann auch nicht umhin anzuerkennen, dass wir im Vergleich zu der Zeit vor 20 Jahren etwa eine Verdoppelung des Ausländeranteils – wahrscheinlich sogar mehr – bei gleichzeitigem Rückgang der Zahl derer, die sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind, zu verzeichnen haben. Die Zahl der Ausländer, die von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe leben, ist zirka drei Mal so hoch wie die vergleichbare Zahl von Deutschen, die der Sozialhilfeempfänger sogar vier Mal so hoch. Ich spreche in diesem Zusammenhang nicht von Wirtschaftsflüchtlingen wie Ihr Bundesinnenminister, sondern von Armutswanderung. Wir können nicht einerseits versuchen, weltweit Armutsprobleme zu lösen, und andererseits das Niveau der Sozialsysteme für alte und kranke Menschen zurückfahren.
Wir müssen Spielräume für Menschen schaffen, die uns nutzen, und Spielräume für die reduzieren, die uns nur ausnutzen. Die Gesamtzuwanderung wollen wir nicht erhöhen. Deshalb täuschen Sie sich in dem Glauben, wir hätten unsere Koordinaten verändert. Keine Spur. Vor massenhafter Zuwanderung können wir nur warnen. Es geht nicht an, wie die UNO jährlich 500000 als Minimum und etwa 1,5 Millionen DM als Optimum der Nettozuwanderung zu fordern. Denn damit würden wir Riesenintegrationsprobleme schaffen, die zwangsläufig entstünden, wenn in den Jahren 2010 bis 2012 die ersten deutschen Städte keine deutsche Bevölkerungsmehrheit mehr hätten.