Protocol of the Session on June 27, 2000

Herr Kollege Schieder, ich weiß nicht, ob Sie diese Frage wirklich ernst meinen. Es ist doch so, dass wir jetzt darüber diskutieren müssen, nachdem ein Urteil des Bundesgerichtshofs zur Berliner Tariftreueerklärung vorliegt. Darum geht es in der heutigen Diskussion. Sie haben in Berlin jetzt zwei Jahre Zeit. Es geht mir nicht darum, Sie hier vorzuführen. Ich nehme es vielmehr ernst, wie wir die bayerischen Bauarbeitnehmer schützen können. Wenn es sich um Landesaufträge handelt, kann man die Tariftreueerklärung anwenden. Bei Bundesaufträgen kann ich das aber nicht. Das zu ändern, ist Sache von Rot-Grün in Berlin. Deshalb sollten Sie mit uns dafür kämpfen, dass die Berliner eine entsprechende Regelung verabschieden.

(Beifall bei der CSU)

Wenn Sie sich dafür einsetzen und das schaffen, dann könnten Sie in der Oberpfalz mit Stolz vor die Leute hintreten. Es kann aber doch nicht sein, dass wir die Regelung im Rahmen der Auftragsverwaltung nicht anwenden dürfen. In diesem Punkt müssen wir weiterkommen. Deshalb sollten Sie mit uns zusammen sagen: Wir müssen den Berlinern Beine machen, damit sie endlich sozialverträgliche Regelungen schaffen.

(Beifall bei der CSU)

Ich habe jetzt noch zwei Wortmeldungen: Herrn Kollegen Nentwig und Herrn Kollegen Dr. Runge. Die SPD-Fraktion hat noch sechs Minuten Redezeit, das BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sogar noch 24 Minuten. Ich bitte aber um Nachsicht für die anwesenden Kolleginnen und Kollegen.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Wir sind darin einig, dass auf dem Bausektor schlimme Zustände herrschen. Ich appelliere deshalb vor allem an die Mehrheitsfraktion, die im Wirtschaftsausschuss immer wieder betont, wie mittelstandsfreundlich sie sei. Es geht um die Dinge, von denen Staatsminister Dr. Beckstein gesprochen hat: um Millionenaufträge. In unserem Gesetzentwurf, den Kollege Werner Schieder mit uns fachlich und qualifiziert vorbereitet hat, ist einer der Gedanken, dass Lose unterteilt nach Summen oder Fachbereichen zu vergeben. Das ist nach unserer Auffassung ein ganz besonders wichtiger Punkt. Herr Staatsminister Dr. Beckstein, Sie sollten deshalb nicht ablenken, indem Sie auf millionenschwere Aufträge vom Bund verweisen. Vom Freistaat, von den Kommunen und von den öffentlichen Auftraggebern werden in gleicher Weise Aufträge über Millionensummen vergeben.

Ein Freund von mir ist Bauunternehmer. Er sagt ganz klar: Uns, die wir uns ordentlich und korrekt verhalten, die wir nach Möglichkeit nur deutsche Arbeitnehmer einstellen, beißen die Hunde. Wenn sich Bauunternehmer korrekt an alle rechtlichen Vorgaben halten, sind sie bei der Auftragsvergabe oft die Dummen. Ich appelliere deshalb an die Mehrheitsfraktion, dem strengeren Gesetzentwurf, dem Gesetzentwurf der SPD, zuzustimmen.

Wir haben im Wirtschaftsausschuss detailliert darüber gesprochen. Das sind die uns wichtigen Punkte, die Sie in Ihren Gesetzentwurf aufnehmen und einbauen können – wir hätten auch die Chance, diese bis zur Dritten Lesung nochmals zu besprechen –, um insbesondere unseren Mittelstand zu begünstigen. Man könnte sich für Teillose oder Fachlose entscheiden, damit die Aufträge nicht immer gleich in den Millionenbereich gehen.

Außerdem ist uns wichtig, dass die Arbeitnehmervertreter eben die Tariftreue bestätigen. Wenn jemand korrekt mit den Arbeitnehmern zusammenarbeitet, hat er doch nichts zu befürchten. Ich habe den Eindruck, bei Ihnen geht es da um eine Ideologie, derzufolge man den Arbeitgeber nicht dazu zwingen könne, etwas gemeinsam mit den Arbeitnehmern auszuarbeiten, was die Arbeitnehmer dann bestätigen und mit unterschreiben.

Noch einmal: Wer zahlt, schafft an. Wir halten es für ganz wichtig, dass sich in Bayern und in den Kommunen die Auftraggeber nicht nur bei dem jeweiligen einzelnen Auftrag an die gesetzlichen Vorgaben und Regelungen halten, sondern insgesamt. Denn jemand, der sich nicht an die gesetzlichen Vorgaben und Regelungen hält, ist doch im Vorteil gegenüber einem anderen, der treu und brav seine Abgaben bezahlt, sich kontrollieren lässt, mit den Arbeitnehmern ein gutes Verhältnis hat und Tariftreue wahrt. Deshalb sollte unser Gesetzentwurf zum Tragen kommen, dass sich der Auftraggeber nicht nur

bei diesem einen öffentlichen Auftrag an die gesetzlichen Vorgaben hält, sondern dies insgesamt tut. Damit verhalten wir uns mittelstandsfreundlich im wahrsten Sinne des Wortes.

Noch ein Punkt, der uns wichtig ist: Wenn ich einen örtlichen Bauunternehmer nehme und nicht einen, der aus Portugal oder von sonst wo kommt, weil es ein Millionenauftrag ist, kann ich ihn, wenn es um Gewährleistungsfristen geht, jederzeit zur Hand nehmen und sagen: Bringe das wieder in Ordnung.

Wenn wir Aufträge im Hunderttausenderbereich haben, so sind diese Aufträge in der Regel für einen Bauunternehmer aus dem Ausland, aus den neuen Bundesländern oder von weiter weg nicht interessant. Da sollten wir schon mehr auf unsere heimischen bayerischen Unternehmer setzen, die hier die Steuern zahlen, unsere Arbeitnehmer beschäftigen, brav ihre Abgaben bezahlen und sich an die Tariftreue halten.

Deshalb bitte ich Sie nochmals und appelliere an Sie, diese Vorschläge, die wir auch im Wirtschaftsausschuss besprochen haben, noch einmal mit uns zu diskutieren. Im Wirtschaftsausschuss waren Ihre Vertreter relativ geneigt. Wir hatten den Eindruck, dass Sie noch einmal darüber reden wollten. Nachdem Sie unseren Entwurf abgelehnt hatten, haben wir Ihrem Gesetzentwurf sogar zugestimmt, um ein Zeichen unseres guten Willens zu setzen. Herr Kollege Rotter, Sie waren der CSU-Wortführer. Sie sollten sich für diese Punkte einsetzen, Ihren Entwurf erweitern, gerade weil Sie immer sagen, Sie seien so mittelstandsfreundlich. Tun Sie es nicht, sind Sie es wirklich nicht.

(Beifall bei der SPD)

Bitte schön, Herr Kollege Runge.

Ich darf, ehe Kollege Runge vorn ist, auf Folgendes hinweisen: Wir haben morgen, beantragt von der CSU, zu diesem Gesetzentwurf der Landesregierung eine namentliche Abstimmung. Sie wird um 10.30 Uhr nach der Fragestunde stattfinden.

So, Herr Kollege Runge, bitte schön.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich hatte eigentlich nicht den Eindruck, nur so kurze Zeit gesprochen zu haben. Es ist wunderbar, dass ich noch so viel Zeit habe. Ich mache es trotzdem relativ kurz, nachdem Minister Beckstein meine Frage nicht verstanden zu haben scheint.

Ich habe den Eindruck, Herr Minister, Sie mussten unbedingt mit einem Kraftwort und mit einigen wenigen Kraftsätzen, wie sie in Ihrem Manuskript gestanden haben, enden. Herr Kollege Schieder und ich, wir haben sehr, sehr sachlich diskutiert und uns sehr sachlich mit der Thematik auseinander gesetzt. Wir haben auch in den Ausschussberatungen immer wieder gesagt, dass wir den Gesetzentwurf der Staatsregierung gut und richtig

finden und dass wir diesem Gesetzentwurf auch zustimmen. Wenn Sie zugehört haben, haben Sie auch gehört, dass ich gesagt habe, dass wir auch die Bundesratsinitiative der Staatsregierung unterstützen. Selbst Kollege Schieder, von dem man das nicht immer gewohnt ist, war sehr sachlich.

Deswegen habe ich die Verknüpfung mit dem, was Sie gesagt haben, bevor Sie zum Bund Stellung genommen haben, nicht verstanden. Inzwischen hat Kollege Schieder noch einmal nachgefragt, warum das nicht schon vorher geschehen sei, und Sie haben dann Bezug genommen auf das Urteil des Kammergerichts Berlin, auf den BGH und auf das ausstehende Verfassungsgerichtsurteil. In diesem Zusammenhang muss ich Ihnen sagen, dass Sie, Herr Minister Beckstein, da sehr daneben liegen, weil der Freistaat Bayern schon immer gesagt hat, dass Tariftreue abzufragen etwas Gutes ist. Das ist sehr gut. Die Berliner haben das als Erste eingeführt; Bayern war das zweite Bundesland, das das eingeführt hat. Wir haben das auch immer unterstützt, gar keine Frage.

Aber es hat schon immer gemeinsame Baustellen gegeben, etwa die Gemeinschaftsaufgabe im Hochschulbau, der Forschungsreaktor in Garching. In solchen Fällen gab es eben keine Tariftreue. Man hat jeweils lapidar geschrieben: Weil es eine Gemeinschaftsaufgabe ist, weil der Bund dabei beteiligt ist, können wir das nicht machen. – So gesehen, war die Frage des Kollegen Schieder durchaus berechtigt. Warum hat man sich in diesem Falle, obwohl man schon vor Jahren erkannt hat, dass hier ein Pferdefuß ist, nicht für eine Änderung eingesetzt? Da mit dem BGH-Urteil zu kommen, das ist einfach daneben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Wir haben noch eine Wortmeldung des Herrn Staatsministers Dr. Beckstein. Ich gehe davon aus, dass wir gleichwohl um 18.30 Uhr abschließen können.

Ich weise noch darauf hin, dass auch über den Gesetzentwurf der SPD-Fraktion morgen früh zur gleichen Zeit namentlich abgestimmt wird.

Herr Kollege Runge, Herr Schieder, die frühere Bundesregierung hat immer gesagt, dass sie aufgrund rechtlicher Bedenken, die später auch in die Entscheidung des BGH eingeflossen sind, eine Regelung haben wolle, die in wettbewerbs- und kartellrechtlichen Fragen unstreitig ist. Deswegen hat die frühere Bundesregierung die Entsenderegelungen zu Stande gebracht, die wir nicht für ausreichend gehalten haben. Darum haben wir noch eine eigene Regelung daraufgesetzt.

Mir geht es wirklich nicht darum, Sie vorzuführen, aber, Herr Kollege Schieder, wenn Sie solche Zeichen machen, muss ich Sie doch vorführen. Sie können hier nicht so tun, als seien Sie besonders arbeitnehmerfreundlich, wenn zur gleichen Zeit die Vertreter der Bun

desregierung dafür verantwortlich zeichnen, dass uns gleichzeitig untersagt wird, bei Aufträgen des Bundes, also im Autobahnbau usw., überhaupt unsere Tariftreueerklärung anzuwenden.

(Beifall bei der CSU)

Es ist doch in der Tat nicht nachvollziehbar, dass Sie dann vielleicht noch so gnädig sind, eine Bundesratsinitiative zu unterstützen. Dann sorgen Sie doch um Gottes Willen dafür, dass Ihre Vertreter in Berlin das durchsetzen, was arbeitnehmerfreundlich ist.

(Beifall bei der CSU)

Wenn Sie das nicht schaffen, sollten Sie den Mut haben, die Bundesregierung öffentlich anzugreifen und zu sagen: Wir sind zu schwach, die in Berlin auf eine Linie zu bringen, die man unterstützen kann.

Aber sich hier hinzustellen und so zu tun, als ob das ausschließlich eine Frage der früheren Bundesregierung sei, das hat doch mit Ehrlichkeit überhaupt nichts mehr zu tun.

(Beifall bei der CSU)

Deswegen kann ich nur sagen: Wir bemühen uns. Das haben wir auch unter der früheren Bundesregierung getan. Damals hat es natürlich auch manche Auseinandersetzung um die Frage der Tariftreueerklärungen gegeben. Wir haben das in den Beschäftigungspakt Bayern eingebracht und mit vielen Schwierigkeiten eine Regelung zuwege gebracht, die von beiden Seiten mitgetragen wird. Diese Regelung haben wir dann auch umgesetzt und sie ist auch im Beschäftigungspakt abgehandelt worden.

Ich sage Ihnen eindringlich: Helfen Sie uns, diese Regelungen auch für den wesentlich größeren Bereich der Bundesaufträge umzusetzen. Dann haben Sie auf jeden Fall einen großen Anteil daran, dass wir Verbesserungen zuwege bringen.

Dass wir uns natürlich auch bemühen, bei Staatsaufträgen möglichst in kleinen Losen zu vergeben, ist eine Selbstverständlichkeit. Aber auch hier weiß jeder von Ihnen, dass die Auftragssummen, die beim Autobahnbau vergeben werden, ganz andere Beträge sind als die, die normalerweise im Straßenbau eine Rolle spielen. Auch im Bereich des staatlichen Hochschulbaues handelt es sich in aller Regel um kleinere Aufgaben und um kleinere Beträge. Die großen Maßnahmen liegen in aller Regel im Bereich der Bundesaufträge und dafür geht es eben leider sowieso nicht.

Das Ziel, den Mittelstand massiv zu unterstützen, verfolgen wir auch. Aber so wie wir das praktizieren, ist das eine wirksame Regelung. Perfekt würden wir dann, wenn wir auch ermächtigt würden, diese Regelung auf den Bereich der Auftragsverwaltung der Bundesaufträge zu erweitern. Diesbezüglich sind Sie in der Verantwortung. Das kann man nicht allein über den Bundesrat machen, sondern da müssen Sie auch den Mut haben, die Bundesregierung anzugreifen.

(Beifall bei der CSU)

Jetzt habe ich eine erneute Wortmeldung des Kollegen Runge.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Beckstein, niemand hier hat gesagt, dass dies ausschließlich ein Problem der alten Bundesregierung sei. Dagegen hat jemand gesagt – und das waren Sie –, es sei ausschließlich ein Problem der neuen Bundesregierung. Das hat mit Vorführen gar nichts zu tun. Das ist billige Polemik, die dem Thema einfach nicht angemessen ist.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die Aussprache ist geschlossen. Die namentliche Abstimmung erfolgt morgen früh. Ich wünsche allen Kolleginnen und Kollegen einen angenehmen Abend.

(Zurufe von der CSU: Danke, Herr Präsident!)

(Schluss: 18.31 Uhr)