Protocol of the Session on April 14, 2000

Herr Kollege Hofmann, manchmal ist es wirklich nicht so einfach mit Ihnen.

(Hofmann (CSU): So soll es auch bleiben!)

Sie sind ein netter Widerredner. Ich würde mich freuen, wenn Sie Stellung beziehen würden, was Sie für die Bürgerinnen und Bürger konkret umsetzen wollen, wie Sie Ökologie und Ökonomie vereinbaren wollen. Sie melden Wunschlisten an und handeln aus politisch-taktischem Kalkül. Ökologische Gesichtspunkte haben bei Ihnen nicht den Stellenwert, dass Sie in konkrete politische Entscheidungen umgesetzt würden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Eine verantwortliche Gesamtfortscheibung des LEP steht an. Wir GRÜNEN werden uns mit unserem unverbesserlichen Optimismus konkret und zielführend mit weiteren Anträgen beteiligen. Ich kündige das bereits an, und wir hoffen, dass Sie die Teilfortschreibung sofort zu den Akten legen und endlich mit einer verantwortlichen Gesamtfortschreibung beginnen und den neuen Erfordernissen der Ökologie, des Klimaschutzes, des Flächen- und Ressourcenschutzes größeren Stellenwert in der bayerischen Politik geben. Wir werden dafür kämpfen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als nächster Redner hat Herr Kollege Hartenstein das Wort. Ihnen stehen fünf Minuten zu, Herr Kollege Hartenstein.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mit ihrem Gesetzentwurf will die Staatsregierung bestimmte Projekte der Verkehrsvorhaben des Bundes sowie die Errichtung einer ForschungsHochflussneutronenquelle der Technischen Universität München in Garching – FRM II – einer planerischen Verfestigung zuführen und gleichzeitig auf die Sicherung neuer Standorte für Kernkraftwerke verzichten. Diese Vorgehensweise mag Außenstehende beeindrucken, in Wirklichkeit jedoch stellt sie nichts anderes als „Seifenblasenaktionismus“ dar. Welche Bindungswirkungen die genannten Ziele nämlich gegenüber dem Bund auslösen können, bleibt nach wie vor rechtlich umstritten. Und selbst, wenn man den Gedankengängen von Ministerial

dirigent Prof. Dr. Konrad Goppel in seinem zu Beginn des Jahres erschienenen Aufsatz zu diesem Thema folgt, stellt sich am Ende doch die Frage, ob der Bund sich nicht doch der Bindungspflicht dadurch entziehen kann, dass er die Projekte zwar zielkonform in der Bundesverkehrswegeplanung belässt, jedoch unter Berufung auf Haushaltsknappheit dafür keine Finanzmittel vorsieht. Prof. Dr. Goppel wörtlich:

Nachdem es sich beim Haushalt des Bundes wie bei dem der Länder um ein formelles Gesetz handelt, ist er als höherrangiges Recht den Bindungswirkungen der Ziele der Raumordnung entzogen. Eigens zu diskutieren wäre deshalb, ob der Bund über eine – wie auch immer geartete – Selbstbindung zur haushaltsmäßigen Absicherung seiner eigenen gesetzlichen Regelung verpflichtet ist; ohne finanzielle Absicherung ginge nämlich die Festlegung in den Ausbauplänen ins Leere.

Den enormen Einsatz an Arbeitskraft hätte man sich also in diesem Zusammenhang wohl seitens der Staatsregierung besser erspart.

Doch nicht nur die rechtliche Seite, sondern auch die inhaltliche muss näher durchleuchtet werden. Es grenzt schon ein bisschen an Heuchelei, wenn die Staatsregierung auf der einen Seite die immer beängstigenderen Verhältnisse auf der Schiene beklagt, auf der anderen – Frau Paulig hat die Zahlen genannt – aber ihren eigenen Schwerpunkt weiterhin auf den Straßenausbau legt. Aus meiner Sicht sollte die Devise beispielsweise lauten: Statt Bau der A 71 zweigleisiger Ausbau und Elektrifizierung der parallel verlaufenden Bahnstrecke. Von derartigen Vorschlägen allerdings hört man leider von der Staatsregierung, aber auch der CSU nur sehr wenig.

Nun zur Forschungs-Hochflussneutronenquelle FRM II: Ich habe diesen Gesichtspunkt in der Rede von Frau Paulig vermisst.

(Frau Paulig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Stimmt, den habe ich vergessen!)

Es handelt sich dabei zunächst einmal nicht um eine Erneuerung – wie von der Staatsregierung immer wieder betont wird –, sondern um eine neue Art der Neutronenbereitstellung, die zum Tragen kommen soll. Wie wiederholt dargestellt, läuft der geplante Einsatz von hochangereichertem Uran den weltweiten Bemühungen um Nichtweiterverbreitung von waffenfähigem Material zuwider. Doch diese Position wird nicht mehr überzeugen können. Der Forschungsreaktor ist trotz Bundesregierung inzwischen fast fertig gestellt, und niemand erwartet mehr, dass Bundeskanzler Gerhard Schröder im letzten Augenblick noch die Notbremse zieht. Im Gegenteil, eher ist zu befürchten, dass die Bundesregierung künftig ultrahoch- angereichertes Uran und Plutonium aus russischen Atomwaffen beziehen wird. Das wäre doch wirklich eine fantastische Argumentation: Der FRM II untergräbt nicht die Bemühungen und Nichtweiterverbreitung von waffenfähigem Material, nein, er trägt geradezu dazu bei, waffengrädiges Material aus dem Verkehr zu ziehen. Wer wollte da noch dagegen sein? Fehlt nur noch der Transport der Todesfracht per Flug

zeug. Ich befürchte, wir eilen einer strahlenden Zukunft entgegen.

Meine Damen und Herren, die ÖDP verbucht – wie unlängst erneut zu lesen war – die Streichung der so genannten neuen Standorte für Kernkraftwerke seitens der Staatsregierung als ihren Erfolg. Ganz abgesehen davon, dass ein kurzer Reißnagel in einem von Schwielen durchsetzten Hintern kaum Spuren hinterlassen kann, frage ich mich, wo denn der Erfolg angesiedelt sein soll. Insofern verstehe ich auch nicht die Äußerungen von Frau Biedefeld, die aus meiner Sicht hinsichtlich dieses Punktes absolut unkritisch gewesen sind. Am Altstandort Grafenrheinfeld beispielsweise ist ein Reaktorzubau auch nach In-Kraft-Treten des Gesetzentwurfes nach wie vor möglich.

(Frau Biedefeld (SPD): Deshalb stimmen wir dem Antrag der GRÜNEN zu!)

Ferner sind Leistungserhöhungen bei den bereits bestehenden Kernkraftwerksblöcken nicht ausgeschlossen. Und ein Mehr an Atomenergie hat in einem liberalisierten Elektrizitätsmarkt an neuen Standorten – also an Standorten ohne bereits vorhandene Infrastruktur – ohnehin keine Realisierungschance. Die Streichung dient folglich lediglich der Klarstellung, von Erfolg kann keine Rede sein.

Fazit: Statt der Teilfortschreibung für umstrittene Einzelprojekte hätte eine Gesamtfortschreibung unter der Prämisse vorgenommen werden sollen: Bei Konfliktfällen zwischen Raumnutzungsansprüchen und ökologischer Belastbarkeit ist den ökologischen Belangen Vorrang einzuräumen.

Das Wort hat Herr Minister Dr. Beckstein.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ursprünglich wollte ich das Wort nicht ergreifen. Nachdem Frau Kollegin Paulig sehr dezidiert zur A 94 Stellung genommen hat, halte ich eine Erwiderung für erforderlich. Lassen Sie mich vorweg eine Bemerkung machen: Zum Ausbau der Schiene brauchen wir nicht nur bloße Worte. Dazu dürfte die Bundesregierung die Schiene nicht in dem Maße vernachlässigen, wie das geschieht.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Ich finde, dass die Bahn in ihrem Umgang mit der Öffentlichkeit und mit Bayern die Wählerschichten, insbesondere die der GRÜNEN verhöhnt. Die Strecke Nürnberg – Erfurt zum Beispiel, die die Anbindung des Fernverkehrs an Berlin bringen würde, wird gecancelt. Nach den derzeitigen Planungen würde die Fahrt von Nürnberg nach Berlin länger als 1936 dauern. Für die Strecke München – Nürnberg – Berlin wird künftig jeder das Flugzeug nehmen. Die S-Bahn Nürnberg – Fürth – Erlangen – Forchheim hängt in derselben Ebbe, weil die Bahn nichts macht. Ich brauche Ihre Sprüche nicht. Täuschen Sie die Leute nicht, sondern geben Sie zu, dass jetzt eine

schlechtere Bahnpolitik betrieben wird als in der Vergangenheit.

(Beifall bei der CSU – Zuruf des Abgeordneten Brosch (CSU))

Wenn Sie zugeben würden, dass der bayerische Wirtschaftsminister der einzige ist, der in der Politik wirklich für die Bahn kämpft, hätten Sie auch die Wahrheit gesagt.

(Beifall bei der CSU – Lachen beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Wörner (SPD): Insbesondere bei der S-Bahn!)

Und jetzt zur A 94: Unter den Politikern besteht überwiegend Konsens – inzwischen auch der SPD-Politiker –, dass die A 94 notwendig ist. Dass die Anbindung des Chemiedreiecks an den Ballungsraum München dringend erforderlich ist, kann von kaum jemandem bestritten werden. Frau Paulig hat es bestritten. Die B 12 ist keine vernünftige Alternative. Es würde mindestens zehn Jahre verzögern.

(Dr. Hahnzog (SPD): Das andere dauert doch noch länger!)

Hätte die SPD nicht mit aller Kraft massiv dagegen gearbeitet, wären wir weiter. Sie versündigen sich an der Zukunft des Chemiedreiecks.

(Dr. Hahnzog (SPD): Warum haben Sie keinen Planfeststellungsbeschluss hinbekommen? Sie haben die Verfahrenshoheit!)

Herr Hahnzog, Ihnen scheint entgangen zu sein, dass die wesentliche Verfahrensverzögerung insbesondere im Petitionsausschuss des Bundestages stattfand. SPD und FDP zusammen hatten mehrheitlich und die Maßnahme gestoppt. Sie sind die wahren Verhinderer. Die SPD hat Schuld, dass die Verfahren unglaublich verzögert wurden. In der Zwischenzeit wird auch von Ihren Kolleginnen und Kollegen – –

(Dr. Hahnzog (SPD): Wie lange haben Sie hier die Mehrheit?)

Herr Dr. Hahnzog, es handelt sich um eine Bundesfernstraße.

(Dr. Hahnzog (SPD): Die Feststellung ist Landessache!)

Ich würde Sie bitten, eine Zwischenfrage zu stellen und nicht herumzupöbeln.

(Dr. Hahnzog (SPD): Wer pöbelt denn hier herum? – Maget (SPD): Sie sind der einzige, der pöbelt! – Dr. Hahnzog (SPD): Darf sich die Staatsregierung alles erlauben, Herr Präsident? Darf das sein, dass er sagen kann: „Pöbeln Sie nicht herum“? – Weitere Zurufe von der SPD und vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist ein Akt der Selbstverteidigung, den ich nicht rügen möchte. Ich höre aus den Reihen der Parlamentsmitglieder oft viel schlimmere Äußerungen. Herr Dr. Hahnzog, ich habe Sie bisher nicht so eingeschätzt, dass Sie sich an schlechten Beispielen orientieren. Ich bitte darum, dass Herr Staatsminister Dr. Beckstein seine Rede weiterführt.

Herr Kollege, ich wollte herzlich darum bitten, sich nicht so zu verhalten, dass man keinen Satz mehr sprechen kann. Ich wollte anbieten, durch eine Zwischenfrage ein halbwegs geordnetes parlamentarisches Verfahren zu wählen. Sie wissen selbst, wie gut man hier bewusst stören kann, weil wir enger zusammensitzen als im Bundestag. Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass Herr Kollege Dr. Hahnzog gerade versucht hat, eine sachgemäße Diskussion zu führen. Dann hätte er sich gemeldet. Er versucht, systematisch zu stören.

Herr Staatsminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Kollegin Dr. Kronawitter?

Sie kann gleich sprechen, wenn ich meinen Gedanken zu Ende geführt habe.

Mir ist es darum gegangen, darzustellen, dass eine bewusste Verzögerungstaktik und die massive Auseinandersetzung über die Bundesfernstraße auf der Ebene des Bundes zu einer jahrelangen Verzögerung geführt haben. Heute halten mit wenigen Ausnahmen auch die Abgeordneten der SPD die Maßnahme für dringend erforderlich. Ich halte es für höchst unseriös – ich hätte beinah etwas sehr viel Stärkeres gesagt –, dass jetzt ausgerechnet die Verhinderer sagen, es dauere zu lang. Diejenigen, die das Feuer gelegt haben, sagen, es brennt und die Feuerwehr war nicht schnell genug. Frau Dr. Kronawitter, das ist eine verkehrte Welt, das müssen Sie sich sagen lassen.

(Beifall bei der CSU)

Herr Staatsminister, Sie haben vor kurzem – leider konnte ich nicht unmittelbar danach fragen – gesagt, dass die Bürger, die das Petitionsverfahren in Gang gesetzt haben, das Verfahren verzögert hätten. Ich frage Sie: Ist es nicht selbstverständlich, dass Bürger das Petitionsrecht in Anspruch nehmen, wenn es ihre letzte Möglichkeit ist, ihre Belange zu schützen?

Es ist selbstverständlich, dass die Bürgerinnen und Bürger dieses Recht haben. Aber es ist nicht selbstverständlich, dass die SPD im Bundestag mit Zustimmung der FDP – sonst wäre die erforderliche Mehrheit nicht vorhanden gewesen – das Verfahren aussetzt und damit eine wesentliche Verzögerung herbeiführt. Ich will deutlich machen, es geht um eine Bundesfernstraße. Im Bundestag haben SPD, GRÜNE und FDP beschlossen, dass

die Maßnahme noch einmal überprüft wird. Sie kennen den Beschluss. Deswegen liegt die Verantwortung für diese Verzögerung nicht bei den Bürgerinnen und Bürgern, sondern bei der SPD, die das damals gegen unseren erbitterten Widerstand durchgesetzt hat.

Ich kann nur noch einmal sagen, es geht nicht um eine Sache, über die wir politisch entscheiden. Die Fachleute der Bauverwaltung sagen, dass eine andere Linienführung eine weitere Verzögerung von zirka 10 Jahren bedeuten würde. Im Übrigen ist über die Alternativen Haag und Dorfen in diesem Parlament nicht nur zehnmal, sondern zwanzigmal oder fünfzigmal gesprochen worden. Ich bin 1974 in den Landtag gekommen. Damals habe ich als Franke zum ersten Mal von den Orten Dorfen und Haag gehört. Ich habe heute noch die erbitterten Debatten mit Herrn Asenbeck, der in wenigen Tagen seinen 70. Geburtstag feiert, im Ohr. Über 20 Jahre lang war das Thema in diesem Parlament. Alle Argumente sind bekannt.

Selbstverständlich ist die Linienführung schwierig. Nach erneuter Prüfung der Linienbestimmung im Bund und nach erneuter Prüfung in Bezug auf den Umweltschutz hat man sich wieder für die Trasse Dorfen entschieden, die allerdings optimiert worden ist. Sie ist aus dem Isental auf den Hang verlegt worden. Deswegen halte ich die Festlegung eindeutig für richtig.

Ich will hervorheben, dass auch die jetzige Bundesregierung bestätigt hat, dass die Linienführung über Dorfen die richtige ist. Nach eingehender Prüfung hat der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Lothar Ibrügger, die Planung der A 94 über Dorfen bestätigt. Alle Planfeststellungsverfahren werden daher weitergeführt und so rasch wie möglich abgeschlossen. Bei Klagen gegen die Beschlüsse müssen die Gerichte entscheiden.

Diese Tatsachen haben wir bei der Fortschreibung des Landesentwicklungsprogramms berücksichtigt. Mit dem Zusatz „über Dorfen“ werden die strukturelle Bedeutung und die Dringlichkeit der Linie gezielt angesprochen. Auch in den Reihen der Opposition wird dies zwischenzeitlich mehrheitlich offensichtlich so gesehen, wahrscheinlich bis auf ganz wenige Stimmen, die davon abweichen. Ich war selbst auf mehreren Hearings, auf denen auch die Vertreter der SPD für sich in Anspruch genommen haben, dass sich die SPD als Ganzes – Sie wurden als Ausnahme genannt – massiv für eine schnelle Verwirklichung der A 94 über Dorfen einsetzt.