Protocol of the Session on March 22, 2000

Trotzdem sollten wir, wenn es denn möglich sein sollte, mit der heutigen Debatte einen Schlussstrich unter die Vergangenheitsbewältigung ziehen und versuchen, einen gemeinsamen Nenner zu finden. Dazu will ich Ihnen ein konkretes Angebot machen. Der Herr Ministerpräsident hat in seiner Regierungserklärung in einer Konkretheit, wie ich sie bislang nicht kannte, einen Katalog für eine künftige Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern vorgestellt. Lassen Sie uns diesen Katalog im zuständigen Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten beraten. Ich hielte es für hervorragend, wenn daraus eine gemeinsame bayerische Initiative entstehen würde. Dann werden wir sehen, wo wir Gemeinsamkeiten haben. Dieser Katalog kann von Ihnen selbstverständlich ergänzt werden. Vielleicht werden wir uns in einigen Punkten auch nicht treffen. Aber nur so können wir in der Sache weiterkommen.

(Frau Renate Schmidt (SPD): Einverstanden!)

Die Staatsregierung hat sich einen historischen Verdienst um den Durchbruch in der Debatte über den Länderfinanzausgleich erworben.

(Beifall bei der CSU)

Die Sachlage ist hier ganz eindeutig. Frau Schmidt, es entspricht nicht den Gegebenheiten des realen politischen Lebens, dass wir ohne das Druckmittel der Klage eine substanzielle Änderung in der Haltung der anderen Länder erreicht hätten. Deswegen war diese Klage notwendig, und deswegen haben sich auch SPD-regierte Länder unseren Forderungen angeschlossen. Natürlich wird es schwierig werden, beim Länderfinanzausgleich einen gemeinsamen Nenner zu finden. Der Vorzug der Klage und des Urteils besteht aber darin, dass das Gericht einen Zeitrahmen gesetzt hat. Die, die gegen eine Änderung des Finanzausgleichs sind, können jetzt nicht mehr unbegrenzt auf Zeit spielen. Ein zweiter Vorteil besteht darin, dass jetzt Rahmenbedingungen formuliert worden sind.

(Frau Renate Schmidt (SPD): Aber teilweise sehr divergierende!)

All das hätten wir ohne die Klage nicht erreicht. Über den Länderfinanzausgleich muss nun verhandelt werden. Jetzt kommt es entscheidend darauf an, dass wir einen Schritt weiter gehen. Dazu trägt auch diese Regierungserklärung entscheidend bei. Wir dürfen nicht im Verhandeln über den Länderfinanzausgleich stehen bleiben. Wir müssen ebenso entschieden und konkret die Aufgabenneuverteilung zwischen Bund und Ländern angehen. Diese Regierungserklärung bietet eine Basis dafür.

Sie haben den Begriff des kooperativen Föderalismus gebraucht. Darin liegen eigentlich die Probleme. Der kooperative Föderalismus führt zu dieser fatalen Mischverantwortung. Ein besonderer Ausdruck dieser Mischverantwortung ist für mich der Vermittlungsausschuss. Letztlich ist dieser auch eine Quelle der Staatsverdrossenheit in Deutschland. Bund und Länder werden nämlich gezwungen, sich in einem Gremium zu einigen, von dem nur einige wenige Experten wissen, wer darin überhaupt vertreten ist. Nur wenige wissen, wie es zu den

Ergebnissen im Vermittlungsausschuss kommt. Am Schluss aber sagen alle Parteien, dass sie sich mit den Ergebnissen gar nicht identifizieren können, dass es aber auch nicht anders gegangen wäre.

Für die Menschen ist damit nicht mehr erkennbar, wer die Verantwortung trägt. Das führt zu einer Distanz gegenüber dem Staat und der Politik. Deswegen brauchen wir eine Neuordnung der Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern, wobei auch die kommunale Ebene einbezogen wird. Das gilt übrigens auch für den Länderfinanzausgleich.

Sie haben die immer schwächer gewordene Rolle der Parlamente im Föderalismus betont; hier haben wir natürlich die gleichen Interessen. Es fragt sich allerdings, wie die Rolle der Parlamente realistischerweise wieder gestärkt werden kann. Ich halte eine Stärkung der Länderparlamente nicht für möglich, wenn wir bei der gegenwärtigen Mischverantwortung bleiben. Die Verantwortung und die Gestaltungsmöglichkeiten der Parlamente können erst wieder wachsen, wenn die Länder volle Handlungskompetenzen erhalten.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Es wäre doch völlig unrealistisch, wenn wir bei verschiedenen Sachverhalten die Zustimmung von sechzehn Länderparlamenten bräuchten. Ein Föderalismus dieser Art kann nicht funktionieren. Im Zweifelsfall bekämen wir damit die selbe fatale Situation, wie wir sie beim Rundfunkstaatsvertrag immer wieder erleben. Diesem haben wir als Parlament nur zuzustimmen, egal ob uns das eine oder andere passt oder nicht. Jede Regierungsmehrheit und damit jedes Parlament steht doch letztlich unter dem Druck, bei einer Verweigerung der Zustimmung den ganzen Rundfunkstaatsvertrag scheitern lassen zu müssen. Andererseits ist es aber doch faktisch unmöglich – sind wir doch einmal politische Realisten – sechzehn Parlamente an der Aushandlung eines solchen Vertrages zu beteiligen. So etwas ist lebensfremd. Um eine transparente Verantwortung zu erreichen und Kompetenzen für die Parlamente zurückzugewinnen, müssen wir für bestimmte Aufgaben eine volle Zuständigkeit der Länder fordern. Dann nämlich entscheiden die Landesparlamente alleine, und die Regierung ist gegenüber den Landesparlamenten voll verantwortlich. Auf dieser Ebene müssen wir weitermachen.

Reine Informationspflichten helfen uns nicht weiter. Ich habe bislang keine Klage gehört, dass die Staatsregierung ihre Information gegenüber den Ausschüssen verweigert hätte. Wenn es solche Klagen geben würde, wäre ich gerne bereit, der Staatsregierung zu sagen, dass dem Parlament diese Informationen zustehen. Bei der gegenwärtigen Mischstruktur ist es aber nicht möglich, dass das Abstimmungsverhalten der Staatsregierung von Parlamentsbeschlüssen abhängig gemacht wird. Frau Schmidt, wir können darüber trefflich streiten. Es ist aber praktisch einfach nicht möglich, ein einheitliches Meinungsbild zu erreichen, wenn ich dazu sechzehn Parlamente miteinbeziehen muss. Wir haben bei den Parlamenten keine Verhandlungssituationen wie auf Regierungskonferenzen oder Ministerpräsidenten-Kon

ferenzen, wo ein ständiges Geben und Nehmen vorherrscht.

Einige Anmerkungen zu Europa. Wir sind in einer entscheidenden Phase der europäischen Entwicklung. In Deutschland haben wir aber leider Gottes eine Stagnation in der Europapolitik. Die jetzige Bundesregierung und der Bundeskanzler spielen auf diesem Feld eine klägliche Rolle.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

So war es schon bei der Regierungskonferenz in Berlin. Frau Schmidt, die europäische Verhandlungsphilosophie, die Sie hier vertreten haben, wird zum Scheitern führen. Wir haben zwar ein Anliegen, aber wir signalisieren dennoch Zustimmung, auch wenn wir für unsere Anliegen keine Zustimmung bekommen. Wie war es denn bei der Regierungskonferenz in Berlin? Die Bundesregierung hat sich doch selbst unter Druck gesetzt, weil wir in Berlin auf jeden Fall zu einem Abschluss kommen wollten. Damit wusste jeder andere Verhandlungspartner, dass Deutschland als Inhaber der Ratspräsidentschaft so unter Erfolgszwang stand, dass ihm alles abgepresst werden konnte.

(Frau Renate Schmidt (SPD): Man muss doch Drohungen auch erfüllen können!)

Frau Schmidt, damit hatte man jeden Verhandlungsspielraum aufgegeben. Eine Neuverteilung der Finanzen bei der Förderung und beim Beitragsschlüssel konnte nicht erreicht werden, solange die Verträge liefen. In der Regierungszeit Kohl waren die Verträge noch gültig. Die Konferenz in Berlin war die erste Gelegenheit, zu einer Neuverteilung des Förderwesens in Europa zu kommen. Die Bundesregierung hat die Chance, bei den Südstaaten zu kürzen, um Geld für die Osterweiterung zu gewinnen, aber verspielt. Sie hat sich selbst so stark unter Druck gesetzt, dass Aznar genau wusste, wie erpressbar die Deutschen sind. Aufgegeben wurde damit auch jeder Verhandlungsspielraum für neue Beitragssätze.

So weit er Europa betrifft, können wir den meisten Punkten ihres Dringlichkeitsantrags zustimmen. Ausdrücklich begrüßen möchte ich mit Blick auf die Osterweiterung den Satz: „Die Einhaltung dieser Kriterien ist wichtiger als die Einhaltung von Zeitplänen.“ Ich glaube, das ist ein wichtiges Signal, und der zuständige EU-Kommissar hat sich bekanntlich ähnlich geäußert. Dann formulieren Sie aber windelweich: „Die Regierungskonferenzen zur anstehenden Osterweiterung sollten dazu genutzt werden, Kompetenzen zwischen Europa, den Nationen und den Regionen klarer abzugrenzen.“ Das geht nicht. Ich betone aus meiner Sicht ausdrücklich: Für eine wirkliche Neuverteilung der Aufgaben und Kompetenzen – eine neue Innenarchitektur Europas im Sinne des Föderalismus – besteht nur eine Chance, wenn die Reform vor der Erweiterung kommt, das heißt, ohne Reform kann es keine Osterweiterung geben.

(Frau Renate Schmidt (SPD): „Vor der Erweiterung“, darin sind wir uns einig, aber nicht in der laufenden Regierungskonferenz!)

Darüber muss in der Regierungskonferenz verhandelt werden. Wenn wir aber schon jetzt signalisieren, dass es im Zweifelsfalle auch anders gehen könnte, geben wir die notwendigen Druckmittel aus der Hand. Es genügt nicht, sich gegenseitigen Wohlwollens zu versichern, sondern es kommt entscheidend darauf an, gegebenenfalls bei einem Nein zu bleiben, damit es zu notwendigen Veränderungen kommt.

(Beifall bei der CSU – Widerspruch bei Abgeordne- ten der SPD – Frau Renate Schmidt (SPD): Das ist eine absolute Überschätzung!)

Ich greife Ihre Anregung, die zuständige Kommissarin und die Vizepräsidenten des Europäischen Parlaments einzuladen, um in einer Sitzung eines federführenden Landtagsausschusses oder einer gemeinsamen Sitzung mehrerer Ausschüsse – wegen der notwendigen Arbeitsatmosphäre keine Plenarsitzung – miteinander zu beraten, gerne auf.

Zu den Themen Föderalismus und Bund wird Kollege Joachim Herrmann noch Stellung nehmen. Ich will nur noch zu dem Stellung nehmen, was Sie zur Türkei gesagt haben. Denn ich halte die Politik der Bundesregierung, von der die Haltung der Europäischen Union wesentlich mitbestimmt wurde, gegenüber der Türkei für zutiefst unehrlich. Sie birgt die Gefahr, dass das Verhältnis zwischen Europa und der Türkei vergiftet wird. Die Inaussichtstellung der Aufnahme in die EU ist nichts Unverbindliches. Vielmehr kann die Türkei daraus Rechte ableiten, die sich bis auf den deutschen und europäischen Arbeitsmarkt auswirken. Auf Ihre Reaktion darauf bin ich schon gespannt. Die Mitgliedschaft in der EU in Aussicht und gleichzeitig eine Haltung zur Schau zu stellen, ihr Beitritt sei so weit weg, dass er sich in absehbarer Zeit nicht realisieren lasse, muss in der Türkei zu Frustrationen und Rückschlägen führen. Ehrlicher wäre zu sagen, dass in der Türkei gewisse Veränderungen notwendig sind, damit ein Aufnahmestatus gewährt werden kann.

(Zustimmung der Frau Abgeordneten Renate Schmidt (SPD))

So ist man aber nicht verfahren, im Gegenteil: Man hat Hoffnungen geweckt, und diese Hoffnungen werden uns einholen und zu einer Belastung im Verhältnis zur Türkei führen. Das ist schädlich. Man hätte von Anfang an sagen sollen, die Zeit sei noch nicht reif, die Zukunft werde zeigen, ob ein Vollbeitritt möglich ist.

(Beifall bei der CSU – Frau Renate Schmidt (SPD): Vielleicht ist die Inaussichtstellung aber auch ein Druckmittel für Veränderungen!)

In unserem Entschließungsantrag haben wir zum Ausdruck gebracht, dass das Subsidiaritätsprinzip ein grundlegendes Strukturprinzip einer zukunftsfähigen Gesellschaft und eines zukunftsfähigen Staatswesens ist. Subsidiarität und Föderalismus unterscheiden sich aber ebenso grundlegend von Dezentralisierung. Dezentralisierung, die, wie ich höre, Herr Prodi gönnerhaft in Aussicht gestellt hat, heißt nämlich in der Konsequenz, dass die eigentliche Kompetenz in der Zentrale

liegt; sie hat das Sagen, sie entscheidet, wie viel nach unten gegeben und wieder zurückgeholt wird. Davon unterscheidet sich unser Verständnis von Föderalismus grundlegend. Denn wir wollen, dass die Dinge so menschennah wie möglich immer dort geregelt werden, wo sie geregelt werden können. Deswegen können wir uns nicht auf eine Dezentralisierungsdebatte einlassen, sondern müssen an unserem Grundverständnis von Föderalismus festhalten.

Wenn man ganz ohne Ironie mitverfolgt, wer sich in der öffentlichen Debatte für Föderalismus ausspricht, muss man sich wundern, wie schwer es ist, die damit verbundenen Prinzipien umzusetzen. Deshalb müssen wir uns über tiefer liegendere Widerstände Gedanken machen. Föderalismus praktizieren heißt letztlich auch, dass andere Einfluss und Macht abgeben müssen. Welche Behörde, welche Politikebene will aber tatsächlich – wir erleben es im eigenen Land – Gestaltungsmöglichkeiten aufgeben? Nur wenn wir begreifen, dass es hier nicht um Machtkategorien geht, sondern um bestmögliche Zukunftsstrukturen, finden wir den Schlüssel dafür, dass das Thema nicht als Machtfrage, sondern als Gestaltungsfrage diskutiert werden kann.

Dahinter steckt auch der nicht aufgearbeitete Konflikt zwischen Wettbewerb einerseits und Gleichheitsideal andererseits. Warum reagieren viele so allergisch auf den Begriff Wettbewerbsföderalismus? Weil Wettbewerb bedeutet, dass sich die Dinge unterschiedlich entwickeln können; Gleichheit kann nicht Maßstab aller Dinge sein. Allerdings muss Wettbewerb um Solidarität ergänzt werden, wie es der Ministerpräsident deutlich zum Ausdruck gebracht hat. Doch auch wenn Wettbewerb innerhalb eines eng definierten Rahmens stattfindet, führt er zu unterschiedlichen Ergebnissen. Wer ungleiche Ergebnisse nicht zulassen will, fällt aber auf die Philosophie des jetzigen Länderfinanzausgleichs zurück.

Im Zweifelsfalle scheint für viele das Gleichheitsideal wichtiger zu sein als die Verwirklichung des Notwendigen. Das verträgt sich aber nicht mit dem Wettbewerb der Ideen. Föderalismus heißt auch Verantwortung übernehmen. Wenn sie konkretisiert werden soll, ist aber nicht einmal diese Einsicht beliebt. In Diskussionen mit Kommunalpolitikern erlebe ich bis in die Behörden hinein, dass zwar jeder gern mehr Verantwortung und Kompetenz hätte, aber, bitte schön, nur bei angenehmen Aufgaben. Unangenehme Aufgaben möge man beim Landratsamt oder bei der Regierung belassen; die seien weiter weg und täten sich leichter.

Föderalismus konsequent zu Ende gedacht, heißt aber, Verantwortung zu übernehmen und sich dafür hinzustellen. Wir wollen uns für die Entwicklung in diesem Land voll verantwortlich hinstellen, die notwendigen Gestaltungsfreiheiten haben und dann der Bevölkerung Rechenschaft geben. In diesem Sinne sagen wir: Föderalismus statt Zentralismus, Patriotismus statt Nationalismus – heimatverbunden und weltoffen.

(Beifall bei der CSU)

Das Wort hat Herr Kollege Güller.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Herr Ministerpräsident, die These, auf die Sie Ihre Rede zum Länderfinanzausgleich aufgebaut haben, lautet: Das Gericht hat den Finanzausgleich in seiner jetzigen Form für verfassungswidrig erklärt und damit das Tor für eine Reform des Föderalismus aufgestoßen. Herr Ministerpräsident, in Wahrheit ist dies der zentrale Irrtum, man sollte besser sagen, die bewusste Falschinterpretation, auf der Sie Ihre Rede aufgebaut haben.

(Beifall bei der SPD)

Wer schon den Einstieg zum Thema nicht findet, wird sich äußerst schwer tun, das Ziel zu erkennen und zu erreichen. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 11. November wörtlich ausgeführt:

Die verfassungsrechtliche Würdigung des Finanzausgleichsgesetzes hat ergeben, dass die unverzichtbare Ordnungsfunktion der Finanzverfassung nur durch eine Massstab gebende Konkretisierung und Ergänzung der offenen Tatbestände des Grundgesetzes gewahrt werden kann. Eine abschließende Würdigung einzelner Regelungen oder des Gesamtsystems des Finanzausgleichs durch das Bundesverfassungsgericht kommt derzeit nicht in Betracht.

In der Folge war es logisch, dass alle Länder – klagende Länder und beteiligte Länder – dieses Urteil als ihren Erfolg bezeichnet haben. Alle diese Länder haben gesagt, dass ihnen das Bundesverfassungsgericht Recht gegeben hätte. Herr Ministerpräsident, das Bundesverfassungsgericht hat auch nicht, wie Sie das in Ihrer Rede behauptet haben, die Hafenlasten oder das Stadtstaatenprivileg mit der damit verbundenen Einwohnerveredelung für verfassungswidrig erklärt. Es hat nur gesagt, bis zum Jahr 2002 sei zu überlegen, ob diese Sonderregelungen weiter anerkannt würden. Gegebenenfalls müssen sie neu begründet werden. Insofern sagen die Länder, die davon profitieren, dass sie überhaupt nichts tun müssten, sondern nur eine andere Begründung bräuchten. Daher ist unsere Einschätzung, wonach Sie mit Ihrer Klage einen Irrweg beschritten haben, nach wie vor richtig.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben nur erreicht, dass sich die beiden Gruppen von Ländern sofort nach dem Urteil in ihren Lagern getroffen haben und in die Gräben gehüpft sind und sich nicht mehr bewegen. Herr Ministerpräsident, wenn Sie sagen, jetzt seien die Länder am Verhandlungstisch, dann entspricht dies nicht der Realität. Noch in der letzten Woche haben wir beim Vortrag eines Berichts des Finanzministeriums in der Enquete-Kommission Föderalismus gehört, dass beide Gruppen der Länder – auf der einen Seite die Kläger-Länder Bayern, Hessen, BadenWürttemberg und zusätzlich Nordrhein-Westfalen sowie auf der anderen Seite die anderen zehn Länder mit Ausnahme von Sachsen und Thüringen – nur in ihrem eige

nen Saft schmoren und lediglich intern miteinander diskutieren. Verhandlungen untereinander finden derzeit nicht statt. Damit findet auch kein sinnvoller Austausch von Argumenten statt.

(Dr. Bernhard (CSU): Aber sie werden stattfinden, weil sonst der Finanzausgleich außer Kraft tritt! Das garantiere ich Ihnen!)

Herr Kollege Dr. Bernhard, Sie sagen hier nichts völlig Neues. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil unter Rand-Nummer 346 sinngemäß geschrieben: Der Gesetzgeber hat mit § 11 Absatz 4 und Absatz 6 Finanzausgleichsgesetz eine Teilrevision für das Jahr 2005 in Aussicht gestellt. Das Bundesverfassungsgericht hält sich logischerweise an diesen Terminkalender bis zum Jahr 2005. Das Gericht hat festgelegt, dass die Länder bis zum Jahr 2003 ein Massstäbegesetz erarbeiten müssten. Bis zum Jahr 2005 muss der Finanzausgleich anders geregelt, neu begründet und gegebenenfalls neu aufgeteilt sein.

(Dr. Bernhard (CSU): Das sind Illusionen!)

Das Bundesverfassungsgericht hat lediglich einen Paragrafen, den es bereits in dem seit 1993 bestehenden Gesetz gibt, aufgegriffen und hat dieses Datum mit einigen Anmerkungen konkretisiert. Uns ist nach wie vor schleierhaft, wo hier eine Neuerung bzw. Ihr Erfolg liegen soll.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben gerade das Gesetz erwähnt. Deshalb möchte ich noch auf eine pittoreske Situation aufmerksam machen: 1993 wurde das Finanzausgleichsgesetz mit der ausdrücklichen Zustimmung des Freistaates Bayern und seines Ministerpräsidenten neu erlassen. Alles, was Sie jetzt kritisieren, zum Beispiel Übernivellierungen, ist Ihnen im Jahre 1993 nicht eingefallen. Darauf hat auch Frau Ministerpräsidentin Heide Simonis zu Recht hingewiesen. Es wäre geschickter gewesen, damals diese Kritik zu erheben und darauf hinzuweisen, dass über diese Kritikpunkte in den kommenden Jahren verhandelt werden müsse, als jetzt den Gerichtsweg zu beschreiten.