Protocol of the Session on February 17, 2000

(Beifall bei der SPD)

Wir in Bayern haben die Aufgabe, mit unseren Freunden in Österreich darüber zu reden, dass wir Österreich und die in Österreich lebenden Menschen nicht isolieren. Wir müssen aber politisch mithelfen, dass die FPÖ aus dieser Koalitionsregierung wieder verschwindet. Das ist unsere politische Aufgabe.

(Beifall bei der SPD)

Wir wollen keine Gemeinsamkeiten mit der FPÖ, sondern wir wollen eine gemeinsame Lösung der sozialen und politischen Probleme in unserem Land und in Österreich. Das können wir in eigener Kompetenz und Verantwortung tun.

Wir hätten gern noch mehr zu Ihrer Erklärung gesagt. Ich lade Sie herzlich ein, eine solche Diskussion in diesem Hause ernsthaft zu führen, dann aber auf der Basis einer vernünftigen Redezeitverteilung, nicht aber in einem 5-Minuten-Rhythmus, der eine differenzierte Diskussion, zu der Sie sich, Herr Kollege Neumeier, gerne noch zu Wort melden können, nicht zulässt.

(Beifall bei der SPD)

Als nächstem Redner erteile ich Herrn Kollegen Zeller das Wort.

Herr Präsident, meine Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal möchte ich zu dieser Aktuellen Stunde feststellen, dass es zum Selbstverständnis des Bayerischen Landtags gehört, dieses Thema zu diskutieren, auch wenn gestern eine solche Debatte im Deutschen Bundestag in Berlin geführt worden ist.

Frau Schmidt und Herr Maget haben dem Herrn Ministerpräsidenten die Schuld für die Salonfähigkeit von Herrn Haider gegeben. Dazu kann ich nur sagen, dass Herr Haider zunächst durch die Wählerinnen und Wähler von Österreich und durch das Verhalten der Bundesregierung und vieler Verantwortlicher der Europäischen Union in den letzten Tagen salonfähig gemacht worden ist.

(Beifall bei der CSU)

Ich möchte auch einmal feststellen, dass sich die PDS, die schon einmal erwähnt worden ist, noch nicht vom Saulus zum Paulus gewandelt hat. Zu erwähnen ist auch, dass Joschka Fischer noch vor wenigen Jahren Molotowcocktails lieber waren als heute die Partycocktails.

Im Zusammenhang mit der Diskussion über die Kompetenzausweitung der Europäischen Union war es wichtig, über die Einmischung in die Eigenständigkeit der Länder zu sprechen. Ich möchte aber noch einen anderen Punkt ansprechen.

In den letzten Jahren erleben wir zunehmend, dass sich die Europäische Union in viele politische Bereiche der nationalen Regierungen, der Regionen und der Länder einmischt. Dirigismus, Zentralisierung und Bürokratie haben nicht unerheblich zugenommen. Die Einmischung in die nationale Kompetenz zeigt sich an der Fernsehrichtlinie und an Aktionen zur Stadtentwicklung bis hin zur Umweltpolitik. Nur durch die klare Gegenposition Bayerns konnte eine Richtlinie zur Haltung von Tieren in Zoos verhindert werden. Was hat das alles mit der Entwicklung Europas zu tun? Zu erwähnen ist noch, dass durch ein Weißbuch versucht wurde, die Kompetenz der Europäischen Union auf die Fremdenverkehrsförderung, Fremdenverkehrsinfrastruktur oder Ausbildung im Tourismus auszuweiten. Es wäre vollkommen fehl am Platz, die Kompetenzen für diese politischen Bereiche nach Brüssel zu verlagern.

(Beifall bei der CSU)

Wenn die Kompetenzen zur Lehrausbildung auf Brüssel übergehen, wird die Konsequenz sein, dass das Niveau der Ausbildung auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner festgelegt wird. Das kann nicht unser Wunsch sein. Es soll sogar mit einem Aktionsprogramm der Katastrophenschutz und die Katastrophenschutzausbildung auf europäischer Ebene geregelt werden. Dazu kann ich nur sagen: Wenn für den Katastrophenschutz die Europäische Union zuständig wäre, dann wären die Schäden, die das Pfingsthochwasser im letzten Jahr angerichtet hat, heute noch nicht beseitigt.

(Zuruf des Abgeordneten Güller (SPD))

Lassen Sie mich noch einen Punkt ansprechen. Wir müssen eine klare Gegenposition zur Allzuständigkeit der Europäischen Union beziehen. Das sage ich aus einem ganz bestimmten Grund. Wir im Bayerischen Landtag wollen alle gemeinsam die Osterweiterung. Wir müssen uns vor Augen halten, dass gerade diese Länder erst seit 1989 ein Stück Souveränität und Selbstständigkeit zurückerobert haben. Es wäre diesen Ländern nicht zu vermitteln, bei einem Beitritt zur Europäischen Union diesen Gewinn an Souveränität, der unter großen Opfern erreicht worden ist, wieder nach Brüssel abzugeben. Diese Länder, die den Zentralismus von Moskau erlebt haben, würden keinen Zentralismus von Brüssel wollen. Sie würden sich angesichts der Allzuständigkeit Europas nicht mehr sicher fühlen.

Das Europa der Zukunft, wie wir es verstehen, ist ein demokratisches Europa, kein zentralistisches und büro

kratisches Europa, und vor allem kein dirigistisches Europa. Wir brauchen ein Europa, das die Bürgerinnen und Bürger verstehen, ein Europa der Subsidiarität, weil damit gewährleistet ist, dass Europa tatsächlich von der Mehrheit der Bevölkerung richtig eingestuft wird.

Frau Gote, Sie haben von Renationalisierung gesprochen. Mir ist nicht bekannt, dass Europa heute schon ein Bundesstaat wäre.

(Beifall bei der CSU)

Das Wort hat Herr Kollege Dr. Köhler.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen!. Ich bin gestern von meiner Fraktion gebeten worden, im Rahmen der Aktuellen Stunde zu dem Thema „Tendenzen der weiteren Ausweitungen der Kompetenzen der EU – Schlussfolgerungen für Bayern“ zu reden. Als ich Ihre Ausführungen gehört habe, Herr Glück, habe ich mich gefragt, auf welcher Veranstaltung ich mich eigentlich befinde. Es ging nämlich weniger um die Kompetenzen, als um das Thema Haider.

Wir kommen leider um dieses Kompetenzthema nicht herum. Es lag eine gewisse Logik darin, dieses jetzt zu behandeln. In dieser Woche startet die Regierungskonferenz.

Letzte Woche hat sich der Konvent „Grundrechtscharta Europa“ konstituiert. Insofern wäre es wirklich wert, eine Debatte zu führen. Was aber tun wir? – Wir reden über ein Thema, das gestern fast mit den gleichen Worten im Deutschen Bundestag behandelt worden ist. Ich bin mir dafür zu schade, im Landtag „Second-hand-Diskussionen“ zu führen. Wir sollten uns auf die Dinge konzentrieren, die uns angehen.

(Beifall bei der SPD)

Der Ministerpräsident sagte, wir hätten ein besonderes Verhältnis zu Österreich. Ich habe in seiner Rede nichts vom besonderen Verhältnis Bayerns zu Österreich gehört. Vielmehr ging es ausschließlich um die Dinge, die ich gestern im Fernsehen gehört und heute Früh in der Zeitung gelesen habe.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, zur Sache selbst möchte ich zwei, drei Bemerkungen machen. Ich stelle fest: Ich kann nicht erkennen, dass die Europäische Union ihre Kompetenzen überschritten hätte. Zum einen hat die EU-Kommission gesagt, sie werde darauf achten, dass insbesondere Artikel 6 des EU-Vertrags eingehalten wird. Die EUKommission ist verpflichtet, die Verträge zu überwachen. Das ist ihre ureigene Aufgabe. Mehr haben Herr Prodi und die EU-Kommission insgesamt nicht gesagt. Die Regierungschefs haben gesagt, sie werden ihre bilateralen Beziehungen zu Österreich prüfen. Das ist keine gemeinschaftliche europäische Linie, sondern das sind bilaterale Regelungen zwischen den Staaten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Europa ist seit den Verträgen von Amsterdam eine Wertegemeinschaft. Seit Amsterdam hat sich etwas verändert. Der Amsterdamer Vertrag wurde vom Deutschen Bundestag und vom Bundesrat mit den Stimmen der Länder ratifiziert. Wenn es darum geht, dass man sich daran halten soll, will keiner mehr etwas davon wissen. Herr Ministerpräsident, Sie haben auf Gaddafi verwiesen. Ich denke, wir müssen einen großen Unterschied machen, wie wir uns nach außen verhalten und wie wir uns in der Wertegemeinschaft Europa verhalten.

(Beifall bei der SPD)

Hier haben wir andere Anforderungen zu stellen als an internationale Beziehungen, denn wir leben auf dieser Erde nicht isoliert.

(Willi Müller (CSU): Die Österreicher gehören der europäischen Wertegemeinschaft an!)

Aus Zeitgründen kann ich das nur kurz andeuten. Man kann über die Strategie streiten, ob man mit diesen Maßnahmen und Diskussionen jemand in der Öffentlichkeit aufwertet. Das ist in jeder Beziehung ein Problem. Ich gebe das ohne weiteres zu. So ist auch die Aussage des Europaabgeordneten Dr. Schmid zu verstehen. Ich persönlich meine, in der Wertegemeinschaft können wir zu einer solchen Situation nicht schweigen. Deswegen halte ich die Regelungen und Ausführungen sowohl der Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten als auch der EU-Kommission für richtig.

Ich wundere mich, dass Sie von Nichteinmischung sprechen. Als die Österreicher das für uns sicherlich zu kritisierende „Pickerl“ eingeführt haben, hat Herr Dr. Wiesheu von „Wegelagerern“ usw. gesprochen. War das keine Einmischung in die österreichische Angelegenheit? Herr Dr. Stoiber hat mit frühzeitigen Äußerungen zur Regierungsbildung in Österreich Herrn Haider und seine Partei hoffähig gemacht. Auch das war eine Einmischung, und zwar von jemandem, der nicht einmal einen verfassungsmäßigen Auftrag hat.

Lassen Sie mich noch etwas zur Einmischung sagen. Herr Ministerpräsident, Sie haben sich stets wahnsinnig darüber erregt, dass Sie mit Holter von der PDS zusammen sitzen müssten. Ich sage Ihnen: Sie haben mit den „Blockflöten“ der ehemaligen Ost-CDU zusammengesessen, die nichts anderes als die „Gefolgsleute“ von der SED waren.

(Beifall bei der SPD)

Anfang der Neunzigerjahre gingen Landräte und sonstige Funktionäre Ihrer Partei Arm in Arm mit SED-Landräten. Sie müssen also nicht mit dem Finger auf andere zeigen.

(Zuruf des Abgeordneten Schläger (SPD))

Lassen Sie mich noch etwas zum Thema Kompetenzverlagerung sagen: Weitet die EU ihre Kompetenzen aus? – Ich kann nicht erkennen, dass die EU ihre Kompetenzen ausweitet. Die Regierungskonferenz ist eher

zu zaghaft, als dass sie etwas verändert. Außerdem kommen die Ausweitungen daher, dass die Regierungschefs etwas Besonderes wollen. Ein Redner unserer Fraktion hat vorhin bereits darauf hingewiesen. Sie wollen die Ausweitung der Kompetenzen bei der Asyl-, der Flüchtlings-, der Sicherheits-, der Außen- und Verteidigungspolitik. Nichts greift in die Verfassungswirklichkeit eines Staates mehr ein. Was Sie fordern, macht in letzter Konsequenz den Bundesstaat aus. Das sind neben der Binnenmarktwährung die zentralen Souveränitätsrechte eines Staates.

Wir brauchen mehr Klarheit, mehr Transparenz, und wir brauchen einen Verfassungsvertrag, der klar und deutlich regelt, wer wofür zuständig ist.

(Beifall bei der SPD)

Als nächster Redner spricht Herr Kollege Dr. Bernhard.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Köhler, es stimmt nicht, wenn Sie sagen, dass die EU nicht ständig versuchen würde, Kompetenzen über Generalklauseln auszuweiten und ihre Kompetenzen extensiv zu nutzen. Es geht um die klare Kompetenzzuordnung. Das beinhaltet, dass Kompetenzen durchaus an die EU abgegeben werden, wo das sinnvoll und richtig ist und wo die EU Aufgaben wahrnehmen soll. Das sind die von Ihnen genannten Felder.

Es gibt andere Felder, zu denen wir der dezidierten Meinung sind, dass die Kompetenzausweitung nicht geschehen solle, sondern dass Kompetenzen zurückverlagert werden sollten. Das ist die vernünftige Annäherung. Nehmen Sie das Thema, das wir in den letzten Jahren bis hinein in die letzten Tage immer wieder intensiv diskutiert haben: Es ging um die regionale Strukturpolitik. Sie forderten im letzten Jahr – ich glaube, Sie haben den Antrag der SPD sogar unterschrieben – dass vor dem Europäischen Gerichtshof geklagt werden soll, wenn die Gebietskulisse auf unter 23% „geschneidert“ wird. Ich hoffe, Sie erinnern sich daran und unterstützen das auch in Zukunft.

Wir haben immer wieder die Konzentrierung der Fördergebiete gefordert, sind aber der Meinung, dass für die Länder mehr Freiraum entstehen muss, damit wir unser eigenes Geld dort ausgeben können, wo wir das für richtig halten, damit wir in Bayern gleichwertige Strukturen schaffen können. Würden wir das nicht tun, wären Sie die Ersten, die uns mit einer Debatte zur Benachteiligung überzögen.

Als weiteres Thema will ich in aller Kürze die Wirtschaftsund Finanzpolitik ansprechen. Es handelt sich um das Thema „EU-Steuer“. Die EU-Kommissarin der GRÜNEN, Frau Schreyer, kam auf die Idee, eine EU-Steuer zu verlangen, weil – die Begründung ist interessant – die Bürger die Europäische Union gar nicht so recht wahrnehmen, wenn ihnen nicht unmittelbar in die Tasche gegriffen würde. Dies meint sie, obwohl wir genug Ärger mit der Europäischen Union haben. Diese Position teilen

wir überhaupt nicht. Wir sind der Meinung, dass wir einen Staatenbund und keinen Bundesstaat haben und deshalb auch keine EU-Steuer brauchen können. Diese Steuer hätte, was die Haushaltsdisziplin und den Harmonisierungsdruck in Europa anbelangt, nur negative Folgen.

Wir haben deshalb eine ganz klare Position: Keine neue EU-Steuer in Europa, weil wir in Deutschland ohnehin einen viel zu hohen Beitrag bezahlen. Daran hat auch der Berliner Gipfel leider nichts oder fast nichts geändert. Wir tragen 50% der Beitragslast. Wir sind nach wie vor die größten Nettozahler – mit steigender Tendenz –, weil die Osterweiterung bisher in keiner Weise vernünftig finanziert ist. Das völlige Versagen Ihres Bundeskanzlers in Berlin ist auch die Ursache für die weitere Entwicklung.

Lassen Sie mich ein Wort zum Thema „Landesbank und Sparkassen“ sagen, das auch von Ministerpräsident Dr. Stoiber angesprochen wurde. Wir sagen – und ich hoffe, wir sind uns im Hohen Haus einig – Hände weg von den Landesbanken und Sparkassen.

(Beifall)