Alfons Zeller

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Last Statements

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Gote, ich habe nichts anderes von Ihnen erwartet. In Bezug auf Ihre Feststellungen zu den Benesch-Dekreten sollte man darauf hinweisen, dass es immer Bayern und der Bayerische Ministerpräsident gewesen sind, die dafür gesorgt haben, dass dieses Unrecht in Europa in Erinnerung geblieben ist. Dass Tschechien heute nachgegeben und sich entschuldigt hat, ist ein Erfolg der Bayerischen Staatsregierung, seines Ministerpräsidenten und der CSU.
Sie haben den Prozess von Nizza positiv beurteilt, aber ich frage Sie: Wer hat denn in Nizza die Frage der Kompetenzabgrenzung – Europa der Regionen, Europa der Subsidiarität – in das Gespräch gebracht? – Es war die CSU.
Rau hat damals noch geschlafen. Das war weitaus später.
Tatsache ist, dass das damals Streibl, Rau und vorweg Franz Josef Strauß waren. Faktum, Herr Müller, ist, dass bei einem Kamingespräch der Ministerpräsidenten das Thema Subsidiarität und vor allem Kompetenzabgrenzung in Deutschland hoffähig gemacht worden ist. Hierzu hat der Bayerische Ministerpräsident ganz erheb
lich beigetragen, wenn nicht sogar dabei die Führungsrolle übernommen.
Ein weiterer Gesichtspunkt, mit dem ich die positive Seite beleuchten will: Vorhin haben wir diese Gedenkstunde zum 50. Jahrestag des 17. Juni veranstaltet. Dabei kann man auch einmal darauf verweisen, dass Europa, insbesondere im Westen, eine außerordentlich positive Entwicklung genommen hat.
Die CSU ist von der ersten Stunde an positiv zur Integration Europas gestanden. Wenn die CSU hier und dort die eine oder andere Entwicklung etwas kritisch betrachtet, dann deswegen, weil sie eine Integration Europas will, mit der sich auch die Bürgerinnen und Bürger Europas identifizieren können. Ich nehme an, dass alle Mitglieder dieses Hohen Hauses kein Europa wollen, in dem die Bürger sagen: Europa, nein danke. Das ist der entscheidende Punkt. Ich glaube, dass die geringe Wahlbeteiligung an den Wahlen zum Europaparlament 1999 klar zum Ausdruck gebracht hat, dass sie nicht ganz zu diesem Europa, zu diesem Zentralismus und zu diesem Bürokratismus stehen, wie Sie es umgekehrt – Frau Gote – jetzt darlegen wollen.
Wie heißt es so schön? Den Tag soll man nicht vor dem Abend loben. Faktum ist, dass ein Entwurf vorliegt und dass dieser Entwurf sicherlich noch viele Veränderungen erfahren wird. Tatsache ist, dass eine Regierungskonferenz letztendlich den Verfassungsvertrag abstimmen wird und wir in den einzelnen Nationalparlamenten dann diskutieren können. Frau Gote, Sie haben dargestellt, wie positiv dieser Entwurf ist, der jetzt auf dem Tisch liegt. Ich darf daran erinnern, dass die Mehrheit im Bayerischen Landtag einige Punkte zu diesem Europäischen Verfassungsvertrag klar formuliert hat: nämlich die Frage der klaren Kompetenzabgrenzung – hier gibt es tatsächlich noch erhebliche Lücken –, die Frage der Transparenz und der Bürgernähe – auch hier spüren wir, dass noch vieles von dem nicht erreicht worden ist, was wir mit unserem Beschluss des Bayerischen Landtags formuliert haben. Die Verankerung des Gottesbezuges, die den religiösen Traditionen Europas entspricht und zugleich auch in die Zukunft verweist, vermissen wir in diesem Verfassungsentwurf. Man wird sehen, was in den nächsten Monaten noch auf den Weg gebracht werden kann.
Ich verweise darauf, dass beispielsweise auch in den Vertragsgestaltungen Dinge enthalten sind, mit denen die Europäer, sprich die Kommission oder auch das Europäische Parlament, letztendlich Herren der Verträge werden können und nicht mehr die Nationalstaaten. Gerade in diesem Beschluss des Bayerischen Landtags haben wir ganz klare Grenzen aufgezeigt.
Wir müssen schon darauf verweisen, dass in diesem Verfassungsentwurf Formulierungen enthalten sind, beispielsweise die Koordinierung der Wirtschaftspolitik in der Europäischen Union, denen zuzustimmen außerordentlich gefährlich ist.
Warum sage ich dies? Weil damit eine so genannte Generalklausel den Europäern übertragen wird. Hier muss ich mit aller Deutlichkeit sagen: Sind wir doch froh, dass wir auch unter dem Gesichtspunkt des Europas der Regionen einen föderativen Wettbewerb haben. Wenn wir den nicht mehr haben, dann haben wir Gleichmacherei in Europa, –
haben wir einen Zentralismus und Dirigismus. Den haben wir bis 1990 – wie wir vorhin gehört haben – im anderen Teil Deutschlands gehabt. Wozu er geführt hat, hat Dr. Schröder hervorragend dargestellt. Mit dieser Generalklausel wäre es möglich, dass Europa in den Arbeitsmarkt eingreift, dass in der Sozialpolitik ganz klare Änderungen vorgegeben werden. Wenn Rot-Grün in Berlin noch länger an der Regierung sind, sind sie vielleicht froh, dass wir das Durchschnittsniveau Europas erreichen. Heute liegen wir Gott sei Dank noch darüber. Wenn Sie noch lange an der Regierung sind, dann werden wir sicherlich froh sein, wenn wir ein europäisches Durchschnittsniveau bekommen.
Ich sage eines sehr deutlich: Die gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik Europas wird heute bestimmt durch den Europäischen Zentralbankrat und die Europäische Zentralbank, die ähnlich wie früher die Deutsche Bundesbank klar vorgibt, was für die Rahmenbedingungen einer Wirtschafts- und Finanzentwicklung eines Staates – in dem Fall der Europäischen Union – gut ist.
Entscheidend sind auch – Sie haben sie als positiv dargestellt – die Mehrheitsbeschlüsse. Natürlich wird man in einigen Bereichen zu Mehrheitsbeschlüssen kommen müssen; das ist gar keine Frage. In einem größeren Europa ist eine Grundlage der demokratischen Ordnung, dass die Mehrheit entscheidet. Faktum ist aber auch, dass wir nicht ohne weiteres zulassen können, dass in vielen Bereichen, die unsere Nation gewaltig betreffen können, automatisch ein Übergang zu Mehrheitsbeschlüssen erfolgt.
Kollege Ettengruber wird später noch auf die Frage der Asyl- und der Zuwanderungspolitik eingehen. Es kann nicht sein, dass Europa per Zuwanderung über die Sozialsysteme in Deutschland entscheidet. Hier müssen wir mit aller Deutlichkeit sagen: Das kann mit uns so nicht gemacht werden. Ich bin überzeugt, dass wir in der Diskussion in den nächsten Monaten, bis wir zu den Abstimmungen in den nationalen Parlamenten kommen, noch einiges erreichen werden.
Wir brauchen – das ist auch die Anregung des Bayerischen Ministerpräsidenten – eine öffentliche Diskussion über einen Verfassungsvertrag Europas, dessen Inhalt gewaltig das Leben des einzelnen Bürgers in Bayern, in Deutschland und in Europa mitbestimmt. Deswegen brauchen wir diese öffentliche Diskussion; was glauben Sie, was los wäre, wenn wir heute in Deutschland das Grundgesetz verändern wollten, welche öffentliche Debatte hier vom Zaun gebrochen würde? In Europa soll alles stillschweigend gehen. Faktum ist, dass auch im Konvent keine Beschlüsse gefasst worden sind. Wir wis
sen auch, dass man sich in kleinen Zirkeln letztendlich auf bestimmte gemeinsame Nenner geeinigt hat. Ob das immer die richtige Richtung für Europa und unsere Zukunft ist, möchte ich hier infrage stellen.
Hier von Kleingeist zu sprechen, Frau Kollegin Gote, ist vollkommen verfehlt. Sie sind keine Beamtin des Europäischen Parlaments, die hier den Zentralismus und den Dirigismus Europas zu vertreten hat.
Sie sind eine frei gewählte Abgeordnete des Bayerischen Landtages und haben in erster Linie die Ängste und Bedenken und die eigentlichen Empfindungen der bayerischen Bürgerinnen und Bürger zu vertreten, und nichts anderes. Dafür sind Sie als Volksvertreterin gewählt worden.
Wir brauchen Perspektiven, Frau Kollegin Stahl. Aber Sie wissen auch, an Perspektiven für Europa hat es die CSU nie fehlen lassen.
Wir waren immer die Speerspitze der Entwicklung Europas, wenn es darum gegangen ist, für die Bürgerinnen und Bürger Europas und der Nationalstaaten etwas Positives auf den Weg zu bringen.
In den letzten Wochen und Monaten haben wir im Europaausschuss und im Arbeitskreis auch im Ausland gespürt, dass die Frage des Europas der Regionen, die Frage der Subsidiarität, die Frage der Kompetenzabgrenzung in Griechenland genauso wie auf Zypern oder in anderen Ländern eine der wichtigsten Rollen in den Debatten gewesen ist. Ich kann nur sagen: Wer hier von Kleingeist spricht, der nimmt die Bürgerinnen und Bürger in diesem Lande nicht ernst. Wir nehmen die Bürgerinnen und Bürger ernst und werden die Diskussion in den nächsten Monaten für ein gutes Europa und eine gute Zukunft weiterführen.
Sehr verehrte Frau Präsidentin, meine Kolleginnen und Kollegen! Wer hätte sich einmal bei der gesamten Diskussion über die Europäische Währungsunion vorstellen können, dass Deutschland eines Tages auf der Anklagebank sitzen würde, wenn es um die Stabilität des Euros geht.
Ich glaube, dass zu den großen Errungenschaften in der Entwicklung der Europäischen Union seit 1957, seit den Römischen Verträgen, und zu den zielorientierten Entscheidungen Europas gerade die gemeinsame Wirtschafts- und Währungsunion gehört. Diese Wirtschaftsund Währungsunion ist natürlich – ob die Opposition das gerne hört oder nicht – vor allem mit zwei Namen verbunden. Es sind dies Helmut Kohl und Theodor Waigel. Ich glaube, wenn man sich einmal vorstellt, dass wir gerade bis zu diesem Zeitpunkt der gemeinsamen Wirtschafts- und Währungsunion einen Binnenmarkt mit fünfzehn Ländern hatten, in dem dreizehn unterschiedliche Währungen gültig waren, dann sieht man an diesem Beispiel am allerbesten, wie notwendig es war, die gemeinsame Wirtschafts- und Währungsunion auf die Beine zu bringen.
Aber ein Weiteres: Deutschland war letztendlich das Modell mit einer unabhängigen Bundesbank, wobei es nicht ganz einfach war, beispielsweise den Franzosen, den Spaniern oder den Italienern zu vermitteln, dass die Politik unmittelbar in Bezug auf die Währungsstabilität keinen Einfluss mehr hat. Dies ist Deutschland anhand seiner Modellsituation gelungen. Vor allem die Stabilität der D-Mark hat dazu geführt, dass Deutschland – ich glaube, das kann man heute so sagen – das Wirtschaftswunderland in der Welt geworden ist.
Diese Währung hat dafür gesorgt, Wohlstand für alle zu sichern, soziale Sicherheit zu geben und wirtschaftliche Prosperität zu entwickeln.
Ein Markenzeichen dieser Stabilität, die von Deutschland ausgegangen ist, war die D-Mark. Wer heute die Währungsstabilität, den Euro und die Kriterien für den Stabilitätspakt zur Disposition stellt, der versündigt sich an künftigen Generationen. Der SPD-Bundeskanzler hat im Wahlkampf vor dem 22. September x-mal – richtigerweise – erklärt, dass die Verschuldung und das erhöhte Defizit der öffentlichen Haushalte für die künftigen Generationen eine hohe Belastung seien und er dies deshalb ablehne. Diese Worte waren nur Schall und Rauch, wenige Stunden nach der Wahl waren diese Behauptungen nur noch Makulatur.
Wie glaubwürdig beispielsweise der Finanzminister Hans Eichel ist, möchte ich an einem Beispiel zeigen. Dabei schließe ich auch den Kommissionspräsidenten Prodi ein. Man muss sich einmal vorstellen, dass beide
die Stabilitätskriterien nicht mehr absolut in den Vordergrund der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion stellen. Die Finanzmärkte haben darauf kaum reagiert.
Nun stellen Sie sich einmal Folgendes vor: Als vor der Einführung des Euro der damalige Bundesfinanzminister Waigel in kleiner Runde einmal einen Partner, nämlich Italien, etwas kritisiert hat, musste die Deutsche Bundesbank innerhalb von 24 Stunden Lire im Wert von nicht weniger als 26 Milliarden DM aufkaufen, um den Kurs der Lira nicht völlig zu ruinieren. Heute können der deutsche Finanzminister und der Kommissionspräsident plaudern wie sie wollen, aber nichts geschieht. Daran sieht man, wie ernst die internationalen Finanzmärkte den deutschen Finanzminister nehmen. Er ist für sie nahezu unbekannt.
Wir wissen alle, mit welchen Mühen und mit welchem politischen Druck der Bundesfinanzminister alles daran gesetzt hat, um den blauen Brief vor den Wahlen, vor dem 22. September, zu verhindern. Heute hört man, dass man den blauen Brief wahrscheinlich annehmen müssen wird, weil nichts anderes übrig bleibt. Schauen Sie sich einmal die Entwicklung des Bundeshaushalts an. Wir werden ein Defizit von 35 Milliarden e erreichen. Der Bundesfinanzminister hat diese Zahl nicht dementiert, die in den Medien nachzulesen ist.
Vor den Wahlen war davon die Rede, dass das Defizit 2,5% betragen werde, später hörte man die Zahl 2,9%, und heute bestreitet niemand mehr, dass wir sauber über die 3%-Marke springen. Wie ernst ist ein solcher Bundesfinanzminister zu nehmen? Ist das eine Lüge gegenüber der deutschen Bevölkerung gewesen? – Ich sage hier in aller Deutlichkeit: Ja. Der Bundesfinanzminister kannte die richtigen Zahlen, aber er hat der Bevölkerung etwas vorgemacht. Aus dem sogenannten SparHans ist der Schulden-Hans geworden, um es einmal deutlich auszudrücken.
Ich glaube, dass es eine ganze Reihe von hervorragenden Gründen gibt, warum der vorliegende Dringlichkeitsantrag dringend notwendig ist. Wir in Deutschland sind nicht nur eine stabile Währung gewohnt, sondern auch dringend darauf angewiesen. Für die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes – das gilt für ganz Europa – ist Stabilität enorm wichtig. Wir waren in Europa das Musterland. Ein zu hohes Defizit und zu hohe Schulden bedeuten aber alles andere als Stabilität. Haushaltskonsolidierung ist heute nur noch ein Lippenbekenntnis, die Tatsachen sehen anders aus. Selbst die Überlegungen der Europäischen Kommission, wie man aus dieser Falle herauskommen könnte, sind alles andere als zukunftsorientiert. Wir wissen seit wenigen Stunden, dass Kommissar Solbes keine Änderungen am Stabilitätspakt vornehmen will.
Gestatten Sie mir noch eine Anmerkung. Herr Prodi meint, wir seien zu wenig flexibel. Ich kann nur sagen: Der Herr Kommissionspräsident soll endlich die Unterlagen lesen. Wir wissen alle sehr wohl, dass in dem Stabilitätspakt steht, dass unvorhergesehene Probleme, die in einem Land entstanden sind, berücksichtigt werden können. Dabei taucht die Frage auf, ob das Hochwasser
im Osten unseres Landes eine Grundlage für eine solche Berücksichtigung ist. Ich bin überzeugt davon, dass das geprüft worden ist. Trotzdem wird der blaue Brief von Deutschland nicht zurückgewiesen werden können.
Wir müssen alles daran setzen, mit aller Kraft die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion zu verteidigen. Ich glaube, dass die Aufweichung der Stabilitätskriterien einen Sprengsatz birgt und wichtig für die Frage ist, ob Europa von unserer Bevölkerung auch in Zukunft als attraktiv empfunden wird. Die europäische Bevölkerung erwartet eine stabile Währung, weil sie aufgrund der deutschen Erfahrungen der letzten 50 Jahre weiß, was eine stabile Währung bedeutet.
Wenn schon im „Focus“ zu lesen ist „EU-Stabilitätspakt lebendig begraben“, dann sieht man, wie gravierend die Probleme sind, die durch eine leichtfertige Währungspolitik und die leichtfertige Finanzpolitik der Bundesrepublik Deutschland, die der große Partner innerhalb der Europäischen Union ist, hervorgerufen worden sind. Im Moment sind es nur Deutschland, Frankreich, Italien und Portugal, die Schwierigkeiten haben, wobei von diesen Ländern nur Deutschland und Portugal in akuter Gefahr sind, die Kriterien nicht erfüllen zu können. Faktum ist, dass alle anderen Länder an dem Stabilitätspakt festhalten wollen. Diese Länder haben in den vergangenen 7, 8 oder 10 Jahren große Opfer gebracht, um die Kriterien des Stabilitätspakts erfüllen zu können. Heute wird von dem Land, von dem man immer Stabilität gewohnt war, nämlich von Deutschland, der Aufweichung der Kriterien das Wort geredet.
Wir sehen ein Misstrauensverhältnis zwischen dem Bürger und der Politik. Wir brauchen uns nicht zu wundern, wenn das Verhältnis zwischen Bürger und Politik nicht unerheblich darunter leidet, dass das, was einmal absolut gegolten hat, ohne triftige Gründe beiseite geschoben wird. Hoffentlich bleibt die Kommission bei ihrer Rolle als Hüterin der Währung. Ich kann nur hoffen, dass auch die Europäische Zentralbank ihren Beitrag zur Stabilität leisten wird.
Der Präsident der Deutschen Bundesbank, der nicht unserer Partei angehört, sondern, wenn ich es richtig weiß, Mitglied der SPD ist, hat die Aufweichung der Stabilitätskriterien klar kritisiert und gesagt, dass er dazu keineswegs seine Zustimmung geben wird.
Es muss auch für die Zukunft Gültigkeit haben, dass eine stabile Währung unabhängig von der Politik gestaltet werden kann. Deshalb kann man die leichtfertigen Äußerungen des Bundes und auch des Kommissionspräsidenten der vergangenen Tage und Wochen nicht akzeptieren. Deshalb haben wir den Dringlichkeitsantrag eingebracht. Ich beantrage im Namen der CSU-Fraktion namentliche Abstimmung.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat Herr Müller.
Ich gebe bekannt, dass wir eine namentliche Abstimmung durchführen werden und über den Antrag nicht vor 17.05 Uhr abstimmen können.
Frau Kollegin Kellner, sind Sie mit mir der Auffassung, dass ein Bundesfinanzminister Hans Eichel, der auf der einen Seite für die Länder und für die Kommunen im Finanzplanungsrat einen Zuwachsrahmen von 1% setzt, selber aber die Marke von 3% überschreitet, die Frage aufwirft, ob ein solcher Bundesfinanzminister glaubwürdig ist?
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Es geht um den Dringlichkeitsantrag zur Wahrung föderativer Interessen im Rahmen des Verfassungskonvents. Seit 28. Februar dieses Jahres arbeitet der Konvent an der Zukunft und vor allem für die Zukunft Europas. Der Konvent umfasst 105 Persönlichkeiten, von denen 66 stimmberechtigt sind.
An der Spitze des Konvents steht der ehemalige Staatspräsident Frankreichs, Giscard d’Estaing, der, wie man hört, mit viel Elan, mit viel Wissen und Kraft diesen Konvent leitet, der bis Mitte 2003 zur Regierungskonferenz beschlussfähige Ergebnisse vorlegen will.
In der Erklärung von Laeken hat der Europäische Rat rund 60 Fragen formuliert, die in vier Themenbereiche zusammengefasst werden können: Erstens. Eine bessere Verteilung und Abgrenzung der Zuständigkeiten in der Europäischen Union. Zweitens. Vereinfachung der Verträge. Drittens. Mehr Demokratie, Transparenz und Effizienz in der Europäischen Union und damit auch die Einbeziehung der Grundrechtecharta in die Verträge. Viertens. Den Weg zu einem Verfassungsvertrag für die europäischen Bürger ebnen und damit vor allem die Rolle der nationalen Parlamente stärken.
Was sind nun die bayerischen Anliegen, die auch die deutschen Anliegen für eine gute Zukunft Europas sein müssten? – Die Vielfalt selbstbewusster Regionen macht die Stärke unseres Europas aus. Die gewachsenen Strukturen und Einheiten dürfen Europa nicht zum Opfer fallen. Gerade in diesem Zusammenhang müssen wir gemeinsam für ein Europa der Regionen kämpfen. Zentralisten gibt es genügend auf der Welt und, wie wir alle feststellen, auch in Berlin.
Deshalb fordern wir eine bessere und klarere Kompetenzabgrenzung zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten.
Diesbezüglich hat Bayern jahrelang eine Vorreiterrolle gespielt. Wie wir heute alle wissen, hat sich Bayern auch durchgesetzt. Ursprünglich wurden unsere Vorschläge oftmals belächelt, heute aber finden die bayerische Europapolitik und diese bayerische Architektur weitestgehend Zustimmung und Beifall.
Kompetente Beobachter des Konvents sind unzufrieden mit der bisherigen Handhabung der Themen „Kompetenzabgrenzung“ und „Wahrung des Subsidiaritätsprinzips“. Wir brauchen eine klare Kompetenzabgrenzung. Ob dieses Ziel mit oder ohne Kompetenzkatalog erreicht werden kann oder erreicht werden soll, ist nicht das Entscheidende. Die äußere Form, so meine ich, ist absolut zweitrangig. Erstrangig ist, dass wir eindeutig klären, wer in Europa wofür zuständig ist. Die Bürger müssen wissen, wer zuständig ist, wenn sie sich ärgern, und sie müssen auch wissen, wer zuständig ist, wenn sie sich über politische Entscheidungen freuen können.
Ich hoffe, dass wir uns in diesem Hohen Hause dessen bewusst sind, dass es auch Einschränkungen der bisherigen Zuständigkeiten, die Brüssel im Laufe der vergangenen Jahrzehnte an sich gezogen hat, geben muss. Ich verhehle keineswegs, dass es natürlich auch die eine oder andere Aufgabe gibt, die derzeit national wahrgenommen wird, die aber letztlich besser in Brüssel erledigt werden kann. Ich denke dabei an eine stärkere gemeinsame Außenpolitik, an eine stärkere Überein
stimmung der europäischen Verteidigungspolitik oder auch der Sicherheitspolitik. Dabei fällt mir der bekannte Satz von Franz Josef Strauß ein, der einmal trefflich formuliert hat: „Wirtschaftlich ist Europa ein Riese, politisch ein Gartenzwerg und militärisch ein Armeemuseum.“
Mit größter Wahrscheinlichkeit wird im Jahr 2004, welches bald bevorsteht, die Entscheidung über die größte Erweiterung der Europäischen Union seit ihrem Bestehen getroffen. Gerade wir in Bayern und Deutschland sollten uns über die Rückkehr, die Integration und Wiedervereinigung in besonderem Maße freuen. Die mittelund osteuropäischen Länder kommen zu Europa zurück. Die Bevölkerung dieser Beitrittskandidaten hat in den vergangenen Jahren enorm viele Opfer gebracht, um europafähig zu werden. Die Europäische Union wird von derzeit 15 auf vielleicht bis zu 25 oder gar 27 Staaten anwachsen. Gerade dies ist der Grund für uns alle, an der Vielfalt Europas festzuhalten und die Einheit nach außen nicht nur zu demonstrieren, sondern auch zu wahren. Dies wird aber nur möglich sein, wenn wir die Vielfalt im Inneren Europas auch künftig bewahren können. Nur so wird Europa bei weiter zunehmender Globalisierung zukunftsfähig sein.
Sie alle können sich noch an den alten 50-DM-Schein erinnern. Auf der Rückseite des 50-DM-Scheins war das Holstentor von Lübeck. Wer das Holstentor von Lübeck kennt, der weiß, dass auf diesem die Worte eingemeißelt sind: Concordia domi, foris pax. Das heißt: Eintracht daheim, draußen Friede. Nur wenn wir in Europa die große Vielfalt erhalten können und diese Vielfalt als unsere Stärke bewahren, dann werden wir in Europa Eintracht haben, um nach außen Frieden demonstrieren zu können.
Die Bundesregierung muss an die Debatten und Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz erinnert werden. Einstimmig, eindeutig und klar haben sich die Ministerpräsidenten der Bundesrepublik Deutschland im März 2000 und im Juli 2002 für eine klare Kompetenzabgrenzung in Bezug auf die Europa-, Bundes- und Landespolitik ausgesprochen.
Leider ist von dem Umsetzungswillen durch die derzeitige Bundesregierung unter Führung von Gerhard Schröder nichts mehr zu spüren. Meine lieben Freunde, meine sehr verehrten Damen und Herren, es stimmt sehr nachdenklich, dass im Konvent eine Reihe von Arbeitsgruppen zu verschiedenen europapolitischen Themen gegründet worden ist, aber für die wichtige Frage der Kompetenzabgrenzung zumindest bisher keine Arbeitsgruppe geschaffen worden ist.
Der Druck und das Engagement der Bundesregierung und des Bundeskanzlers bleiben aus. Man kann von Fehlanzeige sprechen. Aber wen wundert es? Der Bundeskanzler betreibt Europapolitik nach seiner Tagesverfassung, nach seiner Tagesbewertung und vor allem nach persönlicher Beliebigkeit. Durch eine solche Einstellung hat Europa noch nie positive Schritte nach vorne gemacht.
Europa braucht Partner, auf die man sich verlassen kann. Europa braucht das Bekenntnis zum klaren Wort und zum klaren Willen, wohin die Europareise gehen soll. Ein Europa der Beliebigkeit wird es nicht geben, und wenn, dann wird Europa zum Scheitern verurteilt sein. Es ist deshalb verwegen, wenn der Bundeskanzler heute die Finanzierung der Agrarpolitik in Europa scharf kritisiert, aber selbst beim Gipfel von Berlin nichts, aber auch gar nichts zur künftigen Finanzierung der Agrarpolitik in Europa beigetragen hat. Mit dem Gipfel von Berlin ist kein Millimeter an Boden für die so wichtige Frage der künftigen europäischen Agrarpolitik gewonnen worden. Nachhaltig fordern wir die Staatsregierung auf, alle ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten auszuschöpfen, um von der Bundesregierung die Wahrnehmung deutscher Interessen einzufordern und damit dem föderalistischen Element gemäß dem Aufbau unseres Grundgesetzes gerecht zu werden. Dabei ist die Bundesregierung aufzufordern, sich im Verfassungskonvent für eine klare und konkrete Kompetenzabgrenzung einzusetzen.
Nur wenn es gelingt, ein Europa der Regionen, ein Europa der Vielfalt und ein Europa der Subsidiarität zu entwickeln, wird auch die große Herausforderung, nämlich das Mammutwerk Europa, die Osterweiterung und damit die Wiedervereinigung Europas mit freien und unabhängigen Staaten ein Erfolg werden. Wir haben erhebliche Bedenken, dass diese Bundesregierung mit ihrem Kanzler Gerhard Schröder dieses Ziel erreichen kann. Für diese europäische Vision braucht es zuverlässige, gewissenhafte und berechenbare Partner. Die Bundesrepublik Deutschland muss als eines der größten Länder der Europäischen Union ein solcher Partner sein. Das ist ein weiterer Grund dafür, dass am 22. September dieses Jahres die politische Wende zugunsten Europas in Berlin herbeigeführt wird.
Herr Kollege Müller, würden Sie zur Kenntnis nehmen, dass ich ein völlig unabhängiger Abgeordneter bin und weder eine Anwaltskanzlei noch sonst jemanden brauche, um so einen Antrag zu formulieren?
Herr Präsident, meine Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Herbert Müller, ich glaube, Sie werden in Bezug auf den Wahlkampf sehr nervös. Wenn man Sie hier gehört hat, stellt man fest, dass Sie heute hier anders als sonst agiert haben.
Ein zweiter Gesichtspunkt.
Sie haben uns den Vorwurf gemacht, dass wir, nachdem der Bundesrat getagt hat, ganz kurzfristig in Bezug auf die europäische Politik diesen Antrag eingebracht hätten; dieser Antrag sei sehr schnell von irgendwoher lanciert worden. Faktum ist, dass der Antrag gestellt worden ist und wir erst im Nachhinein den Termin – Juni 2002 – aufgenommen haben. Zunächst haben wir uns auf die Sitzung im Dezember bezogen, wo es einen einstimmigen Beschluss aller Bundesländer im Bundesrat gab.
Ein dritter Punkt, Frau Kollegin Gote. Wir sind uns in verschiedenen Bereichen einig. Europa ist mein Lieblingsthema, weil Europa unsere Zukunft ist. Es ist keine Frage: Ich möchte kein Europa des Zentralismus haben. Deswegen kämpfe ich für die Kompetenzabgrenzung. Ich bin nicht der Einzige, der dies tut. Es gibt derzeit eine Menge von Aktivitäten in ganz Europa – auch bei den Beitrittskandidaten –, die auf eine Klärung der Frage abzielen: Welche Kompetenzen können wir für unsere Region noch retten? Ich war erst kürzlich auf einer internationalen Veranstaltung, wo es um solche Aspekte ging.
Ein letzter Punkt. Sie haben die Subsidiarität angesprochen. Wenn ich richtig informiert bin, gibt es im Konvent eine Arbeitsgruppe „Subsidiarität“. Die Kompetenzabgrenzung ist jedoch nicht klar. Frau Gote, ich habe mit keinem einzigen Wort gesagt, dass ich einen Katalog, was die Kompetenzen angeht, will. Ich habe vorhin vielmehr formuliert, dass es letztendlich völlig egal ist, in welcher Form wir eine Kompetenzabgrenzung bekommen, ob mit Katalog oder ohne Katalog. Wichtig ist nur,
dass wir eine Kompetenzabgrenzung zwischen den verschiedenen Ebenen bekommen, zwischen der europäischen Ebene, der nationalstaatlichen Ebene und auch der Ebene der Bundesländer, bei der es dann um die Kompetenzen der Landtage bzw. der jeweiligen Landesregierungen geht.
Herr Kollege Sprinkart, würden Sie zur Kenntnis nehmen, dass Ihre Leute im Trend der Zeit eine entsprechend moderne Verpackung für die Schulmilch abgelehnt haben? Man wollte die stählerne Kuh und alles möglichst umständlich, und niemand hat die Schulmilch gewollt.
Sehr verehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Prof. Dr. Gantzer, heute haben Sie die Reißleine nicht richtig erwischt. Auch wenn Sie sich noch einmal gemeldet haben und Ihren Beitrag mit Punkt, Komma, und Doppelpunkt versehen haben, hatte Ihr Satz einen anderen Sinn. So, wie Sie es hier formuliert haben, habe ich Ihre Aussage nicht verstanden. Sie haben gesagt, es sei ein Geschenk für die Kommunen vor Ort, dass die Bundeswehr die entsprechenden Orte verlässt.
Meine sehr verehrten Damen, meine Herren, wir sind sicher alle miteinander glücklich über die Entwicklung der letzten 10 Jahre. Ich glaube aber auch, dass man angesichts der Auflösung der schlimmen Grenze zwischen Ost und West daran denken muss, dass dies unter der politischen Führung von Helmut Kohl geschehen ist.
Herr Prof. Dr. Gantzer, Sie sollten einmal zu Ihren Genossinnen und Genossen vor Ort gehen. Sie brauchen sich nur das Theater anzusehen, das in Sonthofen und in anderen Orten und Städten in Schwaben stattfindet, wo in der Zwischenzeit die Unterbezirksvorsitzenden der SPD zu Demonstrationen und Kundgebungen aufrufen und sagen, wir müssen mit aller Gewalt die Standorte erhalten. Wenn vom Standort Sonthofen, der
ganz peripher in der südlichsten Ecke der Bundesrepublik Deutschland gelegen ist, unter anderem die Feldjägerschule und der Stabsdienst ohne eine Strukturänderung nach Hannover transferiert werden sollen, dann hat das mit einer strukturpolitischen Maßnahme überhaupt nichts zu tun, sondern das ist schädlich für dieses Land.
Die Frage ist, warum die Einrichtungen gerade nach Hannover, zwei Kilometer neben die größte Messeanlage Deutschlands und Europas, kommen sollen. Ist das nicht ganz klar ein parteipolitisches Spielchen?
Ich möchte eine weitere Anmerkung machen. Die Oberbürgermeister sind vom Herrn Staatsminister heute schon der Reihe nach genannt worden. Ob Herr Dr. Holzinger von Memmingen, Herr Weigl von Dillingen oder Herr Dr. Köppler von Günzburg – alle wehren sich dagegen. Ich habe dafür auch Verständnis, keine Frage. Man kann aber nicht so tun, als ob dies um 180 Grad anders beurteilt werden muss, weil Prof. Dr. Gantzer das so darstellt. Ich kann nur sagen, Sie müssen sich zunächst mit Ihren Genossen einigen. In der Zeitung kann man lesen, dass hier andere Stimmungen bestehen, als Sie uns weismachen wollen.
Am vergangenen Freitag – das sind wenige Stunden her – gab es ein Streitgespräch in einem Lokalradio im Allgäu. Bei diesem Streitgespräch hat selbst Ihre Kollegin Frau Lück noch erklärt, das, was unser Bundestagsabgeordneter Dr. Gerd Müller sagt, sei Panikmache. Das war am vergangenen Freitag. Man muss sich vorstellen, dass im letzten Jahr – das liegt wenige Monate zurück – ein Staatssekretär Kolbow durch Schwaben gezogen ist und gesagt hat, man braucht nicht zu befürchten, dass ein Standort aufgelöst wird. Sie sehen, wie er uns an der Nase herumgeführt hat, und zwar vor allem die Genossinnen und Genossen Ihrer Partei. Ich glaube, das muss man mit aller Deutlichkeit ansprechen dürfen.
Lassen Sie mich noch einen Punkt erwähnen. Sie haben es etwas heruntergespielt, aber wir haben durch die Strukturreform der Bundeswehr in Schwaben Einbußen von etwa 6000 Dienstposten. Das macht mehr als ein Drittel der Einbußen in Bayern aus. Wir sind auf eine Zeitspanne von 10 Jahren gerechnet mit mehr als 10% bundesweit beteiligt. Da reden Sie von Ausgewogenheit. Dies ist überhaupt nicht zu erklären. Gehen Sie einmal zu Ihren Kollegen nach Berlin und auf die Hardthöhe in Bonn und sagen Sie, dass dies mit Ausgewogenheit überhaupt nichts zu tun hat.
Ich möchte noch eine letzte Anmerkung machen. Es ist heute gesagt worden, Schwaben hat daran partizipiert, dass in den letzten 10 Jahren wenig aufgelöst worden ist. Sicher ist das so; dafür sind wir auch dankbar. Daran sieht man auch, dass die Politiker der CSU in Schwaben und Bayern etwas zu sagen hatten. Was haben Sie dagegen zu sagen? Herr Strasser, Sie klopfen große Sprüche, wenn es um bestimmte Dinge geht, aber jetzt werden Sie kleinlaut und hocken hinten drin. Das dürfen wir Ihnen nicht durchgehen lassen.
Und, Herr Kollege Müller, man kann es auch einmal sagen – bei aller Freundschaft über die Parteigrenzen, in Anführungsstrichen, hinweg –: Aber so geht es einfach nicht, dass Sie uns hier geißeln, den Herrn Gantzer hier reden lassen, doch draußen vor Ort im Grunde genommen sagen: Das, was der Herr Scharping macht, ist überhaupt nicht mehr vertretbar. Und Ähnliches mehr. Dann sagen Sie es ihm doch mit aller Deutlichkeit und schauen Sie, dass die bayerische SPD in Berlin Gewicht bekommt.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat Herr Kollege Müller.
Herr Präsident, meine Kolleginnen und Kollegen! Am letzten Wochenende haben sich alle Augen auf die französische Stadt Nizza gerichtet, um die Entwicklungen des Europäischen Gipfels dort mitzuverfolgen. Die Urteile über diesen Gipfel sind sehr unterschiedlich ausgefallen. Sie reichen von „Zufriedenheit“ bis hin zu „ein Erfolg“ und „wenig erreicht“. Der Bundeskanzler selbst hat dies so formuliert: „Gehegte Träume gingen nicht in Erfüllung“. Daran erkennt man die Bandbreite der Schwierigkeiten der Verhandlungen der längsten Marathonsitzung seit Bestehen der Europäischen Union.
Aus bayerischer Sicht könnten wir das sehr einfach formulieren und sagen: Hätte man unsere Grundgedanken, nämlich die klare Kompetenzabgrenzung früher in die Diskussion eingebracht, dann wäre die Bundesregierung in Nizza deutlich erfolgreicher gewesen. Durch die Kompetenzabgrenzung hätte man in der Frage der Mehrheitsentscheidungen mehr Spielraum bekommen. Ich gehöre zu denjenigen, die klipp und klar sagen, dass wir uns von den Fesseln der Einstimmigkeit befreien müssen. Diese Befreiung kann letztendlich nur funktionieren, wenn vorher klipp und klar festgestellt wird, wer auf welcher Ebene künftig das Sagen in Europa hat.
Hier sieht man, dass Bayern schon frühzeitig die eigentlichen Grundsätze für eine positive Entwicklung Europas in die Diskussion eingebracht hat. Der Gipfel von Nizza hat auch klar und deutlich gezeigt, dass die Europäische Union nur bedingt reformfähig ist. Wir stehen vor der europäischen Osterweiterung. Vor diesem Hintergrund
sollte uns das Sorge bereiten. Die bisherigen europäischen Gipfeltreffen haben dazu geführt, dass lediglich die Integrationsdichte dadurch erhöht wurde, dass noch mehr Kompetenzen nach Brüssel verlagert worden sind. Heute wundert man sich darüber, dass jede Machtverschiebung in Richtung Brüssel abgelehnt wird.
Prof. Weidenfeld hat unlängst formuliert, es hat sich eine Art Wildwuchs-Europa entwickelt, in dem es unmöglich ist, klare Verantwortlichkeiten auszumachen. Dieser Aussage kann man nur zustimmen.
Ich glaube, dass wir in Nizza insgesamt nicht den Mut hatten, Entscheidendes zu tun. Bei diesem Gipfel wurde thematisch zu kurz gesprungen. Ich sage noch einmal: Die Vorstellungen über die Verteilung der Kompetenzen in Europa sind dort leider nicht erfüllt worden. Man kann ganz nüchtern sagen, das Pferd ist teilweise am Schwanz aufgezäumt worden.
Wir haben mit unserem Antrag die Bayerische Staatsregierung gebeten, uns über die Auswirkungen der in Nizza getroffenen Entscheidungen auf den Freistaat Bayern und auf die Bundesrepublik Deutschland zu berichten. Ich begrüße es, dass der Bayerische Staatsminister für Bundes- und Europaangelegenheiten an dieser Diskussion teilnehmen kann.
Was die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union betrifft, kommt es ganz entscheidend auf die Mehrheitsentscheidungen an. Bei dem Gipfeltreffen von Nizza wurde ein Weg in die richtige Richtung beschritten, allerdings nur mit zaghaften Schritten. Ich darf den Herrn Bundeskanzler zitieren, das Gipfeltreffen hat die Erwartungen letztendlich nicht erfüllt.
Ein weiterer Punkt, der uns sicher noch Kopfzerbrechen bereiten wird, sind die noch zu treffenden Entscheidungen für die europäische Osterweiterung. Deutschland und Bayern befürworten diese Osterweiterung. Die Voraussetzungen dafür sind bei dem Gipfeltreffen nicht geschaffen worden. Über die Finanzierung der Osterweiterung ist in Nizza überhaupt nicht mehr diskutiert worden. Nach dem Flop des Gipfeltreffens in Berlin hat man in Nizza nicht einmal den Versuch unternommen, darüber zu diskutieren.
Die Reform der Strukturfonds soll erst im Jahre 2007 mit einer Mehrheitsentscheidung auf den Weg gebracht werden. Auch auf diesem Gebiet wurden keine Fortschritte erzielt. Durch das Vetorecht einzelner und sogar neu beigetretener Mitglieder, die zum Beispiel erst im Jahr 2004 oder 2005 hinzukommen, wird eine Reform der Strukturfonds nicht mehr möglich sein. Das bereitet uns Sorge hinsichtlich der möglichen finanziellen Auswirkungen. Unter den neuen Beitrittsländern zur Europäischen Union befinden sich nur Nehmerländer, keine Geberländer. Darin sind wir uns sicher einig. Insofern wurden keine Schritte nach vorne gemacht.
Im Abschlussprotokoll des Gipfeltreffens heißt es so schön, der Post-Nizza-Prozess muss eingeleitet werden. Wir sagen, das muss schnell und mit vollem Engagement erfolgen. Wir müssen von Deutschland aus Position beziehen. Die Verhandlungen nach dem Gipfeltref
fen von Nizza sind trotz der langen Verhandlungen dort die Überstunden, die dringend abgearbeitet werden müssen. Ob wir die Kompetenzabgrenzung bis zum Jahr 2007 so auf den Weg bringen können, wie wir es uns wünschen, im Sinne einer positiven Entwicklung in Bayern und in Deutschland, das möchte ich heute im Raum stehen lassen. Hier müssen wir sicher alle Kräfte sammeln und zusammenführen, um letztlich Erfolg zu haben.
Die historische Chance, die Europäische Union so weit zu reformieren, dass sie auch für die Erweiterung dauerhaft und vor allem vollständig gerüstet ist, wurde in Nizza nicht ergriffen, trotz aller positiv gemeisterter Einzeletappen. Die Medien haben in den letzten Tagen darüber berichtet; eine gewisse Unsicherheit ist nach Nizza stehen geblieben.
Das ist, glaube ich, das Endurteil.
Deswegen meine ich, dass wir hier noch einiges in den nächsten Jahren arbeiten müssen, denn ohne Kompetenzabgrenzung kann die europäische Entwicklung mit noch mehr Staaten, noch mehr Mitgliedern nicht gelingen. Es geht dann auch um die Frage der Abstimmungsergebnisse, etwa um dreifache, qualifizierte Mehrheit, die gerade von den GRÜNEN in ihrem Antrag kritisiert werden. Ich kann nur sagen: Unter den Gegebenheiten, dass es keine klare Kompetenzabgrenzung gibt, können wir nicht weitere Bereiche in Mehrheitsentscheidungen überführen; sonst würden gerade wir in Deutschland letztendlich erhebliche Nachteile auf uns ziehen.
In diesem Sinn kann ich sagen, dass gerade der Antrag der GRÜNEN hier teilweise o.k. ist. Aber wir können ihm nicht zustimmen, solange es im Bereich der Mehrheitsentscheidungen im Ministerrat keine klare Kompetenzabgrenzung gibt. Ich nehme an, dass durch die Berichterstattung von Minister Bocklet unser Dringlichkeitsantrag erledigt sein kann. Ich bin auf die Debatte gespannt.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Sprinkart, heute könnten wir im Allgäuer Dialekt weiterreden. Nur würden die anderen nichts verstehen. Wenn ich einen typischen Allgäuer energiepolitischen Beitrag leisten würde, könnte er wie folgt lauten: Am after Maetag dr‚no gong i uf Bollederre und hohl á Zuinde vool Waase! – Er weiß, was ich damit meine, aber die meisten wissen es nicht.
Für den Stenographen – das heißt: Am Dienstagnachmittag gehe ich auf den Dachboden und hole einen Korb voll Torf.
Aber nun Spaß beiseite. Meine verehrten Damen, meine Herren, ich möchte eingangs mit aller Deutlichkeit Folgendes feststellen: Zu allen Forderungen zur Alpenkonvention und zu allen Diskussionen, die über Jahre hinweg darüber geführt wurden, könnte man aus bayerischer Sicht sagen: Wir waren in der praktischen Umsetzung und im Schutz unserer alpinen Bereiche Vorreiter. 2,9% der gesamten Fläche Deutschlands ist alpiner Bereich, und dieser Bereich befindet sich weitestgehend in Bayern. Der Anteil der Bevölkerung, die im alpinen Bereich lebt, beträgt 3,4%.
Wir haben mit dem Alpenerschließungsplan als erste in Europa Grenzen dafür gesetzt, was noch erschlossen werden kann. Es ist einfach, Gesetze und Verordnungen in München, in Berlin, in Bonn oder sonst wo zu formulieren, wenn die Menschen in den Tälern allein gelassen werden. Ich darf hierzu meinen Vater zitieren, der immer wieder gesagt hat: Bevor der Tourismus ins Allgäu kam, waren wir das Armenhaus der Nation. Das gilt genauso für Tirol, für Südtirol, für die Schweiz und für die französischen Alpen.
Selbstverständlich für ganz Bayern, also auch für Oberbayern.
Mit aller Deutlichkeit muss aber auch darauf hingewiesen werden, dass eines der Grundziele der Alpenkonvention lautet: Es müssen gleich hohe Umwelt- und Naturschutzstandards im europäischen Alpenraum geschaffen werden. Dabei sind wir ganz gewaltig im Hintertreffen. Lieber Kollege Sprinkart, schauen wir uns doch einmal die Beschneiungsanlagen an. In Bayern haben wir jahrelang gesagt, dass Beschneiungsanlagen nicht in Frage kommen. Bis zum heutigen Tage haben wir die Förderung ausgeschlossen. Andere Gebiete, wie zum Beispiel Südtirol, die heute 40% der gesamten Pistenflächen künstlich beschneien können, sind mit europäischen Mitteln gefördert worden.
Unlängst war ich auf der Tagung der Naturschutzreferenten im Deutschen Alpenverein. Als dort groß und schwulstig darüber geredet wurde, was im Alpenraum noch alles gemacht werden muss, habe ich darauf hingewiesen, dass diese Forderungen für Österreich und für Südtirol zutreffen – dabei möchte ich diesen Regionen gar keine Vorwürfe machen –, dass wir in Bayern diese Aufgaben und Forderungen aber erfüllt haben.
Im Alpenerschließungsplan haben wir viele Einschränkungen vorgenommen. Frau Lück, ich denke zum Beispiel nur an Balderschwang. Dort gibt es eine Schipiste, die mit 50 Metern in die Ruhezone C hineinragt. Obwohl diese Schipiste für den gesamten Schibetrieb einen unwahrscheinlich positiven Aspekt darstellen würde und sie angelegt werden könnte, ohne dass die Natur mehr beeinträchtigt würde, sind diese 50 Meter nicht angelegt worden. Wenn wir einen solchen Plan ausgewiesen haben, können wir ihn auch nicht jeden Tag verändern.
Dazu stehe ich. Daran sieht man, dass wir in Bayern unsere Hausaufgaben gemacht haben.
Zur Berglandwirtschaft. Ich bin darauf gespannt, was die SPD zu diesem Thema sagen wird. Ich könnte es auch anders formulieren, aber ich formuliere es sehr vorsichtig: Wenn zum Beispiel ein Maisbauer im Jahr 2000 eine Ausgleichsleistung von 927 DM bekommt,
ein Bergbauer mit Flächen auf einer Höhe zwischen 800 und 1000 Metern im Extremfall aber nur 350 DM bekommt, dann halte ich das für einen kleinen Skandal.
Lieber Kollege Starzmann, fragen Sie aber den bayerischen Landwirtschaftsminister. Er wird Ihnen bestätigen, dass er sich bei den Plan-AG-Sitzungen in Berlin nicht durchsetzen konnte.
Ich habe das Schreiben auf dem Tisch, ich kann es nicht anders formulieren. Auf der einen Seite fordern wir, dass die Berglandwirtschaft unterstützt wird, auf der anderen Seite wird sie alleine gelassen. Deshalb sage ich mit aller Deutlichkeit, dass Landwirtschaft und Tourismus heute zusammengehören. Ich bin dankbar dafür, dass hochkarätige Touristiker in keinem Referat mehr den Hinweis darauf auslassen, dass wir auf die Berglandwirtschaft, aber auch auf die Landwirte in den Tälern dringend angewiesen sind.
Ohne sie gibt es keine Pflege der Naturlandschaft.
Ich könnte mengenweise solche Touristikexperten zitieren. Erst letzte Woche hat einer von ihnen zu mir gesagt, wir sollen mehr für die Landwirte tun, ansonsten leidet der Tourismus. Man will den Tourismus nicht unbedingt ausbauen, aber man will das erhalten, was man hat, um den Menschen, die in diesen Tälern wohnen, ein Einkommen zu sichern. Ich habe vorhin schon gesagt, bevor der Tourismus kam, war das das Armenhaus der Nation. Wir wollen, dass auch das Einkommen der jungen Generation gesichert ist und dass sie nicht ihre Heimat verlassen und in die Städte abwandern muss.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich sage in aller Deutlichkeit, mich stört – auch in den Anträgen der SPD gibt es entsprechende Ansätze –, dass immer die Fremden bestimmen sollen. Lassen wir doch die Menschen vor Ort handeln, die die Natur besser kennen. Ich habe vorletzte Woche erfahren – es stimmt, ich habe es nachgelesen –, dass zum Beispiel Gerstruben, eine der ältesten Ansiedlungen im Allgäu auf fast 1250 Meter Höhe seinen Ortsnamen deshalb bekommen hat, weil dort Mitte des letzten Jahrtausends Gerste angebaut worden ist. In den letzten 300 bis 400 Jahren ist die Gerste nicht mehr ausgereift, weil die Temperaturen abgenommen haben. Auch Obstanbau war dort üblich, aber das Obst ist nicht mehr ausgereift. Infolgedessen hat man den Anbau aufgeben müssen. Das heißt, eine so genannte Wärmeperiode hat
es in Mitteleuropa schon einmal im letzten Jahrtausend gegeben. Ich glaube, das muss man in dieser Diskussion auch einmal ansprechen.
Ich komme zur Erschließung und zum Tourismus. Ich hoffe, wir sind uns alle einig, wir können den Tourismus nicht ohne bestimmte Entwicklungen fortsetzen. Es gibt Beispiele, bei denen sich Tourismusgemeinden konkret auf Natur und Kultur konzentriert haben.
Nein, das stimmt nicht. Sagen wir es offen, Hindelang hat nur deshalb einen Zuwachs, weil es den Bau eines Hotels mit 400 Betten zugelassen hat, die zu 65% ausgelastet sind. Sie müssen sich die Zahlen schon näher ansehen, bevor Sie Behauptungen aufstellen, die nicht stimmen.
Ich bin selbstverständlich dafür, dass man Kultur und Landschaft in den Tourismus einbindet. Das ist einer der wichtigsten Punkte. Aber man kann nicht sagen, dass man nur damit Gäste anzieht. Wenn es darum geht, jüngere Gäste anzuziehen, haben andere Länder offensichtlich das bessere Angebot.
Ziel der Alpenkonvention ist es, einigermaßen gleichwertige Wettbewerbsverhältnisse im alpinen Raum zu schaffen. Diese gibt es heute nicht. Ich sage offen, ich bin den Tirolern, den Vorarlbergern, den Schweizern und den Südtirolern nicht gram, denn sie haben noch schwierigere Verhältnisse als wir. Das ist keine Frage. Zu manchem Bergdorf in Südtirol würden wir Bayern heute sagen, dort kann man keine Siedlung bauen, aber die Orte stehen schon ein paar Hundert Jahre. Deswegen muss man akzeptieren, dass auch das Heimat ist. Ich lege auch Wert darauf, dass diese Menschen in ihrer Heimat bleiben können. Die Bedingungen dafür müssen wir auch mit dem Schutz des Berggebietes in Europa schaffen.
Ich will nicht näher auf den Erosions- und Lawinenschutz eingehen. Er ist in Bayern sicher vorbildlich. Eines ist klar: Die Lawine gehört ebenso zur Natur wie zum Beispiel ein Baum. Herr Kollege Sprinkart hat vorhin den Bergwald angesprochen. Warum haben wir denn die Probleme? – Die Probleme haben wir vor allem deswegen, weil der Bergwald überaltert ist.
Warum ist er überaltert? – Weil wir jahrelang nicht die Möglichkeit geschaffen haben, gewisse Mindesterschließungen zuzulassen, um eine vernünftige Forstwirtschaft betreiben zu können.
Ich sage ganz offen, der zweite Grund dafür ist, dass es jahrelang überzogen große Mengen von Wild gegeben hat. Das sind zwei Gründe. Nur zu sagen, das eine wäre schuld, ist nicht richtig. Sie sehen heute im Allgäu kaum
mehr Rotwild, es sei denn, Sie gehen zu einer Wildfütterung. Auch das ist ein Verlust, den wir unseren Gästen nicht zumuten wollen.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Köhler, Sie haben darauf hingewiesen, dass der bayerische Ministerpräsident in Berlin formuliert habe, Europa falle uns nicht in den Schoß. Ich sehe hier keinerlei Disparitäten. Tatsache ist, dass uns Europa eben nicht in den Schoß fällt und wir die eine oder andere Entwicklung sehr kritisch sehen müssen. Ich sehe die Staatsregierung und die CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag, die über Jahre hinweg immer wieder auf bestimmte Fehlentwicklungen hingewiesen haben, in ihrer Haltung bestätigt. Heute stellen wir fest, dass unsere Vorstellungen europaweit nicht so ganz akzeptiert werden.
Lesen Sie die Rede von Tony Blair vom 6. Oktober in Warschau nach. Sie werden dann erkennen, dass sich die Aussagen des Premierministers von England kaum mehr von dem unterscheiden, was Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber tagtäglich zum Thema Europa formuliert.
Sie haben uns vor Jahren belächelt, als wir von einem Europa der Regionen gesprochen haben.
Was ist denn heute übrig geblieben? Sie formulieren es uns doch nach, aber wir sind in der Meinungsführerschaft absoluter Sieger geblieben, und dafür werden wir weiter kämpfen.
Meine Damen und Herren, was haben Sie denn bei der Euro-Diskussion alles gesagt? Was wäre passiert, wenn nicht die Vertreter der CSU alles darangesetzt hätten, dass der Euro einigermaßen Stabilität bekommt? Sie geben die Stabilität doch heute absolut preis, was in den nächsten Jahren noch grausame Wirkungen haben wird, wenn der Euro weiter so schwach bleibt.
Meine sehr verehrten Damen, meine Herren, Sie sagen, Deutschland müsse in der Europapolitik mit einer Zunge
sprechen. Entscheidend ist doch vielmehr die Frage, welcher Weg der richtige ist. Wenn wir in Bayern feststellen, dass ein falscher Weg eingeschlagen wird, muss es uns auch erlaubt sein, entsprechende Warnungen abzugeben.
Nun zum Stand und zur Zukunft Bayerns in Europa. Wir stehen vor der größten Erweiterung der Europäischen Union, vor der sogenannten Osterweiterung. Bevölkerung und Fläche der Europäischen Union nehmen exorbitant zu. Faktum ist aber auch, dass wir mit 550 Millionen Verbrauchern – das sind 170 Millionen mehr als bisher – der größte Binnenmarkt der Welt werden. Ich erinnere mich noch sehr wohl an die Zeiten, als der europäische Binnenmarkt eingeführt wurde. Auch damals sind Ängste formuliert worden. Es gab viele Unsicherheiten. Heute stellen wir aber fest, dass das wirtschaftliche Wachstum Bayerns in den Jahren 1985 bis 1997 um 42% gestiegen ist, während es in Deutschland um 32,5% und in der Europäischen Union um 31,3% gestiegen ist. Das ist doch ein Beispiel dafür, dass die bayerische Wirtschaft den Binnenmarkt besser nutzen konnte als alle anderen deutschen und europäischen Wirtschaftszweige.
Wenn wir noch mehr in die Mitte Europas rücken und Nachbarn in unmittelbarer Nähe haben, ergeben sich für die bayerischen Unternehmer die Chance, neue Geschäftspartner zu finden und wachstumsstarke Märkte zu erobern. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs sind die Einfuhren von Polen nach Bayern um 136%, und die Ausfuhren von Bayern nach Polen um 163% gestiegen. Die Einfuhren aus Ungarn sind um 242% gestiegen, die Ausfuhren dorthin um 397%. Einfuhren und Ausfuhren sind also weitestgehend ausgeglichen. Daran sehen wir, welche Chancen wir bei einer Osterweiterung der Europäischen Union haben.
Ich verkenne nicht, dass wir in Deutschland leider Gottes weniger die Vorteile als die Nachteile darstellen. Schätzungen zufolge wird beim ersten Schritt der europäischen Osterweiterung die Belastung des Bruttoinlandsprodukts in Deutschland um 0,6% zunehmen. Wenn alle osteuropäischen Länder, die derzeit zu den Beitrittskandidaten gehören, hinzukommen, wird diese Steigerung bei 0,9% liegen. Faktum ist aber auch, dass mehr Wachstum durch den Wohlstandsgewinn ausgeglichen wird. Das muss man auch mit aller Deutlichkeit den Menschen in unserem Land sagen, das gehört auch zur Wahrheit.
Zur Wahrheit gehört es auch, dass wir in einem erweiterten europäischen Raum die Chance haben, in Form einer Arbeitsteilung einen Ausgleich zwischen den Hightech-Regionen und den Lowtech-Regionen zu schaffen und damit ein Wachstum für ganz Europa zu ermöglichen. Lassen Sie mich einen Vergleich mit den Nachbarstaaten anstellen. Ich kann mich noch gut daran erinnern, welche Aufregungen es gegeben hat, als USA und Kanada ihre Beziehungen nach Mexiko ausgeweitet haben. Heute sehen wir, dass dies dem Land Mexiko außerordentlich gut getan hat, umgekehrt gab es aber auch keine Nachteile für USA und Kanada.
Lassen Sie mich einen dritten Punkt kurz ansprechen. Wir wollen das Europa der Regionen stärken. Diese Politik haben wir in Bayern von Anfang an betrieben. Sie sind erst viel später auf diesen Zug aufgesprungen. Bayern hat seine Politik immer auf ein Europa der Regionen ausgerichtet. Wir haben alle die Handlungsspielräume, die wir noch hatten, auch genutzt. Ich denke an die Förderpolitik für den Mittelstand. Dort durften wir noch ein wenig tun. Ich denke auch an die Förderpolitik für die Technologie und für die Forschung und Wissenschaft. Diese Förderpolitiken sind die Grundlage dafür, dass wir die Osterweiterung Europas mit Sicherheit besser bewältigen können als viele andere.
Es ist kein Geheimnis mehr, dass wirtschaftlich starke Regionen das Rückgrat des Wirtschaftsstandortes Europa sind. Dafür brauchen wir aber auch den notwendigen Gestaltungsspielraum, für den wir immer gekämpft haben. Wir wollen keinen Einheitsbrei Europa, sondern ein Europa der Vielfalt. Bayern hat bewiesen, dass es den Binnenmarkt bestens meistern konnte. Wir stehen mit dem technischen Fortschritt an der Spitze der Regionen Europas. Wir konnten in den letzten Jahren mehr moderne Arbeitsplätze als andere Regionen schaffen. Ich denke nur an die Iuk-Technologie, an die Luft- und Raumfahrt, an die Fahrzeugtechnik, an die Bio- und Gentechnologie und an vieles mehr. Die Befürchtungen, dass der Mittelstand bei der zunehmenden Globalisierung an die Wand gedrückt wird, haben sich Gott sei Dank nicht bestätigt. Aufgrund seiner Innovationsfreudigkeit, seiner Flexibilität und Anpassungsfähigkeit ist der bayerische Mittelstand Europameister geblieben.
Das große Haus Europa muss nicht mehr gebaut werden, es ist bereits gebaut. Jetzt stellt sich nur noch die Frage, wer einzieht, wer in den Keller und wer in das Dachzimmer einzieht. Wir Bayern haben uns bereits eine hervorragende Etage gesichert und sind dabei, diese Etage auch einzurichten,
während die anderen Länder noch nicht einmal die Möbelpacker beauftragt haben. Auch das möchte ich einmal mit aller Deutlichkeit sagen.
Zu Ihrem Entschließungsantrag zur Grundrechts-Charta der Europäischen Union kann ich nur sagen, dass die SPD ganz klar ja zu mehr Zentralismus und nein zu einem Europa der Regionen sagt, wenn sie meint, mit der vorliegenden Grundrechts-Charta den Einstieg in eine Europäische Verfassung zu schaffen. Auch das muss mit aller Deutlichkeit festgestellt werden. Lesen Sie zum Beispiel die Rede von Tony Blair. Dort sagt er doch – ich zitiere –:
Das Problem mit der Debatte über Europas politische Zukunft ist, dass wir uns, wenn wir nicht aufpassen, in das Dickicht institutioneller Veränderungen stürzen, ohne zuvor die grundlegende Frage nach unserem Endziel gestellt zu haben.
Ich darf einen weiteren Punkt hinzufügen. Die klare politische Richtung, welche die Menschen anstreben, muss
von gewählten Politikern und gewählten Regierungen vorgegeben werden. Wenn wir ja zur GrundrechtsCharta in Europa sagen, gleichzeitig aber eine Abgrenzung der Kompetenzen zwischen den Nationalstaaten und Brüssel fordern, liegen wir auch richtig. Die Diskussionen auf Ihrer Seite geben uns nicht die Sicherheit, dass Sie diese klare Abgrenzung auch wollen.
Meine sehr verehrten Damen, meine Herren, wir brauchen ein neues Gleichgewicht zwischen den drei entscheidenden politischen Ebenen der Regionen, der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union. Wir brauchen eine Fortsetzung des europäischen Integrationsprozesses. Wir brauchen funktionsfähige Nationalstaaten und vor allem starke Regionen. Das ist der ganz entscheidende Punkt, wofür wir in der Vergangenheit auch nicht unerheblich gekämpft haben. Wir haben den Begriff der Region in Bayern geboren. Heute gibt es kaum mehr ernst zu nehmende Europapolitiker oder Regierungschefs in Europa, die diese Formulierungen nicht übernommen haben. Früher sind wir dafür nicht unerheblich kritisiert worden. Deswegen befürworte ich das Europa der Regionen, und ich sehe die Zukunft Bayerns unter dieser Voraussetzung als außerordentlich positiv.
Herr Präsident, meine Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal möchte ich zu dieser Aktuellen Stunde feststellen, dass es zum Selbstverständnis des Bayerischen Landtags gehört, dieses Thema zu diskutieren, auch wenn gestern eine solche Debatte im Deutschen Bundestag in Berlin geführt worden ist.
Frau Schmidt und Herr Maget haben dem Herrn Ministerpräsidenten die Schuld für die Salonfähigkeit von Herrn Haider gegeben. Dazu kann ich nur sagen, dass Herr Haider zunächst durch die Wählerinnen und Wähler von Österreich und durch das Verhalten der Bundesregierung und vieler Verantwortlicher der Europäischen Union in den letzten Tagen salonfähig gemacht worden ist.
Ich möchte auch einmal feststellen, dass sich die PDS, die schon einmal erwähnt worden ist, noch nicht vom Saulus zum Paulus gewandelt hat. Zu erwähnen ist auch, dass Joschka Fischer noch vor wenigen Jahren Molotowcocktails lieber waren als heute die Partycocktails.
Im Zusammenhang mit der Diskussion über die Kompetenzausweitung der Europäischen Union war es wichtig, über die Einmischung in die Eigenständigkeit der Länder zu sprechen. Ich möchte aber noch einen anderen Punkt ansprechen.
In den letzten Jahren erleben wir zunehmend, dass sich die Europäische Union in viele politische Bereiche der nationalen Regierungen, der Regionen und der Länder einmischt. Dirigismus, Zentralisierung und Bürokratie haben nicht unerheblich zugenommen. Die Einmischung in die nationale Kompetenz zeigt sich an der Fernsehrichtlinie und an Aktionen zur Stadtentwicklung bis hin zur Umweltpolitik. Nur durch die klare Gegenposition Bayerns konnte eine Richtlinie zur Haltung von Tieren in Zoos verhindert werden. Was hat das alles mit der Entwicklung Europas zu tun? Zu erwähnen ist noch, dass durch ein Weißbuch versucht wurde, die Kompetenz der Europäischen Union auf die Fremdenverkehrsförderung, Fremdenverkehrsinfrastruktur oder Ausbildung im Tourismus auszuweiten. Es wäre vollkommen fehl am Platz, die Kompetenzen für diese politischen Bereiche nach Brüssel zu verlagern.
Wenn die Kompetenzen zur Lehrausbildung auf Brüssel übergehen, wird die Konsequenz sein, dass das Niveau der Ausbildung auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner festgelegt wird. Das kann nicht unser Wunsch sein. Es soll sogar mit einem Aktionsprogramm der Katastrophenschutz und die Katastrophenschutzausbildung auf europäischer Ebene geregelt werden. Dazu kann ich nur sagen: Wenn für den Katastrophenschutz die Europäische Union zuständig wäre, dann wären die Schäden, die das Pfingsthochwasser im letzten Jahr angerichtet hat, heute noch nicht beseitigt.
Lassen Sie mich noch einen Punkt ansprechen. Wir müssen eine klare Gegenposition zur Allzuständigkeit der Europäischen Union beziehen. Das sage ich aus einem ganz bestimmten Grund. Wir im Bayerischen Landtag wollen alle gemeinsam die Osterweiterung. Wir müssen uns vor Augen halten, dass gerade diese Länder erst seit 1989 ein Stück Souveränität und Selbstständigkeit zurückerobert haben. Es wäre diesen Ländern nicht zu vermitteln, bei einem Beitritt zur Europäischen Union diesen Gewinn an Souveränität, der unter großen Opfern erreicht worden ist, wieder nach Brüssel abzugeben. Diese Länder, die den Zentralismus von Moskau erlebt haben, würden keinen Zentralismus von Brüssel wollen. Sie würden sich angesichts der Allzuständigkeit Europas nicht mehr sicher fühlen.
Das Europa der Zukunft, wie wir es verstehen, ist ein demokratisches Europa, kein zentralistisches und büro
kratisches Europa, und vor allem kein dirigistisches Europa. Wir brauchen ein Europa, das die Bürgerinnen und Bürger verstehen, ein Europa der Subsidiarität, weil damit gewährleistet ist, dass Europa tatsächlich von der Mehrheit der Bevölkerung richtig eingestuft wird.
Frau Gote, Sie haben von Renationalisierung gesprochen. Mir ist nicht bekannt, dass Europa heute schon ein Bundesstaat wäre.
Herr Präsident, meine Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Sprinkart, eine kleine Richtigstellung: Erstens einmal steht in der „Süddeutschen Zeitung“, dass Sie der Antragsteller im Kreistag Oberallgäu gewesen seien.
Das trifft aber nicht zu. Es war eine Kollegin vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, aber nicht Herr Sprinkart.
Zweitens. Der Antrag der Grünen ist auch nicht in der Form abgestimmt worden, in der er gestellt worden ist. Sie haben den Antrag nämlich geteilt. Der Antrag lautet, erstens die flächendeckende sechsstufige Realschule abzulehnen und zweitens sich dem Volksbegehren anzugliedern bzw. einen Kreistagsbeschluss zu fassen.
Über den zweiten Punkt ist nicht abgestimmt worden.
Über den zweiten Punkt ist nicht abgestimmt worden, weil er abgelehnt worden wäre. Deshalb haben Sie den Antrag geteilt. Ich will hier einmal ganz klar die Warheit sagen, Herr Kollege Sprinkart.
Als letzten Satz möchte ich nur noch erwähnen, dass alle Realschulen im Einzugsbereich des Landkreises Oberallgäu bereits als sechsstufige Realschulen geführt werden. Da sieht man doch die Bedeutung des Antrags, und deshalb ist es wahrscheinlich zu dieser lapidaren Abstimmung des Landkreises Oberallgäu gekommen.