Protocol of the Session on February 2, 2000

Eine Zusatzfrage: Frau Kollegin.

Herr Staatsminister, gehe ich Recht in der Annahme, dass ich in Ihrer Antwort die Worte „Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen“ nicht gehört habe? Meine Frage hat sich auch auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bezogen; ich habe nur von Entlastungen für die Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen gehört.

Ich glaube, dass es diese nicht nur bei den Arbeitgeber-Familien gibt. Ich habe beispielsweise auf den Familienleistungsausgleich ausdrücklich hingewiesen.

Zweite Zusatzfrage: Frau Kollegin.

Warum war es Ihnen nicht möglich, mir eine ähnlich schöne Aufstellung über Entlastungen für den Zeitraum von 1991 bis 1994 wie Frau Radermacher zu geben?

Frau Kollegin, dies war eine Fleißarbeit von uns zur aktuellen Situation. Für die historische Aufarbeitung schien es nicht mehr angebracht. Ich habe Ihnen die Zahlen genannt, jeder kann also Leistung und Gegenleistung nachrechnen.

Letzte Zusatzfrage: Herr Kollege Maget.

Herr Staatsminister, wie beurteilen Sie folgendes Zitat: „Das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung hat errechnet, dass die von RotGrün beschlossene Öko-Steuer in den kommenden Jahren bis zu 75000 zusätzliche Arbeitsplätze bringen wird.“?

Gehen Sie davon aus, dass Ihre Frage mit der Ausgangsfrage in Zusammenhang steht? Denn die Frage lautet: „Welche Entlastungen waren mit den Mineralölsteuererhöhungen von 1991 und 1994 für die Arbeitnehmer und die Arbeitgeber verbunden?“ Sie sprechen nicht von den damaligen, sondern von den heutigen Steuererhöhungen. – Herr Minister, bitte.

Ich kenne diese Ausarbeitung nicht, empfinde es aber immer als „sensationell“, wenn ein Institut in der Lage ist, aufgrund von Höherbelastungen tatsächlich Wachstumseffekte zu errechnen. Ich bewundere diese Ausarbeitung und diejenigen, die sie gemacht haben, umso mehr. Ich halte dies – auf gut bayrisch – für einen „ausgemachten Schmarrn“.

Die nächste Frage: Herr Kollege Müller.

Herr Staatsminister, kann die Bayerische Staatsregierung bestätigen, dass die Mehrbelastung für einen Arbeitnehmer, die im Jahr bei 20000 km und einem Verbrauch von 8 Litern pro 100 Kilometern jährlich zirka 192 DM beträgt, die Entlastung durch die Senkung des Rentenbeitrages bei einem Jahresbruttoeinkommen von 50000 DM gleichzeitig 250 DM für den Arbeitnehmer und 250 DM für den Arbeitgeber beträgt?

Herr Minister.

Herr Kollege Müller, Ihre Frage geht in die gleiche Richtung. Dies ist für mich gewissermaßen der Doppelpunkt vor Feststellungen, die im Grunde gegen Ihre Konzeption und gegen diese Ökosteuerreform sprechen. Die Mehrbelastung für den betreffenden Arbeitnehmer durch die höhere Mineralölsteuer beträgt im Jahr 2000222 DM, da auch die höhere Mehrwertsteuer mit berücksichtigt werden muss. Auch der Arbeitgeber wird durch die höheren Energiesteuern belastet. Die Belastung schwankt je nach Branche, und das ist, wie Sie selbst gelegentlich eingestehen, eines der Probleme. Die Entlastung durch die Senkung des Rentenbeitrages beträgt für Arbeitgeber und Arbeitnehmer je 250 DM. Bereits im Jahr 2001 liegt jedoch die Belastung des Arbeitnehmers durch die Mineralölsteuer höher als die Entlastung durch die Senkung des Rentenversicherungsbeitrags, nämlich 334 DM zu 325 DM. Bis zum Jahr 2003 steigt diese Mehrbelastung auf voraussichtlich 256 DM pro Jahr (556 DM zu 300 DM). Die Erhöhungen der Steuern auf Heizstoffe und elektrischen Strom eingerechnet, beträgt die gesamte Mehrbelastung im Jahr 2003 voraussichtlich 626 DM.

Große Gruppen unserer Bevölkerung – Rentner, Pensionäre, Studenten und Sozialhilfeempfänger – erhalten durch die Senkung der Rentenversicherungsbeiträge überhaupt keine Entlastung, weil sie nicht sozialversicherungspflichtig sind. Sie werden durch Mineralölsteuererhöhung und neue Stromsteuer empfindlich getroffen. Auch Beamte, kleine Gewerbetreibende und die bäuerliche Landwirtschaft werden höher belastet. Dies ist – aufgrund Ihrer Frage –, eine Wiederholung. Frau Kollegin Radermacher, könnten Sie daher die Ihnen überreichten Zahlen in Ablichtung auch Ihrem Kollegen übergeben, damit er die einzelnen Zahlen für die verschiedenen Gruppen nochmals nachvollziehen kann?

Zusatzfrage: Herr Kollege.

Stimmen Sie mir zu, dass zweimal 250 DM mehr Entlastung sind als einmal 192 DM plus Mehrwertsteuer insgesamt? Meine Berechnungen und meine Fragen beziehen sich auf dieses Jahr, in dem ich zu dieser Rechnung komme; Sie haben bei 192 DM die Mehrwertsteuer noch miteingerechnet.

Herr Minister.

Nein, ich beziehe mich auf die Berechnung, wie ich sie vorgetragen habe. Ich übergebe sie Ihnen gerne schriftlich. Der Zahlenabgleich sollte immer offen gemacht werden. Ich unterstelle immer, dass man vielleicht etwas vergessen hat, aber im Wesentlichen stimmt es. Dabei stelle ich noch gar nicht auf das Viertel der Bevölkerung ab, das in der Sozialversicherung überhaupt keine Entlastung hat.

Wegen der Dreistufigkeit der Erhöhung stellt das, was Sie beabsichtigen, für eine durchschnittliche Familie bzw. für einen durchschnittlichen Arbeitnehmer eine Mehrbelastung dar. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis. Sie können das doch offensiv vertreten und sagen: Dadurch wird die Umwelt besser. – Doch traut sich niemand mehr, das zu sagen; denn jeder weiß, dass die in dem Zusammenhang erwähnten Steuererhöhungen mit der Umwelt nichts zu tun haben.

Eine weitere Zusatzfrage.

Ich habe mich gerade sehr bemüht, eine präzise Frage zur gegenwärtigen Situation zu stellen. Ich habe jetzt eine Antwort bekommen, die sich nicht darauf bezieht. Deshalb darf ich Sie zum Schluss fragen, ob Sie mit mir darin übereinstimmen, und zwar bezogen auf das Jahr 2000, dass 500 DM mehr sind als 192 DM.

Herr Minister.

Zu der isolierten Feststellung kann ich sagen: Nach Adam Riese sind 500 mehr als 192.

Respekt! Das ist eine – – Aber jetzt darf ich überhaupt nichts mehr sagen.

(Heiterkeit bei der SPD)

Die nächste Frage stellt Herr Kollege Maget.

Herr Staatsminister, teilt die Bayerische Staatsregierung die Auffassung des heutigen CDU-Vorsitzenden Dr. Wolfgang Schäuble aus dem Jahre 1997 beim umweltpolitischen Arbeitskreis der CSU in Ingolstadt, dass „Arbeit von Sozialabgaben entlastet und der Verbrauch natürlicher Ressourcen stärker besteuert“ werden muss?

Herr Minister.

Ich habe an der fraglichen Sitzung des umweltpolitischen Arbeitskreises nicht teilgenommen. Dr. Wolfgang Schäuble ist ein von mir hoch geschätzter Politiker,

auch ein Finanzpolitiker. Ich kann beurteilen: Er versteht sehr viel von Finanzpolitik. Ich weiß nicht, ob er sich so geäußert hat, wie von Ihnen zitiert, und wie er es gegebenenfalls gemeint hat.

Ich wiederhole an dieser Stelle: Ich bin dagegen, die Mineralölsteuer und so genannte Ökosteuern zu erhöhen, um darüber die an sich notwendige Senkung der Lohnnebenkosten zu finanzieren, beispielsweise die Beiträge zur Rentenversicherung. Ich habe das hier schon zweimal dargestellt.

Zusatzfrage: Herr Kollege Maget.

Herr Minister, Sie halten es also für falsch – so verstehe ich Ihre Worte –, dass der Sozialversicherung Gelder aus dem allgemeinen Steueraufkommen zugeführt und damit die Beitragssätze stabilisiert werden. Wenn dem so ist, frage ich Sie: Was halten Sie davon, dass von den 360 Milliarden DM an Ausgaben und Einnahmen, die bei der gesetzlichen Rentenversicherung anfallen, 120 Milliarden DM aus allgemeinen Steuermitteln stammen, also auch von Steuerzahlern, die nie einen Rentenanspruch haben werden?

Völlig richtig. Aber Ihre einleitende Unterstellung resultiert aus einer falschen Interpretation meiner Worte. Natürlich erhält die Sozialversicherung auch Steuermittel, was bei der Rentenversicherung am deutlichsten zu sehen ist. Damit werden die so genannten versicherungsfremden Leistungen ausgeglichen, die in der Nachkriegszeit erbracht wurden und zu denen es auch nach der Einheit gekommen ist. Sie wissen, dass es wegen der Abgrenzung der versicherungsfremden Leistungen einen heftigen Kampf zwischen Wissenschaftlern und Politikern gibt. Einmal unterstellt, wir könnten uns auf eine Definition dieser Leistungen einigen, müssten diese selbstverständlich über Steuermittel finanziert werden; denn sie werden eben nicht aus dem Leistungsverbund der Rentenversicherung genährt, in dessen Rahmen jeder, der einzahlt, je nach persönlicher Leistung einen eigenen Anspruch erwirbt.

Meine Aussagen sind also nicht dahin gehend zu interpretieren, dass ich meine, Steuergelder hätten in den Töpfen der Rentenversicherung nichts zu suchen. Ich bin aber der Auffassung, dass bei der Reform der Rentenversicherung nicht der Umweg beschritten werden darf, Gelder aus der einen Tasche herauszunehmen, um sie in eine andere Tasche zu stecken. Dadurch wird der Reformdruck gesenkt. Es wird nur kaschiert, nur ein Verschiebebahnhof organisiert. – Das ist mein systematischer Ansatz. Es ist übrigens auch der systematische Ansatz der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag.

Zusatzfrage: Herr Kollege Hofmann.

Herr Staatsminister, ich trage Ihnen einmal vor, was die Vorsitzende der bayerischen SPD, gleichzeitig Vorsitzende der SPD-Fraktion im Bayeri

schen Landtag, am 29.09.1995 bei einem Arbeitskreis selbstständiger Unternehmer in Würzburg erklärt hat. Folgendes war zu lesen:

Einen absoluten Unsinn nannte Renate Schmidt die Finanzierung der Pflegeversicherung. „Das war der Sündenfall der Sozialdemokratie. Man hätte dies niemals zulassen dürfen. Denn diese Versicherungen sind wieder auf die Lohnnebenkosten gegangen.“

Herr Minister, teilen Sie diese Auffassung?

Herr Minister.

(Maget (SPD): Aber das war jetzt schon eher etwas zur Ausgangsfrage? – Gegenrufe von der CSU – Unruhe)

Ich bitte nur darum, nicht unterschiedlich zu argumentieren – je nachdem, ob es im eigenen Interesse ist oder gegen einen anderen. Herr Maget, nachdem ich bei Ihnen sehr großzügig war, dürfen Sie mir nicht vorwerfen, dass ich denselben großzügigen Maßstab bei anderen anlege. Wir sollten uns auf die Fragestunde beschränken und uns nicht in Haarspaltereien ergehen.

(Unruhe)

Ich kann mich noch an eine Fragestunde erinnern, in deren Rahmen Herr Kollege Maget ein fürchterlich langes Zitat in die Diskussion eingeführt hat. Er ist Meister auf diesem Gebiet. So sollte er niemanden kritisieren, der es ihm nachmacht. Vielmehr sollte er stolz darauf sein, so bahnbrechend tätig geworden zu sein. – Herr Staatsminister.

Die Pflegeversicherung zielt auf die Bewältigung eines ungeheuren gesellschaftlichen Problems ab, nämlich der Pflege vor allem alter Menschen. Glücklicherweise werden die Menschen immer älter. Aber gleichzeitig wächst die Zahl der Pflegefälle. Das ist weder von den Familien noch finanziell von der Gesellschaft aufzufangen. Ich halte die Pflegeversicherung für eine der großen historischen Leistungen der letzten zehn Jahre. Norbert Blüm hat sie mit bemerkenswerter Hartnäckigkeit durchgesetzt.

Die Aussagen von Frau Kollegin Schmidt will ich nicht weiter kommentieren, weil sie nicht hier ist und nicht im Zusammenhang darstellen kann, wie sie die Pflegeproblematik in unserer Gesellschaft finanziell anders lösen wollte.

Letzte Zusatzfrage: Frau Kollegin Kellner.

Herr Staatsminister, ich habe Ihnen eben einige Zeitungsartikel aus dem Jahr 1997 zur Kenntnis gegeben. Geben Sie jetzt zu, dass die CSU damals für die Einführung einer Ökosteuer war, namentlich der stellvertretende

Vorsitzende Ihrer Fraktion Herr Herrmann, um die Beiträge zur Rentenversicherung zu stabilisieren?