Ich habe alle Landräte und alle Bürgermeister der kreisfreien Städte konsultiert, und ich stieß dort auch ohne Ihren Antrag auf eine überaus positive Resonanz. Frau Kollegin, ich könnte Ihnen sofort einige Landräte und
Frau Biedefeld, lassen Sie es mich doch einmal erklären. Es geht jetzt um die Frage, ob wir das noch zusätzlich staatlich fördern und begleiten. Wir hatten bereits vor einigen Jahren ein Programm, bei dem es darum ging, zusätzlich zur Verfügung gestellte Ausbildungsplätze zu fördern. Das hat riesige Probleme gegeben, weil derjenige, der schon immer viel ausgebildet hat, in einem Jahr aber weniger oder gleich viele Lehrstellen zur Verfügung stellte, dieses Programm nicht in Anspruch nehmen konnte. Ich halte den Ansatz deshalb für falsch.
Ich erachte es vielmehr als richtig, dass der, der jemanden aus einer Praxisklasse oder einen benachteiligten Jugendlichen einstellt, eine Förderung von Seiten des Staates aus dem Europäischen Sozialfonds – ESF – oder von der Landesanstalt für Aufbaufinanzierung – LfA – durch ein Darlehensprogramm bekommt. Das ist der richtige Ansatz. Ich halte es für falsch, in der jetzigen Situation denen, die früher Ausbildungsplätze zur Verfügung gestellt haben, nichts zu geben und denen, die jetzt noch einen zur Verfügung stellen, einen Ausgleich seitens der öffentlichen Hand zu bezahlen. Das würde in den kommenden Jahren zu der Konsequenz führen, dass jeder bis Ende des Jahres wartet, bis es eine staatliche Begleitung gibt, um dann noch in die Ausbildung einzusteigen.
Herr Staatssekretär, Sie haben soeben ausgeführt, dass die Staatsregierung großen Wert darauf liegt, Absolventen von Praxisklassen finanziell zu fördern, um sie auf diese Weise an einem Ausbildungsplatz unterzubringen. Können Sie, nachdem Sie 150 Betriebe besucht haben, sagen, ob Sie mit diesem Förderprogramm überhaupt in einem Fall Erfolg gehabt haben?
Ich kann Ihnen sagen, dass Leute aus den Praxisklassen eingestellt werden und dass dieses Geld in Anspruch genommen wird. Die zur Auszahlung notwendigen Mittel werden bei uns im Ministerium von der mit der Umsetzung betrauten Stelle angefordert. Es ist richtig, dass noch finanzielle Mittel frei sind, weil für den einen oder anderen Beruf höchste Qualifikationen gefordert werden und deshalb die Zuschüsse für die Absolventen der Praxisklassen nicht in Anspruch genommen werden können. Das Geld aber wird angefordert, und das ist auch
Mir geht es darum, dass wir in den kommenden Wochen und Monaten durch eine gemeinsame Anstrengung auf der Grundlage dieses 13- bzw. 12-Punkte-Programms der Bayerischen Staatsregierung in Zusammenhang mit der 7-Punkte-Kampagne so viele Lehrstellen gemeinsam akquirieren können, dass wir am Schluss des Ausbildungsjahres eine ausgeglichene Lehrstellenbilanz haben. Darum geht es, und das ist unser Ziel. Wir wollen bis zum September jedem ausbildungsfähigen und jedem ausbildungswilligen jungen Menschen eine Ausbildungsstelle zur Verfügung stellen können.
Frau Kollegin Steiger, es ist richtig, und ich sage es noch einmal, weil Sie mich vorhin zitiert haben: Wer heute keine Ausbildung hat, der hat keine Chance. Deshalb haben wir alle die Verpflichtung, an der Verfolgung dieses Zieles mitzuarbeiten. Wir haben nicht nur Forderungen an die anderen gestellt, wie Sie das formuliert haben, sondern werden durch die Kampagnen und die Initiativen der Bayerischen Staatsregierung ein exzellentes Ergebnis erreichen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, jetzt habe ich ein Problem. Wir haben nach der 15-Minuten-Regelung der Geschäftsordnung noch zwei Minuten zu warten, bis wir die namentliche Abstimmung durchführen können.
Ich könnte nun langsam bekannt geben, wo die Urnen zur Abstimmung aufgestellt wurden. Ich werde es mal so versuchen: Wortmeldungen liegen mir nicht mehr vor. Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Sie soll in namentlicher Form erfolgen. Für die Stimmabgabe sind entsprechend gekennzeichnete Urnen bereitgestellt: die Ja-Urne auf der Seite der Opposition, die Nein-Urne auf der Seite der CSU-Fraktion. Diese Urnen stehen jeweils im Bereich der Eingangstüren. Die Urne für Stimmenthaltungen befindet sich auf dem Stenografentisch. Mit der Stimmabgabe kann in einer Minute begonnen werden. Ich sage dann noch einmal die Zeit an, wenn die Minute um ist. Aber das kann wohl nicht mehr lange dauern.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Stimmabgabe ist abgeschlossen. Das Abstimmungsergebnis wird außerhalb des Plenarsaals ermittelt und später bekannt gegeben.
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Christine Stahl, Dr. Dürr, Schopper und anderer und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Reform der Sozialen Sicherungssysteme – Bürgerversicherung auf den Weg bringen (Drucksache 14/12749)
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Aufgrund der namentlichen Abstimmung ist im Hause immer noch etwas Laufverkehr. Trotzdem möchte ich jetzt etwas zum Thema Reform der sozialen Sicherungssysteme sagen.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Gestern wurde in Berlin der Weg für eine gemeinsame Gesundheitsreform frei gemacht. Wir wissen das aus den Medien. Am kommenden Sonntag werden die Verhandlungen mit festem Willen beginnen. Der Fahrplan wurde abgesteckt. Heutzutage heißt das nicht mehr „Fahrplan“, sondern „Routemap“. Ziel ist es, die Lohnnebenkosten auf 13% zu senken. So sehr wir die Vorschläge zur Senkung der Lohnnebenkosten begrüßen, muss ich doch selbstkritisch anmerken, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen, zum Beispiel die Ausgliederung des Krankengeldes oder der Kosten für den Zahnersatz, vorwiegend beim Arbeitnehmer eingespart werden. Die Nebenkosten der Arbeitgeber werden sich zwar verringern, beim Arbeitnehmer bleibt jedoch die Zeche wie gehabt. Wir müssen für die Menschen, die rechnen können und wissen, wie viel bei ihnen letztendlich im Geldbeutel verbleibt, Ehrlichkeit einfordern.
In Bezug auf die weiteren Debatten, in denen wahrscheinlich über Vorschläge wie die Privatisierung der privaten Unfälle diskutiert wird, möchte ich zu bedenken geben, dass sich die Versicherten irgendwann die Frage stellen werden, welche Risiken überhaupt noch abgesichert sind und warum sie einer Zwangsversicherung angehören, wenn sie für alle Eventualitäten privat in den Geldbeutel greifen müssen. Vorschläge wie die Privatisierung der privaten Unfälle geistern derzeit als „Glanzlichter“ durch die Presse.
Gerade bei diesem Vorschlag müssen wir deutlich Nein schreien, weil das Ziel der Stärkung der Prävention mit
diesem Vorschlag auf den Kopf gestellt wird. Dahinter verbirgt sich nicht nur der Bungeejumper, der im Ernstfall, wenn das Seil reißt, wahrscheinlich der Hilfe gar nicht mehr bedarf, sondern auch ein Skifahrer, wie zum Beispiel Herr Dr. Zimmermann, oder ein Jogger. Ich mache darauf aufmerksam, dass Herr Staatsminister Sinner dafür wirbt, jeden Tag eine halbe Stunde ums Haus zu rennen. Daher muss klar und deutlich gesagt werden, dass wir nicht einerseits Prävention fordern und sie andererseits bestrafen dürfen. Wenn ein solcher Vorschlag auf den Tisch kommt, müssen wir eindeutig Nein rufen.
Die Frage wird auch sein, wie eine Lenkungswirkung erzielt werden kann, wenn ein Verhalten, das einerseits gefördert werden soll, andererseits dazu führt, dass derjenige auch noch belohnt wird, der mit einer Tüte Chips und einer Packung Zigaretten, anstatt Sport zu treiben, sich die Sportschau im Fernsehen anschaut.
Deswegen wollen wir die Bürgerversicherung als Versicherung aller auf den Weg bringen. Momentan ist sie nicht konkreter Verhandlungsgegenstand innerhalb des Paketes zur Gesundheitsreform, über das ab dem kommenden Sonntag verhandelt wird. Die Sozial- und Finanzpolitiker werden ihr aber nicht ausweichen können; denn alle konkreten Maßnahmen, die bei der Gesundheitsreform diskutiert werden, sind unter der Frage zu sehen, wie sie zu finanzieren sind. Dabei ist die Einnahmenseite zu bedenken. Man muss sich überlegen, wie die Finanzierung ausschaut und welche Perspektiven sich innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung bieten.
Vom Bayerischen Landtag aus muss an die Menschen im Land eine deutliche Botschaft ergehen, wohin die Reise in der gesetzlichen Krankenversicherung geht, wie die Konzepte sind und worauf man sich einstellen muss. Ich bin da für Ehrlichkeit. Vielleicht hat das vergangene Pfingstfest Herrn Seehofer zum Geist der Erkenntnis verholfen, so dass er die Bürgerversicherung ins Spiel gebracht hat.
Ich halte es für richtig, das Konzept der Bürgerversicherung weiterzuverfolgen. Ich möchte gerade an die Sozialpolitiker innerhalb der CSU appellieren – auch an Herrn Kobler, der für die Bürgerversicherung Sympathien hat, und an Frau Stamm –, zur Bürgerversicherung zu stehen und in ihrer Fraktion darum zu kämpfen. Ich bitte Sie, mit Ihrem Votum deutlich zu machen, was Sache ist.
Wir müssen klarmachen, wie notwendig die Einführung der Bürgerversicherung ist; denn wir brauchen nicht nur Reformen innerhalb des Systems, nicht nur die Mobilisierung der Wirtschaftlichkeitsreserven, nicht nur den Wettbewerb um Qualität und Transparenz, sondern wir werden auch auf lange Sicht eine Reform auf der Einnahmenseite brauchen. Uns ist es wichtig, alle einzubeziehen und die Solidarität aller für die gesetzliche Krankenversicherung einzufordern, so dass das Krankenversicherungswesen dadurch gestützt wird. Für eine wirkliche und nachhaltige Senkung der Lohnnebenkosten ist
die Bürgerversicherung ein Instrument. Die bisherigen Berechnungen der Rürup-Kommission ergeben Einnahmen von 14 Milliarden e. Dieser Betrag ist kein Pappenstiel, sondern ergibt, in Prozentzahlen umgerechnet, eine Marge von 1,4 Prozentpunkten. Ich fordere Sie deshalb alle dazu auf, die Bürgerversicherung aktiv zu begleiten.
Kernpunkt wird eine allgemeine Versicherungspflicht sein, auch für Selbstständige, für freie Berufe, für alle Abgeordneten und für die Beamten. Wir kennen die Pensionslasten und wissen, welche Mittel für die Beihilfe ausgegeben werden. Wenn man in Zukunft die jungen Beamten einbezieht, hätte man keinerlei Probleme mit der so genannten Besitzstandswahrung.
Wegen der demografischen Entwicklung wird es künftig notwendig sein, auch die anderen Einkommensarten bei der Beitragsbemessung zu berücksichtigen. Wir werden auch darüber debattieren müssen, ob Ehepartner – abgesehen von jenen, die Kinder erziehen oder Angehörige pflegen – auch selbst Beiträge einbezahlen. Da Herr Seehofer auch hierzu einen Vorschlag gemacht hat, möchte ich von Ihnen wissen, ob Sie mit der Einbeziehung der Ehepartner der Besserverdienenden einen Anfang wagen wollen.
Die Bürgerversicherung wird die Versicherung der Zukunft sein. Dieser Vorschlag löst Bedenken aus, auch wegen der Besitzstandswahrung, nach dem Motto: Das haben wir noch nie gehabt, und das wollen wir auch nicht. Ich weiß, welche Schwierigkeiten damit verbunden sind, zum Beispiel bei der Einbeziehung der Beamten. Ich kenne auch die Schwierigkeiten, die eine Berücksichtigung der anderen Einkunftsarten bei der Beitragsbemessung mit sich bringt. Es zeugt aber von fehlender politischer Weitsicht, deshalb die Fahne der Bedenkenträger zu schwenken und zu sagen, man brauche gar nicht erst an der Umsetzung zu arbeiten. Ich will zwar nicht behaupten, ein Hellseher zu sein, aber ich glaube fest daran, dass die Bürgerversicherung kommen wird, weil sie aus Struktur- und Gerechtigkeitsgründen notwendig und überfällig ist. Deshalb muss man heute schon Vorbereitungen dafür treffen. Schließen Sie sich Ihrem Experten Seehofer an und stimmen Sie unserem Antrag zu; das wäre für Sie eine günstige Gelegenheit.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Zu diesem doch sehr sensiblen Thema möchte ich vorweg einige grundsätzliche Anmerkungen machen. Frau Kollegin Schopper, da Sie von mehr Ehrlichkeit gesprochen haben, möchte ich vorweg feststellen, dass sich dieser Antrag an den falschen Adressaten richtet. Gestern wurden in Berlin die Verhandlungen von den Delegationen aufgenommen. Ihr Anliegen sollte eigentlich dort eingebracht werden. RotGrün stellt nach wie vor die Bundesregierung. Ich habe mir gestern die Mühe gemacht zu recherchieren, ob sich innerhalb der Bundesregierung auch nur eine Spur eines
derartigen Gedankengutes findet. Dazu kann ich nur sagen: Zu diesem Vorschlag in Berlin völlige Fehlanzeige. Obwohl man für diesen Antrag gewisse Sympathien haben kann, zielt er derzeit in die falsche Richtung.
Ich möchte noch einige grundlegende Anmerkungen zur gesetzlichen Krankenversicherung machen. Sie alle wissen, dass die GKV in Deutschland nach einer Regierung durch Rot-Grün von viereinhalb Jahren in der tiefsten Krise seit ihrem Bestehen steckt. Primäre Probleme der GKV sind die sinkende Zahl der Beitragszahler, die steigende Anzahl der Arbeitslosen und die dadurch bedingten Einnahmeausfälle, eine kaum noch wachsende Produktivität und immer mehr ältere Bürger. Rot-Grün – das muss um der Wahrheit willen gesagt werden – hat in ganz wesentlichem Maße dazu beigetragen, das Gesundheitswesen an die Wand zu fahren. So haben Sie 1998 Reformen der unionsgeführten Bundesregierung, zum Beispiel Zuzahlungsregelungen, zurückgenommen, Leistungen ausgeweitet und den Wettbewerb unter den Kassen eingeschränkt. Ihre verfehlte Wirtschaftspolitik hat zur höchsten Arbeitslosigkeit seit der Wiedervereinigung geführt. 100000 Arbeitslose mehr bedeuten 2,3 Milliarden e an Steuern und Beiträgen weniger. Die Folge: Die Beiträge zur GKV sind von 13,6% auf knapp 15% gestiegen, Arbeitsplätze wurden ins Ausland verlegt, und die Schattenwirtschaft wurde aufgrund der hohen Abgabenquote weiter angeregt. 1998 hatten die Kassen noch 1 Milliarde e Überschüsse; heute haben sie trotz der Beitragserhöhung Schulden von 6 Milliarden e. Der Beitragssatz würde bei 15% liegen, wenn man dieses Defizit mit einrechnet.
Eine Zweiklassenmedizin ist immer stärker im Vormarsch. Eine uneingeschränkte medizinische Versorgung erhalten praktisch nur Privatpatienten und auch Sozialhilfeempfänger, die nicht unter die Budgetierung fallen. Gesetzlich Versicherte leiden unter der Rationierung.
Frau Kollegin Schopper, Absatz 1 und Absatz 2 Ihres Antrags widersprechen einander völlig; ich komme später noch darauf zu sprechen. An dieser Stelle ist es nicht möglich, auf Details in beiden Verhandlungspaketen zur Gesundheitsreform einzugehen. Ich möchte nur einige Trends aufzeigen. Die Nachfrage nach Gesundheitsleistungen steigt permanent und wird auch weiter steigen. Das hat mehrere Ursachen: die allgemeine Steigerung der Ansprüche an Gesundheitsleistungen, Ausweitung der medizinischen Möglichkeiten, ein wachsender Bedarf an Diensten für Ältere und Pflegebedürftige. All diese Dinge spielen hier herein.