Protocol of the Session on April 4, 2003

Nun komme ich auf die Forderungen unter den verschiedenen Spiegelstrichen des Antrags zu sprechen: Die Erhöhung des Anteils der politischen Bildung an den Lehrplänen wurde bereits durchgeführt, ebenso die stärkere Verankerung in den Stundentafeln. Die Überprüfung der bestehenden Lehrpläne findet zur Zeit statt. Jede Erhöhung des Anteils des Sozialkundeunterrichts, von der Kollege Odenbach gesprochen hat, setzt die Streichung in anderen Fächern voraus. Bisher wurde nur von der Fülle der Lehrpläne gesprochen, niemand hat sich generell über den Mangel an Inhalten beschwert. Wer Ausweitungen auf der einen Seite fordert, müsste auch sagen, wo er auf der anderen Seite einsparen möchte.

Frau Kollegin Münzel ist auf den Antrag der GRÜNEN zur Junior-Wahl eingegangen. Dazu hat die CSU einen eigenen Antrag nachgereicht. Wir haben uns nicht darauf beschränkt, den Vorschlag der GRÜNEN abzulehnen, sondern haben konstruktiv dargelegt, dass wir die Selbsttätigkeit der Schülerinnen und Schüler haben wollen. Allerdings haben wir das Instrumentarium JuniorWahl abgelehnt, weil es die Besonderheiten des bayerischen Landeswahlrechts nicht adäquat berücksichtigt hat. Wir wollen die Selbsttätigkeit, und wir fordern die Lehrkräfte auf, diese Anregung aufzugreifen. Meines Wissens tun sie das in vermehrtem Maße.

Nun einige Sätze zum Irak. Entscheidend ist, dass solche Demonstrationen nicht mit einem Streik verbunden sein müssen. Sie hätten gut und gerne auch außerhalb der Unterrichtszeit organisiert werden können. In einigen Fällen wurden solche Demonstrationen sogar am Samstag Nachmittag organisiert und wurden Unterschriften gesammelt, die dann sofort nach Berlin gefahren wurden, um sie den zuständigen Damen und Herren zu übergeben.

Die Attentate am 11. September 2001 in New York sind heute im Bayerischen Landtag nicht thematisiert worden. Schon damals haben die Schülerinnen und Schüler mit den Lehrkräften nicht nur im Sozialkundeunterricht dieses Thema erörtert, sondern auch im Religions-, Deutsch- und selbstverständlich im Geschichtsunterricht. Die fächerübergreifende Behandlung eines Themas haben wir in den letzten Jahren stets als wichtig hervorgehoben und betont.

Ein letzter Satz zu den Beteiligungsformen: Es wurde das Schulforum erwähnt. Es wird mit Leben erfüllt werden. Die CSU hat an dem Kongress „Basis 03“ teilgenommen, in dem es um die Rechte der Schülerinnen und Schüler ging. Staatssekretär Freller war anwesend und hat, ähnlich wie die anderen Parlamentarier der CSUFraktion, den jungen Leuten Gesprächsmöglichkeiten angeboten.

Ich habe dargelegt, warum die CSU den Antrag ablehnen wird. Die meisten seiner Inhalte sind in Arbeit oder bereits umgesetzt worden. Anträgen, die überholt sind, muss nicht zugestimmt werden. Die CSU wird diesen Antrag erneut ablehnen.

(Beifall bei der CSU)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat Herr Staatssekretär Freller.

Frau Präsidentin, Hohes Haus! Ich möchte die Aussagen von Herrn Abgeordneten Odenbach und von Frau Abgeordneter Münzel nicht unwidersprochen lassen.

Meine Damen und Herren, auf das Thema Krieg und Frieden, das von den jungen Menschen intensiv diskutiert wird, ist in der Tat in den Schulen sensibel einzugehen. Junge Menschen sind, wie Erwachsene auch, betroffen gewesen vom Kriegsbeginn. Ich habe Verständnis, dass junge Menschen viele Fragen haben und ihre Gefühle und Betroffenheit zum Ausdruck bringen wollen. Dass eine Demonstration in der Demokratie ein vernünftiger und guter Weg ist, um Gefühle, Wünsche, Hoffnungen, Erwartungen und Forderungen zum Ausdruck zu bringen, wird kein Demokrat verneinen.

(Wahnschaffe (SPD): Das ist ein Verfassungsrecht!)

In Ordnung. Demonstration ist ein völlig legitimes Mittel in der Demokratie, Anliegen zum Ausdruck zu bringen. Wahrscheinlich hat jeder von uns bereits bei Demonstrationen mitgemacht und dort zum Ausdruck gebracht, was ihm missfällt oder gefällt an dieser Gesellschaft.

Meine Damen und Herren, ich sage unmissverständlich, dass niemand etwas dagegen sagen wird, wenn ein junger Mensch bei einer Demonstration mitgeht und dort seinen Gefühlen Ausdruck verleiht.

(Pfaffmann (SPD): Das wäre ja noch schöner!)

Das ist gar keine Frage, Herr Pfaffmann.

Der Streit entzündet sich aber an einer anderen Frage. Gesellschaftliche Anlässe, für die es sich zu demonstrieren lohnt, dürfen nicht dazu führen, dass wir die Verantwortung der Schule, den Unterricht zu garantieren, außer Kraft setzen.

(Beifall bei der CSU)

Es kann nicht angehen, dass die Schulpflicht nicht mehr gilt, auch wenn der Anlass noch so wichtig ist, für den man demonstrieren will.

Auch der Krieg im Irak setzt die Schulpflicht in Bayern nicht außer Kraft.

(Beifall bei der CSU)

Es tut mit leid, wenn ich dies in dieser Klarheit formulieren muss, aber es ist so. Es kann nicht einfach und willkürlich darüber diskutiert werden, ob plötzlich keine Schule mehr stattfindet, weil ein Anlass in der Welt entsteht und junge Menschen verständlicherweise auf die Straße gehen wollen. Dem stehen Schulzeit und Schulpflicht entgegen. Ich habe mit vielen jungen Leuten darüber diskutiert, und etliche haben eingeräumt, es sei in der Tat glaubwürdiger, dann auf die Straße zu gehen und

für den Frieden zu demonstrieren, wenn es nicht mit dem Fernbleiben vom Unterricht in Verbindung gesetzt wird.

(Beifall bei der CSU)

Ich habe mit einer ganzen Reihe junger Leute gesprochen, auch mit meinen Kindern im Alter von 15, 17 und 19 Jahren, also dem betroffenen Personenkreis. Ich habe auch mit ihnen diskutiert, und sie alle haben letztlich eingeräumt, dass es eigentlich glaubwürdiger ist, wenn jemand am Nachmittag für den Frieden demonstriert und nicht unentschuldigt dem Unterricht fernbleibt.

(Beifall bei der CSU)

Zwei Feststellungen möchte ich noch einbringen. Erstens haben wir im Zusammenhang mit politischer Bildung klar gesagt, es sei wichtig, dass unsere Schulen das Thema „Krieg und Frieden“ und alles, was damit zusammenhängt, aufgreifen. Dort ist der richtige Ort, wo man im Rahmen politischer Bildung dieses Thema aufnehmen und mit den jungen Leuten diskutieren soll.

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage? –

In diesen Tagen des Kriegsbeginns sind etliche Schulen – da möchte ich den Schulleitern und den betroffenen Lehrern eine große Anerkennung aussprechen – dazu übergegangen, in sehr vernünftigen Veranstaltungen mit ihren Schülern das Thema zu diskutieren bzw. emotional aufzufangen. Es gab eine ganze Reihe von Gottesdiensten, von Andachten und von Diskussionen in den Schulen, hervorragend und bestens durchgeführt; das ist für mich im besten Sinne des Wortes politische Bildung in der Schule. Das kann ich nur befürworten.

Die Ministerin hat eigens schon vor Beginn des Krieges in einem Brief an die Schulen gesagt, sie wünsche, dass an den Schulen das Thema „Krieg und Frieden“ artikuliert werde. Das ist der richtige Weg und der richtige Platz, wo man die Gefühle, Fragen, Sorgen und Ängste von Kindern und Jugendlichen entsprechend aufnimmt. Dafür ist die Schule da, dafür ist der Raum da, und diesen Raum haben unsere Schulen den Schülern gegeben. Dafür verdienen sie Lob, keine Schelte von Ihnen.

(Beifall bei der CSU)

Wir können die Schulpflicht nicht von vornherein generell aufheben, wenn am Vormittag demonstriert wird. Aber es ist in das Ermessen der Schulleitung gestellt, wie sie verfährt, wenn ein Schüler unentschuldigt dem Unterricht fernbleibt. Das kann in der Tat sehr unterschiedlich ausfallen. Aber der Schulleiter und der Lehrer kennt seine Schüler weitaus besser als wir.

Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie selbst haben zehn Jahre lang mehr Verantwortung für die Schulleiter eingefordert, Sie wollen, dass vor Ort entschieden wird.

(Frau Radermacher (SPD): Das ist doch Schwachsinn!)

Liebe Frau Radermacher, Sie waren selber Vorsitzende des Ausschusses, in dem immer wieder mehr Eigenverantwortung, Selbstständigkeit und Entscheidungsbefugnis der Schulleiter reklamiert wurde. Heute geben wir diese Entscheidungsbefugnis den Schulleitern – und Ihnen passt es wieder nicht. Es kann doch nicht sein, dass Schulleiter nur dann entscheiden sollen, wenn Ihnen die Entscheidung passt, und dass sie nicht entscheiden dürfen, wenn Ihnen die Entscheidungen nicht passen. Das kann nicht sein, das ist eine verkehrte Welt.

(Beifall bei der CSU – Frau Radermacher (SPD): Das stimmt doch nicht! – Zuruf der Frau Abgeordneten Marianne Schieder (SPD))

Liebe Frau Schieder, ich rege mich an der Stelle aus folgenden Gründen auf. Wir haben an unseren Schulen Schulleiter, Rektoren, Oberstudienrektoren, die mit dem Thema wirklich sehr verantwortungsbewusst umgehen und die genau wissen, wie sie reagieren, wenn ein Schüler dem Unterricht unentschuldigt fernbleibt. Das kann in der Tat verschiedene Reaktionen auslösen. Wenn zum Beispiel eine religiös motivierte Gruppe in der Betroffenheit des ersten Kriegstages mitdemonstriert, würde ich als Schulleiter völlig anders reagieren als bei Schülern, die schon wiederholt auffielen, weil sie dem Unterricht generell gerne fernbleiben. Da ist ein himmelweiter Unterschied. Das muss man vor Ort entscheiden lassen, und der Schulleiter muss selber sehen, was er macht, ob er die Eltern benachrichtigt, ob er lieber die Zeit nacharbeiten lässt oder aber sagt: Beweist bitte auch eure Friedensfähigkeiten, indem ihr einige Stunden in einem Altenheim aushelft. Das ist die Aufgabe eines Schulleiters; dorthin haben wir sie delegiert. Dort ist diese Aufgabe richtig angesiedelt. Es ist für mich ein Teil politischer Bildung, dass derjenige entscheidet, der die pädagogische Verantwortung für die Schüler trägt.

(Beifall bei der CSU)

Deswegen, sind wir in Bayern den richtigen Weg gegangen. Das Kultusministerium hat nicht gefordert, dass Verweise ausgeteilt und Schulstrafen ausgesprochen werden. Wir haben drei Dinge gesagt: Erstens, die Sorgen, Fragen und Nöte der Schüler sind ernst zu nehmen und im Unterricht in der Schule aufzuarbeiten; das ist wichtig und richtig. Zweitens haben wir gesagt, dass kein Anlass von der Schulpflicht entbinden könne, und drittens entscheidet der Schulleiter selber, wie er damit umgeht, wenn ein Schüler dem Unterricht fernbleibt. Es stünde auch Ihnen besser an, wenn Sie mit den Organisatoren der verschiedenen Demonstrationen sprächen, damit diese auf 13.00 Uhr oder 15.00 Uhr gelegt würden. Das wäre der Glaubwürdigkeit dienlicher, weil dieser Streit niemandem hilft, erst recht nicht den Schülern.

(Beifall bei der CSU)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat Herr Dr. Schuhmann.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zugrunde liegt der Antrag: Verstärkung der politischen Bildung. Den Abschlusssatz von Herrn Kollegen Odenbach, dass es offensichtlich auch bei führenden Leuten noch an politischer Bildung mangele, kann ich nur unterstreichen.

Überall gilt der Grundsatz, – auch im Juristischen –, dass außergewöhnliche Situationen außergewöhnliche Maßnahmen erfordern. Dass sich die Staatsregierung bei „außergewöhnlichen Maßnahmen“ fast immer nur auf den Justamentsstandpunkt stellt, ist an politischer Bildung auch in diesem Land einfach zu wenig.

(Frau Radermacher (SPD): Genau das ist es!)

Herr Staatssekretär, wir verkennen nicht, dass Sie hier im Hinblick auf das Recht der Schulleiter auch positiv eingewirkt haben. Aber das Eigenartige ist – wir kennen uns nun schon einige Jahre –, dass Herr Freller immer dann laut wird, wenn er selber merkt, dass er auf schwachem Boden steht. Wenn Herr Freller über das Ziel hinausging, bezichtigt er uns, wir würden praktisch die Schüler kritisieren, die außerhalb des Unterrichts protestierten.

(Beifall bei der SPD)

Die Schüler, die es auf sich nehmen, außerhalb des Unterrichts zu demonstrieren – dafür gibt es in ganz Bayern einige sehr positive Beispiele –, haben meinen vollen Respekt, weil sie wirklich das Politische vom Event trennen. Ich nehme das ausgesprochen ernst.

Aber, lieber Herr Staatssekretär, so kann es nicht sein, dass wir uns nur darauf beschränken; denn unser Antrag ist der Beweis dafür, dass in neun Jahren Gymnasium ein Schüler, der nicht gerade in der Kollegstufe den Grund- oder Leistungskurs Sozialkunde belegt, nur zwei Wochenstunden politische Bildung hat. Bei mehr Sozialkunde könnte man bereits im Vorfeld über die Dinge ganz anders aufklären, was gerade in so außergewöhnlichen Situationen notwendig ist. Deshalb bitte ich um Zustimmung zur Verstärkung der politischen Bildung in Bayern.

(Beifall bei der SPD)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat Herr Pfaffmann.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich habe mich gemeldet, weil ich es unerträglich finde, mit welcher Arroganz hier der Staatssekretär auf die Schüler schimpft, die ein demokratisches Grundrecht wahrgenommen haben. Herr Staatssekretär, Sie beschimpfen im Grund nicht nur die Schülerinnen und Schüler, sondern auch die Landesschülervertretung, den Bayerischen Jugendring, die Kreisjugendringe, und das finde ich einen unerhörten Vorgang.

Auf der einen Seite beschwören Sie hier, fast mit Schaum vor dem Mund, das demokratische Recht der jungen Leute auf Demonstration. Wenn Sie dieses Recht