Protocol of the Session on July 17, 2019

Zweite Bemerkung: Sie sagen, die Kommunen seien begeis tert. Ich empfehle die Lektüre der heutigen Ausgabe der „Stuttgarter Zeitung“. Ich kann nicht alles zitieren. Der Bil dungsdezernent des Städtetags, Herr Brugger, wird mit der Aussage zu den Ganztagsschulen zitiert, die Zuweisung sei völlig unzureichend und schrecke Schulleitungen ab. Wie kön nen Sie hier davon reden, dass die Kommunen Ihre Pläne be grüßen würden?

(Beifall bei der SPD und des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: 60 zusätzliche Stellen sind dafür vorgesehen! – Zu ruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Letzten Endes, Frau Kollegin Boser: Der eigentliche Skandal sind doch nicht nur die Lehrerstellenstreichungen. Der eigent liche Skandal ist, dass bei den Gymnasien der Unterrichtsaus fall gestiegen ist, gleichzeitig 2 500 arbeitslose gymnasiale Lehrkräfte auf der Straße sitzen und Sie da überhaupt nichts tun. Also reden Sie hier nichts schön.

(Beifall bei der SPD)

Nun erteile ich das Wort Herrn Abg. Dr. Fiechtner.

Sehr verehrte Frau Präsident, sehr verehrte Damen, sehr geehrte Herren!

Herr Abg. Dr. Fiechtner,...

Frau Präsident!

... ich nehme zur Kenntnis, dass Sie offenbar von der unangemessenen und unhöflichen männlichen Anrede meiner Person und meines Amtes auch heute nicht abrücken.

Wenn Frau Kurtz oder ich hier oben sitzen, dann leitet jeweils eine Präsidentin die Sitzung. Das mögen Sie sich vielleicht anders wünschen. Das haben die Damen und Herren Abge ordneten in diesem Haus so entschieden.

Jetzt fahren Sie bitte fort.

(Beifall bei den Grünen, der CDU, der SPD und der FDP/DVP)

Frau Präsident, ich deklariere ja Ihre geschlechtliche Zuordnung sehr wohl mit dem Wort Frau, und das Amt ist nun einmal das des Prä sidenten.

Reden Sie bitte zur Sache. Es geht von Ihrer Zeit ab.

Aber wir sind auch nicht hier, um an dieser Stelle linguistische Genderdis kussionen zu führen.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Genau!)

Jetzt kann man sich auch überlegen, was die FDP/DVP hier bringt – eigentlich immer die gleichen Themen. Mit mangeln dem Ideenreichtum hat das jedoch wenig zu tun. Herr Rülke sammelt eben schon jetzt fleißig Videomaterial für den Wahl kampf 2021. Dass er da auch die zukünftige Spitzenkandida tin nicht auslassen kann, liegt auf der Hand.

Baden-Württemberg ist im Bildungsbereich massiv abgesackt. Das liegt nicht nur an Frau Minister Dr. Eisenmann, denn sie ist eine der wenigen, vor denen ich überhaupt noch, was die CDU anlangt, Respekt empfinden kann. Sie muss zum Teil einfach das ausbaden, was sie von Grün-Rot übernommen hat und was mit nachhaltiger Schadenswirkung noch immer im Bildungsbereich herumwabert.

Wirklich verbessert hat sich bislang allerdings nichts. Anstatt den grün-roten Einheitsbrei radikal zu ändern, hält sie in wei ten Teilen leider daran fest und nimmt nur kleine Änderungen vor. Auch an der Totgeburt „ella“ hält sie weiter fest und ver senkt mehrere Millionen. Sie hat sich mit der Neuausschrei bung natürlich genug Luft geschaffen, denn die Bildungsplatt form wird, wenn überhaupt, erst nach den Landtagswahlen an den Start gehen. Immerhin gibt unsere Kultusministerin zu, dass es kein rein grün-rotes Versagen ist, sondern auch die schwarz-gelbe Regierung daran Schuld trägt. Seit Jahrzehn ten schon schraubt man ja erfolgreich ein erfolgreiches Bil dungssystem kaputt.

Zum Schluss möchte sie auch noch ein Zentralabitur einfüh ren. Aber dieser Schuss wird sicherlich nach hinten losgehen.

Man sollte danach streben, dass Baden-Württemberg endlich wieder an die Spitze kommt. Frau Minister Dr. Eisenmann, Ihnen traue ich das in der Tat zu.

Doch die große Frage, die sich bei diesem Thema stellt, ist doch eigentlich: Wie würde das Kultusministerium unter der Führung der FDP aussehen? In Nordrhein-Westfalen hat das FDP-geführte Schulministerium einer Unternehmerin, die der FDP 50 100 € gespendet hat, einen Auftrag im Volumen von 600 000 € erteilt. Wenn das die Art ist, wie Sie, liebe FDP, Re

gierungsverantwortung interpretieren, dann kann ich nur hof fen, dass Sie nicht mehr an die selbige kommen.

Nun erteile ich Herrn Abg. Dr. Gedeon das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Auf einen kapitalen Klops, den die Regierung im Zusammenhang mit der Bildungspolitik ge schossen hat oder sich geleistet hat, sind wir noch nicht zu sprechen gekommen.

Wovon rede ich, Herr Kretschmann? Ich erinnere mich: Die Rede, die Sie gehalten haben, als es im Zusammenhang mit den Zuschüssen zur Digitalisierung um eine Grundgesetzän derung ging, war die einzige, bei der auch ich applaudiert ha be. Sie fing nämlich mit der Frage an: Wie weit wollen wir mit der Selbstentmachtung dieses Parlaments noch gehen? Genau das war der Punkt.

Aber was haben Sie dann gemacht? Sie und Ihre Regierung, Herr Ministerpräsident, sind eingeknickt. Die Grundgesetz änderung ist gekommen. Der Vermittlungsausschuss hat Ih nen das Ganze vorgelegt, und Sie haben nachgegeben. Das war ein Dammbruch. Das Herzstück unserer Politik ist die Kulturpolitik im Föderalismus. Da haben Sie die Tür aufge macht – die haben jetzt den Fuß drin – und mehr Zentralis mus und weniger Föderalismus geschaffen. Das, meine Da men und Herren, wollen wir nicht. Das muss hier heute der Regierung noch einmal ganz klar gesagt werden. Ich hoffe, Sie haben es mitbekommen, Herr Kretschmann.

Meine Damen und Herren, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Ak tuelle Debatte beendet und Punkt 1 der Tagesordnung erle digt.

Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:

Große Anfrage der Fraktion GRÜNE und der Fraktion der CDU und Antwort der Landesregierung – Zukunft des Ehrenamts in Baden-Württemberg – Drucksache 16/3874

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Ausspra che eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion und für das Schlusswort der die Große Anfrage stellenden Fraktionen ei ne zusätzliche Redezeit von fünf Minuten festgelegt. Die Fraktion GRÜNE und die Fraktion der CDU sind übereinge kommen, die für das Schlusswort zur Verfügung stehende Re dezeit zu teilen, sodass ihnen jeweils insgesamt 7,5 Minuten Redezeit zur Verfügung stehen.

In der Aussprache erteile ich Frau Abg. Seemann für die Frak tion GRÜNE das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ehrenamt, das ist ein Begriff, der eher etwas verstaubt und aus der Zeit gefallen wirkt. In den vergangenen Jahrhunderten verstand man darunter tatsächlich das, was der eigentliche Wortsinn auch aussagt, nämlich ein öffentliches Amt, das mit viel Reputation hinterlegt ist und den Inhabern – zumeist Männern – zur Ehre gereichte.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das waren noch schöne Zeiten!)

Wie sieht es heute aus? Ehrenamt hat viele Gesichter. Wich tig ist: Menschen engagieren sich für eine gemeinsame Sache und füreinander. Ob wir es jetzt Ehrenamt oder bürgerschaft liches, soziales Engagement nennen, ob wir es Partizipation oder Teilhabe nennen: Im Kern geht es eigentlich darum, dass Menschen freiwillig und unbezahlt aus innerem Antrieb her aus unser Zusammenleben gestalten, weil sie dies wichtig fin den, weil ihnen dies Spaß macht. So wird Gemeinschaft ge lebt.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Die Tätigkeitsfelder sind so bunt wie unsere Gesellschaft selbst. Egal, ob im Sport, in der Kultur, im sozialen Bereich, in der Kirche, im Umweltschutz, im Tierschutz: Wichtig ist einfach die Tatsache, dass sie es tun.

Seit ich mich intensiv mit dem Ehrenamt beschäftige, habe ich viele Menschen kennengelernt, die wirklich Großartiges leisten und die nicht nur ihr eigenes Leben, sondern eben auch das vieler anderer Menschen bereichern.

Diese Einstellung, diese Geisteshaltung macht etwas mit un serer Gesellschaft. Sie macht sie zu einer Mitmachgesell schaft, die geprägt ist von Zusammenhalt, Gemeinschaft und Miteinander.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Baden-Württemberg ist das Land des Ehrenamts. Wir sind ganz vorn dabei, wenn es darum geht, sich zu engagieren. Da her ist es für die Landesregierung und für uns Grüne eine Her zensaufgabe, das Ehrenamt zu unterstützen.

Die Antwort auf unsere gemeinsam mit der CDU gestellte An frage zu diesem Thema zeigt: Wir haben viel erreicht, aber es gibt noch viel zu tun.

Dabei gibt es unterschiedliche strukturelle Gegebenheiten in unserem Flächenland. Der ländliche Raum in Baden-Würt temberg weist eine Ehrenamtsquote von 52,6 % aus – einer seits, weil ohne die ehrenamtlichen Angebote einfach weni ger los wäre, andererseits, weil die Mitgliedergewinnung hier viel persönlicher geschieht.

Im urbanen Raum gibt es viel mehr konkurrierende Angebo te. Insbesondere junge Menschen wollen sich nicht mehr gern längerfristig engagieren und binden. Hier sehe ich die Chan ce im projektbezogenen, zeitlich begrenzten Ehrenamt.

Die Digitalisierung kann die Weiterentwicklung ehrenamtli cher Strukturen erleichtern. Das gilt insbesondere dann, wenn es darum geht, Ehrenamtliche miteinander zu vernetzen oder auch kurzfristig agieren zu können.

Die Landesregierung hat die Engagementstrategie BadenWürttemberg gemeinsam mit allen Akteurinnen und Akteu ren entwickelt. Darin enthalten ist ein umfassender Maßnah menkatalog. Es geht vor allem darum, vorhandene Strukturen zu stabilisieren, mehr Menschen und Gruppen – gerade auch solche, die bisher unterrepräsentiert sind – für das Ehrenamt zu begeistern und miteinander zu vernetzen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Die Strategie wirkt. Beispielsweise hat die Evaluierung des Programms „Gemeinsam sind wir bunt – Lebensräume zu En

gagement-Räumen entwickeln“ gezeigt: Damit konnte ein großer Beitrag zur Stärkung lokaler Identität geleistet werden. Die verschiedensten Projekte haben Impulse gesetzt und vor Ort viel nachhaltig bewegt.

Ebenso ist die Engagementstrategie für die Entwicklung der Landesstrategie „Quartier 2020 – Gemeinsam.Gestalten.“ ei ne wichtige Grundlage. Generationengerechtigkeit geht nur mit Engagement und Beteiligung.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)