da verspricht man, „Gegner an die Wand“ zu stellen. Man ap plaudiert Demonstrationen, auf denen Galgen für die Bundes kanzlerin herumgetragen werden.
Und ein Mitarbeiter der AfD-Fraktion in diesem Landtag twit terte im Juli 2017, es sei glänzend gewesen, dass der chileni sche Diktator Pinochet Kommunisten aus Helikoptern habe werfen lassen. Zitat: „So muss das.“ Nein, sage ich, so muss das nicht, so darf das nicht in Deutschland, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen.
All das ist auch sprachliche Gewalt. Wir haben nun in diesem Fall des Walter Lübcke aufs Deutlichste erleben müssen, wo zu dies führen kann. Wer lange genug mit Sprache zuschlägt, schlägt irgendwann auch mit Gewalt zu.
Ich sage es noch einmal: Ich fürchte, wir haben bereits zu viel ausgehalten. Wir halten es aus, dass eine Partei, die auch in diesem Parlament vertreten ist, mindestens in ihrem rechten Flügel tief ins Nest der Rechtsradikalen reicht und dass sie an genau der Ideologieproduktion mitmacht, die rechte Gewalt legitimiert.
Es ist eigentlich auch nicht aushaltbar, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, dass gerade in einer solchen Situati on in manchen Ihrer Landesverbände jetzt offen darüber dis kutiert wird, mit einer solchen Partei zusammenzuarbeiten. Ich hoffe, dass die Aussage für die Nichtzusammenarbeit die nächsten Landtagswahlen in Deutschland auch überlebt, lie be Kolleginnen und liebe Kollegen.
(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Bernd Gögel AfD: Mit Ihnen geht es ja nicht mehr! – Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)
Ihnen sage ich eines ganz deutlich: Für eine Partei wie die SPD, deren Mitglieder zwischen 1919 und 1945 selbst von politischen Morden Rechtsextremer betroffen waren, ist al lein schon der Versuch unerträglich, sich diesen Brandstiftern anzunähern.
Was ich auch nicht aushalten möchte, ist, dass wir nach dem Fall Lübcke wieder zur Tagesordnung übergehen, nach einem politischen Mord, den es nach allem, was wir wissen, nicht ohne eine monatelange Hetzkampagne gegeben hätte, eine Hetzkampagne, die wir zu lange zu ignorieren versuchten, weil wir das für das beste Mittel hielten.
Entschuldigung, Herr Abg. Stoch. – Bitte stellen Sie jetzt Ihre Selbstgespräche ein. Es ist unglaublich unruhig.
(Abg. Anton Baron AfD: Sie sollten sich an die Ge schäftsordnung halten! Das ist doch nicht zu fassen! – Gegenruf des Abg. Arnulf Freiherr von Eyb CDU: Nicht mit dem Finger auf die Präsidentin!)
(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Anton Baron AfD: Sie sollten sich an die Ge schäftsordnung halten! Unfähig!)
Herzlichen Dank. – Ich erinnere an das gestrige Zitat von Herrn Bundestagspräsident Wolf gang Schäuble. Wolfgang Schäuble hat eines sehr deutlich ge macht: Wer in Parlamenten und auch außerhalb der Parlamen te eine Sprache gebraucht, die Gewalt bereitet, der ist mit schuldig an dem, was an tatsächlicher politischer Gewalt ge schieht.
Da möchte ich hier von Ihnen ein klares Wort hören, mit dem Sie sich distanzieren und nicht auf andere vermeintliche Ge fahren hinweisen. Rechtsextremismus in Deutschland hat Men schen umgebracht, und dieser Rechtsextremismus wird von Ihnen politisch vertreten.
(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der Grü nen, der CDU und der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Anton Baron AfD – Unruhe)
Aber was sind die besten Mittel, um dem entgegenzutreten? Wenn es um Gewalt und Gewaltbereitschaft geht, sind wir uns einig, und wenn es darum geht, Rechtsextreme oder auch Reichsbürger zu entwaffnen, ist Baden-Württemberg auch ei nige gute Schritte weitergekommen. Da wird der Innenminis ter auch keine Kritik von mir hören. Dass er damals eine Ini tiative der SPD aufgegriffen hat, soll auch keine Rolle spie len – Hauptsache, es wurde gehandelt gegenüber den gefähr lichsten Extremisten, die derzeit in diesem Land unterwegs sind.
Und ja, Extremismus ist eine Gefahr für die Demokratie. Aber die Zahl der Rechtsextremen in Deutschland hat sich in den
letzten Jahren in einem solchen Umfang erhöht, dass beson ders der Rechtsextremismus unsere Aufmerksamkeit braucht. Ich denke, wir sollten gerade eine solch schreckliche Tat wie den Mord an Walter Lübcke zum Anlass nehmen, nicht nur an die äußersten Extreme zu denken. Denn die äußersten Extre me entstehen aus einer Verschiebung der politischen Diskus sion und des politischen Diskurses insgesamt. Wenn Rechts extremismus und rechte Gewaltbereitschaft eine Krankheit sind, die dieses Land bedroht, dann kann man nicht nur in Quarantäne schicken und eine Isolierstation aufbauen, dann muss man an Impfstoffe denken, an Vorbeugung, an das Ver meiden von Ansteckung.
Was wir alles tun können, liegt dem Landtag detailliert vor, und zwar in den Handlungsempfehlungen des NSU-Untersu chungsausschusses und in dessen Abschlussbericht, der im vergangenen Dezember vorgestellt wurde. In einem breiten Bündel von Empfehlungen geht es immer wieder auch um Prävention. Diese Prävention muss erfolgen. Ich erinnere an die Empfehlungen zur Bekämpfung der rechtsextremistischen Musikszene, eines Nährbodens, auf dem die rechtsextreme Szene arbeitet.
Hier eine bessere und verstärkte Polizeiarbeit zu fördern bringt keinen solchen Soforterfolg wie das Einsammeln von Waffen. Aber dies kann viel verhindern – wie wir wissen, sogar Ge walttaten.
Der Ausschuss schlägt auch vor, dass das Wissen über die rechtsextreme Szene in der Polizei noch umfassender weiter gegeben werden muss. Jeder Polizist und jede Polizistin weiß, was ein Fingerabdruck ist und wie man damit umgeht. Genau so selbstverständlich muss der Umgang mit den gesellschaft lichen Fingerabdrücken der Rechtsextremen sein. Wir müs sen Verhaltensmuster erkennen, um Gefahren bannen zu kön nen.
Nein, vielen Dank. – Der Aus schuss schlägt mehr Weiterbildung und mehr Spezialisierung vor, bei der Polizei wie auch beim Verfassungsschutz. Auch das ist kein Weg, der schnelle Erfolge bringt, aber es ist der richtige Weg, und wir sollten ihn gemeinsam gehen.
Auch die Mahnung des Untersuchungsausschusses nach ei ner besseren, länder- und behördenübergreifenden Zusammen arbeit ist wichtig und sollte umgesetzt werden.
Die Empfehlungen des Ausschusses für einen besseren Blick auf die Gesamtermittlungen und das Erkennen von Vernetzun gen unterschiedlicher Kriminalitätsbereiche haben angesichts des Falls Lübcke ebenfalls eine traurige Aktualität gewonnen. Da draußen ist eine kleine, aber gefährliche Zahl Rechtsext remer unterwegs, die ein ständiges Risiko darstellen. Deswe gen muss der Staat und muss die Mehrheit der Gesellschaft sich auch ständig zur Wehr setzen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn wir das um setzen, was im NSU-Untersuchungsausschuss an Erkenntnis sen gewonnen wurde, wenn wir dieser rechtsextremen Gefahr entgegentreten, ihr auch im politischen und gesellschaftlichen Feld offen entgegentreten und nicht davor zurückschrecken, dann, so hoffe ich, wird das nicht länger stimmen, was Ralph Giordano damals nach der Aufdeckung der NSU-Morde als ein Fallen „aus allen Wolken ihrer Ahnungslosigkeit“ be schrieben hat. Diese Ahnungslosigkeit müssen wir beenden.
Spätestens jetzt weiß jeder, welche Gefahr hinter dem Rechts extremismus in Deutschland steckt und wer auch politisch die Verantwortung für diese Geschehnisse trägt. Wir müssen als Demokraten, die für diese offene und freie Gesellschaft ein treten, alles dafür tun, diese Gesellschaft vor Rechtsextremis ten, vor Mord und vor Schmähungen demokratischer Institu tionen zu schützen.
Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Die Debatte belegt: Erst die Sprache macht den Menschen zum Menschen. Politik braucht und Po litik ist Sprache, und wenn sich die Sprache verändert, verän dert sich auch das Wesen, verändert sich auch das Klima der Politik.
Wir erleben aktuell eine besorgniserregende Entwicklung. Worte und Inhalte werden verbogen, Werte verleugnet, es wer den Hass und Zwietracht gesät. Die AfD leistet einen Beitrag dazu, die Verrohung der Sprache salonfähig zu machen. Mit glieder Ihrer Partei gerieren sich als Biedermänner. Durch das Aufheizen des politischen Klimas – mitunter bewusst, mitun ter auch unbewusst – kommt es dazu, Brandstifter zu motivie ren und möglicherweise deren Werke zu fördern.
Insoweit ist es gut und leider auch notwendig, dass u. a. auch die Junge Alternative Baden-Württemberg vom Landesamt für Verfassungsschutz beobachtet wird, weil eben tatsächlich Anhaltspunkte vorliegen, dass in der Jugendorganisation der AfD Bestrebungen gegen die freiheitlich-demokratische Grund ordnung gegeben sind.
Tausende von Menschen, die sich beruflich oder ehrenamtlich in der Kommunalpolitik, in den Kirchen, in den Vereinen en gagieren, sollen durch Anfeindungen – nicht selten in der ver meintlichen Anonymität der sozialen Medien – eingeschüch tert und der Lächerlichkeit preisgegeben werden.
Die Geschichte lehrt uns aber: Die Verrohung von Taten be ginnt mit der Verrohung der Worte. Der schreckliche Fall Lüb cke zeigt, was passiert, wenn die üble Saat von Hass, Verleum dung, Niedertracht im realen Leben aufgeht. Unsere Demo kratie muss wehrhaft bleiben und sich den Einschüchterungs versuchen konsequent widersetzen. Auch der Rechtsstaat darf hier nicht länger zuschauen. Dies gilt auch und im Besonde ren für unser entschlossenes Handeln gegen Antisemitismus.
Doch wer sind die Brandstifter, warum werden sie zu Straftä tern, wie müssen wir, wie muss der Staat reagieren? In der Konsequenz aus dem NSU-Untersuchungsausschuss des Land tags von Baden-Württemberg hat die Fraktion der FDP/DVP die Einrichtung einer Enquetekommission angeregt, die Lö sungen genau für diese Fragen aufzeigen soll. Leider wurde diesem Anliegen von den anderen Fraktionen nicht gefolgt.
Gleichwohl: Die zahlreichen und erschreckenden Vorkomm nisse in jüngster Zeit zeigen, dass das Thema Rechtsextremis mus nicht mit dem Abschluss des NSU-Untersuchungsaus schusses und auch nicht mit dem Abschluss des Verfahrens in erster Instanz vor dem Oberlandesgericht München erledigt ist.
Wir wissen aus dem NSU-Desaster – im Übrigen ein Lehr stück, das die Probleme bei der Bekämpfung von Rechtsext remismus schonungslos offenlegt –, dass rechtsterroristisch Handelnde in der Regel in kleinen Zellen aktiv sind, aber nicht breit organisiert sind – ganz in Anlehnung an Turners Tage bücher, quasi dem Handbuch für Rechtsextremisten, in dem das Konzept des führerlosen Widerstands, die Eskalation ei nes brutalen Rassenkriegs durch nationalsozialistische Unter grundzellen zur Begründung der weißen Vorherrschaft propa giert wird.
12 700 als gewaltbereit bekannte Rechtsextremisten – Stephan E., der mutmaßliche Mörder von Walter Lübcke, war im Übrigen nicht dabei – dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen: Ge fahr droht nicht nur von nationalistischem oder völkischem, sondern auch von linkem oder von religiösem Extremismus. Um dieser Gefahr bestmöglich zu begegnen, müssen wir die Analysefähigkeit der Behörden stärken, diese in die Lage ver setzen, insbesondere rechtsterroristische Zellen, ihre Netzwerke und insbesondere auch die Finanzierungswege früher und um fassender aufzuklären als bisher.